Das Beaver-Dam-Sabotage-Movement – ein naturfeindliches Youtube-Phänomen

Millionen Aufrufe generieren Videos von forschen Männern, die Biberdämme einreißen. In Hochwasserhosen oder Gummistiefeln, mit Baggern oder Gabeln tragen sie Stück für Stück Holz vom Bau ab, bis der Bach wieder frei fließt. Manche sind neutral untertitelt, andere machen aus ihrer Abneigung gegen Biber keinen Hehl: „Beavers set me up!“ oder „Beavers should be more on the menue!“. Typische Kommentare sind „Great Job!“ und „Why don’t you use dynamite!“


Fox River Bushcraft (3340) und Gene Plumley (1370) gehören zu den eher kleineren Kanälen, während msTech86 mit 20300 Abonnenten, Terell Spivey mit 26.100 und Kenislovas mit 50300 Abonnenten bereits deutlich größere Dimensionen erreichen. Im Umfeld der Beaverdam-Removal-Videos finden sich auch Beaver-hunting-videos, in denen Amateure und professionelle Jäger sich beim Abdrücken von Bibern filmen.
Das Kuriose ist, dass sich unter den Filmen eine endlose Liste an Kommentaren findet, die das beklatschen und bejubeln. Kritische Kommentare werden mindestens im Verhältnis 10:1 überstimmt.
Europa beherbergt nach einem Tiefpunkt von 1200 Tieren in etwa acht Reliktpopulationen in ganz Eurasien heute wieder 1,2 Millionen Tiere. In ganzen Regionen gilt die Art Castor fiber noch immer als ausgerottet und Biberdämme gelten als Attraktion und besondere Sehenswürdigkeit.
Anders in Nordamerika. Dort gab es vor der Ankunft der Europäer etwa 60-400 Millionen Biber der genetisch abzugrenzenden Art Castor canadensis, die auch in Finnland und Asien eingeführt wurde und parallel zu Castor fiber Populationen bildete. Bis kurz nach der letzten Eiszeit existierten noch die bärengroßen Riesenbiber Castoroides. Heute existieren noch etwa 15 Millionen Tiere der Art castor canadensis.
Biberdämme werden teilweise über Generationen aufgebaut und gewartet, bis sie beachtliche Größen erreichen. Die Tiere passen die Höhe der Dämme an den Wasserstand an und regulieren aktiv den Wasserabfluss. Dadurch verbessern sie die Wasserretentionsfähigkeit des gesamten Bachlaufs erheblich. Lediglich Sturzfluten können die Dämme wegreißen und für erhebliche Flutwellen sorgen.
In den fast stehenden Gewässern hinter Biberdämmen vermehren sich Amphibien und Fische, Libellen und andere Wasserinsekten. Langfristig entstehen Schilfgürtel, in denen Wasservögel brüten. Die gefällten und teilweise halbgefällten Bäume liefern Totholz für Insekten. Der Stockausschlag von Weiden garantiert eine nachhaltige Nahrungsgrundlage für die Biber, die sich von Rinde, Trieben und Blättern, aber auch von Kräutern ernähren. Der Umkreis, in dem sie Bäume fällen, ist begrenzt. Allerdings plündern Biber gern auch Rüben- und Rapsfelder. An Steilufern entstehen „Biberrutschen“, die für Eisvögel interessant werden. Aus ökologischer Sicht ist der Biber einer der besten Landschaftsarchitekten und ein Großteil der wasserbasierten Artenvielfalt ist nicht nur an den Biber angepasst, sondern sogar auf ihn angewiesen.
Reale Konflikte entstehen dort, wo Obstbäume gefällt werden, wo Klärwerke, Straßen, Gleise, Brücken geflutet oder Deiche untergraben werden. In sehr seltenen Fällen ist eine Gefährdung von Orchideenstandorten durch Überflutung denkbar. Bibermanagement ist daher notwendig, und dazu gehört selten auch, einen Damm zu öffnen, Biber umzusiedeln oder zu vergrämen.
Das Publikum der Biberdammentfernungsvideos ist allerdings von Hass und Hohn für die Tiere geprägt. Sie werden als Schädlinge („varmint“, „vermin“, „parasites“) bezeichnet. Der Biberdamm repräsentiert ihnen den Triebstau, das Fließen des Flusses die Ejakulation, die braunen Biber selbst werden mit dem Fäzes gleichgesetzt. Der Biberhass kann als typisches Beispiel für eine zivilisatorische Kanalisierung sexueller Energie gelten, die aus Halbbildung geboren ist. Der Anspruch, die umgebende Natur zu kontrollieren und zu beherrschen wird durch die Präsenz eines eigenwilligen, in großem Stil wirksamen Tieres gekränkt. Mit der technologisch eher stupiden Arbeit der Öffnung von Biberdämmen kann durch einfachste Mittel ein Schwall von Selbstwirksamkeit erfahren werden, der auf das Publikum abfärbt.
Da die Zerstörung von Biberdämmen die Tiere Stress aussetzt und Prädatoren ausliefert, sind die Videos als Tierquälerei anzusehen. Zahllose an stehendes Wasser angepasste Tiere werden abgeschwemmt oder verenden im trockengelegten Land. Davon unberührt schwelgen Kommentare im „ASMR“-Moment, das Wasser wieder plätschern zu hören.


Die Entfernung des Damms gilt als Akt der Befreiung. Rationalisierungen werden stets nachgeliefert, die Videos erklären meist weder Zweck noch Inhalt der Arbeiten. Es handelt sich nicht um Bibermanagement im Sinne eines vermittelnden Naturschutzes, sondern um stupide Landschaftsgärtnerei im Auftrag von Kommunen oder Privatpersonen. Erst aus der Defensive heraus werden Argumente geliefert wie die Gewährleistung der Dränierung, die Wiedergewinnung von Ackerland, oder die beliebteste Rationalisierung überhaupt: „I just do my job, fuck you very much!“

Biberdammentfernungsvideos bewerben eine extrem zerstörerische und nur in Ausnahmefällen rational begründbare Tätigkeit als „fun“ und, heute eventuell noch wichtiger, „relaxation“: „calming to watch!“

Solche zelebrierte, als Naturliebe maskierte Naturfeindschaft verhärtet sich gegen jedes Argument. Sie ist Resultat konservativer, aber auch sozialdemokratisch-technokratischer Aufklärungsrückstände. Wo man nicht einmal eine der wichtigsten Tierarten der Welt verstanden hat, herrscht naturkundlicher Analphabetismus und dieses Nichtwissen öffnet Portale für die pathischen Projektionen auf unverstandene Natur.

