Michael Moore’s Farenheit 9/11 vs. Flight 93

Der Jahrestag des 9/11 sorgt für Umsätze. Web.de wärmt in hübsch objektiver Berichterstattung Verschwörungstheorien auf, Kabel 1 bringt Michael Moores Fahrenheit 9/11, während gleichzeitig auf dem öffentlich-rechtlichen eine deutsche Synchro-Fassung von Flight 93 läuft. Da ich letzteren gekauft hatte, musste ich mich nicht lange entscheiden und sah mir Michael Moores Streifen an.

Michael Moores selektiver und propagandistischer Blick springt einem halbwegs kritischen Betrachter sofort ins Auge. Moore ist der eifrigste Nutznießer des Prinzips, das er anzugreifen vorgibt. Während er den Republikanern vorwirft, 9/11 zur Manipulation der Bürger zu missbrauchen, gibt er offen zu, mit seinem Film in den Wahlkampf eingreifen zu wollen. Während er der Bush-Regierung vorwirft, systematisch Angst zu schüren, sät er paranoische Ängste vor der Macht saudischen Kapitals, vor Firmen und Regierung. Und wo er diesen Zynismus vorwirft, scheut er sich wie die Sender nicht, verbrannte Leichen zu zeigen und hilflose Verwundete zu filmen, deren Aussagen er zusammenzuschneidet, bis sie in sein propagandistisches Konzept passen. Carlyle, einer Waffenfirma unter Mitarbeit von George Bush, wirft er vor, durch ihren Börsengang 6 Wochen nach 9/11 231 Mio. Dollar Gewinn abgeschöpft zu haben. Michael Moore fährt mit Fahrenheit 9/11 bis 2006 dagegen nur schlappe 222 Mio. Dollar ein. Wo er Bush vorwirft, ein gleichgültiger, machtbesessener Tyrann zu sein, filmt er Saddam Hussein in fröhlicher Runde herumhopsend als harmlosen Kerl. Den Irakkrieg leitet er mit fröhlich spielenden, gutgekleideten Kindern ein. Die Sequenzen werden gefolgt von Bomben und weinenden Müttern. Wer vorher unter Saddam und Udai Hussein litt, ist ihm egal, weil es ihm nicht in seinen Wahn passt. Ebenso verzichtet er auf irgendeine Erwähnung der Giftgasbestände Saddam Husseins, der Konflikte um verhinderte Waffeninspektionen, der gescheiterten Sanktionen unter denen zehntausende Kinder starben. Für Moore ist 9/11 nur ein Mittel zum Zweck, sein eigenes Programm zu forcieren. Seine penetrante Leugnung des Terrorismus gibt noch jenen recht, die im Gefolge des 9/11 unablässig die Gefahr des Terrorismus zur Hauptbedrohung stilisierten und somit unverhältnismäßige Ängste schürten.

Flight 93 ist ein gutes Kontrastprogramm zur Marktschreierei Moores. Auf die Einführung von oskarträchtigen Hauptrollen wird verzichtet. Nicht einmal die Terroristen werden besonders stereotyp inszeniert. Sie erscheinen als angreifbare Individuen ohne spezifische Zeichen des Wahnsinns, fast mitleiderregend. Die polyphone Erzählweise verläuft in einer technisierten Sprache, die positivistisch den Fall „Hijack“ einplant, aber seine Besonderheit weder adäquat erkennen, noch auf sie reagieren kann. Die Vermitteltheit von Kommunikation zwischen zuständigen Stellen der Luftaufsichtsbehörde, zwischen Passagieren und Terroristen wird als Problem wie als Lösung gleichzeitig benannt. Flight 93 ist eine Fundgrube für postmoderne Theorien über Zeichen, Deutung und Kommunikation. Mehr als das ist der Film trotz der starken Suspense-Lastigkeit eine realistische und zurückhaltende Darstellung des Geschehens. Durch diesen fühlbaren Respekt den Opfern gegenüber wird Empathie befördert, wo vorher kein Bewusstsein über die Realität dieser Ereignisse bestand.

