Schuld und Abwehr nach der Massenpanik

Nach dem Tod von 20  Opfern der Massenpanik in Duisburg werden Verantwortliche gesucht – mit allen Merkmalen einer kollektiven Verdrängungsleistung.

Da ist zunächst die Rationalisierung durch Naturalisierung. Ein Psychologe erklärt im Fernsehen die Wirkung von Panik: In der Umgehung des Großhirns gelangen angsterregende Informationen direkt zur Amygdala und lösen dort reflexionslose Handlungen aus. Auf dem gleichen Niveau bewegen sich die zahlreichen „effects“, die angeblich natürlich in Menschenmassen stattfänden.

Ein anderes Symptom ist die durchaus zu befürwortende Suche nach Verantwortlichen auf höherer Ebene: aus ökonomischen Gründen seien Sicherheitsbedenken, die vorher im Internet geäußert wurden, von Veranstaltern und Stadtpolitik nicht berücksichtigt worden. Mal ist es der Oberbürgermeister, mal wieder der Veranstalter.

Und nicht zuletzt richten sich krude reaktionäre Ideologien am Ereignis auf. Eva Hermann (bereits früher Thema) will in Sexualität und Dekadenz die Ursache für die Panik sehen und projiziert die Schuld auf die 68-er. Die Junge Welt projiziert ihre eigenen Qualitäten auf die Raver:  unintelligent und dumpf seien die, hätten es kaum besser verdient.

Was bislang unbesprochen bleibt: Die Schuld der Masse, die sich nicht spontan auf eine erkennbare Bedrohung hin zu organisieren wusste. Jede und jeder der da mal im pubertären Scherz, mal in der freudigen Erwartung bald mit Oliver Pocher und Vladimir Klitschko zu raven, mal aus unbändiger Angst heraus drückte, schob und trampelte hat seinen Teil beigetragen zum Tod der 20. Dadurch wird eine für das Selbstbild unerträgliche Schuld aufgehäuft, was in Verdrängung und Projektion mündet. (vgl. Theodor W. Adorno: „Schuld und Abwehr“)

In dem gewaltsamen Paroxysmus erschrickt die neobürgerliche Gesellschaft vor ihrem entschleierten Gesicht. Hier haben alle gegen ihre Interessen gehandelt indem sie ihr Interesse, das eigene Überleben, vertraten. Die Einzelaktionen entfalten in der Masse eine Gewalt, die jedes Individuum für sich machtlos werden lässt, es unter tonnenschweren Druckwellen von den Beinen reißt, wo es selbst nur ein paar Kilogramm nach vorne drückte. Die eigene Ohnmacht dem gegenüber wird internalisiert.

Und so folgt zwangsläufig der Appell an den Staat, solche Massen besser zu überwachen, damit sie sich nicht selbst gefährden. Das setzt ein Bild von Unmündigkeit voraus, das gar nicht einmal falsch ist in der Diagnose sondern in seiner Zementierung der Verhältnisse. Keiner suggeriert, dass es nicht so sein müsste. Dass sich Millionen lustvoll und selbstbewusst treffen könnten ohne vor der Macht, die diese Menge ausstrahlt in Verzückung oder Panik zu verfallen, ohne dieser Masse für die Entbindung von Strafinstanzen zu bedürfen und demzufolge von ihr auch das schlimmste  – Bestrafung – zu erwarten. Die Sicherheit, nicht aus dieser Masse herauszufallen wird erst durch eine tief empfundene Angst zur Lust, wobei die Lust nur noch jene der Strafvermeidung ist und nicht mehr an ihr ursprüngliches Begehren gebunden ist. (vgl. Theodor W. Adorno: „The stars down to earth“)

Fest etabliert sich so die Unmöglichkeit der abhängigen Individuen zur massenhaften Solidarität, zur Bewusstwerdung der Gewalt angehäufter Einzel-Entscheidungen. Die Massen können Stahlgitter verbiegen und sprengen aber nicht jenen Schwächeren helfen, die straucheln und zurückbleiben.

24 thoughts on “Schuld und Abwehr nach der Massenpanik

  1. Eine Forderung, dass Massen sich in Ausnahmesituationen selbst organisieren und vernünftig handeln sollen ist unrealistisch. Wie hätte die Masse sich informieren sollen, wann es wo wie weitergeht, wie hätte sie einen Konsens für Entscheidungen finden sollen? Wenn man einige Meter weiter vor lauter Menschen ohnehin nichts genaues sieht, was da los ist?