Kommentare aus:
https://www.youtube.com/watch?v=UIVhMi5M_VM (Polen)


Siehe auch:
https://nichtidentisches.wordpress.com/2011/02/15/hommage-an-den-maulwurf/



Zur Absetzung des Panels „Moderne Hexenjagden“ auf dem Freiburger Filmforum 2023

Auf dem Freiburger Filmforum 2023 sollte der Film „Ordalies“ aus Brazzaville gezeigt werden. Der sehenswerte Film folgt einer Gruppe von selbsternannten Friedensrichtern, die Hexereianklagen verhandeln, um diese friedlich zu verregeln.
Der Organisator des Panels lud mich ein, mit zwei weiteren Personen auf einem eigens für den Film geschaffenen Panel „Moderne Hexenjagden“ zu sprechen. Eingeladen wurde ebenfalls David Signer, der ein Buch über Hexereivorstellungen in Westafrika geschrieben hat. Auch wenn ich mit David Signer an wesentlichen Punkten nicht einig bin, konnte ich mir eine Diskussion vorstellen. Der Organisator versuchte in mehreren Anläufen, entweder Betroffene oder schwarze Aktivist*innen für das Panel zu gewinnen. Ich konnte ihm den Kontakt mit Leo Igwe, einem der renommiertesten Aktivisten für Hexenjagdopfer, vermitteln und er sagte eine Teilnahme per Online-Panel zu. Das Budget und der begrenzte Zeitumfang begrenzten die Zahl der Referent*innen.

Eine Woche vor der Veranstaltung wurde das Panel nach einer Diskussion im Team abgesagt. Die genauen Gründe sind mir nicht bekannt, es ist jedoch klar, dass das Thema Hexenjagden in Afrika ein Problem war und der Wunsch im Raum stand, das Thema nur von Menschen aus Afrika besprechen zu lassen. Im Gegensatz zum Statement, Leo Igwe sei ein akzeptabler Referent gegen den im Team nichts spreche, wurde auch er ausgeladen.

Ich wurde kurze Zeit später von der NZZ angesprochen, ob ich Fragen zum Vorgang beantworten könne. Die Neue Züricher Zeitung ist durchaus eine Qualitätszeitung, jedoch mit eindeutig rechtspopulistischer Agenda und klarer Ausrichtung auf ein rechtsliberales FDP-Publikum mit klaren Übergängen zur AFD. Es ist, kurzum, eine Zeitung, die ich boykottiere. Ich war jedoch damit konfrontiert, dass die Zeitung ohnehin den Vorgang ausschlachten kann und habe mich nach reiflicher Überlegung entschlossen, wie folgt ausführlich zu antworten. Diese Antwort möchte ich öffentlich machen, um einer erwartbaren Verkürzung entgegenzutreten.

„Ich bedaure die kurzfristige Entscheidung des Teams des Freiburger Filmforums, da die Veranstaltung die Möglichkeit geboten hätte, ein globales Problem und dessen Opfer sichtbar zu machen und qualifiziert mit Fachleuten zu diskutieren. Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass das Thema Hexenjagden einige Studierende erstmal überfordert. Es ist eine komplexe Aufgabe, das Phänomen in einer extrem konservativen, von rechter Propaganda durchseuchten Gesellschaft zu thematisieren. Hexereivorstellungen lassen sich nur mit erheblichem Lektüreaufwand und entsprechendem Rüstzeug aus empirischem Wissen, Psychoanalyse und Kritischer Theorie angemessen bearbeiten. Während meiner Forschung habe ich auch von bürgerlichen Professor*innen genug Ressentiments und Widerstände gegen das Thema erlebt. Daher hatte ich auch keine Chance, das Thema an Universitäten weiter zu beforschen. Das ist nichts Persönliches: Es gibt bundesweit keine einzige dauerhafte Stelle für moderne Hexenjagdforschung. Deshalb ist der Ausschluss auch nichts Neues für mich.
Das letzte, was die christkonservative Gesellschaft hören will, ist, dass kein intellektueller oder moralischer Unterschied besteht zwischen einem Jesus, der übers Wasser läuft und einer Hexe, die durch die Luft fliegt. Oder zwischen einer armen Gesellschaft, die Menschen als Hexen lyncht und einer immens reichen Gesellschaft, die Ertrinkende zurück ins Mittelmeer schubst.
Und auf Seiten des linken Kulturalismus vertritt man die Ansicht, dass sich die Religion der „Anderen“ nicht kritisieren lässt, solange vor der eigenen Tür genug Dreck liegt. Der entscheidende Unterschied zwischen linken und rechten Kulturalisten ist dabei, das es den linken wenigstens nicht um die bornierte Verteidigung der eigenen Religion und Kultur vor Kritik geht.  
Nicht zuletzt liefern die Institute der Ethnologie den Studierenden nicht das notwendige theoretische Rüstzeug, komplexe Konflikte in anderen Gesellschaften zu bearbeiten. Der Trend geht ganz im Sinne des Konservativismus zu konfliktfreien Gefälligkeitsthemen, die niemanden verschrecken: Esskultur, Tattoos, Filme oder Tourismus. Mit Praxis und Interventionen will man nichts zu tun haben. In diesem bräsigen Klima überreagieren manche Menschen dann eben aus Überforderung heraus oder sie sind noch etwas ungelenk in ihrer Kritik und treffen daneben. Die sind mir oft lieber als die Mitmacher und ich sehe es als „friendly fire“, wenn es mich trifft.
Die Leute im Team konnten sich offenbar aus der schlechten Erfahrung an Universitäten heraus gar nicht vorstellen, dass die drei Eingeladenen sachlich diskutieren und den Horizont der Anwesenden erweitern. Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass man Erwartungen und Ängste vorab mit mir diskutiert. Es wäre sicher hilfreich gewesen, wenn man Experten und Aktivist*innen aus Indien oder Papua-Neuguinea mitsamt Übersetzern hätte hinzuziehen können. Es gab Versuche dazu und ich habe erfolgreich den Kontakt zu Dr. Leo Igwe aus Nigeria vermittelt. Für mehr fehlten der Moderation des Panels aber schlichtweg die Mittel und die Zeit.“

