„Die ganze Welt wird durch das Filter der Kulturindustrie geleitet“ schreiben Adorno und Horkheimer in der Dialektik der Aufklärung. Und weiter: „Je dichter und lückenloser ihre Techniken die empirischen Gegenstände verdoppeln, um so leichter gelingt heute die Täuschung, dass die Welt draußen die bruchlose Verlängerung derer sei, die man im Lichtspiel kennengelernt.“
In der Kulturindustrie das Potential zur Kritik zu sehen ist daher schon wieder Reklame für die Kulturindustrie selbst, nicht für das, was durch sie hindurch überlebte, um sich dem immer schlauer gewordenen Publikum anzudienen. Die Intellektuellen wollen nach Feierabend ihre Thesen bestätigt sehen, das wissen die Filmemacher nur zu gut: „Der Fortschritt der Verdummung darf hinter dem gleichzeitigen Fortschritt der Intelligenz nicht zurückbleiben.“ „Dark Knight“ kann wohl kaum als Kritik noch als Anleitung für eine bessere Welt gelesen werden. Zu komplex ist das Geflecht hinter den Filmen, das sie auf Konformität zurechtstutzt. Doch selbst das steht zur Disposition: Kulturindustrie besitzt die paradoxe Neigung, noch über sich selbst zu plappern und die Kritik an ihr selbst zu verkaufen. Diese Subversivität übersetzt sich in Realität weil sie der Realität entrissen und verstümmelt wurde. Eine daran erlernte Subversivität kann selbst wieder nur eine verstümmelte sein, an der letztlich im Stande der Unfreiheit immer noch etwas wahrer ist, als an den gänzlich debilen Zurichtungen aufs System. Insofern ist „Dark Knight“ wiederum lesbar, allerdings nicht vom Standpunkt einer daraus zu lesenden Gesellschaftskritik, sondern vielmehr vom Standpunkt eines Bewusstseins über die notwendige Verstümmelung jeder Idee von Widerspruch darin. Die phänomenologische Abtastung von Oberflächen und Repräsentanzen zur realen Welt muss scheitern, weil sie auf die kontrapunktische Analyse der niederen Regungen, des Sadismus und der verdrängten Wünsche im Publikum verzichtet.
Kulla sieht dementsprechend und aufgrund einer gewissen marxistischen Betriebsblindheit in Batman einen „bis zum von Giorgio Armani handgeschneiderten Anzug authentischen Musterkapitalisten Bruce Wayne“ – die konsumierte Ware ist für ihn schon „authentisches“ Zeichen des Kapitalisten, dessen Muster doch genausogut ein puritanisches sein könnte. Batman als reinste Stilfigur ist allerdings den feudalen Königen viel näher, deren Reichtum zwar den Werktätigen abgepresst wurde, die ihn aber für symbolischen Zauber verkonsumieren und Wert in aberwitzigen Prunkschlössern vernichteten, damit das Zeichen ihrer Herrschaft die Qualität derselben zurückstrahlen möge. Und er ist den vorkapitalistischen Mythenhelden ähnlich, die im ewigen Kampf gegen das Böse ihre Schlachten austrugen. Wie die antiken Könige bestimmt Batman seinen Nachfolger, wo er „müde“ ist und einschläft, also schlichtweg alt wird – vom Kapitalistenstereotyp trennt ihn allerdings mindestens die Zigarre und die Melone. Das hat seinen guten Grund: Der Batman darf zwar reich sein, jedoch sich von seinen Identifikationsfiguren allzuweit entfernen ist tabu. Kullas Interpretation sieht Spezifika des Kapitalismus dort, wo sie keine sind:
„Doch auch nachdem die League of Shadows als Urheber der Weltwirtschaftskrise und der ihr folgenden Verbrechenskonjunktur ausgeschaltet ist, will der Kapitalismus partout nicht dem Bild entsprechen, das Wayne von ihm hat. Immer wieder tauchen Kriminelle auf, ja, je entschlossener er gegen sie vorgeht, desto vehementer und unkontrollierbarer scheinen sie zu werden.“
Problemlos könnte man die solcherarts dargestellte Geschichte des Batman in das Buch Richter der Bibel einsetzen – von Produktionsprozessen mag Kriminalität nicht abgeschottet sein und in der Tat ist ein Kapitalismus ohne Kriminalität kaum denkbar. Kriminalität und den Kampf dagegen als alleiniges Symptom einer kapitalistischen Produktionsweise zu sehen, vergisst wie weit der Diebstahl in die Mythologie zurückreicht – bis hin zu Prometheus, dem jüdisch-christlichen Apfelraub der Genesis und den Viehdiebstahlmythen, die den sudanesischen Nuer bis heute zur Legitimation für Überfälle auf Dinka gereichen. Dass Batman in der halbwegs bürgerlichen Gesellschaft, wie sie im Film dargestellt wird, auch diese selbst als kapitalististische betrachtet ist unwahrscheinlich. Viel eher wird sie ihm als natürliche erscheinen. Nicht einmal die „Metaphern aus der Geschäftswelt“ erlauben eine kapitalismusspezifische Interpretation, ist doch das bloße Geschäft, und sei es ein expansives wie bei den chinesischen oder phönizischen Händlern kein autochthones Zeichen des Kapitalismus.
