Aber heißt das schon, dass „Sex“ – also das biologische Geschlecht im Unterschied zur sozialen Geschlechterrolle „Gender“ – wirklich „real“ ist, wie viele daraus schließen? Nein. Denn erstens bedeuten diese Zahlen auch, dass in Deutschland immerhin schätzungsweise 1,4 Millionen Menschen leben, die nicht eindeutig einer der beiden Seiten zugeordnet werden können.
(Antje Schrupp, Zeit-Online)
Der Zeit-Artikel von Antje Schrupp verbreitet den inzwischen an den Universitäten weit verbreiteten Nonsens: aus dem biologischen Intersex abzuleiten, dass biologisches „sexus“ nicht real sei. Dabei hat das biologische Geschlecht gerade für Intersex äußerste Realität, nämlich als physische Präsenz biologischer Faktoren, z.B. xxy oder x0 oder andere.
Dann kommt Schrupp im Artikel dazu dass sex nicht gender sei – ist natürlich auch so, Binsenweisheit. Deshalb wehren sich auch manche Feminist*Innen dagegen, dass Kinder, die sich gern crossdressen oder nicht stereotyp verhalten in Richtung Operation gelenkt werden um sex und gender und Sexualität wieder auf Deckung zu bringen – in Iran ebenso wie in den USA. Der männliche Homosexuelle oder Transvestit wird zum Frausein gedrängt, Tomboys und weibliche Homosexuelle zum Mannsein, damit das heteronormative Weltbild intakt bleibt, nicht weil Transsexualität das authentische Triebschicksal wäre, was zugleich möglich ist.
Transvestismus und genderfluides Verhalten hat zunächst nicht unmittelbar mit biologischem sex zu tun, jedoch viel mit Kultur und noch mehr mit individuellen Triebschicksalen, die Kompromisse zwischen Wünschen und gesellschaftlich induzierten Ängsten darstellen. Die Trennung zwischen Sex und Gender ist gerade wegen des Drucks zu Vereindeutigungen so wichtig, die Letzteres aus ersterem ableiten wollen, nur um dann in einer gegenläufigen Bewegung die Menschen mit der biologischen Kondition Intersex wieder gesellschaftlicher Normierung zu unterwerfen.
Eine feministische Verteidigung von Genderfluidität muss mit der Verteidigung von biologischen Intersex, von Frauen gegen die Angriffe auf den Uterus oder das uneindeutige Geschlecht einhergehen. Und sie muss einhergehen mit der Verteidigung von jeweils unter Abspaltungen zu Identitäten geronnene Homo-, Bi- und Heterosexualität als jeweils im Zuge infantiler Erfahrungen und Traumata selbstgewähltes Triebschicksal. Und sie muss beinhalten die Verteidigung von Crossdressing und Genderfluidität als individuelle Triebschicksale oder auch ironische, bewusste, kurzlebige Spiele, die gerade nicht aus dem biologischen Sexus abgeleitet werden, die aber auch gerade deshalb nicht darauf angewiesen sind, die Materialität von Uterus, Penis oder Intersex in einer narzisstischen Volte zu leugnen.
Intersex ist nicht der Beweis, dass es kein Geschlecht gibt. Intersex ist Geschlecht, Materie, Biologie. Daher sind operative Zwangsnormierungen so infam und daher ist der reichlich späte Vorschlag der Justizministerin Christine Lambrecht zu begrüßen, diese Operationen im Kindesalter zu verbieten.
Intersex ist nicht gleich Transsexualität oder Transvestismus. Intersex ist erstmal überhaupt keine Sexualität im sexualpsychologischen Sinne, sondern Sexus aus dem alle möglichen Sexualitäten als Triebschicksale entstehen können. Alle haben ihr Recht, aber es ist nicht alles irgendwie ähnlich oder egal oder das Gleiche. Alles sind Phänomene und Begriffe für sich, die man geklärt haben sollte, naturwissenschaftlich, psychologisch, theoretisch, bevor man eine große Politik oder ein universitäres Dogma daraus formt.