29 thoughts on “Michael Moore’s Farenheit 9/11 vs. Flight 93

  1. Pingback: 9/11 « Raumzeit

  2. Also, ich muss zu geben, dass ich gerade den letzten Teil von United 93 ziemlich gut fand, hab schon lange nicht mehr in nem Film so mitgefiebert, obwohl der Ausgang klar war…

    Doppelt schwerwiegend war eben die Tatsache, dass es sich hierbei um eine eben wahre Geschichte handelt…

    Micheal Moores Pamphlet hab ich mir dann doch nicht angetan, denn mit seinen Filmen hatte ich bisher zu viele Probleme, zu viele Halbwahrheiten, aber wenigstens offen Voreingenommen.
    Was mich ärgert, ist jedoch die Tatsache, dass eine überwiegende Mehrheit eigentlich gebildeter Europäer immer noch fast alles aus seinen Filmen glaubt…

  3. Viele trauen der USA zu, 0911 genial inszeniert zu haben, um den Irak angreifen zu können.

    Warum aber hat man dann nicht einfach einen Anschlag inszeniert, den man unmittelbar Saddam in die Schuhe hätte schieben können?

    Direkt nach dem Einmarsch wäre es auch noch leicht gewesen, sowohl getürkte Massenvernichtungswaffen als auch Connections des Saddam Regimes zu O911 zu präsentieren.

    Aber ich weiß, George w. Bush wäre dazu ja zu dumm gewesen, und so schließt sich der Kreis jeder Verschwörungstheorie.

    http://aron2201sperber.wordpress.com/

  4. „Also, ich muss zu geben, dass ich gerade den letzten Teil von United 93 ziemlich gut fand, hab schon lange nicht mehr in nem Film so mitgefiebert, obwohl der Ausgang klar war…

    Doppelt schwerwiegend war eben die Tatsache, dass es sich hierbei um eine eben wahre Geschichte handelt…“

    die besten geschichten schreibt immer noch das leben selbst…

  5. @skeptiker

    du sagst das du dir denn 9/11 nicht antun wolltest woher willst du wissen wie er war mit halbwahrheiten übersäht wie du sagts?…
    ich versuche alles immer skeptisch zu betrachten! kannnst du mir bitte ein paar beispiele dieser halbwahrheiten zu zeigen?

    Im Text oben stehtdas moore paranoia schürt..

    wenn mann bedenkt eine Regierung oder besser gesagt ein system welches das amerikanischen volk in ständiger angst vor dem terror leben lässt..um einen unnötigen Krieg zu begründen…
    darum muss ich mich fragen was ist falsch daran ein solches system zu hinterfragen??? wachsam zu sein??

    @ aron sperber
    hehehe naja genial ist vieleicht die idee aber die ausführung???

    das danach sind wiederum gute fragen..das hätte viele Gegner zur ruhe bringen können.. was ist deine Meinung dazu würde mich wundern…

    und mit der Aussage das Georg Bush dazu zu dumm wäre..
    ziemlich schwache aussage du solltest doch auch wissen das jeder erschwörungstheoretiker bush als eine marionette abtut welche der öffentlichkeit vorgeführt wird.. und weitaus intelligentere nicht mit affenbush zu vergleichende leute dahinterstehen…

  6. „Seine penetrante Leugnung des Terrorismus gibt noch jenen recht, die im Gefolge des 9/11 unablässig die Gefahr des Terrorismus zur Hauptbedrohung stilisierten und somit unverhältnismäßige Ängste schürten.“

    Des hab ich nicht ganz kapiert? Weil das eine Falsch ist muss das andere richtig sein? Ist es nicht eher so, das beide etwas verkaufen wollen, nur unterschiedliche Käufergruppen haben…

  7. @cO:

    Nein, es kann auch mal beides falsch sein. Ich bin der Meinung, dass im Zuge von 9/11 auf grob fahrlässige Weise Bürgerrechte abgebaut wurden. Das ist in Europa nicht anders. Zugleich kann man sagen, dass gewisse Schutzmaßnahmen auch von der Bevölkerung eingefordert werden, die eben eine Regierung und nicht sich selbst für so ein Desaster verantwortlich macht, also schon zuinnerst autoritär ist. Insofern hatte die Reaktion der Bush-Regierung ihren realen Grund und eine gewisse Notwendigkeit.
    Wenn nun Moore daherkommt und sich darüber empört, gleichzeitig aber ganz bewusst manipuliert, damit die Leute aus ANGST und nicht aus einer besseren Vernunft heraus Bush abwählen, fällt er noch dahinter zurück.
    Bush hat noch gegen ihn recht, wenn er auf der Bedrohung durch den Terrorismus insistiert, den Moore leugnet und damit Verschwörungstheorien nachfolgt.