Wenn „Dark Knight“ also etwas mit Kapitalismus zu tun hat, dann mit dessen Ideologie: Er verschleiert Produktionsprozesse, führt Reichtum auf Raub oder Zufall zurück und spricht so Bedürfnisse im Publikum an, das weder den kühnen Bankraub sich getraut noch die Hoffnung auf den Zufall aufgibt und brav Lotto spielt. Das Geld kommt in „Dark Knight“ buchstäblich von der Bank. Insofern kann der Joker auch Geld verbrennen. Das ist ein symbolischer Akt, der zum einen die Sympathie eines in seiner Monetophobie reaktionären Publikums zielt und zum Anderen in den USA einen kulturspezifischen Tabubruch darstellt, der sich gegen das dort ungleich stärkere Symbol des Staates, nicht des Kapitals, richtet: Auf den Geldscheinen verbrennt der Joker Washington, Jefferson, Lincoln, Franklin.
Mitnichten ist der Krieg des Batman assymetrisch, wie Kulla weiter behauptet: die Polizei ist korrupt, Batmans eigene Methode ist die des Einzelkämpfers mit optimalen Waffen, zwischen ihm und der Superstruktur gibt es keine Zwischensphären. Der assymetrische Konflikt aber baut auf einen starken Staat, der sich von einer Guerillaarmee herausgefordert sieht. Eher schon ist Batman selbst dieser Guerillakämpfer, der das organisierte Verbrechen herausfordert und einem System durch nächtliche Aktivitäten zum Sieg verhelfen will. In den USA wiederum ist es eben jener Guerillakrieg, der gegen die Kolonialmacht England den US-Staat selbst erschuf – und so sollen sich im Zustand der totalen Durchherrschung noch die Polizisten als ewige Widerständige gegen das übermächtige Verbrechen begreifen. Der Joker als inszeniertes Leinwandchaos trommelt für die Fortexistenz eines Unterdrückungsapparates, wo Herrschaft längst durch das Subjekt hindurch und nicht mehr gegen diese wirkt. Darin liegt die kulturindustriell produzierte Realität des Films, die ungleich realer ist, als es die schon immer phänomenologische, nur ein Schema wiedererkennende Rede vom assymetrischen Konflikt je sein könnte.
Ebenso wenig überzeugt eine These von „Vorstellungsrepräsentanzen“: „Mit Dent hätte das gute im Bürger gesiegt, die Dialektik der Aufklärung wäre aufgehoben worden.“ An keiner Stelle erhebt der Batman ernsthaft den Anspruch, eine blitzesaubere Welt zu schaffen. Die Dialektik der Aufklärung wäre nicht beendet worden, sondern der Staat hätte sein Surrogat, das organisierte Verbrechen, in einem Konkurrenzkampf an den Rand gedrängt, es beherrschbar gemacht. Es hätte schlichtweg keines Superhelden mehr bedurft, dass dadurch schon die Polizei unnötig geworden wäre, behauptet nicht einmal „Dark Knight“.
