Hyänen

In Eritrea, so erzählt T., gelten Hyänen als tödliche Bedrohung. Auf den dreißig Jahre währenden Schlachtfeldern des Krieges mit Äthiopien haben sie gelernt, Menschen zu fressen und jede Furcht vor ihnen verloren. Die Hyänen der Diktatur aber treiben zehntausende in die Flucht – jedes Jahr. Wen sie nicht in Armee oder Gefängnis zwingen, dem schießen sie an der Grenze hinterher. Danach kommt der lange Weg durch Äthiopien, Sudan und Libyen. Diese Länder haben bereits Millionen Flüchtlinge aufgenommen, es sind auch Diktaturen und Kriegsländer. Sie produzieren auch die Erpresser, die Lösegeld aus den Flüchtlingen herauspressen. Bis zur libyschen Küste haben viele von ihnen zehntausende von Euro bezahlt. Frauen werden vor allem in Libyen Opfer von Vergewaltigungen. Kaum einer schafft es nach Europa ohne Tote zu sehen. Fluchthilfe und Schleppermafias gehen fließend ineineander über, und die Propaganda Europas will von Fluchthilfe nichts wissen, die Schleppermafias nur an der europäischen Grenze bekämpfen, nicht um Flüchtlingen zu helfen, sondern um sie in Libyen zu halten.

In Italien wurde T. das erste mal bewusst, wie groß Europa ist. Er wollte nach Deutschland, weil er als Kind ein T-Shirt der deutschen Fußballmannschaft besaß. Italien sei furchtbar, die Flüchtlingsslums schlimmer als Teile Afrikas. Über Frankreich hat er es nach Deutschland geschafft. Nun wartet er in einem Zimmer von 8 Quadratmetern seit einem Jahr auf seinen Asylbescheid, er fürchtet nur ein Jahr zu erhalten, hofft auf drei Jahre.

Auch N. aus Eritrea wartet seit einem Jahr in Angst vor der Abschiebung nach Italien oder gar Eritrea. In einem kleinen hessischen Städtchen sagte er  zu mir: Schlafen hier alle? Tatsächlich waren die Straßen menschenleer. Mit Glück trifft man einen Rentner auf einem der leeren Spielplätze an. Unermesslicher Reichtum liegt hier brach, eifersüchtig gemehrt und bewacht von konservativen Deutschen.

N. musste nach den 10.000 Euro für die Flucht noch 300 Euro Strafe zahlen, weil er ohne Visum die Grenze nach Deutschland übertreten hat. Braucht er aber eine Geburtsurkunde, muss er zur eritreischen Botschaft. Dort lauern wieder die Hyänen. Der eritreische Präsident fordert 2% der Sozialhilfe oder des Einkommens, die nach Ausreise entstanden sind. Deutschlands Behörden fördern diese Besteuerung durch ihre Dokumentengläubigkeit, die nichts anderes ist als die rassistische Angst, jemanden zuviel hereinzulassen.

Dem zweijährigen Mädchen, das mit ihrer vierköpfigen Familie, die hier auf 15 Quadratmetern lebt, demnächst in den Kosovo abgeschoben werden soll, wo es wahrscheinlich ohne Heizung und Toilette aufwachsen wird, wird niemand schlüssig erklären können, warum es nicht weiter auf einem Spielplatz in Deutschland den Sand schaufeln durfte, der genausogut für hundert weitere Kinder reichte. Man darf ihm getrost erklären, dass die meisten wählenden Menschen in der EU einfach Rassisten sind, die bei aller aufgesetzter Freundlichkeit und Nächstenliebe im Innersten böse und selbsüchtig sind.

20.000 Flüchtlinge aus Syrien will nun die EU aktiv aufnehmen. Binnen zwei Jahren. So viele werden in einem halben Jahr in den Camps geboren.
Die Funktionäre dieses Staatenbündnisses haben gelernt, dass sie Menschen ungestraft in den Tod schicken dürfen. Die Brutalität hinter dieser vorgeschützten Weltfremdheit der EU droht sie letztlich ihren eigenen Bürgern an. Solange kein Architekt des Kriegs gegen die Flüchtlinge in Den Haag landet, wird die Aufnahme der Überlebenden weiter als großzügige Wohltat verkauft, als hätte man nicht alles getan, um sie an der Wahrnehmung ihrer Rechte zu verhindern.
Jeder Vernunft ist evident, dass man zumindest an den schlimmsten Fluchtländern Eritrea, Syrien und Afghanistan Botschaftsasyl und Aufnahmestellen einrichten müsste, damit Flüchtlinge ihr Recht wahrnehmen können, ohne ihr Leben zu riskieren. Die aktive Aufnahme von einer Million Flüchtlingen binnen eines Jahres wäre noch zu kleingeistig gedacht. Die EU denkt, sie könnte sich sowohl das Befrieden des syrisch-irakischen Gemetzels sparen, von iranischer und saudischer Diktatur profitieren, und dann noch zehntausende von so erzeugten Flüchtlingen in Lebensgefahr, Folter, Vergewaltigung und Armut zwingen. Weil man jedem, der einen derart raffinierten Grenzzaun so gründlich und vorausschauend plant und errichtet auch eines Plans hinter den verursachten Folgen verdächtigen darf, sollte man hier grundsätzlich von einer Dezimierungsabsicht ausgehen, die an alle Stationen bis in die stumme libysche Wüste reicht. Und weil der Psychologie kein Abgrund fremd ist, sollte man auch eine sadistische Motivation bei den Funktionären der EU und deren Wählern vermuten, die Lust aus dem seriell und bewusst produzierten Elend, den sogenannten „Flüchtlingsdramen“ gewinnen, von denen man offenbar nicht genug bekommen kann.

Praxis gegen eine solche stummen und dummen Massen lässt sich kaum noch denken. Zum Möglichen gehört noch, den Menschen, die in den Heimen von Bürokraten und Polizei weiter gequält werden, beizustehen und ihnen zuzuhören. Hilfe brauchen sie jetzt erst recht.

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