Das Gaza-Gambit

Die Zeitungen können nicht behaupten, es hätte kein Material gegeben – als die mediale Wut sich auf Israel eingeschossen hatte, war durch die festgefahrene journalistische Logik im Vorfeld sicher gestellt, dass die IDF nicht zu Wort kommt. Unmittelbar nach den ersten Hetz-Artikeln rollte die Lawine von antisemitischen Kommentaren los. Wer tatsächlich interessiert gewesen war, hätte lediglich einen Blick in die Jerusalem Post werfen müssen. Dort war von Beginn an die weitaus schlüssigere Version zum Ablauf des Ereignisses veröffentlicht worden: Beim friedlichen Durchsuchen von mehreren unter üblicher ideologischer Flagge fahrenden Schiffen nebst dem Kompromissangebot des freien Geleites zum Hafen wurden die israelischen Soldaten auf einem Schiff in einen Hinterhalt gelockt, sie wurden dort von Beginn an aufs Heftigste attackiert und nachdem zweien von ihnen Waffen entwendet wurden musste das Schiff letztlich mit Gewalt erobert werden. Dabei starben 9 Menschen.

Die antisemitische Version klingt weitaus spannender: Heimtückisch und planvoll hätten israelische Soldaten ein harmloses Schiff mit Hilfsgütern überfallen und willkürlich an die zwei Dutzend Menschen erschossen. Ein solches Vorgehen von einem demokratischen Land mit einer der diszipliniertesten und professionellsten Armeen der Welt  zu erwarten baut auf der Glaubhaftigkeit auf, die nur komplette Absurdität erzeugt. Da kommt kein Zweifel auf bei den  unzähligen kleinen Lichtern, welcher Räson ein solches Vorgehen entsprechen würde. Das Vorurteil fälscht die Erfahrung – Folge 1290003231. In den Hetzspalten der „Zeit“ ist das paradigmatisch enthalten:

„Nicht nur Türken waren im Visier der Israelis. Auch Angehörige von über dreißig Nationen, Muslime, Christen, Atheisten. Darunter auch zwei Bundestagsabgeordnete von den Linken. Sie alle wollten die dreijährige israelische Blockade von Gaza durchbrechen und Hilfsgüter bringen.“

Die ganze Welt im Visier Israels – das ist antisemitischer Jargon par excellence, Projektion der Tatsache, dass sich auf diesen Schiffen die ganze Welt eingefunden hatte, um gegen Israel zu sein – von Linkspartei-Abgeordneten bis zum schwedischen Kriminalroman-Autor und den Vertretern der IPPNW.

Aus den Videobotschaften wird aber klar, mit welchem Kalkül die Schiffsbesatzung ein Lynchkommando organisiert und durchgeführt hat, indem sie Soldaten mit Blend-Granaten, Eisenstangen, Ketten, Messern und professionellen Schleudern attackierte. Ein Idiot, wer die Tödlichkeit solcher primitiven Waffen bezweifelt oder relativiert – hier wurden von vornherein Todesopfer eingeplant. Ebenso geplant verläuft die diplomatische Kür, die die Türkei trotz der Videos vom Angriff der Schiffsbesatzung auf friedliche Soldaten aufrecht erhält. Immer offensichtlicher wird, dass die Türkei nach dem Iran zum neuen Hot Spot staatlich orchestrierten und plebiszitär getragenen Antisemitismus wird. Damit verdient sie sich die Mitgliedschaft in der nicht minder antisemitisch durchwirkten EU sehr redlich. Dass immer noch eine Untersuchung des israelischen Vorgehens gefordert wird und nicht vielmehr die türkischen Botschafter einbestellt werden, folgt der Logik des internationalen antisemitischen Reflexes. Müßig bleibt es, auf die Verkehrung hinzuweisen, dass allein die Hamas die Löschung der wie auch immer notwendigen Hilfsgüter verhindert – und trotzdem auf ganzer Linie gewonnen hat.

Die unvermeidliche Schuld Israels: Die Heimtücke des Feindes immer noch unterschätzt zu haben.

