Johannes M. Becker reitet wieder – für China

Wenn Johannes M. Becker sich zu Konflikten äußert, kann man fachliche Kompetenz ebenso sicher vermissen wie humanistische Integrität. Da er über die Jahre seine Position (Unterzeichnen des Manifests der 25, Hetzen gegen Israel, Lobbying für Hamas und Iran) nicht hinterfragte oder irgend änderte, kann man die Beschäftigung mit ihm hier kaum kritisch nennen – dazu fehlt die potentielle Beweglichkeit des Gegenübers. Meine Absicht ist, seine Argumentation in ihrem denunziatorischen Charakter zu denunzieren und das stets dann, wenn sie zu Tage tritt.

Seit Neuestem bemüht sich der Konfliktforscher Becker darum, das Ressentiment gegen den Afghanistaneinsatz der NATO auf eine Art und Weise zu schüren, die an Widerwärtigkeit keine Grenzen kennt. Er appelliert als Patriot an den Kostenfaktor:

„Stiege unser [sic!] Land 2011 aus dem Krieg aus, würden sich die wahren Kosten auf 18 bis 33 Milliarden Euro summiert haben.“

Würde man einem Becker vorrechnen, dass die Pressefreiheit, Frauenrechte und das freie Wahlrecht bis 2011 einige Milliarden Unkosten verursacht, er würde sich wohl zum Maoisten umtaufen lassen. Wenn die Sicherung einer Mädchenschule mehr als 2000 Euro kostet, opfert Becker bereitwillig deren Schulbildung jeder Umgestaltung des deutschen Haushaltes. Die „Irakisierung Afghanistans“ schritte laut Becker ausgerechnet unter Petraeus fort, dem er die Schuld am Terror der im Irak von Al-Quaida und Iran unterstützten Milizen unterschiebt. Gerade Petraeus steht für die effektive Bekämpfung des Terrorismus in einer intellektuellen Kombination von Projekten, interkulturell geschulten SoldatInnen und dem Aufbau von Polizeipräsenz. Becker schwebt indes ein anderes Modell vor, das wesentlich profitabler ist:

„An den Bodenschätzen unter der Erde des geschundenen Landes, von denen die Wissenschaft übrigens bereits seit langen Jahren Kenntnis hat, beweist ein anderes Land, wie Politik zu gestalten ist. Die VR China, die nicht einen Soldaten in Afghanistan stationiert hat, investiert viele Milliarden für die Bergung der ungeheuer großen Schätze. Und dies ist keineswegs ausschließlich zum eigenen Vorteil.“

Dass China nun Kupfer in Afghanistan fördert ohne die Kosten für die Sicherung der Zufahrtswege und Einrichtungen zu tragen ist in der Tat ein kaum zu übersehendes Faktum, dass zum Beispiel in den USA für Zähneknirschen sorgt. Wie unverschämt Becker China zum Vorbild der deutschen Politik befiehlt („wie Politik zu gestalten ist“), bezeugt hingegen seine Skrupellosigkeit im Umgang mit der eigenen Ideologie: Wenn man schon mit jedem terroristischem misogynen genozidalen und antidemokratischen Regime auf der Welt sympathisiert sollte man wenigstens auch etwas davon haben dürfen. Mit Becker könnte man wunderbar die Ausbeutung sudanesischer und iranischer Ölvorräte vorantreiben und im UN-Sicherheitsrat dann Bashir und Ahmadinejad absichern – „keineswegs ausschließlich zum eigenen Vorteil“. Auf so einen geschäftsfeindlichen Unsinn wie Menschenrechte zieht sich der Professor Becker lediglich dann zurück, wenn es gegen Israel und die USA geht. Es fehlt wie immer: Jede Auseinandersetzung mit der Komplexität der Konflikte, jede Analyse der Akteure, jede Überprüfung der Tragfähigkeit der vorgeschlagenen „Lösungswege“ und jede Empathie für  das antifaschistische Engagement seiner einstigen Bundeswehr-Kollegen in Afghanistan.

Quelle: Johannes M. Becker: „Die „Irakisierung Afghanistans““. In: Oberhessische Presse, 28.6.2010, S. 14.

Weiteres zum Thema Johannes M. Becker:

Mit Friedensforschung zum intellektuellen Paläolithikum

Vom Zwang zum Urteil – Beckers notorisch antiisraelische Konfliktanalyse

„Vernunftresistent tiefer in den afghanischen Krieg“ – neue Forschungsergebnisse aus dem Marburger Institut für Friedens- und Konfliktforschung.

Friedensnazis und Konfliktforschung

Friedensnazis als Kriegsgewinnler

Krieg um Rohstoffe oder Nichtkrieg um Rohstoffe?

5 thoughts on “Johannes M. Becker reitet wieder – für China

  1. „Empathie für das antifaschistische Engagement seiner einstigen Bundeswehr-Kollegen in Afghanistan“ – diese formulierung ist ja wohl ein griff ins klo, gerade weil du ja vorher von „Komplexität der Konflikte“ schwaffelst – gerade einem selbsternannten „afrikaexperten“ sollte sich die frage stellen, warum denn in z.b. ruanda keine antifaschistische intervention vonnöten ist, in z.b. nigeria (cobalt) oder den internationalen seewegen vor somalia schon – hat hotte köhler doch zu sehr geplaudert…? oder hab ich die ironie des textes verpeilt? die amis investieren, also sollen sie auch g´einstreichen.

  2. Dezidiert in Kürze:

    Taliban/Islamisten sind in Brutalität und Antisemitismus den Nationalsozialisten vergleichbar. Jeder Kampfeinsatz der primär negativ bestimmt ist als Verhinderung des Projektes eines weltweiten Kalifats, Vernichtung aller Juden und totaler Unterwerfung der Frauen ist im Verhältnis dazu antifaschistisch. Ja.

