Chervel hat seinen Artikel bestechend geschrieben und ich möchte ihn zunächst an einer Stelle erweitern. Chervels besonderer Verdienst ist es, die linke Position im Historikerstreit zu hinterfragen.
An Nolte mag man viel kritisieren, aber sein Impuls, das nächstliegende Vergleichsmaterial für den Holocaust in Asien zu suchen war richtig: Dschinghis Khans Ausmordungskampagnen, die Schädelpyramiden, seine Herrschaftspolitik, später die Eroberung Indiens durch Timur Lenk – wer sich damit befasst muss ein Verhältnis zum Vorgehen der Erschießungskommandos der SS-Einsatztruppen sehen. Das als „asiatisch“ zu generalisieren war rassistisch und Nolte wurde dem spezifischen Impuls des antisemitischen Hasses als kausalem Faktor nicht gerecht. Die linke Antwort darauf – „Singularität“ – war aber ebenso weit entfernt von der Ernsthaftigkeit der Kritischen Theorie, die in der Dialektik der Aufklärung den Holocaust gerade in eine Anthropologie der Gewalt einordnet, mit der pathischen Projektion und der Naturfeindschaft in Zivilisation als übergreifenden Kernelementen.
Thierrys Essay wird an anderer Stelle falsch. Er zeichnet eine flotte Diskursgeschichte der Relativierung, der Singularität, und konzediert den Mbembe-Unterstützern*innen damit noch das Recht auf eine Teilhabe an einem Opferdiskurs, wie verfremdet auch immer.
Es geht aber nun einmal beim Vergleich von Israel mit Apartheid und Holocaust nicht um die Dimensionen, sondern um Verkehrung. Es ist bösartige Täter-Opfer-Umkehr, und nicht Relativierung. Man muss es einfach immer wieder erklären: Mbembe ist ein Antisemit nicht weil er relativiert, sondern weil er aus Opfer Täter und aus Tätern Opfer macht. Die Sklaverei mit ihren zahllosen genozidalen Massakern, die Apartheid mit ihrem Herrenmenschentum, die stehen in irgendeiner Verwandtschaft mit dem Holocaust.
Israel nicht und an keiner Stelle. Dafür seine Gegner, die Nazis der Hamas, die Ku-Klux-Klan-Islamisten der Hisbollah, die iranischen Faschisten, von denen Mbembe nichts wissen will.
Noch einmal: Nicht Relativierung, und damit entlastende Generalisierung, sondern Täter-Opfer-Umkehr und damit aggressive Schuldprojektion ist die antisemitische Tat par excellence. Mbembe hat keine historische Schuld zu generalisieren, er will Israel, ein schwaches und verwundbares Opfer, verfolgen und dafür muss er Geschichte fälschen um diese Verfolgung als Verteidigung dastehen zu lassen. Das ist der Kernbestand des linken Antisemitismus, der erkannt hat, wie sehr Juden Opfer waren, der sich durch diese Schwäche unbewusst gereizt fühlt, diese weiter zu verfolgen, aber unter dem moralischen Druck der Progressivität eine irrsinnige Begründung dafür präsentieren muss: Dass nämlich Juden die eigentlichen Faschisten seien, und deshalb die Vernichtung des jüdischen Staates eigentlich Antifaschismus sei und in der Tradition anderer antifaschistischer Bewegungen stehe.
Daher ist auch nichts postkolonial an Mbembes Antisemitismus.
Mbembe versteckt in seiner antisemitischen Verkehrung eine rassistische. Er opfert dem Antisemitismus den Antikolonialismus mit seinem berechtigtem Beharren darauf, den Kolonisierten eine Geschichte zurück zu geben, Geschichte aus ihrer Perspektive zu schreiben.
In seinem Antisemitismus betätigt sich Mbembe rassistisch. Er verharmlost die Geschichte Südafrikas nicht nur, er verkehrt sie. Aus Apartheid-Tätern werden auf einmal so etwas wie die israelischen Opfer von Terrorismus. Aus dem ANC und den antirassistischen Widerstandsgruppen wird durch Mbembes, in den Kulturwissenschaften übrigens hegemonialem Vergleich, so etwas wie die Hamas und die Fatah und dadurch fälscht er in kolonialer Manier die Geschichte der schwarzen Befreiungsbewegung auf dem afrikanischen Kontinent.
Für den antisemitischen Impuls, Juden um jeden Preis zu verfolgen, opfern die daran beteiligten Kulturwissenschaften jegliche Integrität und damit stellen sie sich außerhalb eines jeden vernünftigen Diskurses um Relationen und Dimensionen und Faktoren.
https://www.perlentaucher.de/essay/die-debatte-um-achille-mbembe-postcolonial-studies-und-der-holocaust.html