„Der Krieg schlummert nur“

Recherchen über den aktuellen Stand der nationalsozialistischen Bewegung lassen sich abkürzen: Gibt man in einer Suchmaschine „8. Mai Feiern“ ein, erhält man eine satte Liste von dutzenden nationalsozialistischen Ortsgruppenblogs, die allesamt ihre „Nichtfeierlaune“ zum Ausdruck bringen. Allein die Masse dieser pommerschen, greifswälder, saaleländer und wo immer jene sich festgefressen haben, die sich dann näher als Nationalsozialisten, White Prisoners, Heimatschützer, Jungnationalisten und so weiter benennen, allein ihre Präsenz belegt das von Paul Celan geschriebene Zitat im Titel, das aus dem Film „Nacht und Nebel“ von Alain Resnais (1955) stammt: „Der Krieg schlummert nur.“

In Deutschland hätte man diesen Film am liebsten verboten und das reicht schon als Grund, ihn hier zu zeigen. Aber was auch immer Hanns Eissler dazu veranlasste, diese mitunter fröhlich querflötende und klarinettierende Musik für diesen Film zu komponieren, ihre Kombination mit den Filmdokumenten leistet die vollständige Destruktion jeder Musik. Eine Szene zeigt ein Lagerorchester, das den in Schnee und Eis zu Tode Gearbeiteten letzte Töne spielen musste. Welche Musik, ist unerheblich, Beethoven oder Wagner – wie auch die Parole von der „Vermitteltheit von Form und Inhalt“ sich angesichts der beliebigen Formen von KZ-Architektur – „Alpenhüttenstil, Garagenstil, Pagodenstil“ – als widerlegt erwies. Der Inhalt der Form war immer Tod. Wer diesen Tod auf den Tod, dem man entrinnen könnte, also auf das Nichtleben als Äußerstes reduziert, verleugnet die Folter, die ihn mitunter als Erlösung erscheinen ließ, das Grauen, das ihn herbeiführte und das die Überlebenden vergiftete. Einige brachten sich noch Jahrzehnte nach dem Untergang des Hitler’schen Nationalsozialismus um, andere starben in den Wochen nach der Befreiung an den Folgen der Hungerfolter.

Antifaschistische Ortsgruppen mit ihren „Parties“ zum 8. und 9. Mai befinden sich bereits in einer spiegelbildlichen Reproduktion der nazistischen Propaganda. Wenn die Nazis nicht feiern, müsse jeder Antifaschist, der etwas auf sich hält, diese Gelegenheit ergreifen, sich ein Bier beim lokalen antifaschistischen Kneipier zu kaufen und irgendwelcher postmoderner Elektro-Marschmusik zu lauschen. Weil der Zynismus dahinter einigen doch aufgefallen ist, verbindet man „Theorie“ mit „Praxis“ und schaltet Demonstrationen und Kundgebungen vor, die aber auch nur Kundschaft einwerben sollen für den nachgeschalteten Event.

Die Freude der Opfer, der Aliierten hatte alles Recht.

Wenn aber die Antifa QiK heute schreibt: „Der Sieg über Nazideutschland muss überall auf der Welt als ein Sieg für die Menschlichkeit betrachtet werden. Des Weiteren sollte er Menschen den nötigen Mut geben sich gegen real existierendes Unrecht aufzulehnen, da der Sieg zeigt, dass auch noch so großes Leid und Unrecht besiegt werden kann.“

dann ist das identitäre Affirmation, die für jedes Filmscript herhalten könnte. Die rührselige Erkaltung, in der vor lauter gemachtem Mut und Siegesrausch dann „Party“ gemacht werden soll, ahmt das Happy End des Katastrophenfilms nach: Hinter dem Helden gehen Städte in Rauch auf, die Rettung der Gattung aber, für die das gerettete heterosexuelle Paar steht, wird gefeiert. Gegen solches Vergessen und Abspalten im Namen des Erinnerns ist Gerhard Polts Bonmot wahr, dass die Deutschen den Krieg gewonnen hätten.

Mehr zur kultivierten Manie des Antifaschismus findet sich unter meinem älteren Beitrag: „Antideutsche Regressionen

9 thoughts on “„Der Krieg schlummert nur“

  1. Ebenfalls Danke. Den Film werde ich schauen; und für die teilweise unerträglich zeitgemäßen Antifa-Prostestformen sind Begriffe wie „identitäre Affirmation“ und „rührselige Erkaltung“ sehr treffend. Daß wir nach Weltuntergang, nach der Katastrophe leben, daß das ausgerechnet Antifagruppen nicht empfinden in ihrem historischen Bezug, ist sehr traurig.

  2. Pingback: Tages-Ticker mit Pokalfinale | Kühns Lindenblatt

  3. Wie so oft meinen herzlichsten Dank für die Linktreue, Rainer. Ich verhalte mich da teilweise etwas ungastlich, weil ich extrem selten die guten Werke anderer reposte. Das hat auch strukturelle Gründe, ich mag einfach nicht mein Blog so rasch „füllen“. Aber ich freue mich, wenn Leute meine Texte weiterverbreiten.

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