    Die Masse wurde von Veranstaltern gelenkt. Über festgelegte Strecke, durch Tunnel. Und zwar viel zu viele Menschen durch zu enge Tunnel. Wenn da *irgendwas* schief geht – und bei großen Menschenmassen wäre es ein Wunder, wenn überhaupt nichts passiert – muss ausreichend Raum vorhanden sein, um Verletzte schnell in Sicherheit bringen zu können und dergleichen.

    Ich glaube durchaus, dass auch einzelne Teilnehmer falsch und unverantwortlich gehandelt haben. Und egoistisch drängeln hat auch zu dieser Katastrophe beigetragen. Das ist schlimm.

    Aber genau damit muss man als Veranstalter rechnen – weil es sich einfach nicht vermeiden lässt, dass so etwas passiert! Genau deshalb darf es gar nicht so weit kommen, dass sich so viele Leute – noch dazu so kurz vor dem Ziel – stauen. Über längere Zeit. Das zu vermeiden ist einzig und allein Aufgabe des Veranstalters. Das muss Teil seines Risikomanagements sein. Das kann der einzelne Teilnehmer nicht übernehmen.

  2. Im Grunde hat der Verfasser hier recht. Es sind die Menschen in der Masse, die einander verletzt haben.

    Man kann argumentieren, dass die ein Teil der Massenteilnehmer Gerfaehrdungen Anderer in kauf genommen haben koennten.

    Man kann sich gut vorstellen, dass diese Teilnehmer jetzt selbst erhebliche Schuldgefuehle haben koennten.

    Wenn Sicherheitsbestimmungen uebergangen wurden , sollte dies geahndet werden. Aber pauschal den Kopf des Oberbuergermeisters zu fordern, macht mE keinen Sinn.
    Da muessten dann alle, die diese Veranstaltung gewollt haben, mithaengen.

  3. Es geht nicht darum, ob man eine große Veranstaltung möchte, sondern ob Bestimmungen und Sicherheitsanforderungen eingehalten wurden.

  4. Die Opfer gab es nicht im Tunnel, sondern an der Treppe. Das Gefühl andere schaffen es hier raus (und das über den vermutlich „einfachsten“ Weg) und ich stehe noch hier, schürt die Panik. Der große Fokus auf diese Treppe und die Angst zurückzubleiben hat meines Erachtens diese Panik aufgelöst. Eine laute (durch einen Megaphon) beruhigende Stimme der Polizei und Ordnungskräfte hätte da schon viel leisten können.

  5. Das kann gut sein, Helen. Manche wussten wohl gar nicht, dass es eigentlich über die Rampe weitergehen sollte – und das ging es auch nicht. Es hätte sich nie so eine große Menschenmenge aufstauen dürfen! Und das ist die Verantwortung der Organisatoren.

  6. Nun, es haben sich alle TeilnehmerInnen dazu entschieden an dieser Massenevent teilzunehmen, dessen Konzept sie im Vorfeld einsehen konnten und deren Ausmaß sie auf der Veranstaltung recht rasch erahnt haben werden. Einige haben sich aufgrund eigener Zweifel am Sicherheitskonzept dazu entschlossen, nicht an der Veranstaltung teilzunehmen, sie wurden in den Zeitungen als Mahner hinlänglich zitiert. Man darf also voraussetzen, dass diese Entscheidung möglich aber anscheinend die dazu benötigte Kritikfähigkeit nicht bei der Masse gegeben war. Das ist das ganze Problem. Millionen Menschen haben sich nicht dafür interessiert, was die Bedingungen und Folgen einer Veranstaltung sind, an der sie teilhaben. Ihre autoritäre Verregelung wird von ihnen schon so sehr vorausgesetzt, dass sie im Nachhinein eingeklagt wird.

    Warum etwa das Gerücht, eine erprobte und sehr funktionale Technik in Diktaturen zum Beispiel, nicht zum vollen Einsatz kam, kann ohne eine entsprechende Evalutaion kaum beantwortet werden. Ebenfalls rätselhaft ist, wieso Menschen diese Masse, von der sie im Fall der Panik nichts erwarten können außer Gewalt und Disintegration, so sehr ersehnen und suchen.