Insofern muss der Joker eben an jenem Punkt auftauchen, an dem Batman sich selbst abschaffen will. Der Joker liefert dem Batman die Legitimation, weiter zu machen. Er generiert den Ausnahmezustand, den der Faschist braucht und den er sich notfalls wahnhaft schafft. Dem schließt sich Vorstellungsrepräsentanzen an: Der demokratische Sieg Harvey Dents hätte „den Kampf des Einmannrackets Black Knight gegen die negative Aufhebung der Krise obsolet gemacht.“ Jedoch ist darin nicht schon der Sieg des Staates über das Chaos festgehalten: Es geht um Identifikation und Sympathie der autoritären Charaktere in den Bürgern. Diese identifizieren sich der Story zufolge mit dem Batman und sind unfähig, einen Staat aufzubauen. Der Batman kommt auf die Idee, dieser Identifikation ein anderes Gesicht zu geben, sie also mittels eines attraktiven Köders weiter zu bedienen und eben nicht ihre Mündigkeit zu befördern.
Das Verjagen des Helden bietet natürlich dahingehend interessante synthetische Interpretations-möglichkeiten. „Jeder ist nur noch, wodurch er den anderen ersetzen kann: fungibel, ein Exemplar. Er selbst, als Individuum, ist das absolut Ersetzbare, das reine Nichts.“ (DdA) Insofern wirbt der Batman anders als die unersetzbaren biologische Superhelden (Hulk, Superman, Spiderman) für diese Form der Ersetzbarkeit, indem er seine eigene Abschaffung einleitet. Der „listige Einzelgänger ist schon der homo oeconomicus, dem einmal alle Vernünftigen gleichen: daher ist die Odyssee schon eine Robinsonade“. Batman macht wie Joker, Odysseus und Robinson „aus ihrer Schwäche – der des Individuums selber, das von der Kollektivität sich scheidet – ihre gesellschaftliche Stärke“.(DdA)
Zugleich ist der Rekurs auf die Vertreibung auch ein alter Hut, in dem vieles vom ödipalen Konflikt aufgehoben ist. Dazu ist Freuds Totem und Tabu von Interesse: Die vergotteten Väter werden eben irgendwann zum Teufel gejagt. Das schlechte Gewissen idealisiert sie im Nachhinein zu Helden, wie Freud am „Mann Moses“ zeigt und wie es etwa im PC-Spiel „Fallout“, um nur einen modernen Mythos aus vielen zu nennen, vorgezeichnet ist. Das wahre Opfer ist der Verzicht auf Sympathie und Ruhm und mit diesem Opfer wird erst die Sympathie der alltäglich Verfolgten im Publikum vollends erschlossen.
„Batman aber wollte mehr als nur Joker besiegen. Er wollte, dass Harvey Dent einen Batman unnötig macht, dass Joker nie wieder zurückkehren kann.“ (Vorstellungsrepräsentanzen) Was der Batman angeblich will, sei dahingestellt. Der Film will das nicht und das Publikum will das nicht. Eine solche Interpretation versucht eine gute Story vor dem Zugriff der Kulturindustrie zu retten, der sie doch entsprang und für die sie wirbt. So wird hypostasiert und Kulturkritik an die Stelle von Gesellschaftskritik gerückt. Das setzt sich in die an der Dialektik der Aufklärung gebildete Lese fort:
„Joker hingegen steht für einen Stillstand der Subjekt-Objekt-Dialektik. Er ist die unterworfene Natur, die als verdrängte kritikresistent zurückkehrt, je mehr man ihr auch Vernunft einzuprügeln versucht.“ (Vorstellungsrepräsentanzen)
Für wen jedoch steht er da? Um das Publikum zum Widerstand gegen die kalte Rationalität aufzufordern? Wo es doch noch die Folterszenen alert an Cola und Popcorn konsumiert? Die Dialektik ist eine aufgesetzte des Films, die eine viel offenere Botschaft mystifizieren soll. Für sinnvoller erscheint mir eine andere Stelle aus der Dialektik der Aufklärung zu Rate zu ziehen. „Donald Duck in den Cartoons wie die Unglücklichen in der Realität erhalten ihr Prügel, damit die Zuschauer sich an die eigenen gewöhnen.“
Die Folter des Joker, seine letztendliche Bezwingung und das Auf-den-Kopf-Stellen, soll den über seine virtuellen Aktionen ausgelebten aggressiven Regungen ihre Grenzen aufzeigen. Und doch verrät die Figur des Jokers etwas an Wahrheit über den Verblendungszusammenhang.
