Am 17. August 2017 wurden von einem djihadistischen Attentäter in Barcelona 15 Menschen ermordet und 118 verletzt. Bei der Flucht tötete die Terrorzelle eine weitere Frau und verletze sieben Menschen.
Einen Tag später demonstrierten in Las Ramblas, Barcelona, Anhänger der rechtsextremen Partei „Democracia nacional“ (die unter anderem mit dem Schlagwort „Schwulenlobby“ gegen Homosexuelle hetzt), offen als solche erkennbare Neonazis, Faschisten der „La Falange“ und Identitäre gegen die „Islamisierung Europas“. Filme von vorherigen Aktionen und Demonstrationen (1, 2, 3) belegen, dass es sich hier nicht um eine spontane Unmutsbekundung handelte, sondern um eine gut organisierte Klientel, die den deutschen „autonomen Nationalisten“ und den „Hooligans gegen Salafismus“ entspricht und gern den faschistischen Gruß mit beiden Armen praktiziert.
Eine große Anzahl Gegendemonstranten, die sich unter dem Motto „Kein Terror, keine Islamphobie“ versammelt hatten, erkannte in dieser Gruppe die zugrundeliegende Gesinnung und blockierte deren Demonstration.
Am 18.8.2017 kommentierte eine Internetnutzerin aus Norddeutschland die Gegendemonstrationen:
„Die antifaschistische Zivilgesellschaft Barcelonas lässt keinen Zweifel daran, dass sie die Mörder von La Rambla nicht nur nicht als Hauptfeind, sondern als Bündnispartner gegen Rechts betrachtet. Mir ist nicht sehr wohl bei dem Gedanken, dass dieses Katalonien demnächst ein neuer (postnationaler Un-)Staat in Europa werden könnte.“
Dazu schreibt Tjark Kunstreich:
„Wie Joel Naber schon in einem anderen Thread zum gleichen Thema sagte: Wo ist die Barbarei je ohne Querfront besiegt worden – sowohl die Résistance als auch die Alliierten waren der politischen Logik der Linken zur Folge nichts anderes. Ich habe die Schnauze so voll von diesen indentitären Linken, die wissen, wo es lang geht, aber sich die Finger keinesfalls schmutzig machen wollen. Sie haben nicht begriffen, worum es geht.“
Der Beitrag wurde unter anderem geliked von Dieter Sturm und Joel Naber, beide keine Unbekannten in der sogenannten Szene.
Kunstreich verdrängt zunächst die Geschichte des Begriffes Querfront. Das, was Querfront genannt wurde, ging historisch eher von der Rechten aus, die versuchte, die ärmeren Bevölkerungsschichten mit der Imagination einer Revolution zu ködern. Politisch real wurde die Querfront zuerst als Bündnis von nationalistischen Sozialisten mit rechten Antisemiten. Diese Querfront wurde unter dem Namen „Nationalsozialisten“ erfolgreich. Zur Erinnerung: Die „linken“ Elemente in der NSDAP um Röhm wurden mit dem „Röhm-Putsch“ eliminiert.
Querfront als faschistische Revolutionsmystik ist für den Nazismus überhaupt nichts außergewöhnliches, sondern die Regel – ansonsten wäre er Konservativismus ohne jeden revolutionären Gestus. Daher entstehen seit einigen Jahrzehnten Autonome Nationalisten, die Habitus und Parolen der Linksautonomen kopieren. Man sollte also gegen Kunstreich einwenden: Was an der Idee Querfront ist nicht dieser „Barbarei“, wie man den NS heute so gern verniedlichend nennt, verpflichtet? Wann gab es je eine Querfront GEGEN den Nationalsozialismus, der DIE Querfront schlechthin war?
Dass Kunstreich die demonstrierenden Nazis ausgerechnet mit Alliierten und der Resistance in eins setzt (das Gleiche aber den „Linken“ unterstellt), zeugt von einem Bedürfnis nach Verharmlosung. Er suggeriert nicht nur einen Notstand, in dem der Rechtsstaat nicht mehr funktioniere und keine andere Wahl mehr bleibe als ausgerechnet das Bündnis mit Nazis, um Schlimmeres abzuwehren. Er täuscht auch vor, und das ist vielleicht noch schlimmer, dass das verbale Bündnis einer bedeutungslosen Gruppe von Internetkonsumenten mit diesem flaggenschwenkenden Grüppchen Nazis tatsächlich irgend wirksam gegen den Islamismus würde.