The Undoing – wie man den Hammer loswird

Ein Film über eine Psychoanalytikerin macht sich verdächtig, seine Bilder bewusst einzusetzen und ist für seine Inhalte in besonderem Maße verantwortlich zu machen. Die Story ist ein platter whodunnit: ein Arzt „betrügt“ seine Ehefrau, eine Paartherapeutin, mit einer Künstlerin und bringt diese um. Über fünf Folgen werden nun Andeutungen gestreut, die auch den Vater der Ehefrau, diese selbst oder ihren Sohn ins Visier nehmen. Aber es war dann trotz aller Finten und Maskeraden eben doch der angeklagte Ehemann der Paartherapeutin, was wir auch schon wissen, denn bereits zu Beginn hören wir mehrfach Frauen resolut urteilen: „Es ist immer der Ehemann!“
Die Message-to-go von The Undoing ist demnach erstaunlich simpel: Ehebruch ist ein Verbrechen.
Die Staranwältin verrät das am deutlichsten. Sie präsentiert ein Jurymitglied mit den Worten: „Er hat selbst Ehebruch begangen. Er weiß, dass Ehebrecher nicht auch Mörder sind.“ Der Rest des Filmes dreht sich darum, diesen Satz als Lüge zu entlarven, die die Anwältin selbst nicht glaubt. Beim Schuldspruch bricht ihre Kontrolle zusammen und sie giftet ihren Mandanten an: „Verdammt, Sie hätten einfach nur den Hammer vernichten müssen! Wie blöd kann man sein!“
Den Hammer vernichten. Man muss kein großer Psychoanalytiker sein, um den Doppelsinn zu verstehen.
Nicole Kidman wird als überwältigend schöne und perfekte Ehefrau aufgebaut. Sie hat keine Makel und ist am Ende das reine, betrogene Opfer. Wer hier – im oridinären Modus des Films gesprochen – seinen Hammer nicht loswird und treu bleibt, muss blöd sein. Oder ein „Arschloch“, wie der Pflichtverteidiger den Ehemann beurteilt. Er heilt krebskranke Kinder – und „bricht“ seine Ehe mit der Mutter eines Patienten.
Sie hingegen ist Therapeutin und „heilt“ Ehen: Einem homosexuellen Paar empfiehlt sie ganz in der Tradition konservativer Psychoanalyse in den USA, den Akt des Fremdgehens als Resultat einer Störung zu verstehen. Therapie führt nicht in freiere Sexualität, in Versöhnung mit dem Trieb, sondern dazu, dass freie Sexualität nicht stattfindet: Dass es nie wieder vorkommt und man sich „vertraut“.
Ihr Vater gesteht ihr gegen Ende des Films, dass er Zeit seines Lebens untreu war. Nicht Versöhnung, sondern ewige Selbstverachtung gibt der Film ihm zur Strafe mit. Der Film sanktifiziert die Straflust des Vaters, einem selbstbezeichneten „Hurensohn“, der zur Verteidigung der Familie mafiösen Druck ausübt. Das Überich ist zwar selbst bigott, aber weil es sich selbst verachtet, darf es regieren. Am Ende fliegt dieser Vater an der Seite seiner Tochter und seines Enkels im Hubschrauber davon, während unten der Ehemann verhaftet wird.

Am deutlichsten wird diese Identifikation mit einem sadistisch strafenden Überich in der Behandlung des Mordopfers. Die verführerische Künstlerin dringt in die intakte Familie ein und als sie ihr Kind, das Produkt der Affäre, im Haushalt der Reichen und Schönen unterbringen will, wird sie dafür vom Ehemann erst mit dem Kopf an die Wand geschmettert, und als sie ihm voll Wut mit dem Hammer nachläuft, von diesem entwaffnet und getötet. So kann der Film von der Figur des männlichen Ehebrechers beides haben: Schuld und Strafinstanz gleichzeitig. Der Mörder ist verachtenswert, schlimmer noch: bemitleidenswert. Aber er straft die wahrhaft Schuldige, den „homewrecker“, eine bekannte Figur im konservativen amerikanischen Film. Das ist der Grund, warum der Film hier, und nur an dieser Stelle, die Sehgewohnheiten verletzt und das Mordopfer wie in einem schlechten Splatterfilm mit zermatschtem Kopf zeigt. Wieder, und immer wieder.
Die derart aggressiv zerstörte Verführerin ist die Trophäe des Films. Für sie riskiert er eine Abwertung in der Altersfreigabe. Hier sagt der Film: So soll es allen Ehebrecherinnen gehen, die ihre Grenzen nicht kennen.
Daher ist „The undoing“ nur als Stück reaktionärer Ideologie zu lesen, als konformistische Revolte im Bündnis mit einem sadistischen Überich und gegen den Trieb.


Kostenpflichtige Tests? Neoliberale Ideologie!

Neoliberale Ideologie verkleidet sich gern als Klassenkampf von unten. So war es eine Zeitlang schick, Studiengebühren für sozial zu erklären, weil die Reichen von kostenfreier Bildung am meisten profitieren würden. Diese Ideologie abzuwehren, hat zehntausende streikende Studierende mehrere Semester gekostet.

Aktuell wollen ausgerechnet Stimmen aus SPD und von links kostenpflichtige Corona-Tests für Urlauber aus Risikogebieten. Peter Tschentscher findet es vertretbar, „wenn es die bezahlen, die ganz bewusst diese Reisen in Risikogebiete machen. Man kann auch woanders Urlaub machen.“
Lars Klingbeil sieht ein „Gerechtigkeitsproblem damit, dass man in die Risikogebiete fährt und dann auch noch den Test vom Staat bezahlt bekommt.“

Die einfache Gleichung, dass Tests eine Ausbreitung von Herden verhindern, und daher vor allen politischen Debatten von Staats wegen durchzuführen sind, ist offenbar nicht ins Bewusstsein gerückt. Hier wird ganz bewusst ein verquerer klassenkämpferischer Impuls auf eine kleine Gruppe kanalisiert, dadurch vermutlich domestiziert und dann aber auch noch in den Dienst neoliberaler Ideologie gestellt mit ihrem Mantra: Gesundheitssystem, Bildung und andere lästigen Staatsleistungen wie Sozialhilfe seien ungerecht, weil sie die einfachen arbeitenden Leute benachteiligen.

Eine einzige Frage stellt sich bei den Coronatests: Ist es eine notwendige Aufgabe des Gesundheitssystems Pandemien zu verhindern oder einzudämmen? Ja, natürlich ist sie das, Seuchenbekämpfung ist sogar die historisch vermutlich allererste Aufgabe eines Staates, und leider diskutieren wir in Deutschland im Monat acht der Pandemie noch immer über die Finanzierbarkeit von Tests!

Fordern, dass irgendeine Leistung des Gesundheitssystems privatisiert werden solle, also Rückkehrer zahlen müssten, ist zunächst einmal kein Klassenkampf, sondern die Forderung nach privatisierter Medizin. Die Reichen können zahlen – gemeint ist: der Staat soll nicht dafür zuständig sein, Gesundheitsvorsorge zu tragen.

Es mischt sich aber noch ein üblerer Ton hinein. Tatsächlich machen die meisten Besucher der Risikogebiete nicht aus purem Spaß dort Urlaub. Rückkehrere kommen derzeit vor allem aus Rumänien, Bulgarien, dem Kosovo und aus der Türkei.
Sie kehren von Saisonarbeit in Deutschland zurück, besuchen sterbende oder alte Verwandte, nutzen ihren Urlaub, um den Olivenhain in Schuss zu bringen, feiern Familienfeiern, Hochzeiten, Taufen, leider auch Beschneidungen und verhalten sich aber insgesamt eher wie familiensolidarische, kosmopolitische Proletarier*innen denn als elitäre Kreuzfahrer oder Luxusurlauber, die sich Isolation leisten können.
Es sind, kurzum, Albaner*innen, Roma, Türk*innen, die Diskussionen um kostenpflichtige Rückkehrertests treffen werden.