  8. @4 sqng: Dein letzter Satz ist zwar wohlfeil, nichtsdestotrotz gerade in diesem Fall, hatte der Drehbuchschreiber nahezu kein authentisches Material, um die Geschichte zu füllen.

    Zum Artikel: Richtig ist es, die Halbwahrheiten und Manipulationen von Fahrenheit 9/11 anzugreifen. Gerade der Teil über die Verbindungen nach Saudi-Arabien ist mir sehr unangenehm aufgefallen, weil hier leicht eine rassistische Klientel bedient werden kann.

    Andererseits denke ich, daß der Autor es sich zu einfach macht. Wer jemals länger im amerikanischen Hinterland war, der weiß um die dortige Monopolisierung von politischer Information selbst in Zeiten des Internets. Insofern begrüße ich Moores Anliegen, dieses Monopol zu durchbrechen und ein Gegengewicht zu etablieren. Wenn sich einige Leute danach mit den politischen Gegebenheiten auseinandersetzen ist sicherlich mehr erreicht als durch Opferidentifikation.

  9. tschill, nicht vom amerikanischen Hinterland geht die Gefahr aus, sondern vom europäischen mit seinen Hinterhöfen naher und ferner Osten. Und hier bedient Moore ein Monopol, das größer ist als jede US-Sphäre. Moore KANN gar keine differenzierte Kritik vortragen, denn dann würde er es sich mit seinem Stammpublikum außerhalb der USA verscherzen. Das nämlich hält Terrorismus für eine Erfingung und führt alles Schlechte an Staat und Kapital auf Juden, Banken und ausländisches Kapital zurück.

  10. (Nichtidentisches, warum gibt es eigentlich keine Korrekturmöglichkeit bei den Kommentaren. Ich hasse es, wenn ich Fehler in meinen Texten sehe.)

    Moore macht Filme primär für sein amerikanisches Publikum. Sieht man auch an seinem letzten Film, den er für User aus den USA frei im Internet verfügbar machte, um die Wahlbeteiligung dieses Jahr (nach seinem Wunsch zugunsten der Demokraten) anzuheizen. Ich setze mal als bekannt voraus, daß man als Amerikaner, um Gehör in den USA zu erhalten, immer auch betonen muß, das eigene Wirken sei vorrangig auf das Wohl Amerikas ausgerichtet.

    Wenn Michael Moore antisemitisch argumentieren wollte, täte er es für diese Klientel. Die gibt es auch in Amerika und nicht zu knapp. Allerdings sehe ich das nicht in Fahrenheit 9/11 umgesetzt und auch sonst fällt mir keine explizite Montage in einem seiner Filme ein, die Derartiges nahelegen würde. Bitte um Gegenbeispiele.

  11. tschill: „Dein letzter Satz ist zwar wohlfeil, nichtsdestotrotz gerade in diesem Fall, hatte der Drehbuchschreiber nahezu kein authentisches Material, um die Geschichte zu füllen.“

    Lies einfach was der Skeptiker schrieb…

    „Ich bin der Meinung, dass im Zuge von 9/11 auf grob fahrlässige Weise Bürgerrechte abgebaut wurden. Das ist in Europa nicht anders. Zugleich kann man sagen, dass gewisse Schutzmaßnahmen auch von der Bevölkerung eingefordert werden, die eben eine Regierung und nicht sich selbst für so ein Desaster verantwortlich macht, also schon zuinnerst autoritär ist. Insofern hatte die Reaktion der Bush-Regierung ihren realen Grund und eine gewisse Notwendigkeit.“

    1.) Wieso „grob fahrlässig“?
    2.) Wieso ist die Bevölkerung für „so ein Desaster“ verantwortlich? Und warum ist sie deswegen autoritär?
    3.) Und wieso hat nun auf einmal die fahrlässig handelnde Bush-Regierung doch noch ihren „realen Grund“? Und was soll das sein, einen Grund zu handeln hat sie ja immer, sonst würde sie es nicht tun, das „real“ ist da nur Ressentiment, dem der Appell an die Wirklichkeit notwendig vernünftig scheint, bekräftigt durch den Verweis auf den Sachzwang.