    Der Focus, den ich auf die Schuld der Individuen in der Masse legte, versucht dieses Verhältnis zu problematisieren. Zugleich ist es für die therapeutische Behandlung danach durchaus von Belang, dieses Schuldgefühl mitzudenken. Und ihm ein angemessenes Recht zu geben, diese Schuld nämlich nicht überwertig oder projektiv werden zu lassen, sondern sie zu reflektieren und als partikulare graduell anzunehmen – von jenen, die noch Widerstandsversuche leisteten und demzufolge kaum Schuld haben (möglicherweise aber die stärksten Schuldgefühle) bis hin zu jenen (als Wahrscheinlichkeit angenommenen) Spaßpaketen, die beim Stillstand auch mal etwas rabiater schubsten (und wahrscheinlich kaum Schuld empfinden, obwohl sie am meisten haben).

    Es gibt ein sehr üppiges Konvolut von Techniken, die in zahllosen Streik- und Demonstrationsbewegungen erarbeitet und überarbeitet wurden. Auch zu Massenpaniken gibt es ein sehr explizites Wissen. Wenn ich mich also in eine Masse von Menschen begebe, muss ich mich mit Leuten meines Vertrauens organisieren und präventive Maßnahmen ergreifen. Da die Love-Parade eher dem Phänomen „Lonely Crowd“ entspricht, kann eben diese Organisation nicht vorausgesetzt werden, weil Anonymität Enttabuierung verspricht. Darüber müssen sich die Individuen schon selbst Gedanken machen.

  7. „Ihre autoritäre Verregelung wird von ihnen schon so sehr vorausgesetzt, dass sie im Nachhinein eingeklagt wird.“

    => Das halte ich für zu pauschal gedacht, das einfach auf ein „autoritäres“ Denken zurück zu führen. Wenn ich auf ein Konzert gehe, dann studiere ich nicht drei Tage vorher Sicherheitskonzepte und Fluchtwegepläne der Veranstalter – abgesehen davon, dass das Leben fast unerträglich verkompliziert würde, wenn ich mich um ALLES und JEDES selbst kümmern müsste, spricht einfach eine gewisse Lebenserfahrung dafür, dass diese Dinge vom Veranstalter professionell geregelt worden sind. Darauf kann ich in aller Regel vertrauen, weil es einfach immer so ist – ist das nun schon „autoritär“? Ich würde sagen, das ist schlimmstenfalls eine Art von Bequemlichkeit, die aber dadurch gerechtfertigt ist, dass die Dinge eben üblicher Weise von einem Verantwortlichen (der ja auch als solcher fungiert und die Verantwortung sichtbar übernimmt) geregelt werden.

    „Ebenfalls rätselhaft ist, wieso Menschen diese Masse, von der sie im Fall der Panik nichts erwarten können außer Gewalt und Disintegration, so sehr ersehnen und suchen“.

    => Vielleicht ja, weil die Panik nicht der Regelfall, sondern die absolute Ausnahme ist? Genau so könnte man es „rätselhaft“ finden, warum sich Menschen in ein Auto setzen, um von A nach B zu kommen – angesichts tausender Verkehrstote jedes Jahr, und der Tatsache, dass im Falle eines Unfalls das Auto zur tödlichen Falle werden kann. Aber es ist nunmal der Regelfall, dass man lebendig ins Auto einsteigt, und lebendig wieder aussteigt. Und zwischendrin obendrein noch eine angenehme Fahrt hatte… genau so wie es bislang üblich war, von der Love Parade wieder lebendig nach hause zu kommen.

    • Ein Konzert ist aber etwas anderes als eine Veranstaltung zu der Millionen erwartet werden. Und auch bei Konzerten größeren Ausmaßes gab es Katastrophen, Roskilde etwa, so dass ich es eben nicht „einfach“ voraussetzen kann, dass schon alles immer ok ist. Massenveranstaltungen sind immer kritisch, solange Massen nicht kritisch sind – auf dem Oktoberfest etwa kommt es sehr regelmäßig zu Vergewaltigungen und sexuellen Belästigungen.
      Im Kino schaue ich zum Beispiel auf das Notausgang-Schild, das grün leuchtet und sagt: Hier bin ich. Dann kann ich mir denken, ok, gut gemacht, jetzt entspanne ich mich und sehe den Film.
      Und genauso könnte ich theoretisch voraussetzen, dass vernünftigen Menschen beim Anblick der Massen am Eingangsportal etwas mulmig wird und sie das Weite suchen. Dann muss ich fragen: Was wollen die trotzdem da?
      Es geht nicht darum zu sagen „selber schuld“, sondern die Reaktion in Frage zu stellen und mehr Eigenverantwortung einzufordern.

