Von der sehr wahrscheinlich homophoben Farbe der Beschimpfung, die ein französischer Spieler verlautbart haben soll, als sein Trainer ihn zu mehr Leistung ermahnte, einmal abegesehen sympathisiere ich aufs äußerste mit der Idee des Streikes gerade in diesem Sport. Dieses patriotische Idyll an seinen Widersprüchen zu zerbrechen und in Klassenkampf aufgehen sehen kann jeden Freund Marx’scher Theoreme nur in gehässige Fröhlichkeit stimmen.
Die feudalen Reste deren sich die kapitalistischen Organisationsweisen bedienen sind im Fußball mehr als präsent. Der Trainer als deligierter Intellekt, der seine entgeisteten Maschinen auf dem Platz organisiert. Die Spieler, die unter ständigem von den Maoisten abgeschauten Rapporzwang stehen, über die immer gleichen Befindlichkeiten nach Sieg und Niederlage zu räsonieren und Besserung zu geloben. Das Environment des Stadions, in dem infernalischer Lärm, Verletzungsgefahr und klimatische Bedingungen die Fabriken des 19. Jahrhunderts aufleben lassen. Die Torprämie, die den Akkord der Spieler durchsetzt. Und eine gehässige Öffentlichkeit, die jede Druckstelle der Ware, die sie gekauft hat, aufs eifersüchtigste bekrittelt.
Dass nun ein Vorarbeiter dieses Systems, ein ideeller Gesamtpatriot, in seinem Narzissmus gestört wurde, hat weitreichende Konsequenzen für das Gesamtsystem.
Ein gewisser französischer Sozialist verwandelt sich in diesem Licht in eine stalinistische Kanaille, die den Einzelnen den höheren Idealen unterordnet:
Dabei ist die Fahndung nach dem „Verräter“ in der Mannschaft, der die Schimpfworte weitergeleitet hatte, noch das stalinistischste und abstoßendste an der ganzen Geschichte und Abbild der Fahndung nach Streikbrechern in herkömmlichen Streiks. Bemerkenswert ist dennoch, dass das Team den Entlassenen nicht zugunsten von zu erwartenden Torprämien im Stich lässt, sondern zu einer darüber hinausgehenden Solidarität GEGEN die Nation und zu erwartende Schecks in der Lage ist.
Wie sehr dieser Bruch mit dem Gesetz die nationalistischen Massen irritiert ist in den Kommentarzeilen nachzulesen, die die Meldungen begleiten. Da findet die neue deutsche Innerlichkeit ihr grenzübergreifendes Äußeres. Eine kleine Partitur wird im Folgenden gereiht:
Der liberale Bildungsbürger mit Ressentiment schiebt alles auf die Bildung:
„Meine Güte! Es geht um fußball! Um ein Spiel!
Da sind keine Politiker oder Könige oder Präsidenten der Nationen auf dem Spielfeld, die ihr Land repräsentieren sollen. Die sollen Fußball spielen und fertig. Und wenn einem mal der Gaul durchgeht und er in der KABINE einen unflätigen Satz raushaut – was soll’s. Sind eben Fußballer. Wahrscheinlich ebenso aus den bildungsfernen Schichten wie die, die bei uns in den Vereinen spielen. Was will man da erwarten?“
Dabei wäre gerade von gebildeten Leuten zu erwarten, dass sie eine gut pointierte Beleidigung an Ort und Stelle plazieren können und nicht „innere Reichsparteitage“ abhalten, wie sich eine Reporterin den Gemütszustand in einem unter Druck gesetzten deutschen Fußballer in einem genialen Kurzschluss vorstellte. Dass sie also zu Streik und Solidarität mindestens so gut in der Lage sind wie das von ihnen bespottete Proletariat.
Ein Holzfuxx vertritt die deutsch-nationalistischen, wenngleich frankophilen Schlußstrichzieher:
„Frankreich so der Lächerlichkeit preiszugeben, hat die „Grand Nation“ wirklich nicht verdient. Die FIFA sollte einen Schlußstrich setzen und die französische Mannschaft aus dem Wettbewerb ausschliessen. Den Namen „Nationalmannschaft“ hat sie nicht mehr verdient. Eine Schande für alle anderen Fussballspieler der Nation.“
Die französische Bildungsministerin spielt ganz volkspädagogisch die autoritäre Geige:
Hierzulande sind die Lehrer eher umgeben von ethnopluralistischen, streikfeindlichen Dorfnazis, die sich auf Blogs wie diesem hier tummeln:
„Die französische “Nationalmannschaft” ist ein Witz, ein Schlag ins Gesicht für jeden authochtonen Franzmann. Unsere “deutsche” Mannschaft ist aber auch nicht viel besser – ich fühle mich nicht von Moslems wie Özil repräsentiert ! Ich hab den Serben ihren wohlverdienten Sieg gegen unser islamisiertes Multikultiteam deshalb auch von ganzem Herzen gegönnt ! Serbien ist so ein kleines Land, und doch brauchen sie anscheinend keine importierten “Talente”, um erfolgreich zu sein ! Und schon gar keine Moslems !!!“
Oder einen „kamille“:
„der zum Is lahm konvertierte Anelka zeigt sein wahres Gesicht. Keine Spur von göttlicher Inspiration oder frommen Lebenswandel. Die Religion des Friedens scheint eher ein Sammelbecken für gestörte Afrikaner zu sein (Tyson, Jackson, Clay)“
Die Kakophonie breche ich mit Kommentar aus Frankreich ab:
Zumindest auf diese Erschütterung des deutschen, französischen und sozialistischen Patriotismus in seinen Grundfesten trinke ich heute abend ein Glas Merlot!