  12. „(Nichtidentisches, warum gibt es eigentlich keine Korrekturmöglichkeit bei den Kommentaren. Ich hasse es, wenn ich Fehler in meinen Texten sehe.)“

    Das ist nun mal ein Privileg des Blogadministrators. Und selbst der muss Kommentare löschen und neu editieren.

    zu sqng:
    1) wieso nicht. Der Patriot act war für viele kein Spaß und setzte vormals für unverbrüchlich gehaltene demokratische Kontrollregelungen außer Kraft. Dadurch wurde Terrorismus zu einem Problem der Freiheit von Bürgern erklärt. Begleitet wurde das von einem starken manichäischen Dazugehörigkeitsbeweiszwang, der die massenhafte ehrliche Betroffenheit vergiftete.
    2) Weil sie eine Lösung vom Staat verlangt, der vormals die Sicherheit der Bürger unter deren Freiheit stellte. Was prinzipiell ein sympatischeres Modell ist als das eines protektionistischen Staates, bei dem die Freiheit der Bürger ein sekundäres Ereignis der Sicherheitslage ist.
    3) Weil es im bestehenden Falschen eben undenkbar ist, dass freie Individuen sich gegen die schlechtere Welt einrichten ohne zugleich die Zeichen jener noch zu tragen und fortzuführen, gab es auch kaum andere Möglichkeiten für die Regierungen als ein Mehr an Überwachung. Solange dem Wahn der Terroristen noch Millionen im eigenen Land das Wort redeten und von eigener Schuld am Terrorismus redeten, tragen sie schon tatsächlich eigene Schuld am Terrorismus. Würde dem Terrorismus gewahr, dass er mit seinen Anschlägen keine Widersprüche verschärft, sondern stets nur die Gegnerschaft eint, scheiterte er. Der islamistische Terrorismus war die Ablösung der alten antiimperialistischen Linken und hatte in deren Krise seine Chance begriffen. Er weiß nur zu gut, dass seine Anschläge eine nur durch äußerlich gebliebenen Zwang geeinte Gesellschaft in eine Krise stürzen kann. Wäre diese Gesellschaft eine wirklich freie, hätte er keinerlei Erfolgsaussichten und könnte das Programm gegen sich bis zu seiner Vernichtung klar absehen. Auch einem Bin Laden ist klar, dass al-qaida besiegt wäre, würde die westliche Welt ihre Ressourcen auch nur einen Tag gegen ihn wenden.

  13. Erstens schrieb das Nichtidentisches, ergo der Autor des Artikels. Zweitens verstehe ich den Zusammenhang nicht. Wies ich doch lediglich darauf hin, daß Deine Replik „die besten geschichten schreibt immer noch das leben selbst…“ im Falle von United 93 so wohlfeil wie falsch ist, da über die Geschehnisse an Bord nahezu nichts bekannt ist.

  14. Michael Moore argumentiert nicht antisemitisch, zumindest wüsste ich nichts davon. Er bedient ein Klientel, dem der Antiamerikanismus als Versatzstück des Antisemitismus dient. Durch sein Projizieren einer von gesellschaftlichem Einfluss abgelösten absoluten Macht, einer Verschwörung von Bush Senior und Bin Laden, der ständig angedeuteten Verschwörungstheorie, dass Bush von den Anschlägen wusste und profitierte, all das befeuert die Propagandamaschinen weltweit. Und das weiß er, weil er selbst so eine Propagandamaschine ist.

    Die Halbwahrheiten können aus den gängigen Quellen mit minimalem Aufwand (google, wikipedia) erschlossen werden. Genannt seien bloß:

    Die Ölpipeline durch Afghanistan ist ein Clinton-Projekt, Bush bevorzugte einst die Kasachstan-Route.

    Der Irak wird hemmungslos idyllisiert, der Angriff zu einem heimtückischen Raubzug erklärt. Aus dem „Geschäft“ wird Raub, weil die dazu nötige Investition und das Know-how verleugnet werden. Ölbohren ist kein Kindergeburtstag. Da kommen nicht viele in Frage. Wenn der Moore-Fan jedoch „Ölkonzern“ hört, denkt er schon an Blut. Und tankt an der nächsten Tanke Bonusmeilen.

    Die Verzerrung der Rollen von Regierenden, die alle mal in irgendwelchen Aufsichtsräten saßen. Das hat noch nichts zu heißen. Ein Manager etwa kann in konkurrierende Unternehmen wechseln.

    Die Kollektivhaftung der Bin Ladens für Osama bin Laden. Auch wenn außer Frage steht, dass die US-Saudi-Arabien Connection eine sehr unselige und bigotte (für beide Seiten) ist, setzt Moore sehr billig auf die Identifizierung von „ausländischem Kapital“ mit „Al-Qaida“.

