Dark Knight

„Dark Knight“ ist unvermeidliches Geschäft mit der nekrophilen Faszination, die der Tod Heath Ledgers ihm einhauchte. Die Massen auf die Gaffer beim Autounfall reduzieren zu wollen, greift aber zu kurz. Das Publikum identifiziert sich mit dem Masochismus. Der Joker schluckt die Folter, die ihn Lachen macht. Und dennoch erregt er in der Bloßlegung der eigenen Verletzung, dem ständigen Zeigen und Lecken der Narben empathisches Mitleid, erzählt mehr über den Menschen als der artifizielle Plastikberg Batman. Bezeichnend ist daher die Eingangsszene, in der der Joker seine Clownsmaske abnimmt und darunter eine weitere Maske zum Vorschein kommt. Diese wirkt ungleich realer als das Gesicht des Batman, aus dem faschistische Identifizierung mit der kalten, rationellen Wut des immer-schon-Rächer-Gewesenen zurückstrahlt. Batmans Macht zehrt kraftlos vom überfließenden Reichtum und den technologischen Relikten eines untergegangenen Staates. Das Bürgertum im Ausnahmezustand will seine Produktivität dem idealisierten Führer anvertrauen. Diesem gönnt es die Frauen und den Reichtum wie nur das vorbürgerliche Volk den Königen. Das James-Bond-Zitat bleibt ihm eingeschrieben: die verübte Gewalt gegen andere und sich selbst wurde noch je mit dem Akt belohnt. Dem Bösen wurde dir Aufgabe der narzisstischen Kränkung zugeordnet: die Ordnung des Rationellen zu brechen. Kreativität wird zur kriminellen Energie sublimiert.

„Dark Knight“ ist an der Oberfläche zutiefst reaktionär: Die Stereotypen sind schwarze und chinesische Mafias, gegen die ein starker Mann von Rechtschaffenheit helfen kann. Transsexualität bleibt im als Krankenschwester verkleideten Joker das zur Verspottung anstehende Feindbild – nur in dieser Form ist ihm das Erschrecken vor der eigenen Bombe zugedacht. Der comic relief baut auf Homophobie. Das führt zu abgründigen Interpretationen: „Das Irritierendste an dem Film ist, dass die Zerstörungswut des Joker offenbar von seiner gestörten Sexualität herrührt, so als wechsle er ständig das Geschlecht.“ [Jerome Charyn: „Amerikas Totenmaske“ in „Die Zeit“ 34/08]

Letztlich IST Dark Knight wie so viele andere Filme der homophobe Krieg von Männern gegen Männer und alles, was das Zeichen der Homosexualität trägt. Und das Zeichen der Narbe, des Kastrationsaktes, ist wie schon immer Zeichen des Bösen. Darin atmet „Dark Knight“ den Rassismus und die damit vermittelte Misogynie des Genres: Den Männern, die im Kastrationskomplex das Geschlecht der Frau nur als Narbe interpretieren können, gilt diese als Zeichen der oedipalen Bestrafung.

Zugleich eröffnet „Dark Knight“ an seinen tieferen Passagen einen kritischeren Abgrund: Die wirkliche Herausforderung Batmans und damit des bürgerlichen Staates liegt nicht in der Gewalt der Mafias, sondern sie kommt von innen. Das Instrument der demokratischen Wahl ist nicht umsonst vom Joker und von Two-Face Harvey Dent zur Opferbestimmung gedacht. Das Allgemeininteresse hetzt das Individuum vor sich her. Darin sucht „Dark Knight“ über den Mythos eine Entmythologisierung der bürgerlichen Gesellschaft. Der martialische folternde Faschist Batman entspringt aus der Demokratie und nicht aus dem chaotischen Bösen, das ihm als Anderes zur Legitimation dient. Das Individuum ist letztlich Folge und Bedingung des Chaos. Ob der Film diese Entmythologisierung findet, sei dahingestellt – zu dümmlich tritt als Synthese der ewig gute Potentat im Hintergrund auf, gespielt von Morgan Freeman, dem der Nelson Mandela von je in die Rollen geschrieben steht. Zu passiv werden Frauen zum Brot des männlichen Heldentums gereicht. Und zu berechenbar wird das Publikum mit Autounfällen bestochen, der jugendfreien Ersatzpornographie.