Es ist eigentlich Regierungsversagen, dass noch keine Massentests durchgeführt werden und dass tatsächlich inmitten des Wiederanschwellens der Infektionsraten erneut um Basisbanalitäten wie ordentlich ausgestattete Gesundheitsämter und die Verfügbarkeit von Tests diskutiert wird und nicht darüber, wie man Ländern in Afrika oder Südamerika helfen kann. Tunlichst gebotene Reichensteuern konnten lange genug unabhängig von Corona verhandelt werden. Dass auch diese nicht längst da sind, dass die Einkommensschere immer weiter auseinanderklafft, dass die oberen 10 % in Deutschland weiter in unglaublichem Tempo Reichtum und Macht akkumulieren, Corona hin oder her, dass bald halb Deutschland SUV fährt, während die Wälder im August schon aussehen wie im Herbst, das ist ebenfalls Ausdruck des allgemeinen Staatsversagens, das bürgerliche Ideologie letztlich im Sinn hat: Das Auseinanderdriften des wie auch immer widersprüchlichen ideellen Gesamtkapitalisten unter dem ideologischen Druck der konkreten bürgerlich egoistischen Einzelkapitalien. Das Gesundheitssystem hat diese Tendenz für die ganze Gesellschaft vorgezeigt. Privatisierung führt in konkurrierende Konzerne, die Arbeit an Subunternehmer auslagern, intensivieren, rationalisieren, Kosten vergesellschaften und Gewinne privatisieren.
Wer darunter leiden wird, sind die Armen, nicht die Reichen.
Staatliche Corona-Tests sind das Mindeste, was man von einem halbwegs funktionsfähigen Staat erwarten kann. Wenn ein Staat das inmitten des exorbitanten Reichtums der deutschen Gesellschaft nicht leisten kann, ist er ein failed state.

Asylum for Mubarak Bala, imprisoned for atheism in Nigeria!

Atheist Mubarak Bala is in police-custody now for 40 days, either to punish him without trial or to protect him from muslim death-squadrons. In 2010, 51% of Nigerian muslims demanded death-penalty for blasphemy.
For his atheism, Mubarak Bala was forced into a psychiatric institution and forcibly drugged in 2014.
In April 2020 he was arrested after a Facebook-post and then imprisoned without charge. He was then transferred from Kaduna to Kano, which is under Sharia-law.
Nigeria has to release Mubarak Bala now! Western states have to grant him instant asylum in case he feels the need to seek a secure home outside Nigeria now or in the future!

This is Mubaraks last Facebook-Post:

Bala spread real information about the Coronavirus and mocked religious reactions:

He also shared a reference to medieval muslim doctors – just to mock the law against autopsy in Kano:

There were attempts to shut down his Facebook-Account before:


While we heard instant and deep concern about the wellbeing of white anthropologists in Cameroon during the lockdown, there has been no solidarity with Mubarak Bala by German anthropologists or Africanists so far.

As a human and especially as a trained anthropologist, I do have to judge religion. Why do we study religion, if not to judge better?
After reading the Q’ran for at least four times in different translations, after reading scientific literature on Islam, islamic theology and the recent expanse of the salafiyya in Africa, after studying islam I do judge islam. Among the many religions mankind has created, islam ranks among the worst ten.
In solidarity with Mubarak Bala, I do judge Mohammed as the founding father of the religion of Islam. In anthropological terms he was a typical spirit medium: Suffering a personal crisis, experiencing his epiphany in a cave, meeting „an angel“, then gathering advice of „his angel“ in ways useful to his conquest. In psychological terms, Mohammed can be classified as a typical megalomaniac, starting with a deep narcissistic wound to be filled with power, manipulating followers into his sect with promises, then forcing them to stay with threats of eternal damnation and cruel punishment. His conquest started with genocidal atrocities, murder and robbery. This was his primitive accumulation, and he projected his guilt on a supposed „conspiracy of jews“ against him. Like all genocideurs he was feigning defense while attacking.

Mohammed justified his power-centered ideology with fragments of theology taken from jewry, which he then totally distorted towards his own selfish needs. There is no philosophical value left in the Q’ran. His only quality is in poetry, but it is a poetry of a numbed mind drunken with fear, addicted to consume the fear of others, of women, of heathens. The Q’ran is a message of stupidity. Any free thought is threatened with punishment both in live and after death. Liberating almost two billion muslims from this cult of death, stupidity and fear remains one of the biggest tasks enlightenment faces today. The good thing is: by relying on fear, Islam does it’s best to drive people away from religion. We just have to open our arms and embrace those people. Sadly, there is no embracing aside from a few organized humanists.

Solidarity with Mubarak Bala!

Zu Thierry Chervels Essay „Je nach Schmerz“

Chervel hat seinen Artikel bestechend geschrieben und ich möchte ihn zunächst an einer Stelle erweitern. Chervels besonderer Verdienst ist es, die linke Position im Historikerstreit zu hinterfragen.
An Nolte mag man viel kritisieren, aber sein Impuls, das nächstliegende Vergleichsmaterial für den Holocaust in Asien zu suchen war richtig: Dschinghis Khans Ausmordungskampagnen, die Schädelpyramiden, seine Herrschaftspolitik, später die Eroberung Indiens durch Timur Lenk – wer sich damit befasst muss ein Verhältnis zum Vorgehen der Erschießungskommandos der SS-Einsatztruppen sehen. Das als „asiatisch“ zu generalisieren war rassistisch und Nolte wurde dem spezifischen Impuls des antisemitischen Hasses als kausalem Faktor nicht gerecht. Die linke Antwort darauf – „Singularität“ – war aber ebenso weit entfernt von der Ernsthaftigkeit der Kritischen Theorie, die in der Dialektik der Aufklärung den Holocaust gerade in eine Anthropologie der Gewalt einordnet, mit der pathischen Projektion und der Naturfeindschaft in Zivilisation als übergreifenden Kernelementen.

Thierrys Essay wird an anderer Stelle falsch. Er zeichnet eine flotte Diskursgeschichte der Relativierung, der Singularität, und konzediert den Mbembe-Unterstützern*innen damit noch das Recht auf eine Teilhabe an einem Opferdiskurs, wie verfremdet auch immer.

Es geht aber nun einmal beim Vergleich von Israel mit Apartheid und Holocaust nicht um die Dimensionen, sondern um Verkehrung. Es ist bösartige Täter-Opfer-Umkehr, und nicht Relativierung. Man muss es einfach immer wieder erklären: Mbembe ist ein Antisemit nicht weil er relativiert, sondern weil er aus Opfer Täter und aus Tätern Opfer macht. Die Sklaverei mit ihren zahllosen genozidalen Massakern, die Apartheid mit ihrem Herrenmenschentum, die stehen in irgendeiner Verwandtschaft mit dem Holocaust.
Israel nicht und an keiner Stelle. Dafür seine Gegner, die Nazis der Hamas, die Ku-Klux-Klan-Islamisten der Hisbollah, die iranischen Faschisten, von denen Mbembe nichts wissen will.

Noch einmal: Nicht Relativierung, und damit entlastende Generalisierung, sondern Täter-Opfer-Umkehr und damit aggressive Schuldprojektion ist die antisemitische Tat par excellence. Mbembe hat keine historische Schuld zu generalisieren, er will Israel, ein schwaches und verwundbares Opfer, verfolgen und dafür muss er Geschichte fälschen um diese Verfolgung als Verteidigung dastehen zu lassen. Das ist der Kernbestand des linken Antisemitismus, der erkannt hat, wie sehr Juden Opfer waren, der sich durch diese Schwäche unbewusst gereizt fühlt, diese weiter zu verfolgen, aber unter dem moralischen Druck der Progressivität eine irrsinnige Begründung dafür präsentieren muss: Dass nämlich Juden die eigentlichen Faschisten seien, und deshalb die Vernichtung des jüdischen Staates eigentlich Antifaschismus sei und in der Tradition anderer antifaschistischer Bewegungen stehe.
Daher ist auch nichts postkolonial an Mbembes Antisemitismus.