    Zitate werden bei Moore grundsätzlich zusammengeschnitten, aus Kontexten gerissen und mit „dümmlichen“ oder „hässlichen“ Gesichtszügen garniert.

  15. „Carlyle, einer Waffenfirma unter Mitarbeit von George Bush, wirft er vor, durch ihren Börsengang 6 Wochen nach 9/11 231 Mio. Dollar Gewinn abgeschöpft zu haben. Michael Moore fährt mit Fahrenheit 9/11 bis 2006 dagegen nur schlappe 222 Mio. Dollar ein.“

    was soll das sein, ein Vergleich? Dass ein Regisseur seine Filme so abdreht, maximale Profite zu erzielen, ist genauso verwerflich wie der Umstand, dass der mächtigste Mann der Welt sein GEld nicht nur mit der Politik die er betreibt verdient (bzw. oder eben doch), sondern mit Waffenhandel? Seh ich anders.

  16. @ tschill
    Der Satz stammt vom Skeptiker, ganz authentisch.
    Und natürlich ist er billig, er sollte nämlich Skeptikers Anmerkung entsprechen.
    Und ja, suprise, der Film ist eine Geschichte, nur denkt der Skeptiker es sei eine „wahre“, keine gemutmaßte, er vertauschte da etwas, oder drohte zumindest das zu tun.

    Wie ich sehe, sind wir uns wohl einig, vielleicht weißt du das nur noch nicht.

  17. @18 sqng: Ah so, die Ironie war nicht erkennbar. Denn isses ja gut.

    @16 Nichtidentisches: Die unangenehme Implikation von Moores Filmanfang betreffend der Bush-Saudi-Connection (mit der Möglichkeit, sich das Geschehen als ein von Außen gemachtes Problem zurechtzubiegen) hatte ich bereits erwähnt.

    Die Idealisierung des Iraks ist sicherlich nicht realitätsgerecht, hier hätte Moore mehr auf die wirklichen Zustände unter Saddam Hussein hinarbeiten müssen. De facto ist aber die nachfolgende Behauptung einer Verschlechterung der Lebenssituation für ein Gros der Bevölkerung keine Lüge. Habe gerade den empfehlenswerten Film Heavy Metal in Baghdad gesehen, der mir ein klareres Bild vom Lebensalltag im Irak gezeichnet hat als die Medienlandschaft. Totale Anomie, ein Anheizen der schiitisch-sunnitischen Konflikte, das Verschärfen der religiösen Regularien – all dies bestimmt den Alltag im Irak. Mit tödlichen Konsequenzen und Flüchtlingselend.

    Ob man nun die Dramaturgie Moores für akzeptabel hält, ist diskutabel, die Behauptung des Vollabsturzes für den Irak ist aber nicht aus der Luft gegriffen. Persönlich finde ich, daß Moore ausreichend Fakten hat, um auf dramaturgische Kniffe wie die Idyllisierung der alten Zustände verzichten zu können.

  18. Wo wird denn in den Medien ein rosiges Bild von den aktuellen Zuständen im Irak gemalt? Kaum aber, daß Hussein und Co gestürzt wurden, ist’s aus mit der freilich nicht zu idealisierenden Friedhofsruhe und jetzt erst stürzt das Land ‚vollab‘. Geordnetes Verhungern, an Krankheiten Sterben, sauberes Abgeholt werden oder Säuberungen in Gefängnissen zum Opfer Fallen im Irak, bis Saddam irgendwann wegdiplomatisiert wäre, wäre Moore aber gar nicht gelegen gekommen. Daran hätt‘ er nichts mehr zu kritisieren.

  19. Der sogenannte „Absturz“ des Iraks wurde von den Irakern zunächst gehörig gefeiert, ich erinnere mich an Bilder von Großdemonstrationen im Freudentaumel, geschleiften Saddam-Statuen und so weiter.
    Wie es vorher aussah, ist hinlänglich aus „Republic of Fear“ von Makiya ersichtlich, einen guten Überblick bietet auch „Saddam Husseins letztes Gefecht“ bei Konkret.

    Der Terror wurde nicht „automatisch“ ausgelöst, wie das so gerne dargestellt wird. Erst nach Großdemonstrationen in Europa, nach der Machtergreifung Al-Sadrs unter den Schiiten, deren gemäßigte, amerikafreundliche Führer er ermorden lies, und nachdem Al-Qaida mittels Versprechungen bei den irakischen Sunniten anlandete, konnte der Terror eine derartige Massenerscheinung werden. Dass er unterschätzt wurde, ist Schuld der USA. Nicht aber, dass er entstand.