      • „Ein anderes Symptom ist die durchaus zu befürwortende Suche nach Verantwortlichen auf höherer Ebene:“

        Darin ist enthalten, dass die Veranstalter nicht frei von Schuld sind, nur weil die Individuen in ihrer Unmündigkeit eben auch einen Anteil am Geschehen hatten. Wenn es zu rechtskräftigen Verurteilungen kommt, begrüße ich das. Die Individuen in der Masse müssen selber aushandeln, in welchem Maße sie Schuld hatten.

  8. „In dem gewaltsamen Paroxysmus erschrickt die neobürgerliche Gesellschaft vor ihrem entschleierten Gesicht.“

    Soweit, so gut, dennoch ist dazu zu ergänzen, dass es sich bei der Art der Masse um eine bürgerlich-herrschaftlich geformte Masse handelte, die sich von der Masse in früheren Love Paraden deutlich unterscheidet, oder wie die (sich selbst als bürgerlich bezeichnende) Zürcher NZZ schrieb:

    „Festhalten muss man, dass die Love Parade weder an Alkohol noch an Designer-Drogen oder zu lauter Musik zugrunde gegangen ist, sondern daran, dass man aus der bewegten eine gestaute Masse machen wollte, eingezäunt und eingeengt in eine Arena, als handle es sich bei dieser Feier, die doch der tänzerischen Freiräume bedarf, um den Besuch eines Fussballspiels. Als die Love Parade starb, war sie nicht sie selbst.“

    http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/bei_ihrem_tode_war_sie_nicht_sie_selbst_1.6962558.html

    • Zweifelhaft, ob das je ein Eigentliches war. Sehr wahrscheinlich stand sie schon immer für etwas anderes und war nie „sie selbst“. In deinem Kommentar wird zudem die Love-Parade als Entität behandelt und nicht als Ansammlung von Individuen und Partikularinteressen. Das verharmlost dann doch etwas die Opfer: es ist die Love-Parade, die „starb“?
      Dennoch, danke für den Link.

      • „In deinem Kommentar wird zudem die Love-Parade als Entität behandelt und nicht als Ansammlung von Individuen und Partikularinteressen.“
        Du begehst den gleichen Fehler, wenn du die Masse als Entität behandelst und nicht als eine Ansammlung von Individuen mit Partikularinteressen.
        („Eine unorganisierte Masse, die keine Solidarität üben kann ist eine frei nach Kant selbstverschuldet unmündige“ <–Personalisierung; Schuldübertragung an eine diffuse "Masse")

  9. Hm. Ich kenne das Gefühl, in einer Masse eingekeilt zu sein und nicht vor, zurück, seitwärts kommen zu können; man hat die Wahl, den Druck auszuhalten, was nur bis zu einem gewissen Grade geht, oder sich durch Weiterdrücken Erleichterung zu verschaffen, auf Kosten der Anderen, welche ihrerseits den Druck weitergeben müssen. Wenn ich die o.g. Wahl habe, dann gewinnt der Selbsterhaltungstrieb die Oberhand – und das ist aus individueller Perspektive auch „vernünftig“.
    Eine Individualschuld in diesem Verhalten zu sehen, halte ich für nicht belastbar. In einer unorganisierten Masse kann keine Solidarität geübt werden, jeder ist „Raver für sich“, nicht „Raver an sich“, frei nach Marx.
    Solidarisierung von Massen ist ein schönes Wort, aber ich halte es für schlichtweg unmöglich, in einer akuten Situation eine solche bewerkstelligen zu können, schon gar nicht ohne „Autoritäten“. Felix, ich glaube, du hast auch schon das ein oder andere Plenum mitbekommen, auf welchem vielleicht 50 Menschen waren; wie, glaubst du, soll in einer bunt zusammengewürfelten Masse von zehntausenden eine Krisensituation schnell gemeistert werden, wenn das in den seltensten Fällen in einer Gruppe von 50 Menschen in weniger als drei Stunden Diskussion vonstatten gehen kann, ohne Leute mittels ausgeübter Autorität zu übergehen…?
    Ich denke, du kannst die bestorganisierte Masse nehmen und sie in den Tunnel stopfen, sie würde bis ins Detail genauso reagieren, sofern sie keine (para-)militärische Ausbildung „genossen“ haben, welche den Überlebenstrieb zugunsten von Todesverachtung abtrainiert.