Mbembe versteckt in seiner antisemitischen Verkehrung eine rassistische. Er opfert dem Antisemitismus den Antikolonialismus mit seinem berechtigtem Beharren darauf, den Kolonisierten eine Geschichte zurück zu geben, Geschichte aus ihrer Perspektive zu schreiben.
In seinem Antisemitismus betätigt sich Mbembe rassistisch. Er verharmlost die Geschichte Südafrikas nicht nur, er verkehrt sie. Aus Apartheid-Tätern werden auf einmal so etwas wie die israelischen Opfer von Terrorismus. Aus dem ANC und den antirassistischen Widerstandsgruppen wird durch Mbembes, in den Kulturwissenschaften übrigens hegemonialem Vergleich, so etwas wie die Hamas und die Fatah und dadurch fälscht er in kolonialer Manier die Geschichte der schwarzen Befreiungsbewegung auf dem afrikanischen Kontinent.
Für den antisemitischen Impuls, Juden um jeden Preis zu verfolgen, opfern die daran beteiligten Kulturwissenschaften jegliche Integrität und damit stellen sie sich außerhalb eines jeden vernünftigen Diskurses um Relationen und Dimensionen und Faktoren.

https://www.perlentaucher.de/essay/die-debatte-um-achille-mbembe-postcolonial-studies-und-der-holocaust.html

„Erntehilfe“ – wenn die Bourgeoisie sich als Bettler verkleidet.

Im Deutschen entstanden zwei große Begriffe zur Verschleierung der Ausbeutung. Der erste ist die Verkehrung der Bedeutung von „Arbeitnehmer“ und „Arbeitgeber“. Der Ausgebeutete wird als „Nehmer“ verhöhnt.

Ein zweiter Begriff beruht auf einem Euphemismus: Die „Hilfe“. Bürgerliche Ideologie hat ein sehr spezielles Verhältnis zur Hilfe: Unternehmer*innen und andere Bourgeois imaginieren sich permanent als wohlwollende Patrone, die Arbeit „vergeben“ und durch ihre Fabriken „Gutes tun“ für die Ortschaften, die sie ausbeuten. Unternehmertum lebt von der Inszenierung solcher mafiöser Vateridentitäten, weil sie das schlechte Gewissen unterdrückt.

Für diese „Hilfe“ erwartet die Bourgeoisie freilich Gegenleistungen: willentliche und freudige nackte Ausbeutung für das Fortlaufen des Betriebes. Diese Ausbeutung nennt bürgerliche Ideologie dann ebenfalls „Hilfe“ und wo sie sie nicht erhält, verlegt sie sich aufs Betteln.

Erntezeiten in der Landwirtschaft sind von einer ganz spezifischen Urgenz geprägt: Ernte muss in einem kleinen Zeitfenster, manchmal binnen weniger Tage oder Stunden eingeholt werden. Das wohl bekannteste aller Volkslieder, der Kanon „Hejo, spann den Wagen an“ atmet diesen Druck der Regenwolken am Himmel, das Arbeiten unter der Angst, dass eine kurze Rast die Früchte eines ganzen Jahres harter Arbeit zerstören können.

In kleinbäuerlichen Betrieben war daher tatsächlich die gegenseitige Hilfe beim Ernten häufig: wer Arbeitskraft entbehren konnte, maximierte sein soziales Kapital. Wer viele Kinder hatte, konnte sie nun in Profit umsetzen. Nur, wer die Spitzenlasten der Ernte bedienen konnte, durfte auf Expansion hoffen.

Der Fron für einen Fürsten oder Großbauern allerdings war von Beginn an von oben organisierte Ausbeutung. Leibeigene und Sklaven wurden zu Erntearbeiten eingesetzt und entlang der Klimazonen und reifen Früchte auch verschickt, um sie so lang als möglich im profitablen Bereich zu halten. Mit der fortschreitenden Zentralisierung und Organisation von Landwirtschaft für die großen Städte entstanden Truppen doppelt freier Lohnarbeiter, sogenannter „harvest-gangs“. Karl Marx und Friedrich Engels beschrieben die hierarchische Struktur, die Ausbeutung insbesondere der Frauen und Kinder in diesen Gangs, vor allem aber die generelle Ausbeutung durch die Betriebe.
Im zweiten Weltkrieg griffen die Nazis auf die alte Praxis der Sklaverei zurück: Sie setzten osteuropäische Kriegsgefangene für die Ernte ein. Fast jeder landwirtschaftliche Betrieb wurde durch Zwangsarbeit gefördert.

Mit dem Begriff der „Erntehelfer“ für osteuropäische Arbeiter*innen wird in Deutschland nachträglich dieses Gewaltverhältnis kaschiert. Hilfe wird freiwillig geleistet und unentgeltlich. Mit dem fehlenden Entgelt hat die deutsche Landwirtschaft nach wie vor keine Probleme, die „Freiwilligkeit“ stellt ihr nach dem Untergang des Faschismus wieder der Markt in alter Tradition her.

Durch den Einsatz von Maschinerie gelang es, das Image der Erntehilfe als „Maschinenringe“ aufzubessern: Gigantische Mähdrescher ziehen durch die USA, immer an der Front der Klimazonen.

An der schmutzigen Ausbeutung in Gemüse und Obstbau änderten solche Megamaschinen nichts. Tomatensklaverei wird weithin schulterzuckend akzeptiert. Im Spargelbau hingegen überraschte die geringe Bezahlung für ein nicht einmal sehr wohlschmeckendes Luxusgut dann doch größere Bevölkerungsteile. Ihr edler Spargel das Produkt von Lohndrückerei?
Spargel war einst das erste frische Gemüse, das nach einem langen Winter mit Eingemachten wieder zur Verfügung stand. Er war von Beginn an ein Vergnügen der Aristokratie – anders als Lachs, Hummer oder Edelkrebs, die früher Armenspeise waren,
Spargel ist bis heute dekadenter Luxus. Die besten Böden, sowohl sandig als auch nährstoffreich, eben und wärmebegünstigt, werden zusätzlich mit Wärme, Folien und aller verfügbarer Technik aufgerüstet, um ein Produkt ohne Kalorien und Geschmack zu erzeugen. Diese Investition muss hereingeholt werden durch den massiven Einsatz von harvest-gangs, deren Arbeitskraft möglichst gering entlohnt wird. Soweit sind sich Investor, Verwalter und Kunde einig.