    Dass eine Heavy Metal Band es unter Hussein ziemlich gut aushalten konnte, spricht für ihren Konformismus mit zynischen Zuständen.
    Ansonsten ist der Albtraum ja inzwischen derart am Abklingen, dass Obama mit seinen Abzugsplänen noch die Realität unterbietet.

  20. Die Frage ist, ob eine andere Kritik Moore die Publikumsaufmerksamkeit eingefahren hätte. Denn in den US-amerikanischen Medien wird sehr rege und mitunter sehr fundiert diskutiert. Und von diesem Standpunkt kann ich auch sehr gut eine Gegnerschaft zu Bush nachvollziehen – der reale Grund zu einer Kritik besteht. Bei Moore und Konsorten wird diese Realität jedoch noch zu einer propagandistischen Lüge, die umso glaubhafter werden muss, je mehr sie an Halbwissen und Scheinfakten dranklebt.
    Ähnlich funktioniert Werbung: Kein Mensch glaubt wirklich, dass Axe III die Frauen derart hypnotisiert, wie dargestellt. Das ist auch nicht Sinn der Werbung. Die übertriebene Lüge kann erfolgreich suggerieren, dass sie nur Übertreibung ist, dass also ein wahrer Kern in ihre steckt.

  21. Dass eine Heavy Metal Band es unter Hussein ziemlich gut aushalten konnte, spricht für ihren Konformismus mit zynischen Zuständen.

    Ach so. Na Hauptsache es paßt ins Konzept. Da muß man sich auch nicht mehr die Mühe machen, das Originalmaterial zu sichten, wenn man die Wahrheit schon weiß.

    Vielleicht solltest Du dann den Filmemachern Moretti & Alvi noch stecken, daß sie den Part seit 2003, also quasi den ganzen Film, wegschneiden sollen, weil es ja nicht sein kann, daß man mit zynischen Zuständen konform geht, aber den jetzigen Zuständen über Jordanien in die Türkei entflieht. Wie weitere 1.2 Millionen Menschen nach Syrien, 500.000 nach Jordanien, 70.000 nach Ägypten usw.

    Divide et impera gilt übrigens immer noch und nichts eignet sich besser dafür als der Wahnwitz der Religion.

  22. Ich mache niemandem zum Vorwurf, dass er aus dem Irak flieht, niemand behauptet, das Leben dort wäre schon sicher.
    Wenn jemand aber herkommt und sagt, vorher war es besser und man hätte besser Saddam drangelassen, damit man weiter irgendwelche Moschgräben in Bagdad bebangen hätte können, dann ist derjenige für mich ein Kollaborateur.

    Vielleicht befasst du dich erstmal mit der Realität unter Saddam Hussein. Unter anderem aus der Perspektive Israels.
    Den Film sehe ich mir bei Gelegenheit mal an, ich hatte damals nur die Rezensionen gelesen.

  23. Wenn jemand aber herkommt und sagt, vorher war es besser und man hätte besser Saddam drangelassen, damit man weiter irgendwelche Moschgräben in Bagdad bebangen hätte können, dann ist derjenige für mich ein Kollaborateur.

    Diese Haltung entspringt reineweg Deiner Phantasie und ist durch den Film in keiner Weise abgedeckt. Weder ich noch die im Film Porträtierten behaupteten, daß es unter Saddam Hussein eine knorke Zeit war. Halabja ist genauso wenig vergessen wie die Niederschlagung des Schiitenaufstandes. Aber wenn man das Boot von Skylla zu Charybdis lenkt, ist man noch lange kein guter Steuermann.

    Eine adäquate Rezension zum Film findet sich in thgrohs <a href= „http://filmtagebuch.blogger.de/“filmtagebuch. Die offizielle Internetseite des Filmes ist hier zu finden.

  24. Die Frage ist, wer da lenkt. Und das waren nicht nur die USA, sondern Iran, Syrien, die EU, die Friedensbewegung, die den Abzug der spanischen Truppen erzwang und die Schröder für die Nichtbeteiligung wählte und und und.

    Und selbst: würde man nur nach den Quanität der Tödlichkeit gehen, so halte ich mich an die Studie des New England Journal of Medicine, das die Opferzahlenstatistiken kritisch hinterfragt und selbst 120 000 bis 250 000 Todesopfer insgesamt für realistisch erachtet. Der Link ist in den gesammelten Werken zu finden.

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