    • Eine unorganisierte Masse, die keine Solidarität üben kann ist eine frei nach Kant selbstverschuldet unmündige. Das Problem ist ja nicht, dass Menschen arbeitsteilig verfahren und gewisse Probleme abgeben müssen. Sondern dass sie auf dieses Verhältnis ihre individuelle Verantwortung abladen können, wann immer es passt.
      Wie oben ergänzt: Ich sage nicht, dass die Veranstalter unschuldig sind. Ich lege nur Wert darauf, dass es sich hier um keine naturgesetzhaften Vorgänge handelte, dass man eine gewisse Eigenverantwortung voraussetzen sollte. Auch wer einen staatlich geprüften Führerschein hat und ein TÜV geprüftes Auto fährt, sollte vorsichtig fahren.

      • „Eine unorganisierte Masse, die keine Solidarität üben kann“ ist ein Pleonasmus; solange ein „Massenbewußtsein“ nicht existiert, kann auch keine Solidarität entstehen.
        Dein Vergleich mit dem Auto hinkt reichlich. Es ist ein Unterschied, ob ich auf einer (durch die Autorität der Mittellinie und Verkehrsregeln) wohlgeordneten Autobahn fahre, auf der ich mich darauf verlassen kann, daß andere Verkehrsteilnehmer die selben Regeln befolgen wie ich oder ob ich mich in einer Car-wrecking-Arena befinde… Auf den Einwand, daß man sich ja freiwillig in die Car-Wrecking-Arena begäbe, erwidere ich, daß die Leute, die da erdrückt wurden, nicht zu einem Massenwhooling mit Todesfolge wollten, sondern zur Loveparade, um zu tanzen.
        Da ich nicht sehen kann, wie sich in Windeseile in einer unorganisierten Masse Solidarität bilden kann, kann ich deine Aussage im Kern nur als ein zynisches „Selbst schuld, wer hingefahren ist“ interpretieren…

  10. Nein, ich sage: Die die dort waren haben einen Anteil an der Schuld und den muss man thematisieren in dieser Anteiligkeit, damit es nicht zu Schuldprojektionen kommt, in der es eine total unschuldige Masse als Voraussetzung gibt, die dann nach total verantwortlichen Autoritäten ruft.

    An dem anderen Kommentar kritisierte ich, dass die „Love-Parade“ als „Todesopfer“ betrauert wird. Das ist zynisch gegenüber den mittlerweile 21 Opfern und dergleichen vollziehe ich nicht, wenn ich von der selbstverschuldeten Unmündigkeit einer aus Individuen bestehenden Masse schreibe. Wobei die objektiven Zustände, in der die Individuen massenweise sich in die Unmündigkeit einreihen, hier unbesprochen blieben, um dem Gegenstand nicht Gewalt anzutun.

    Warum ist es dir so wichtig, dass die dort Anwesenden frei von Schuld sind? Wäre schon diese partikulare Schuld mit derart bedrohlichen Strafgelüsten belegt, dass sie nicht sein darf? Wo man den Oberbürgermeister am liebsten „hängen“ würde, liegt das nahe.

  11. Pingback: Vier Kommentare — Adrians Blog

  12. aus deinem Beitrag ist eine ganze Menge Unverständnis darüber herauszuhören, was Menschen dazu treibt, solche Massenevents anzusteuern, was letzlich in einem abgeschwächten „Selbstschuld“ mündet.
    Das ist schlicht arrogant und spießig.
    Es ist durchaus in Ordnung, das Hirn auszuschalten, zu feiern, zu konsumieren, pubertäre Scherze zu treiben.
    Und wenn eine Stadt genau hierzu einläd, trägt sie eine entsprechende Verantwortung. So einfach ist das.