Mit Corona gerieten Saisonfruchtanbieter unter Druck: Nicht die Organisation der Werktätigen, sondern eine Krankheit verhinderte den möglichst rücksichtslosen Einsatz mobiler Arbeitstruppen. Daher rekurrierte die Spargelindustrie früh auf den Begriff „Hilfe“. Arme Bauern, die Hilfe brauchen – Studierende fielen auf diese Maskerade herein und meldeten sich freiwillig zur Selbstausbeutung an.

Sie sollten nicht lange gebraucht werden: der politische Druck ermöglichte bald wieder den Einsatz von osteuropäischen harvest-gangs, die man anders als Studierende so übel behandeln konnte, wie deren materielle Not es erlaubte. Der Entzug von Pässen, das völlig überzogene Berechnen von Unterkunft und Nahrung waren bekannte und nun umso drastischer angewandte Mittel, um die Mehrkosten durch die angeblich „strengen“ Sicherheitsmaßnahmen zu kompensieren.

Gegen die Krankheit, die angeblich die Betriebe in „Nöte“ brachte, hatte man aber in Wirklichkeit auf einmal nichts mehr. Bedenkenlos erzeugte man Situationen in denen sich hunderte von Arbeitenden anstecken mussten, für Löhne weit unter deutschem Mindestlohn. Dieselbe Krankheit, die den Einsatz von Erntearbeitenden zu Beginn verhinderte, griff nun unter den Erntearbeitenden um sich.

Die Fleischindustrie war der Komplize dieser Strategie. Anders als im Gemüsebau gibt es hier geringere saisonale Schwankungen. Weihnachtsgänse gibt es im Dezember, ansonsten folgt aber auf den Braten an Weihnachten das tägliche Fleisch auf dem Teller, mit immer raffinierterem Luxus für die Wochenenden, Sonntage, Ostern, Grillsaison: Dry aged beef, Wagyu-Burger, Tomahawk-Steaks – Fleisch ist omnipräsent und alles andere zur Beilage geschrumpft.

Natürlich legt die Fleischindustrie die Kosten für den billigen Luxus auf Natur und Mensch um. 70% Artenschwund in der Fläche bei Insekten und vielen anderen Tieren und Pflanzen konnte sie sich ungehindert erlauben. Erst als die Gülleflut dauerhaft an die Wasserwerte ging, schritt die Politik auf Druck der EU zaghaft ein.

In den Schlachthöfen hatte die Industrie dennoch den gleichen Druck wie die Spargelbauern. Ein Schwein, das sein Schlachtgewicht erreicht hat, frisst seinen immer stärker schrumpfenden Profit wieder auf, wenn es weiter gefüttert werden muss. Also muss geschlachtet werden. Die Arbeiter wurden wie im Spargelbau systematisch den Gefahren ausgesetzt, die die Industrie eigentlich als Krisenfaktor beklagte. Fleischfabriken wurden zu neuen Hotspots für die Ausbreitung von Covid-19.

Dass diese Betriebe in Gemüse- und Fleischindustrie ihre eigenen, angeblich so wichtigen „Helfer“ schonungslos der Ansteckung aussetzen, und somit ihre Krisen selbst erzeugen, hat seine Logik in der Echtzeit des Kapitalismus. Es interessiert einen Betrieb im Kapitalismus nicht, ob er in drei Jahren oder auch nur drei Monaten noch gut dasteht, wenn er in dieser Zeit Profite einfahren und die Konkurrenz zermatschen kann. Er schert sich nicht um seine Arbeitenden, weil er weiß, dass sich mit etwas politischer Manipulation und Krokodilstränen um den Standort weitere, unendliche Ströme von Arbeitswilligen anzapfen lassen, deren Freiwilligkeit und Fügsamkeit der Markt durchsetzt.

Daher ist der erste ideologiekritische Schritt, die notorische Klage der ausbeutenden Betriebe in ihrem Zynismus und Skrupellosigkeit zu entlarven und sich mit den Arbeitenden bedingungslos solidarisch zu zeigen.
Der Spargelkult und der Fleischkult, beide werden durch die Agrarlobbies kulturell hochgejazzt zu einem Grundbedürfnis, das die gewaltigen Opfer von Natur und Mensch rechtfertige. Die Wahrheit ist: Niemand braucht diesen Spargel und niemand braucht täglich Fleisch aus Massentierhaltung und Megaschlachtereien. Auch nicht die rumänischen Arbeitenden, die durch die Agrarpolitik der EU von ihren kleinen Selbstversorgerhöfen gepresst und in die harvest-gangs hineinmanipuliert werden. Ihnen „hilft“ man im Moment am besten, indem man weder Spargel noch Fleisch aus den Fleischfabriken kauft, in denen Arbeitende rücksichtslos der Massenansteckung mit dem Coronavirus ausgesetzt wurden, während die Bourgeoisie Videos über Langeweile und den Kaffeedurst beim Home-Office postet und sich mit Schokolade und Spargel „belohnt“ für die „Entbehrungen“ der Krise.

Intersex und Gender – eine Verwechslung

Aber heißt das schon, dass „Sex“ – also das biologische Geschlecht im Unterschied zur sozialen Geschlechterrolle „Gender“ – wirklich „real“ ist, wie viele daraus schließen? Nein. Denn erstens bedeuten diese Zahlen auch, dass in Deutschland immerhin schätzungsweise 1,4 Millionen Menschen leben, die nicht eindeutig einer der beiden Seiten zugeordnet werden können.

(Antje Schrupp, Zeit-Online)


Der Zeit-Artikel von Antje Schrupp verbreitet den inzwischen an den Universitäten weit verbreiteten Nonsens: aus dem biologischen Intersex abzuleiten, dass biologisches „sexus“ nicht real sei. Dabei hat das biologische Geschlecht gerade für Intersex äußerste Realität, nämlich als physische Präsenz biologischer Faktoren, z.B. xxy oder x0 oder andere.
Dann kommt Schrupp im Artikel dazu dass sex nicht gender sei – ist natürlich auch so, Binsenweisheit. Deshalb wehren sich auch manche Feminist*Innen dagegen, dass Kinder, die sich gern crossdressen oder nicht stereotyp verhalten in Richtung Operation gelenkt werden um sex und gender und Sexualität wieder auf Deckung zu bringen – in Iran ebenso wie in den USA. Der männliche Homosexuelle oder Transvestit wird zum Frausein gedrängt, Tomboys und weibliche Homosexuelle zum Mannsein, damit das heteronormative Weltbild intakt bleibt, nicht weil Transsexualität das authentische Triebschicksal wäre, was zugleich möglich ist.

Transvestismus und genderfluides Verhalten hat zunächst nicht unmittelbar mit biologischem sex zu tun, jedoch viel mit Kultur und noch mehr mit individuellen Triebschicksalen, die Kompromisse zwischen Wünschen und gesellschaftlich induzierten Ängsten darstellen. Die Trennung zwischen Sex und Gender ist gerade wegen des Drucks zu Vereindeutigungen so wichtig, die Letzteres aus ersterem ableiten wollen, nur um dann in einer gegenläufigen Bewegung die Menschen mit der biologischen Kondition Intersex wieder gesellschaftlicher Normierung zu unterwerfen.