Aus der realen Geschichte, auf die er sich beruft, wird Kitsch. Mussten sich linke Antifaschisten historisch tatsächlich in Kriegszuständen mit konservativen und monarchistischen Kräften verbünden, wie in Italien, so geschah dies in einem Krieg gegen das größere Übel, den deutschen Faschismus. Wer sich hingegen mit Faschisten verbündete, hat den Faschismus gefördert, nicht den Kampf dagegen. Wer glaubt, sich gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ oder gegen Terrorattentate mit Identitären und Nazis gemein machen zu müssen, ist schon bereit dazu, alle Freiheit aufzugeben, die Djihadisten angreifen.
Dass Terrorismus und Gewalt auch Kunstreich nicht fremd sind, bezeugt sein Lamento über Linke, die sich „die Hände nicht schmutzig machen wollen“. Seine neu erwählten BündnispartnerInnen von der Democrazia nacional und Konsorten wissen, wie man sich die Hände schmutzig macht: Mit faschistischen Grüßen, Maschinengewehren auf den T-Shirts, der ganz praktischen Verfolgung von Homosexuellen und Flüchtlingen. All das wird den Islamismus in Pakistan, Bangladesch, Indonesien, Irak, Syrien, Saudi-Arabien, Iran, Mali oder dem Maghreb in keinster Weise eindämmen. Der ins Riesenhafte projizierte Notstand („worum es geht“) ist nicht Ursache einer gefälschten Wahrnehmung, sondern Konsequenz der Verlockung, die der vom Notstand angeblich erzwungene „Schmutz“, also das Bündnis mit der gewalttätigen Autorität, ausübt. Nicht Angst, sondern Lust liegt solchen Äußerungen zugrunde.
1. Felix Riedel macht aus einem ursprünglich privaten Beitrag eines österreichischen Internetnutzers (und er weiß, dass er privat war, weil er ihn nicht lesen konnte) den Kommentar einer „Internetnutzerin aus Norddeutschland“, die aber den ursprünglichen Beitrag lediglich öffentlich zitiert hatte. Deren Zitatangabe lässt Riedel in seinem Zitat weg, um die Vorgeschichte zu Tjark Kunstreichs Kommentar verschwinden zu lassen. Das klappt natürlich nur bedingt, weil Tjark Kunstreich explizit auf „einen anderen Thread“ (nämlich den unter dem Originalposting) Bezug nimmt. Felix Riedel hat nicht einmal versucht, diesen Originalpost und die darunter gelaufene Diskussion zu ermitteln. Ich unterlasse es, aus dieser privaten Diskussion zu zitieren. Um trotzdem Abhilfe zu schaffen, weise ich aber zumindest darauf hin, dass dort – aber nicht nur dort und auch nicht zum ersten Mal – von einem Linken der Vorwurf der Querfrontbildung gegenüber Antideutschen erhoben wurde, und zwar allein aus dem Grund, weil von antideutscher Seite Kritik daran geübt wurde, dass man nach einem bestialischen Massenmord durch Islamisten einen kleinen Haufen Nazis nicht einfach rechts liegen lässt und selber – zahlenmäßig größer und mit vernünftigem Ansinnen – der Kriegserklärung durch den Islam antwortet. Sämtliche Auslassungen zu „Querfront“ waren Reaktion auf diesen Vorwurf. Der initiale Post ist – wie Felix Riedel selber auffallen muss – dementsprechend auch kein Aufruf zur Verbündung mit Neonazis, sondern ein Ausdruck des Schockiertseins über katalanische Antifaschisten, die zwanghaft den Hauptfeind rechts stehen sehen und darüber zu Bundesgenossen der islamischen Radikalen werden. Tjark Kunstreichs Kommentar kann also nicht ohne den ursprünglichen Diskussionsstrang unter dem Originalbeitrag verstanden werden (was Felix Riedel selbstverständlich ausblenden muss).