„Gelacht wird darüber, dass es nichts zu lachen gibt. Allemal begleitet das Lachen, das versöhnte wie das schreckliche, den Augenblick, da eine Furcht vergeht. Es zeigt Befreiung an, sei es aus leiblicher Gefahr, sei es aus den Fängen der Logik. Das versöhnte Lachen ertönt als Echo des Entronnenseins aus der Macht, das schlechte überwältigt die Furcht, indem es zu den Instanzen überläuft, die zu fürchten sind. Es ist das Echo der Macht als unentrinnbarer. Fun ist ein Stahlbad. […] Das Kollektiv der Lacher parodiert die Menschheit.“
Insofern ist es die Gleichsetzung von „Slaughter“ und „Laughter“, nicht die Modifizierung des einen zum anderen, die noch Wahrheit über Gesellschaft verbreitet. Und darin ist inmitten derbster Kulturindustrie noch ein Moment aufbewahrt, das darüber hinauszutreiben sucht.
Literatur:
Adorno, Theodor W./Horkheimer, Max: „Dialektik der Aufklärung.“ (1947) 1984. Frankfurt a.M.: Fischer. 229 Seiten.
Behrens, Roger: „Kulturindustrie“. 2004. Bielefeld: transcript-Verlag. 50 Seiten.
Nur zwei Kleinigkeiten:
„die konsumierte Ware ist für ihn schon „authentisches“ Zeichen des Kapitalisten“
An der Stelle ging es um seine Inszenierung, also darum, wie er vom Film präsentiert wird.
„Mitnichten ist der Krieg des Batman assymetrisch“
Zur Dynamik des asymmetrischen Konflikts gehört es ja, daß sich der (groß-)staatliche Akteur zu Methoden seines Gegners gezwungen sieht. Das ist ja gerade der Witz an der Sache.
Also so ganz verstanden hab ich es noch nicht. Dabei werde ich das Gefühl nicht los, irgendwo einen Theoriefehler drin zu haben. Vielleicht meinst Du das ja mit: „So wird hypostasiert und Kulturkritik an die Stelle von Gesellschaftskritik gerückt.“
Ich versuche noch mal zu erklären, was mich an Deiner Lesart irritiert: Einerseits ist Batman selbst notwendig ein Racket, oder besser: ein Guirillakämpfer, der gegen die Herrschaft der Rackets und für die Errichtung des Staates kämpft. Ab da braucht es ihn nicht mehr. Aus Perspektive der Bürger ist Batman ein Führer. „Wie die antiken Könige bestimmt Batman seinen Nachfolger, wo er „müde“ ist und einschläft, also schlichtweg alt wird. […] Der Batman kommt auf die Idee, dieser Identifikation ein anderes Gesicht zu geben, sie also mittels eines attraktiven Köders weiter zu bedienen und eben nicht ihre Mündigkeit zu befördern.“ Ja, wie sollte er denn auch ihre Mündigkeit befördern? Batman kämpft gegen die Herrschaft der Rackets, wenn die besiegt ist, ist der staat aufgebaut. Es ist dies die politische Betrachtungsebene.
Den Ausgang aus seiner Selbstverschuldeten Unmündigkeit muß das Bürgertum in jedem Fall selbst finden. Der Kampf um Mündigkeit ist symbolisch im imaginativen Zwilling Batman-Joker dargestellt. Zusätzlich lässt sich ein Emanzipationsprozess in Waynes Biografie nachvollziehen. Er ist ein geknechteter der unmittelbaren Herrschaft seines Vaters. Davon versucht er sich zu emanzipieren, sich aus dem feudalen Unterdrückungsverhältnis zu befreien. Das geht nur indem er seine Angst gegen jene richtet, die letztlich seinen Vater auf dem Gewissen haben, für dessen Tod er sich verantwortlich fühlt. Er muß also gegen die Herrschaft der Rackets kämpfen, deren Herrschaft die Korrumption der Polizei, florierenden Drogenhandel und Strassenkriminalität bedeutet. Das letzte Glied dieser Kausalkette hat seinen Vater auf dem Gewissen. Der Sieg in diesem Kampf wäre für Wayne gleichzeitig der Sieg im Konflikt mit seinem Vater, erst dann könnte er sich wirklich auf Rachel einlassen, weil er sich mit seiner Batmanpassion nicht länger selbst im Weg stehen würde. So gesehen liefert Joker, wie du schreibst, „dem Batman die Legitimation, weiter zu machen. Er generiert den Ausnahmezustand, den der Faschist braucht und den er sich notfalls wahnhaft schafft.“
Doch auch wenn Batman notwendig als racket gegen die rackets kämpft, weil der Staat ein Unstaat ist, der Faschist ist aus dieser Perspektive dann doch nicht Batman, sondern BATMANS VATER. Sein Vater braucht den Ausnahmezustand, um Batman in seiner Unmündigkeit zu halten. Batman selbst will da raus. Im Gegensatz zu Gothams Bevölkerung. Batman „ein anderes Gesicht zu geben, sie also mittels eines attraktiven Köders weiter zu bedienen und eben nicht ihre Mündigkeit zu befördern“, kommt den Bürgern entgegen. Diese sehen nämlich in Joker und Co den Grund für ihr Unglück, statt einzusehen, dass Joker immer nur so schlecht ist wie sie selbst – ein klassischer Abwehrmechanismus. Die in Batman und Joker aufgezeigte Dialektik des Ichs ist die des Bürgers, was Joker aus dem Bürgertum ja auch immer wieder heraus kitzelt.