Eine feministische Verteidigung von Genderfluidität muss mit der Verteidigung von biologischen Intersex, von Frauen gegen die Angriffe auf den Uterus oder das uneindeutige Geschlecht einhergehen. Und sie muss einhergehen mit der Verteidigung von jeweils unter Abspaltungen zu Identitäten geronnene Homo-, Bi- und Heterosexualität als jeweils im Zuge infantiler Erfahrungen und Traumata selbstgewähltes Triebschicksal. Und sie muss beinhalten die Verteidigung von Crossdressing und Genderfluidität als individuelle Triebschicksale oder auch ironische, bewusste, kurzlebige Spiele, die gerade nicht aus dem biologischen Sexus abgeleitet werden, die aber auch gerade deshalb nicht darauf angewiesen sind, die Materialität von Uterus, Penis oder Intersex in einer narzisstischen Volte zu leugnen.

Intersex ist nicht der Beweis, dass es kein Geschlecht gibt. Intersex ist Geschlecht, Materie, Biologie. Daher sind operative Zwangsnormierungen so infam und daher ist der reichlich späte Vorschlag der Justizministerin Christine Lambrecht zu begrüßen, diese Operationen im Kindesalter zu verbieten.

Intersex ist nicht gleich Transsexualität oder Transvestismus. Intersex ist erstmal überhaupt keine Sexualität im sexualpsychologischen Sinne, sondern Sexus aus dem alle möglichen Sexualitäten als Triebschicksale entstehen können. Alle haben ihr Recht, aber es ist nicht alles irgendwie ähnlich oder egal oder das Gleiche. Alles sind Phänomene und Begriffe für sich, die man geklärt haben sollte, naturwissenschaftlich, psychologisch, theoretisch, bevor man eine große Politik oder ein universitäres Dogma daraus formt.

Vogelschlag? Eine Verteidigung der Windkraft

Der Ausbau der Windkraft ist in Deutschland zum Stillstand gekommen. Bürgerinitiativen aus CDU und FDP haben erfolgreich lokale Windkraftprojekte gestoppt, Landesregierungen in NRW und Bayern Regelungen erlassen, die den Neubau von Windkraftanlagen praktisch unmöglich machen.

Immer wieder bringen gerade die technokratischen Parteien CDU und FDP das Argument des Vogelschutzes ins Spiel, um Windräder als „Vogelschredder“ zu denunzieren. Das ist nichts anderes als ein Mythos, der leider auch bei manchen professionellen Naturschützern gezogen hat.
Der NABU listet Haupt-Todesursachen für Vögel wie folgt auf:

https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/gefaehrdungen/24661.html

Die Verluste in der gesamten Vogelwelt durch Windräder sind mit ca. 100,000 Vögeln pro Jahr marginal im Vergleich mit Hauskatzen, Stromleitungen und Jagd. Nicht eingerechnet wurden übrigens die Wilderei auf den Zugrouten, die gerade bei seltenen Vogelarten erhebliche Verluste erzeugt, oder auch Landwirtschaft, die ebenfalls zu den größten Verlustfaktoren durch Zerstörung von Bodenbruten zählt.
Zu den Maßnahmen, mit denen Schäden durch Windkraft leicht um ein Mehrfaches kompensiert werden können zählt eine Katzensteuer, wie vom NABU hier beschrieben:
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/gefaehrdungen/katzen/15537.html

Nun kann man argumentieren, dass durch die 100,000 durch Windkraft getöteten Vögel gerade Großvögel und Raubvögel besonders gefährdet seien. Groteske Rückgänge haben allerdings vor allem die Insektenfresser und Wiesenbrüter erlitten: Feldlerche, Kiebitz, Braunkehlchen, Rebhühner. Hauptursache: Landwirtschaft. Bei den großen Vögeln sieht das ganz anders aus.
Für den Schwarzstorch ist die Populationsentwicklung sehr positiv:
„2005 brüteten in Deutschland mindestens 500 bis 530 Paare,[1] während die Zahl der Brutpaare Anfang der 1970er Jahre noch unter 50 lag.“  https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzstorch#Bestand_und_Bedrohung

Eine Verzehnfachung bei gleichzeitigem Ausbau der Windkraft von 0 auf heutigen Stand.

Im gleichen Zeitraum erholten sich auch die Weißstorchbestände:
„In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre wurde mit 2949 Paaren ein Tiefststand erreicht. Zu Beginn des dritten Jahrtausends brüten in Deutschland wieder etwa 4500 Storchenpaare.“

Der Kranichbestand gilt als „stark zunehmend“ für Westeuropa, der Status der Art ist insgesamt ungefährdet.

Beim Uhu als Referenzart für betroffene Eulenvögel sind die Bestände ebenfalls stark zunehmend:
„Der Bestand des Uhus hat in Deutschland seit Mitte der 1980er Jahre aufgrund von Schutzmaßnahmen sowie durch Auswilderungsaktionen stark zugenommen.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Uhu#Bestand_und_Verbreitung

Auch beim Fischadler: positive Bestandsentwicklung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Fischadler#Bestand_und_Gef%C3%A4hrdung

Ebenso der Seeadler: starke Zunahme.
https://de.wikipedia.org/wiki/Seeadler_(Art)#Bestandsentwicklung_und_Gef%C3%A4hrdung

Beim Schreiadler als einer der wenigen großen Greifvögel haben wir eine negative Bestandsentwicklung in Deutschland einer insgesamt ungefährdeten Art, aber der Hauptgrund ist hier eindeutig Land- und Forstwirtschaft, sowie Jagd:
„Das Komitee gegen den Vogelmord e. V. geht davon aus, dass im Libanon jedes Jahr etwa 5000 Schreiadler durch Wilderer getötet werden.[
https://de.wikipedia.org/wiki/Schreiadler#Bestand_und_Gef%C3%A4hrdung

Als letzte Referenzart kann die Großtrappe gelten: Nach einer Zeit der frustrierenden Misserfolge hat eine Weiterentwicklung und Anpassung von Schutzmaßnahmen auch hier zu einer sehr positiven Bestandsentwicklung geführt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Ftrappe#Bestand_und_Bestandsentwicklung

Keine größere Vogelart kann daher als durch Windkraftanlagen in ihrer Existenz gefährdet gelten. Auch nicht der vielzitierte Rotmilan. Da Deutschland ca. 60% der weltweiten Bestände beherbergt, spricht man hier von „besonderer Verantwortung“. Und der Rotmilan ist durch sein Flugverhalten besonders anfällig für Windräder. Allerdings hat der Rotmilan heute trotz Windkraft in allen Staaten einschließlich Deutschland stabile oder zunehmende Populationen. In Großbritannien wurde er erfolgreich wiederangesiedelt.
Der starke Rückgang in den 1990ern wird vor allem auf Landwirtschaft und Schließung von Mülldeponien zurückgeführt. Die aasfressende Art wäre vermutlich von Natur aus seltener als heute, weil sie in der Kulturlandschaft mit Müllkippen, überfahrenen und durch Mahd getöteten Tieren gefördert wurde und wird.
Nun erschien just eine Studie, die von einer negativen Auswirkung von Windrädern auf Rotmilanbestände spricht. Der NABU fasst zusammen:
„In Landkreisen ohne Windräder nahm der Bestand zu, bei etwa 0,1 Windrädern pro Quadratkilometer waren die Bestände stabil, bei über 0,15 Anlagen auf gleicher Fläche war der Bestandstrend negativ. „

Da viele Kreise allein schon aufgrund der variierenden Windhöffigkeit und anderer einschränkender Faktorn ohne Windkraft bleiben werden, lässt sich hier recht gut sehen, dass wir auch beim intensiven Ausbau von Windkraft in einigen günstig gelegenen Kreisen insgesamt keine bedrohliche Bestandsentwicklung erwarten müssen, weil in den windkraftfreien Kreisen wie etwa in Baden-Württemberg positive Bestandsentwicklungen erfolgen, und das obwohl der gesamtökologische Zustand miserabel ist und von Insekten- und Vogelsterben begleitet ist.