  13. @ Christoff: was heißt das denn: „In Ordnung“? Was sind „Pubertäre Scherze“? Um beides geht es in dem Beitrag nicht. Auch nicht um eine Verlagerung der Schuldfrage. Sondern allein um eine Kritik der Projektion, die betrieben wird wenn man davon ausgeht, dass eine Masse ein nur von außen zu lenkendes Phänomen ist, in der die Beteiligung der jeweiligen Individuen soweit verschwindet, dass ie mit Recht auf 0 zu reduzieren sei. Wenn das valide wäre, wäre die Frage zu Formulieren, ab wievielen Beteiligten eine Masse denn an allem was sie macht unschuldig wäre…
    Auch übersehen wurde bis jetzt in allen Meckerbeiträgen, dass eben auch gerade für die psychologische Betreuung der Involvierten in solch eine Massenpanik das Bewusstwerden einer möglichen Mitschuld, die dann verdrängt wird, relevant ist. Ein jeder der diese gefühlte Mitschuld, die eben einen realen Kern hat, der dann vom einzelnen auch schnell stark übertrieben werden kann, leugnen möchte, handelt weltfremd, man könnte fast sagen „schlicht arrogant und spießig“.
    @Nichtidentisches
    Vielleicht wäre es doch nötig „die objektiven Zustände, in der die Individuen massenweise sich in die Unmündigkeit einreihen…“ zu besprechen, weil gerade die in anderen Beiträgen, die die individuelle Verantwortung einklagen (Zeller z.B. auf Achgut), eben diese Komponente außen vor lassen. In den meisten Artikeln, die „die Masse“ einfach als große Ansammlung Einzelner behandelt haben, wurde die entsprechende Ideologie der Eigenvernatwortung bedient, welche dann eben auch besagen müsste, dass wer im Tumult untergeht als Einzelner selbst schuld ist (eben wie der der im Kapitalismus sein Leben nicht auf die Reihe bekommt). Wer Schuld nur hier oder dort dingfest machen kann (und wer Warenförmig denkt kennt in der Schuld keine Psychologische Kategorie, sondern nur ein „der / der wars!“, wird den Text wahrscheinlich tatsächlich im Sinner solcher „jeder ist sich selbst der nächste“ Argumentationen lesen, obwohl je gerade die Art wie sich jeder selbst der Nächste ist, und genau dieses Prinzip sich in der Panik gegen alle wendet, der springende Punkt ist…

  14. „wurde die entsprechende Ideologie der Eigenvernatwortung bedient, welche dann eben auch besagen müsste, dass wer im Tumult untergeht als Einzelner selbst schuld ist (eben wie der der im Kapitalismus sein Leben nicht auf die Reihe bekommt)“

    Genau. Zu einer evtl. Erweiterung:
    Ich würde derzeit nicht noch mehr investieren wollen in Recherche zum Thema, weil ich die LeserInnen/Arbeitsaufwand/Aufklärungsgewinn-Ratio nicht für befriedigend halte.
    Und zum zweiten, weil ich auch denke, dass in der Annahme, was die Menschen dort in die Unmündigkeit treibt, für mich zu viel Annahme und zu wenig Erfahrung gegeben ist. Ich war stets mißtrauisch gegenüber Massen und habe eher die Ränder gesucht. Von daher weiß ich es persönlich nicht, was es „geil“ macht, in einer Masse zu sein und Musik von Leuten zu hören, deren Stil mich schon zu somatischen Reaktionen treibt. Ich könnte räsonieren über Kulturindustrie, fehlende infantile Identifikationsobjekte in individualistischen, starken Eltern und eine ab einem gewissen Alter selbstgewählte Abrichtung auf mediale Autorität (Lautsprecher, die einem sagen was zu tun ist, wo es doch sonnenklar ist, dass man tunlichst sich überwinden sollte zum stehenbleiben bis etwas sich auflöst und das Gerücht/die Mundpost seine/ihre Wirkung getan hat.)
    Das führt aber auch leicht zu Kurzschlüssen vom Charakter Eva Hermanns (Die 68-er und Sex sind schuld).
    Von daher lasse ich es lieber, solange ich nicht mehr Zeit dafür freistellen kann und so guten Gewissens eine nicht mal eben schnell zusammengeschusterte Aussage zu einem so wichtigen Thema treffen kann.

  15. „Du bist der Autor dieses Artikels“ macht mich wordpress beispielsweise aufmerksam unter der Kommentarfunktion. Das ist schon so ein Stück medialer Bevormundung, die man als mitursächlich benennen könnte.

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