Der Antisemitismus liefert unwidersprochen weiter

Absurd offen tritt der Antisemitismus zu Tage: „Israels Antwort auf die Ermahnungen“ titelt die tageszeitung über einem Bild mit einer Rauchwolke über Ruinen. Das ist nicht mehr einseitig, das ist böswillig und mutwillig. Die Kriegsschuld wird dem Opfer Israel aufgebürdet, die „Antwort“ erfolgte demnach nicht etwa auf den Bruch der Waffenruhe durch das Terror-Attentat der Hamas mit drei Toten und elf Verletzten in Jerusalem, sondern auf die „Ermahnungen“ hin. Als wäre wegen der erwartbaren, immergleichen Floskeln und Resolutionen aus UN und Umfeld diese Häuserzeile aus purem Trotz und Tunichtgutmenschentum angegriffen worden. So lässt sich eine extreme Unverhältnismäßigkeit der Mittel suggerieren.

Und wer wird eigentlich „ermahnt“? Ermahnt werden Schüler*innen, Lausbuben, generell Kinder. Aber „Israel hört nicht“, wie es in der Geschichte von Martin Luther bis Jostein Gaarder aus den Antisemiten heraus klagt, sobald Juden über sich selbst bestimmen. Und wie schon in den Wochen zuvor gefallen sich die unterschiedlichsten Autoren in Ratschlägen wie „Der Westen muss beiden Seiten Druck machen“ (Lisa Schneider), „Israel führt den Krieg im Gazastreifen mit aller Härte fort“ (Felix Wellisch) und die immergleiche Verurteilung von „Extremisten auf beiden Seiten“, die kritiklos abgedruckt wird, weil es irgendjemand aus dem Roten Kreuz so gefordert hat, anstatt diese „Forderungen“ im Zuge eines kritischen Journalismus zuallererst mit der Realität zu konfrontieren. Extrem ist nichts an der Reaktion der IDF. Man warnt die Zivilist*innen, weist sie mit Flugblättern, Lautsprechern und Durchsagen in sichere Korridore und Zonen, bevor das Terrain vorbereitet wird, und zum Schutz der eigenen Soldaten nimmt man unter Umständen auch zivile Opfer in Kauf. Nur durch Achtsamkeit ist zu erklären, dass in diesem hybriden Terrain nach zehntausenden von Explosivgeschossen und in hunderten von Scharmützeln selbst nach Angaben der Hamas erst 16.248 Menschen getötet wurden, davon sehr sicher mindestens 6-8000 Hamaskämpfer.

In der LeMonde diplomatique wiederum heißt es ganz unverschämt auf Seite 1 der Novemberausgabe, „Wem nützt die Hamas“ und dann werden mit keinem Wort die Bündnispartner der Hamas Iran und Russland genannt, sondern natürlich Israel, das Opfer der Hamas. Auf Seite 5 unterstellt der Artikel, dass Netanyahu in der Knesset die Finanzierung der Hamas gefordert hätte, um einen palästinensischen Staat zu sabotieren. Das Zitat wird regelrecht upgecycelt und geht über den Guardian und Vox.com zurück auf einen Artikel hinter der Paywall in der tendenziösen Spartenzeitung Haaretz. Wen interessiert die Zitation schon, der Kontext, geht es doch um Täter-Opfer-Verkehrung. Und dementsprechend suggeriert der gesamte Artikel, die Terrorattentate der Hamas würden erstens eine Reaktion auf israelische Politik sein und zweitens den Menschen in Westbank und Gaza letztlich auf absurden Wegen Frieden bringen, wenn am Ende beide Seiten an einen Verhandlungstisch gezwungen würden:


„Aber vielleicht mündet der Krieg ja auch in einer Initiative ähnlich der Friedenskonferenz von Madrid im Jahr 1991, in denen die USA Israel dazu zwangen, sich an den Verhandlungstisch zu setzen.“

Dieser Traum von einem Israel, das von den USA bezwungen wird, ist nichts anderes als der Antisemitismus, der Juden in einer unterworfenen, unmündigen Position sehen will, um sich daran zu berauschen. Im Artikel werden Tote im Westjordanland ausschließlich auf arabischer Seite festgestellt und ohne den jeweiligen Kontext als Opfer schießwütiger Soldaten präsentiert. Dass dort Menschen unterm Hamas-Banner auf die Straße gehen, flankiert von Steinschleuder-Schützen und Schusswaffen, dass Razzien mit gewaltsamer Gegenwehr überall tödlich enden können, interessiert die antisemitischen Medien nicht. Da wird von B’tselem berichtet und von anderen Medien skandalisiert, dass bis 2010 93% der wegen Steinewerfens inhaftierten Menschen zu Haftstrafen zwischen mehreren Tagen und Jahren verurteilt würden – darunter 19 Kinder zwischen 12 und 13 Jahren. So kann man natürlich noch die Kultur des Steinewerfens auf Juden in der islamischen Welt in die Täter-Opferverkehrung einstricken.