Wenn man sich dann noch das Kartenmaterial aus der NABU-Studie ansieht, ergibt sich ein sehr unklares Bild.


Im Ausschnitt sieht man einen relativ geringen Rückgang in den Kreisen im Zentrum, während der Kreis mit dem stärksten Rückgang nur moderate Windraddichte aufweist. Natürlich kann man hier argumentieren, dass umherziehende Vögel dann durch Windräder im Nachbarkreis dezimiert werden, das müsste aber dann auch durchweg als Muster stattfinden.

Hier sieht man starke Rückgänge unten rechts in Gebieten mit sehr geringer Windraddichte.

Hier um Hamburg herum lässt sich überhaupt kein sinnhafter Zusammenhang zwischen Rückgängen und Windraddichte erstellen.

In der Gesamtstatistik findet sich natürlich ein Zusammenhang, weil Vogelschlag beim Milan mit ca. 500 aufgefundenen Opfern pro Jahr real ist und Bestände auch dezimieren kann, aber die Karten zeigen doch sehr deutlich, dass andere Faktoren viel entscheidender sind. 

Ein Rotmilan wird unter optimalen Bedingungen 30 Jahre alt und produziert ab dem dritten Lebensjahr jedes Jahr ca. drei Eier. Die Küken werden von Rabenvögeln und Habicht erbeutet, können aber auch durch Unwetter und Futtermangel sterben. Am Ende des ersten Lebensjahres leben von einem Geburtsjahrgang etwa 60–65 Prozent. Der Verlust durch Windräder lässt sich daher bei 10-13500 Individuen Gesamtbestand in Deutschland als kompensierbar bezeichnen und andere Todesursachen (Verkehr, Stromleitungen, Jagd) sind mit großer Sicherheit viel relevantere Todesursachen. Neuere Anlagen haben auch nachweislich weniger Vogelschlag, gerade diese werden aber verhindert. Windkraftanlagen können zudem auf der Betriebsfläche mit insektenreichen Magerrasen bestanden werden und so zur Artenvielfalt beitragen. Leider locken diese Flächen auch Rotmilane an, weshalb sie mit Gebüsch bepflanzt werden, in dem sich Mäuse besser verstecken können. In Meeren bilden sich um Offshore-Gestelle sogar Kaltwasserriffe, auch wenn Auswirkungen auf Walpopulationen durch Schall denkbar sind. 
Wirksame Maßnahmen für den Rotmilan liegen in der Landwirtschaft, im Eindämmen der Jagd insbesondere in den Winterquartieren und sollte man diese eine Art einmal explizit fördern müssen, kann man auch durch das Auslegen von Aas Bestände anfüttern oder diese auch wiederansiedeln.

Relevanter als Vogelschlag ist bei Windrädern der Fledermausschlag. Allerdings sind auch hier die stärksten Rückgänge auf den Verlust von Winterquartieren, (Höhlen, Scheunen, Gebäudedächer) Sommerquartieren (hohle Bäume) und Insekten zurückzuführen. Eine einzige Schleiereule kann zudem Fledermausbestände in einer Scheune dezimieren. Natur ist auf dezimierende Faktoren ausgelegt durch Reproduktionsraten. Alle heute gefährdeten Fledermausarten waren vor dem Ausbau der Windenergie gefährdet und können durch explizite Förderung in anderen Bereichen in der Fläche bewahrt werden. An Zugrouten von Fledermäusen werden Windräder auch systematisch auf Ein- und Ausflüge von Fledermäusen aus Winter- oder Sommerquartieren angepasst und saisonal abgeschaltet. Das ist mehr, als man von Autobahnen erwartet: Diese werden nicht für Amphibienwanderungen gesperrt.

Die Agitation gegen Windkraft durch die Neue Rechte

5,6 % des weltweiten Energiebedarfs wurde 2017 mit Windenergie gedeckt, 16,2 %in Deutschland. Das Potential für Deutschland wird von Quaschning auf 60 % des Strombedarfs geschätzt. Auch wenn es nur 30% sind, brauchen wir die Windenergie, um Kohle, Atom und nach Möglichkeit Öl und Erdgas als Energieträger zu ersetzen.
Zur rechten Agitation gegen Windkraft gehört die Rede von einer „Windkraft-Lobby“ und profitorientierten „Windkraftbaronen“. Obwohl Windkraft heute in den Gestehungskosten billiger als Kohle und Atom ist, erfolgt aber kein Neuausbau. Das allein spricht schon für die wahre „Macht“ der „Lobby“ – sie steht mit dem Rücken zur Wand.
Wo CDU-Gesetze gegen Windkraftanlagen nicht helfen, greift man zur Verschwörungstheorie: Bürgerinitiativen warnen vor „Infraschallversuchen“ die der Staat durch Windräder vornehmen würde. Hier hat sich eine völlig von Realitätsprüfung abgelöste Szene entwickelt, die Windräder nicht mehr interessensorientiert, sondern in Folge von tiefenpsychologischen Assoziationen wie „Größe“, Konkurrenz zu symbolischen Bauwerken wie Kirchen oder Kapellen auf Bergen oder völlig reduzierten Vorstellungen von „Landschaft“ bewertet. Der für die Artenvielfalt katastrophale Verlust von Struktur in den Naturräumen durch Verkehr, Bau und Landwirtschaft wurde hingegen von der gleichen Klientel ebenso wie der Flächenverbrauch durch Kohleabbau toleriert.
Die Agitation gegen Windkraft bedient sich einer berechtigten Skepsis aus dem Artenschutz, die allerdings einer Prüfung komplexer Ursachen nicht standhält. Diese Untersuchungen wurden von der Propaganda der neuen Rechten begeistert aufgegriffen, intensiv emotionalisiert, erweitert und professionalisiert, um zum einen gezielt den Ausbau einer Energieform zu stören, die heute schon rentabel, zukunftsfähig und machbar ist, zum anderen von viel bedeutenderen Problemen (Landwirtschaft, Kohle) abzulenken sollen und zum dritten sich als Vertreter angeblich unerhörter Bevölkerungsgruppen aufzuspielen um in diese dann das gesamte neurechte Weltbild einzuimpfen.