Talkshows sind nicht mit mit Aufklärung zu versöhnen. Ihre Form reduziert jedes Argument zum Geschwätz, jeder entfaltete Gedanke, jedes Material wird schon auf die Meinung der eingeladenen „Positionen“ reduziert. Noch die sechsstündigen Monologe Castros und Chavez‘ enthielten mehr kritisches Potential als diese telemedialen Inszenierungen von Demokratie, die sich nicht scheuen würden, Nazis und KZ-Opfer in einen Raum zu setzen.
Kalt wechselt Anne Will daher beim paraten Stichwort vom Opfer des Islamismus, dem sie nicht einmal ein „das tut mir leid“ zum Abschluss sagen kann, zur Täterin, die in der szenetypischen Codierung zum heroischen Kampf aufruft – freilich sagt sie den prospektiven Heldinnen, dass ihre „Zivilcourage“ kein Zuckerschlecken wie in der gewärmten Stube wird, wohl wissend, dass die Rekrutinnen sich gerade deshalb einschreiben.
Die Islamistin konnte nur gewinnen. Der größte Fehler von Moderatoren ist es, eine verächtliche Person öffentlich vorzuführen, sie mit einer hier auch noch männlichen Übermacht zu konfrontieren. Dieser Overkill produziert Underdogs, denen Mitleid und Sympathien zukommen. Das wusste die Moderation. Sie hat das aber in Kauf genommen, um kulturindustrielle Quote zu machen. So verkehrte sich alles in Gegenaufklärung. Die parallel laufende Dokumentation von Al-Jazeera über die Tuareg in Mali und Niger belegt trotz der Inszenierungen der Jeep-Shows von Wüstenkämpfern, dass das deutsche Fernsehen durchaus aus eigenem Antrieb eine kultürliche Entscheidung zur Verdummung trifft und dass eine andere Aufklärung auch im Bestehenden möglich wäre.