Das Bürgertum ist notwendig regressiv. Entspräche es stattdessen seinen eigenen Anforderungen, würde es sich damit qua geschichtlicher Praxis gleichzeitig seiner Bedingungen beraubt, sich selbst abschaffen. Ergo: Der siegreiche Kampf Waynes gegen seinen Vater, was ein endgültiger Sieg wäre, funktioniert nur mit dem gleichzeitigen Sieg des Bürgertums, was gleichzeitig die Abschaffung des Staates wäre.
„An keiner Stelle erhebt der Batman ernsthaft den Anspruch, eine blitzesaubere Welt zu schaffen. Die Dialektik der Aufklärung wäre nicht beendet worden, sondern der Staat hätte sein Surrogat, das organisierte Verbrechen, in einem Konkurrenzkampf an den Rand gedrängt, es beherrschbar gemacht. Es hätte schlichtweg keines Superhelden mehr bedurft, dass dadurch schon die Polizei unnötig geworden wäre, behauptet nicht einmal „Dark Knight“. Das stimmt. Aber wenn man Waynes Onthogenese als Phylogenese liest, behauptet es eben die Onthogenese.
Der Grundirrtum ist der, in der Geschichte einen kohärenten Sinn, eine versteckte Geschichte, eine Synthese zu vermuten. Das Ganze ist Kulturindustrie, von verschiedensten Seiten zusammengeschraubt, bis es allen passt und gefällt. Wenn man sich so einen Filmproduktionsprozess ansieht, kommt man vielleicht zwangsläufig dazu, den Anspruch auf Stringenz aufzugeben. Besonders krass deutlich wird das etwa bei „Driven“ mit Stallone/Schweiger: Die rausgenommenen Szenen würden einen ganz anderen Filmsinn ergeben und die Charaktere nachvollziehbarer und reicher ausgestalten.
Bei einigen Filmen ist tatsächlich eine Art Lesbarkeit gegeben, vor allem bei Autorenfilmen oder Regisseurprojekten: „Apocalypse now“ das sich an „Heart of Darkness“ orientiert, Rambo, das im Wesentlichen auf dem Roman aufbaut und von einer kleinen Gruppe zusammengeschrieben wurde, ohne die Gewissheit, einen Knüller zu produzieren. Bei anderen wie „Shrek“ sind die Charaktere eindeutig.
Das alles ist bei Dark Knight nicht gegeben. Jeder kann in die Stereotypen das hineinlesen, was er oder sie will und nur diese projektive Komplexität kann erfasst werden. Einen hundertprozentigen Filmsinn gibt es nicht und kann es auch kaum geben bei einem solchen Projekt – sonst würden kaum so viele Leute davon angesprochen. Das Batpod beispielsweise ist ein ebenso wichtiger Publikumsmagnet wie vernachlässigbarer Faktor in der Story. Würde man die Story zur Story machen, wäre es eine ziemlich nackte Erzählung und nicht mehr das fantastische Spektakel voller sich überlagernder Bedeutungsebenen. Ähnliches gilt übrigens für Lynchs letzten Film, siehe „gesammelte Werke“ oben.