2. Dass man es in Sachen Israelsolidarität und Antiislamismus, wo es geboten ist, auch mit konservativen oder rechten Personen oder Gruppierungen hält, bedeutet keine plötzliche Kehrtwende, sondern ist in antideutschen Kreisen seit langem selbstverständlich und sollte niemanden verwundern. Tjark Kunstreichs Aussage bezog sich darauf, dass Linke zwecks Identitätspflege bzw. aus Gründen politischer Hygiene Antideutschen regelmäßig eine Querfront-Strategie unterstellen, wo diese nicht mitmachen wollen bei irgendwelchen antifaschistischen Stelldicheins, sondern stattdessen sogar Rechten attestieren, punktuell richtig zu liegen. Das geschieht – wie Felix Riedel natürlich weiß – regelmäßig mit dem Ziel, die Linke zum Ausbruch aus ihrer antifaschistischen Befangenheit zu provozieren und ihr den Islam als größere und bedeutendere Bedrohung begreiflich zu machen. Niemals aber geschieht das – wie Felix Riedel natürlich auch weiß – mit dem Ziel, eine „Querfront“ mit Neonazis zu schmieden.
3. Die wiederholten Hinweise darauf, dass die katalanischen Rechtsextremen homosexuellenfeindlich sind, dienen einzig dem verwerflichen Zweck, Tjark Kunstreich als Schwulen zu überführen, der sich gegen seine eigenen „Triebschicksalsgenossen“ versündigt habe. Dabei weiß Riedel natürlich, dass wer eine Anti-Islam-Demo von Rechtsextremen nicht verdammen will, damit keine Homosexuellenhatz billigt, weil – wie bekannt sein dürfte – ein Unterschied besteht zwischen dem Lamentieren über eine ominöse „Homo-Lobby“ und dem Massenmord an Schwulen im Mittleren Osten.
4. Zur offenen Verleumdung geht Felix Riedel über, wenn er Tjark Kunstreich unterstellt, das „Bündnis mit Nazis“ zu suchen und mit „Terrorismus und Gewalt“ auf Tuchfühlung zu sein, nur weil Kunstreich den Linken vorgeworfen hatte, sich „die Finger keinesfalls schmutzig machen“ zu wollen. Damit war zweifelsfrei gemeint, dass Linke, anstatt den Islam anzuvisieren und dabei – wie zum Beispiel bei einer Berliner Demo geschehen – in Kauf zu nehmen, dass auch ein paar Identitäre oder AfD-Mitglieder aufkreuzen, lieber großtönend den Kampf gegen Islamophobie aufnehmen. Das in eine Nähe Tjark Kunstreichs zum Terrorismus zu verwandeln, ist nur noch mit übelster Böswilligkeit des Autors zu erklären.
5. Der interessierte Verweis darauf, dass eh alles, was Antideutsche im Internet oder sonstwo treiben, den Islamismus im Trikont „nicht eindämmen wird“ und dass es eine ‚Täuschung‘ sei, dass Tjark Kunstreich und Co. „tatsächlich irgend wirksam gegen den Islamismus würde[n]“, ist nicht allein Eigenwerbung des interkontinental agierenden Hobby-Entwicklungshelfers Felix Riedel. Vielmehr drückt sich darin ein grundsätzlicher Einwand gegen direkt in Europa artikulierten und auf die europäischen Gesellschaften bezogenen Antiislamismus aus. Weil dieser stets Gefahr laufe, mit Rechten gemeinsame Sache zu machen, könne der wahre Antiislamismus nur im Orient selbst stattfinden, wo europäische Nationalisten Aufklärungsarbeit nicht beschmutzen – oder als Zutat zum traditionellen antifaschistischen Kampf gegen rechts. Wo Felix Riedel eine „Lust am Schmutz“ unterstellt, demonstriert er seinen eigenen Reinlichkeitsfimmel. Dabei ist das Fatale an der aktuellen eskalativen Entwicklung nicht, dass Rechte gegen den Islam demonstrieren, sondern tatsächlich: dass es ihnen allein überlassen bleibt.
6. Die obigen Punkte sollen dem geneigten Leser zur Einordnung dienen. Mit Leuten, die meine Freunde als terroraffine Nazi-Freunde bezeichnen, diskutiere ich nicht.
Sehr bemerkenswert finde ich Punkt 3, da das Outing, die insinuierte, diffamierende Bezugsetzung, erst im Kommentar von L.S. formuliert wird. Könnte man hier Memes einbinden (bzw. wüsste ich, wie es geht), ein Double Facepalm wäre meine erste Wahl.