Dark Knight, dark Sight – ein Kritikstunt zur Bewahrung vor ernsteren Missverständnissen

„Die ganze Welt wird durch das Filter der Kulturindustrie geleitet“ schreiben Adorno und Horkheimer in der Dialektik der Aufklärung. Und weiter: „Je dichter und lückenloser ihre Techniken die empirischen Gegenstände verdoppeln, um so leichter gelingt heute die Täuschung, dass die Welt draußen die bruchlose Verlängerung derer sei, die man im Lichtspiel kennengelernt.“

In der Kulturindustrie das Potential zur Kritik zu sehen ist daher schon wieder Reklame für die Kulturindustrie selbst, nicht für das, was durch sie hindurch überlebte, um sich dem immer schlauer gewordenen Publikum anzudienen. Die Intellektuellen wollen nach Feierabend ihre Thesen bestätigt sehen, das wissen die Filmemacher nur zu gut: „Der Fortschritt der Verdummung darf hinter dem gleichzeitigen Fortschritt der Intelligenz nicht zurückbleiben.“ „Dark Knight“ kann wohl kaum als Kritik noch als Anleitung für eine bessere Welt gelesen werden. Zu komplex ist das Geflecht hinter den Filmen, das sie auf Konformität zurechtstutzt. Doch selbst das steht zur Disposition: Kulturindustrie besitzt die paradoxe Neigung, noch über sich selbst zu plappern und die Kritik an ihr selbst zu verkaufen. Diese Subversivität übersetzt sich in Realität weil sie der Realität entrissen und verstümmelt wurde. Eine daran erlernte Subversivität kann selbst wieder nur eine verstümmelte sein, an der letztlich im Stande der Unfreiheit immer noch etwas wahrer ist, als an den gänzlich debilen Zurichtungen aufs System. Insofern ist „Dark Knight“ wiederum lesbar, allerdings nicht vom Standpunkt einer daraus zu lesenden Gesellschaftskritik, sondern vielmehr vom Standpunkt eines Bewusstseins über die notwendige Verstümmelung jeder Idee von Widerspruch darin. Die phänomenologische Abtastung von Oberflächen und Repräsentanzen zur realen Welt muss scheitern, weil sie auf die kontrapunktische Analyse der niederen Regungen, des Sadismus und der verdrängten Wünsche im Publikum verzichtet. Weiterlesen

Rambology – mit John J. Rambo durch die Dialektik der Aufklärung


Ernst Barlach: „Der Rächer“

„Rambo, der; -s, -s [nach dem amerikanischen Filmhelden]: (ugs.) jmd. der sich rücksichtslos [u. mit Gewalt] durchsetzt; Kraftprotz.“ (Das große Fremdwörterbuch – Duden)

Die Umgangssprache hat den Begriff „Rambo“ okkupiert. Woher diese semantische Kaperfahrt ihren Freibrief bezieht, leitet sich eher aus einem sublimierten oder offenen Antiamerikanismus als aus einer qualifizierten analytischen Filmlektüre ab. Diese lässt allerdings auf sich warten. Außer einem aufschlussreichen Interview mit Christopher Vogler und den Audiokommentaren von David Morell und Silvester Stallone – sämtlich generöse Dreingaben der Rambo-Trilogy-DVD-Box – schweigt die Wissenschaft zum Phänomen Rambo, sofern sie sich nicht noch als Insinuant von Ressentiments gegen den Film betätigt. Man mokiert sich gerne darüber, wenn afrikanische Kindersoldaten oder Dschungelkämpfer sich „Commander Rambo“ nennen, ein ernsthaftes Interesse an der Vermittlung von intrapsychischen Konflikten in der postbürgerlichen Gesellschaft und dem fiktionalen Drama um den Kulturheros Rambo schlägt sich jedoch zumindest nicht in Publikationslisten oder Bibliothekskatalogen nieder.

Das oberflächliche Muster aller Filme ist sicherlich einfach: Der ausgestoßene Loner John Rambo wird durch dramatische Verstrickungen in Situationen gebracht, in der ihm Gewalt als einziger, legitimer Ausweg bleibt. Dadurch entsteht eine perpetuierte Verfolgungsjagd, bei der eine verfolgte Person letztlich zum siegreichen Verfolger wird oder zumindest die Verfolgung abwehrt. Würde man die Rambo-Filme auf dieses Muster reduzieren, träfen BARTHES Analysen der kleinbürgerlichen Kultur mit ihrem Abhub auf Erwartung, Suggestion und Initiation zu.

Es gehört zum kleinbürgerlichen Ritual […], daß man so lange warten läßt, bis sich die Spannung eingestellt hat, die so untrennbar gemischt ist mit Heilserwartung und Wut. (Barthes nach Schiwy 1973: 21)

Diese Erklärung in klassenkämpferischer und kulturkritischer Absicht wäre allzu plan. Für James Bond und zahllose andere zweitklassige Krimis, Gauner- und Detektivgeschichten mag solches oder ähnliches zutreffen. Die Rambo-Filmreihe ist allerdings zu komplex, als dass man sie auf Nervenkitzel und nur kulturindustriellen Unterhaltungswert reduzieren könnte. Sie ahmt nicht bürgerliche Kultur nach, sondern geht aus ihr hervor und entwickelt sie auf höchstem Niveau weiter – stets an den Grundfesten bürgerlicher Ideologie nagend, auf denen sie zugleich wie alle Kulturindustrie baut. Wesentlich mehr Aufschluss bietet es daher, wenn wir die „Dialektik der Aufklärung“ – ausnahmsweise weitgehend jenseits des Kulturindustriekapitels – mit der Rambo-Reihe synchronisieren. Erst dann wird die intellektuell inspirierte Tiefenwirkung der Rambo-Mythologie auf ein massenhaftes Publikum nachvollziehbar und die inhärente Zivilisationskritik ebenso wie der innerhalb kulturindustrieller Verhältnisse stets zum Verrat anstehende emanzipatorische Anspruch darin sichtbar. Von dieser These ausgehend starten wir, ADORNO und HORKHEIMER wie gleichermaßen deren Basis, MARX und FREUD im Hinterkopf behaltend, einen mitunter waghalsigen Streifzug durch die Filmreihe – wie John Rambo selbst riskieren wir dabei Verstand und Kragen, verfolgen, was uns verfolgt, kündigen im Kampfhubschrauber der Theorie die Sicherheit der wohligen positivistischen Trennung von Subjekt und Objekt auf.

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