damit hast du mich überzeugt. dann ist meine deutung bzgl. dialektik des ichs als onthogenetische und phylogenetische erzähldimensionen, eben das was ich in das kulturindustrielle produkt hineinzulesen in der lage war. hat in diesem sinne auch seine berechtigung.
ansonsten waren wir uns ja relativ einig, hab ich den eindruck. jedenfalls bei folgendem satz würde ich ohne frage mit gehen: „Die Folter des Joker, seine letztendliche Bezwingung und das Auf-den-Kopf-Stellen, soll den über seine virtuellen Aktionen ausgelebten aggressiven Regungen ihre Grenzen aufzeigen.“
wäre das, was ich als abgesichertes ausdemfensterlehnen zu beschreiben versucht habe.
ich finds jedenfalls großartig, was sich für eine gewinnbringende diskussion über diesen film bei blogsport entfaltet hat 🙂 .
Jep, ich hoffe auch, dass meine selektive Auswahl kritischer Punkte nicht meine grundsätzliche Sympathie für deine Interpretation verschleiert hat. Nur der Impetus des „wir lesen das jetzt wie Kritik“ hat mich etwas verstört, da sah ich im Geiste schon die Antifa-Transpis mit Batman, die Antifa-Spuckis mit Joker und ganz real sah ich gerade Joker-Poster fürs Schlafzimmer im Medialand…
Aber wenn ich das Kulturindustriekapitel selbst so konsequent anwenden würde, wie in diesem Beitrag, hätten ja meine bisherigen Filmrezensionen mitunter auch wenig Bestand.
Prinzipiell denke ich schon, dass es vor allem darum geht, gewisse mythologische Strukturen in eine Film abzutasten, die relativ unvermittelt auch nebeneinander liegen können – wie etwa die (von stallone übrigens geächteten) comic reliefs in Rambo neben der ernsten Story.
Eine Benjaminische Lese von Filmen gleitet ja recht gerne in eben einen isolierenden Positivismus ab, der dann zu überzogenen Interpretationen wie der des angelus Novus führt.
hihi. batmanantifaaufkleber. am besten mit diesem grade gefundenen plakat:
http://raynay76.files.wordpress.com/2008/04/batman1.jpg
der stolze supersoldat aus der froschperspektive. im header die freundliche einladung zum amok. ginge auch sicher als 1.mai-randale-plakat durch
@nichtidentisches
Nur eine Anmerkung: Der „Angelus Novus“ ist doch in erster Linie eine geschichtsphilosophische These, die sich aus Benjamins Erfahrungen ergibt und „nur“ formal aus dem Bild von Klee entwickelt wird. Dazu kommt noch das Gedicht von Gerschom Scholem als Interpretationsvorlage sowie die These selbst als Antithese zum zeitgenössischen Histomat, der vor dem Hintergrund des NS ins absurde umschlägt. Ferner ist das Bild von Klee eben kein Produkt der Kulturindustrie. Von daher möchte ich mir die Conclusio erlauben, daß dein Beispiel falsch gewählt ist.
Möglicherweise…vielleicht sollte ich auch doch erstmal Benjamin directyl lesen.
Ja. In einer guten Zusammenstellung zu finden z.B. in edition suhrkamp 103. Die Geschichtsphilosophischen Thesen selbst machen ja nur ein paar Seiten aus.
ist nie verkehrt, text zu lesen auf die man sich beruft.
von daher: thumbs up für deine zukunftspläne!
Naah, ist ja nicht so, dass ich nicht tonnenweise Sekundärliteratur zwischen Braindead und Pocahontas konsumiert hätte. Stark benjaminisch getönt ist aus den USA Michael Taussig mit „Mimesis und Alterität“ sowie „The Devil and Commodity Fetishism in South America“. Sowieso ist wohl in den USA die post- und antipostmoderne Benjamin-Lektüre ungleich dominanter gegenüber der kritischen Theorie.
Aber ich werde mich baldmöglichst reinhängen…Jameson wartet auch schon und überhaupt wollen aufgrund hier noch nicht verratenen Gründen mehr Medienwissenschaftliche Studien gelesen werden…
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Hier nochmal der Link zum ersten Artikel…
http://nichtidentisches.wordpress.com/2008/09/02/dark-knight/
Ich sollte auch nochmal Korrektur lesen, da krachts ja hinten und vorne… kommt bald.
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