Liberaler Klimaschutz



„Als eine weitere Maßnahme gegen den Klimawandel sollte Deutschland regelmäßig Regenwald-Stücke in Lateinamerika, Afrika oder Asien kaufen und schützen. Wir geben hierzulande allein rund 28 Milliarden für die Förderung der erneuerbaren Energien aus. Dem Klima bringt dies jedoch nichts. Schon für einen Bruchteil dieser Summe könnte man eine große Menge Regenwald erwerben – ein sehr einfaches Rezept, mit dem Deutschland einen globalen Beitrag gegen den Klimawandel leisten könnte.“


Das fordert die FDP auf ihrer Website zum Klimaschutz unter dem Motto „global statt national handeln„.

So unverschämt muss man erst einmal sein. Als der FDP-Mann Dirk Niebel sich anschickte, im subsaharischen Afrika Entwicklung voranzutreiben, entstand ein von Europa kontrolliertes und finanziertes Grenzregime, das die Freizügigkeit innerhalb Afrikas drastisch einschränkt und Flüchtlinge bereits in Eritrea am fliehen hindert. (s. Jakob/Schlindwein: Diktatoren als Türsteher Europas)
Der Karthoum-Prozess versprach das Blaue vom Himmel, belebte aber vor allem die kolonialen Grenzen wieder. Nun droht Lindner damit, Afrika ein vergleichbares Wirtschaftswunder verpassen: Afrika werde „mit unserer Hilfe zum Kontinent des blauen Wachstums ohne Ressourcenverbrauch werden.“ (dpa)

Wie Afrika das „blaue Wachstum“ schaffen soll, zu dem Deutschland nicht im Geringsten in der Lage ist, darüber schweigt sich Lindner natürlich aus. Daher denken wir das einmal durch: Wenn die FDP Regenwald „retten“ will, und dafür 28 Milliarden Euro im Jahr zur Verfügung hat, ist folgendes Szenario erwartbar: An staatliche oder private Landeigner wird Geld zum Kauf von Regenwald überwiesen. Daran stoßen sich dann ganz bestimmte Parteien und Regierungen gesund, die Land, das mit einiger Sicherheit ohnehin bereits Schutzstatus hält, noch einmal an Deutschland „verkaufen“. Damit das von den ursprünglichen Landbesitzern wie Kleinbauern oder Indigenen „bedrohte“ Land dann nicht zufällig doch ausgebeutet wird, muss es von diesen Regierungen geschützt werden – der Schutz des Eigentums ist schließlich die wichtigste Staatsaufgabe im liberalen Weltbild. Daher fallen dann Kosten für den „Schutz“ an. Das Personal braucht effektive Rüstung aus Deutschland: Nachtsichtgeräte, Zielfernrohre, Schlagstöcke, Helme, Infrarotgerät, Hubschrauber, zufällig alles Dinge, die für die Grenzsicherung und zur Abwehr von Fluchtbewegungen, aber auch für die Niederschlagung von Streiks gebraucht werden. Schließlich gefährden auch Streiks das Wirtschaftswachstum und dazu hat FDP-Chef Lindner eine ganz eigene Meinung:


„Nur mit Investitionen in anderen Teilen der Welt lasse sich dasKlima effektiv schützen, erklärte Lindner. Eine Perspektive ohne Wachstum sehe er dagegen nicht. Wachstum liege in der Natur des Menschen. „Wachstum und damit den Gestaltungswillen zu strangulieren wäre antihumanistisch.“

https://www.welt.de/politik/deutschland/article181229064/Lindners-Klimaschutz-Vorschlag-Kein-Kolonialismus-Deutschland-sollte-Regenwald-in-Asien-kaufen.html

Denken wir das Ganze weiter, wird Deutschland also anstatt seine Braunkohle und Steinkohle und seinen Ressourcenverbrauch einzuschränken einfach immer mehr Regenwald kaufen. Eine Spitzenidee mit nur wenigen rechtlichen Problemen, die aber zum einen den Marktpreis für Regenwald rasch in die Höhe treiben wird, zum Anderen Privatpersonen und Unternehmen in ihrem Wachstum einschränkt, die bislang an der Abholzung des Regenwaldes profitiert haben. Also Bauern, die aus Südamerika Soja beziehen, Eigenheimbesitzer, die ihre Terrassen mit Tropenholz beplanken, Autobauer, die seltene Metalle aus dem Regenwald brauchen, Autofahrer, die mittels Marktpreis zumindest indirekt auf die Förderung von Öl aus Nigeria und Venezuela angewiesen sind. Schließlich entscheidet sich Deutschland im Angesicht der Krise, mit „seinem“ Regenwald eben doch so zu verfahren, wie es der Markt will: ihn auszubeuten.

2018 schlägt die FDP also vor, den Regenwald zu kaufen. Um 1988 herum kaufte ich zwei Micky-Maus-Hefte, um 20 m² Regenwald zu besitzen. Die Besitzurkunden sind irgendwann im Müll gelandet – vermutlich ebenso wie die 20m² Regenwald. Habe ich für 50 Pfennig 20 m² Regenwald gekauft? Oder für damals etwa fünf Mark zwei Micky-Maus-Hefte? Die Suche zu „Micky-Maus Regenwald“ oder „Mickey Mouse Rainforest“ ergibt nichts Brauchbares. Spulen wir noch einmal zwanzig Jahre vor:
2008 stand zur Debatte, ob Deutschland Ecuador entschädigt für Ölförderung im Regenwald. Wer das Ganze torpedierte, war ein FDP-Mann: Dirk Niebel. Genauer: Die gesamte FDP-Fraktion stellte sich quer mit dem Argument: „Präzedenzwirkung im Hinblick auf Kompensationsforderungen der erdölproduzierenden Länder in den Klimaverhandlungen.“

Kurz: Man befürchtete, dass andere Länder nun Geld fordern, dafür, dass sie auf Erdölförderung verzichten. Was motivierte die FDP weitere zehn Jahre später zu einem kompletten Umschwenken? Intern müssen große Schlachten geschlagen worden sein. Oder aber, es gab gar kein Umdenken und der Vorschlag dient ausschließlich dazu, die Abkehr von Braunkohle und Steinkohle zu sabotieren mit einer Schimäre, wie es eigentlich anders gehen könnte. Wenn es jedoch zusätzlich zum Kohleausstieg anders gehen soll, wird man mit Sicherheit nicht auf die Stimmen der FDP rechnen können.
Die FDP Münsterland verbreitet derweil Fake-News, wie in der liberalen „Profi“-Szene üblich:

„Im Ausschuss outeten sich SPD und Grüne: Sie wollen den Fleischkonsum drastisch reduzieren – das ist eine Politik vorbei am Verbraucher. Und klimaschädlich ist das auch. Denn in Brasilien wird der Anbau von Nahrungspflanzen u.a. auf Waldflächen verdrängt.“




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