    Dass in Ruanda und Sudan (und vorher Kambodscha, Türkei) kein vergleichbarer Einsatz stattfand ist keine Legitimation, dem derzeitigen NATO-Einsatz in Afghanistan den antifaschistischen Charakter abzusprechen. Man kann nicht den Völkermord an den Armeniern als Argument nehmen, dem Krieg der Alliierten gegen die Achsenmächte im WW II den Antifaschismus abzusprechen.

    Im Falle Ruandas ist das bystanding passengers Problem hinreichend analysiert, die politischen Akteure zu verurteilen. Clinton bildete sich ernsthaft ein, dafür noch einen Friedensnobelpreis zu bekommen. Wenigstens haben die Amerikaner nicht wie die Franzosen den Hutu-Milizen unter die Arme gegriffen, sondern die Tutsi-Guerillas unterstützt.

    Im Falle Sudans ist die Frage an Proliferaten Bashirs zu richten, China, Iran. Von diesen Genoziden ging zumal nie die weltweite Bedrohung aus, die der Islamismus schon lange vor 9.11. geschaffen hat. Sie waren regional beschränkt, was dem rassistischen Desinteresse der westlichen Demokratien an diesen Genoziden zuschanzte.

    Genozid auch noch im Plural schreiben zu müssen widert mich an.

    Ein Soldat, der in Afghanistan sein Leben riskiert, um den Betrieb einer Mädchenschule zu garantieren, hat meine volle Unterstützung. Darauf aufbauend kann ich auch den Umgang mit Warlords und andere Fehler in der derzeitigen von vielen Faktoren bedingten Strategie der NATO kritisieren.

  3. „Taliban/Islamisten sind in Brutalität und Antisemitismus den Nationalsozialisten vergleichbar.“ – Über solche Behauptungen will ich hier gar nicht streiten.

    Mir ging es eher darum:

    Die Behauptung, der Krieg in Afgahnistan würde aus humanitären Gründen geführt ist absurd. Solcherlei Begründung, einen Sekundäreffekt, ein Nebenprodukt des Krieges als Hauptgrund anzugeben mag ein schöner PR-Text für die bürgerliche Presse sein, mehr ist das aber auch nicht.

    Dass es eben primär ein geopolitisch/ökonomisch motivierter Krieg ist, hat Hotte Köhler wahrnehmbar verkündet, das steht aber auch schon im Weißbuch der Bundeswehr von 2007, auch in einigen Schriftstücken der EU zur GASP (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik), darf also als bekannt vorausgesetzt werden.

    Wie jeder Kapitalist muss auch der ideelle Gesamtkapitalist eine rationale Kosten-Nutzen-Rechnung für eine Investition (hier Krieg) anstellen, Fehlkalkulation nicht ausgeschloßen (siehe hohe unkalkulierbare Folgekosten für die USA)….

    ps: ich gebe zu, dass mein weltbild ökonomistisch/materialistisch ist.

  4. Vielleicht nochmal Belege anführen.

    11. September 2001.

    Danach Ultimatum an die Taliban, die Attentäter auszuliefern.

    Nach Verstreichen Angriff der NATO.

    Bereits zu Beginn der Krieges explizite Verweise der westlichen Kriegsparteien auf die Lage der Frauen unter den Taliban und das Bekenntnis, dort mit dem Sturz der Taliban neue Verhältnisse zu schaffen – in aller Konkordanz zur gängigen Praxis der Aufstandsbekämpfung und des Nation-Building.

    Ökonomisch: im Sudan gibt es auch Öl, im Kongo auch. Dort kein Einmarsch der NATO.

    Geopolitisch: Iran ist sehr viel bedeutender als Afghanistan. Bislang kein Einmarsch.

    Dass die Menschenrechtsargumentation hinkt, solange mit Warlords zusammengearbeitet wird und die Scharia doch wieder in die Verfassung integriert wird, ist klar. Jeder anständige Kritiker sollte sich ebenso klar sein, was die Alternative wäre: 10-mal so viele Soldaten zum Bewachen jeder Wahlurne und jeder unverschleierten Frau auf der Straße und eine verordnete Demokratie, die lediglich auf dem Fundament der Befreiung von Minderheiten und Frauen fußen kann und dieses durch Waffengewalt verteidigt. Die Geschichte zeigt, dass Demokratie kaum je anders geschaffen wurde. Nicht zuletzt in den USA als schwarze SchülerInnen von Soldaten vor Angriffen der WASP geschützt wurden. Oder in Israel, wo durch den gewaltsamen Sturz der Kolonialherren und einen anschließenden antifaschistischen Befreiungskrieg die einzige Demokratie im nahen Osten gegründet wurde. Oder Portugal, wo die Entschlossenheit von Millionen Salazar friedlich stürzen konnte, weil sie ihm ebensogut ein Blutbad hätte bereiten können. Was für Iran leider noch aussteht, ebenso wie in Burma, Weißrussland, Zimbabwe oder Laos.
    Ob es in Afghanistan zu so etwas wie einer bürgerlichen Revolution kommen kann, ist fraglich, weil dort neben der Misogynie Rassismus ein ganz zentrales Problem ist und die Konflikte viele Schichten haben. Solange es aber gelingt, wenigstens eine Zeitlang Frauen zu kommunizieren, dass es ihr Recht ist, in die Schule zu gehen, dass Menschen die sie gar nicht kennen sie unter Umständen vor einem Ehrenmord oder der Steinigung nach einer Vergewaltigung beschützen besteht Hoffnung. Für eine Gesellschaft, die sich erlaubt, gegenüber Steinigungen zu erkalten, nur weil sie in einem unbedeutenden Land geschehen, ist hingegen alles zu spät.

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