Von Petra Neumayer und Roswitha Stark, publiziert bei Mankau Verlag, 2010. 166 Seiten, 12,95 Euro.
„Die Beispiele in diesem Buch sollen ihnen aufzeigen: Alles ist möglich!“ (Neumayer/Stark S. 32)
Wo Romantizismen akkumuliert werden kann eine kritische Zeitgenossin getrost den blankesten, gefährlichsten Unfug vermuten. Die „Neue Homöopathie für Tiere“ ist das vorerst reinste Exemplar verdichteter Kitschgewalt, das mir je begegnete. Hund, Katzenjunges, Pferd und Papageien äugeln treu vom Titelbild. Eine Vignette verspricht: Geliebte Tiere ganzheitlich heilen – ungeliebte Tierchen sanft umsiedeln.
Ganzheitlich, das Wort war immer schon die schärfste Lüge. Aus der Ambivalenz der modernen Medizin speist sich der verständliche Wunsch nach einem anderen – die kränkenden Aspekte aber sind es, die sogenannte „alternative Therapien“ auf den Plan rufen. Der Tod, die Fehler, die Entmündigung – all das versprechen sie aufzuheben. Spontanheilung reiht sich an Spontanheilung. Die Methoden sind Derivate von Größenphantasien, die alles versprechen wo man bisher nichts konnte. „Neue Homöopathie für Tiere“ will letztlich die gesamte Homöopathie von einem belastendem Vorwurf befreien, sie sei „nur“ ein Placebo. Tiere, so Neumayer/Stark, würden nicht an ein Heilsystem glauben können und würden dennoch geheilt werden – der Beweis, dass da etwas physikalisch-energetisches stattfinde, von dem die desinformierte Naturwissenschaft schlichtweg noch nichts gehört habe, das aber deren Produkt sei, denn man beruft sich stets auf einen Professor der Physiologie oder der Elektrotechnik, um die krude Phantasie zu verkaufen.
Dabei ist die vorgestellte Methode im strengen Sinne keine Homöopathie, sondern ein Versatzstück der postmodernen Informationsesoterik die dieser schon innewohnt. Hier wird nicht hochpotenziert, sondern gleich mit Segen und Flüchen, geschriebenen Symbolen auf Papier, gezaubert.
Zunächst wird der Tierhalterin alle Macht in die Hand gegeben. Mithilfe eines Pendels oder einer Wünschelrute wird sie ausgiebig angehalten, Befindlichkeiten des Tieres „bis in den feinststofflichen Bereich“ auszuloten. Dabei werden Fragen nach „Ja“ und „Nein“ beantwortet. Eine so komplizierte Diagnose wie „Feline Fibroadenomatose“ schließt sich selbstverständlich aus, so etwas haben Tiere nicht. Bei ihnen ist in aller Regel etwas „nicht in Ordnung“ (ja/nein) mit dem „Futter“, „Medikamenten“, „Impfungen“, „Elektrosmogbelastung“. Allein in dieser Aufzählung auf Seite 33 kommt das ganz und gar nicht unterschwellige Ressentiment gegen die Universitätsmedizin zum Zuge. Es geht der „alternativen Medizin“ nicht so sehr um ihre eigene Methode – sie ist vielmehr eine Travestie, auffahrender Spott gegen die Beleidigung, man müsse zunächst einmal etwas kompliziertes erlernen, Leichen sezieren, Bakterien auszählen und notfalls vergiften, um zu heilen. Ein Mensch soll mystisch die Heilkunst erschauen können, ohne jede Anstrengung. Lehrgänge, ja die gibt es, aber sie sollen noch für jeden zu bewältigen sein. Alles andere wäre eine Zumutung, eine tödliche Kränkung. So kommt es, dass Impfungen im Buch als „Völkermord im dritten Jahrtausend“ bezeichnet werden (S. 62). Die allmächtigen Eltern werden ihre Kinder schon vor so kläglichen Gestalten wie Tetanuserregern schützen können – mit einem Pendel, Zettel und Stift, allerdings nur im Notfall, denn meistens reicht es ja schon, wenn das Bett von einer Wasserader gerückt oder eine Fernheilerin konsultiert wird. Alles eine Frage der „Energieinformationen“, der mediale Fluxkompensator der Esoterik. Wurmkuren werden durch ihn sowohl gänzlich ersetzt als auch ihre „schädlichen Schwingungen“ „ausgeleitet“ (S. 66). Schädlinge wie Blattläuse oder Reiher am Gartenteich kann man durch aufgemalte und wieder aufgelöste Symbole vertreiben. (127ff) Und ganz besonders gut lässt sich das Pendeln an Zeckenbissen an:
Fallbeispiel: Zecke erinnert an verstorbenen Bruder.