Jerusalem Post I

Jerusalem Post II

——————————————————————–

Etwas fleißiger die Zeitungen durchwühlt hat Lizas Welt:

Aufgebrachte Narrenschiffe

14 thoughts on “Das Gaza-Gambit

  1. Das Ausmaß der internationalen, aber vor allem der europäischen Reaktionen hat mich überrascht. Das völlige Ausbleiben besonnener Analyse und das überall anzutreffende „Argumentieren“ aus rein emotionalen Affekten und pazifistisch-utopischen Geisteshaltungen heraus aber hat mich tief verstört. Eine auch nur ansatzweise kritische Reflexion der Geschehenisse fand schlicht und einfach nicht statt. Dies lässt in mir eine böse Angst aufkeimen: Wird unsere westliche Zivilisation irgendwann an ihrer eigenen Irrationalität zu Grunde gehen? Wenn wir mit der angemessenen Behandlung einer noch halbwegs eindeutigen Situation wie dieser schon dermaßen überfordert sind, was soll dann erst werden, wenn die Dinge richtig kompliziert werden?

  2. Wieso erscheint die eine Variante, welche du präsentierst so viel schlüssiger? Ich kann beide Versionen nicht so ganz verstehen.
    Wieso sollte das „Hilfsschiff“, einen Angriff planend, nur mit Stangen, Schleudern und ähnlich lächerlichen Waffen ausgerüstet sein?
    Und andererseits, verstehe ich auch nicht, wieso man ein Hilfsschiff angreifen sollte, auf dem sich weltpolitische Personen befinden.
    Beide Varianten klingen abstrus – ich bitte um Aufklärung, wieso die erstere die schlüssigere sein sollte.

    • @Karly:

      Das Problem hatte ich auch – nun könnte ich mir zum einen bestimmte Beschränkungen im Waffen- und Schifffahrtsrecht nebst Kontrollen recht gut vorstellen und zum anderen ein gewisses Kalkül – dass nämlich das Ziel war, einen Gegenschlag zu erzwingen, der zu Märtyrern führte – wie das im Video das von Frank gepostet wurde bestätigt wird. Das Ziel waren Tote auf eigener Seite und so ein medialer, berechenbarer Aufruhr. Und zuletzt sind die Waffen eben nicht ohne.

      Die „weltpolitischen Personen“ befanden sich soweit ich weiß allesamt auf einem der anderen Schiffe, auf denen es ja auch ruhig blieb.

  3. Pingback: normans dreiräder « Euphorie und Skepsis Blog

  4. Es geht nicht darum, die Vorfälle schlüssig darzustellen. Es geht vielmehr darum, dass sich hier mal wieder eine pathische Projektion vollzieht. Israelkritiker, Völkerrechtler & Antisemiten dichten dem Konflikt auf hoher See mehr an als sich tatsächlich zugetragen hat. Signifikant dafür ist, dass sich entgegen ihrer falschen Wahrnehmung (wonach die Israelis die Menschen in Gaza aushungern wollen) die Hilfsgüter tatsächlich inzwischen am Zielort befinden, nämlich in Gaza.

    http://www.mfa.gov.il/MFA/HumanitarianAid/Palestinians/Humanitarian_aid_flotilla_transferred_Gaza_1-Jun-2010.htm

    Dafür sind die anti-israelischen Hetzer jedoch nicht empfänglich. Sie sind gegen jede Einsicht immun. Jean Paul Sartres Aussage ist zeitlos: „Die Situation des Juden ist derart, daß sich alles, was er tut, gegen ihn wendet.“ (aus: Betrachtungen zur Judenfrage)

  5. Ein auf dem Schiff gefundenes Video (IDF spokesperson),

    zeigt die medienfreundliche, europagerechte Version des Suicide Mörders:

    Die Vorteile:

    + keine Verlegenheit mehr bei Bildern von zivilen israelischen Opfern

    + Täter kann selbst mit unter Opfer gezählt werden

    + Israelische Soldaten sind automatisch immer die Angreifer, denn wer glaubt schon dass jemand nur mit Knüppeln auf schwerbewaffnete Elite-Soldaten losgeht

    Frank.

    P.S. Ich darf den Autor daran erinneren, dass er vor Jahren, in einer Diskussion auf diesem Blog, die AKP als fortschrittlich bezeichnet hat.

  6. Nochmal: Wo bezeichne ich sie als „fortschrittlich“?

    Besides: Es gab eine Entwicklung in den letzten drei Jahren, sowohl meine als auch in der Türkei. Die Türkei hat sich in den letzten Jahren sehr vehement gegen Israel gestellt – was vormals weniger der Fall war. Ob das der AKP zuzurechnen ist oder anderen Strömungen kann ich kaum beurteilen – ich möchte beides nicht ausschließen.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.