Literaturkanon

Fiktion
(Work in Progress)

Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh

Der historische Roman rekonstruierte den Genozid an den Armeniern aus Akten und Zeitzeugenaussagen. Den verzweifelten Überlebenskampf von dreihundert Überlebenden auf dem Berg Musa Dagh gegen die türkische Übermacht nahmen die Ghettokämpfer in Warschau zum Vorbild. Ebenso lesenswert von Franz Werfel ist die Erzählung „Der Tod des Kleinbürgers.“

Leon Uris: Exodus

Leon Uris dokumentiert akribisch die Entwicklung der Gründung Israels. Seine Ortskenntnis und das Bewusstsein von der Komplexität militärischer Entwicklung machen das Buch trotz der allzu sehr zur Identifikationsfigur für das amerikanische Publikum aufgebauschten „Kitty“ zum wohl bedeutendsten zionistischen Roman, der sich trotz seiner geschichtswissenschaftlichen Präzision ähnlich atemlos liest wie Franz Werfels oben genannter Epos.

Bruno Traven: Die Rebellion der Gehenkten

B. Traven floh nach dem Sturz der Räteregierung aus Bayern nach Lateinamerika. Seine anarchistische Sympathie für die Rebellionen der Landarbeiter und Indigenen schlägt sich in einem Romanwerk nieder, in dem ethnographischen Beobachtungen, eine wütende Sprache und ein zutiefst pessimistisches Bewusstsein von den begrenzten Möglichkeiten der Revolutionäre zusammenkommen. „Die Rebellion der Gehenkten“ hält die erniedrigende und mörderische Behandlung von Indianersklaven um die Jahrhundertwende fest.

Shani Boianjiu: The People of Forever are not afraid

Boianjiu beschreibt in drastischer, expressiver Sprache die Adoleszenz von drei jungen jüdischen Frauen in Israel und insbesondere ihre Krise in der Armee. In ihrem grundsätzlich zionistisch strukturierten Coming-of-Age-Bildungsroman trauert Boianjiu über traumatisierende Langeweile, Reduktion auf Funktionen, Angst vor Terror, verschobene Aggressionen. Vom deutschen Feuilleton als „Anti-Kriegs-Roman“ kategorisiert und missverstanden ist Boianjiu an jeder Stelle bewusst, dass der Kriegszustand kein wählbarer ist, sondern den Israelis aufgezwungen wurde und überlebensnotwendig, aber eben beschädigend ist.

 

Für Kinder

„Die Regentropfen Pling, Plang, Plung“ (Angela Hopf, 1969). Ein Bilderbuch, das durch seine Ästhetik besticht. Grob ausgeschnittene Formen, fauvistische Fehlfarben, so muss die Welt aus Sicht von Regentropfen aussehen. Lediglich das Ende überspringe ich gerne: Ein Lehrer will eine Schulhofschlägerei durch schimpfen beenden. Der Regentropfen hüpft ihm auf die Brille und verhindert das. Die pädagogische Logik dieser kleinen „Rebellion“ erschließt sich mir nicht.

„Du hast angefangen – Nein, du!“ (Original „Two monsters“, David McKee, 1985)
Ein kurzes Bilderbuch, das den lustvollen Gebrauch von Schimpfworten nicht scheut und sowohl Konflikt, kreative Zerstörung als auch Versöhnung darstellt, ohne die Kinder mit dem Zeigefinger vor (symbolischer) Gewalt zu warnen, wie es in neueren auf Sozialkonformismus ausgerichteten Bilderbüchern gang und gebe ist.

„Oh, wie schön ist Panama!“ (Janosch, 1978). Die Geschichte ist in der gleichnamigen Sammlung erhältlich. Diese Sammlung beinhaltet durchweg das beste, was Kindergeschichten leisten können. Utopismus, Freundschaft, das Verhältnis von Theorie und Praxis, Homosexualität, Konkurrenz, passive Aggressivität und wie man sich dagegen wehrt, Schätze, Höhlen, alles da.

„Gute Nacht, kleiner Bär!“ (Original: „Sleep tight, little bear!“, Martin Wadell, Barbara Firth, 2005)
Das Problem der Namensgebung in Kinderbüchern umgehen Wadell/Firth genial:
„Der große Bär hieß großer Bär und der kleine Bär hieß kleiner Bär.“ Kein Eisbär Lasse, kein Latte Igel, kein Drache Kokosnuss. Es geht kurz und nett um Unabhängigkeit, das in Ruhe lassen und das versöhnte regredieren dürfen.

„Oma“ (1975: Peter Härtling). Härtling ist ein exzellentes Beispiel für einen Kinderbuchautor, der ohne Harmonismus und Kitsch auskommt. Ebenso empfohlen: „Das war der Hirbel.“ Und andere.
Zum Vorlesen und Lesen ab sieben sehr gut geeignet.