Ich spürte einen Stich in meinem Bauch. Als ich nachschaute, bemerkte ich: Eine Zecke lief hier herum, sie hatte sich noch nicht festgesaugt. Am Tag darauf zeigte sich ein roter Ring, was ein Anzeichen für Borreliose sein kann. Ich versuchte, nicht in Angst zu geraten, und fragte: „Hast du mir etwas zu sagen?“ – Ja! Ich sollte das Wort „Zecke“ und ein Ursachenthema auf einen roten Zettel schreiben. Über den Psychomeridian fand ich heraus, dass das Thema einige Jahre vor meiner Geburt entstanden war: Zwei meiner Brüder waren gestorben, ich hatte sie nie kennen gelernt. Das trieb mir die Tränen in die Augen und ich ging mental mit meinen Brüdern in Kontakt und würdigte sie, so wie ich es noch nie getan hatte, ich hatte sie einfach vergessen. Auf dem Zettel für die Wasserübertragung stand „Zecke“ und darunter „Brüder“ mit „2-Strich-Sinus“. Schon nach der ersten Wassereinnahme verschwand der rote Ring für immer. (Roswitha Stark in Neumayer/Stark, S. 131)
Man muss sich ob der geballten Kraft der Psychomeridiane nur „bewusst […] machen, was los ist“ (S. 67). Eine psychosomatische Gesprächstherapie wird auf geniale Weise ebenso überflüssig wie jede medikamentöse Behandlung, denn: „Denken sie daran: Ihr Bewusstsein ist der Chef und genau dasjenige kommt in Gang, das sie sich vorstellen.“
Die Therapie ist ob eines solchen Versprechens Makulatur, solches infantile Glück macht noch den letzten Schwachsinn glaubhaft: Man könne Symbole aus der Elektrotechnik auf sogenannte Körpermeridiane malen, Dreiecke auf Papier zeichnen und kurz auf den Futternapf oder sonstige Problemzonen legen, notfalls reiche es auch aus, Akkupunkturpunkte zu „beklopfen“ (S. 86). Alles geht und nichts schadet – mit einer vorgegaukelten 100%-igen Erfolgschance, denn den Rat, im schlimmsten Fall doch zu VeterinärInnen zu gehen sucht man ebenso vergeblich wie man bei herkömmlichen HeilpraktikerInnen eine Empfehlung zum Impfschutz bekommt.
In ihrer Ritualmagie knüpft die „Neue Homöopathie für Tiere“ direkt an magische Praktiken an, wie sie sich im Verzehren von Koranversen auf Papier in Westafrika oder dem Besprechen von Nahrungsmitteln im Tischgebet in aller Welt finden. Sie ist in ihrem gesamten Eklektizismus, in ihrer kruden Wendung von naturwissenschaftlichem Jargon zum mystizistischen Spuk, ihrer Feindschaft gegen die Universitätsmedizin und ihrem offenen Größenwahn ein Wiedergänger der Romantik. Als schlechter Witz kann sie kaum abgetan werden. „Fernreiki für Bartagamen“ mag amüsant klingen, wird aber zum Leidwesen von Tieren und Menschen ebenso entschlossen praktiziert, wie die „Neue Homöopathie für Tiere“ Anklang finden wird. Der negative Befund lautet daher: Das Buch wird sich zu einem Standardwerk für die ganzheitliche Behandlung von Tieren entwickeln.