Tatsächlich belegen die zahllosen Videos von steinewerfenden und -schleudernden Grundschülern nur, dass die israelische Armee offenbar nicht als ernsthafte Bedrohung für diese Kinder wahrgenommen wird. Viele Videos zeigen hochgerüstete Jugendliche und junge Männer mit professionellen Seilschleudern, Stockschleudern und Zwillen. Steinschleudern können Geschosse auf bis zu 350 km/h beschleunigen und eine Durchschlagskraft von bis zu 135 Joule entfalten und mit Kleinfeuerwaffen konkurrieren. Auch einfache, in der Antike bereits militärisch verwendete Schleudern können den Schädelknochen durchschlagen und schwerste Verletzungen und Tod verursachen. Steinschleudern sind nicht nur symbolisch von Bedeutung, sondern auch reale Waffen zur Terrorisierung von Juden. In der Bilanz sind Jugendliche jedoch automatisch „Zivilisten“ oder „Kinder“, Kindersoldaten kommen schlicht nicht vor.

In der Schlacht um Mossul gegen den Islamischen Staat 2016/17 starben 40.000 Zivilisten, so schätzen kurdische Quellen die Folgen der massiven Militäroperation gegen gerade einmal 3-6000 IS-Kämpfer, davon viele Teenager ohne Militärausbildung, die mit Selbstmordgürteln ausgestattet wurden. Der IS konnte sich nirgends lange genug festfressen, um auch nur annähernd solche weitreichenden Befestigungsanlagen wie die Hamas zu errichten.


Die Qassam-Brigaden der Hamas umfassen allein 30-40.000 Kämpfer, der Palästinensische Islamische Jihad hat weitere 8000 Kämpfer, eine unbekannte Zahl von Militärberatern und Söldnern aus den Bündnisstaaten Iran, Russland und Qatar sowie hinzustoßende Überläufer aus Fatah und PFLP kommen hinzu. Im Krieg gegen den IS hatte die irakische Armee, kurdische Peschmerga, selbst die kurdische PKK mit ihren regionalen Unterorganisationen mehr Unterstützung als Israel derzeit, dem auch die USA nach extrem kurzer, demonstrativer Karenzzeit in den Rücken fallen. Wie bei vergangenen Militäroperationen gibt sich die Weltöffentlichkeit baff erstaunt, dass bei einem Krieg auch Häuser in die Luft gesprengt werden. Als sähe man nicht jeden Tag, wie die Ukrainische Armee in ihrem Verteidigungskrieg gegen die russische Armee und russische Söldner die eigenen Städte und Dörfer in der Vorbereitungsarbeit lieber in Ruinenlandschaften verwandelt, bevor Infanteristen riskieren, den Boden zu betreten.

Zivilisten sterben in einem Krieg, davon will man im Westen das erste Mal gehört haben und fordert Waffenruhe, denn darauf können sie sich alle einigen, die von der Hamas nicht bedroht werden: dass man mit den Massenmördern erst einmal reden soll, denn reden ist gut, das wichtigste, nur so versteht man auch, was der Andere will, nur: Israel ist nicht so schwer von Begriff, die Menschen dort haben längst verstanden, dass sie alle ermordet werden sollen, ginge es nach der Hamas. Wie viele westliche Politiker haben eine Waffenruhe mit dem Islamischen Staat in Syrien und der Levante oder mit Boko Haram oder mit Al-Qaida im Maghreb oder mit Ansar al-Sunna Wa Jamma in Mosambik oder mit Boko Haram in Nigeria gefordert? Allenfalls die Splittergruppe der Linkspartei, die noch jedem Genozidopfer empfiehlt, erstmal einen Antrag zu stellen auf Zuteilung einer wärmenden Decke durch das Willy-Brandt-Korps, auf keinen Fall aber eine Waffe in die Hand zu nehmen. Es gibt nichts Neues in diesem Krieg außer der wachsenden Chance, die Hamas diesmal wirklich bis ins Mark zu schwächen, um Jahrzehnte zurückzuwerfen und eine Besatzung des Gaza-Streifens als Befreiung zu planen. Medial laufen seit über 50 Jahren dokumentierte Routinen ab und man kann, wie schon bei vergangenen Militäroperationen, eigentlich einfach die Artikel mit einem neuen Zeitstempel versehen und erneut veröffentlichen. Die tageszeitung dient hier nur aufgrund ihrer in anderen Themen gegebenen Lesbarkeit als regelmäßiges Beispiel, in fast allen Zeitungen laufen ähnliche Artikel, der internationale Konsens ist ohnehin antisemitisch.

https://nichtidentisches.de/taeter-israel-die-opferumkehr-bei-moshe-zuckermann/
https://nichtidentisches.wordpress.com/2010/08/03/daniel-bax-wir-israelversteher-ein-paradebeispiel-des-linken-antisemitismus/
https://nichtidentisches.wordpress.com/2010/06/20/israelische-verteidigung/
https://nichtidentisches.wordpress.com/2010/06/02/das-gaza-gambit/
https://nichtidentisches.wordpress.com/2012/03/16/der-aparte-genosse/
https://nichtidentisches.wordpress.com/2009/01/07/gaza-fakten/
https://nichtidentisches.wordpress.com/2010/08/09/ein-aus-der-zeit-gerissenes-ultimatum-an-israel/
https://nichtidentisches.wordpress.com/2010/04/17/israel-im-kopfkino/
https://nichtidentisches.wordpress.com/2009/04/19/ein-fall-von-antiisraelischer-propaganda-im-ghanaischen-daily-graphic/
https://nichtidentisches.wordpress.com/2008/12/29/vom-zwang-zum-urteil-beckers-notorisch-antiisraelische-konfliktanalyse/

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