Das eigentliche Rätsel von Moshe Zuckermanns Texten ist nicht, warum er sie schreibt, sondern warum renommierte Zeitungen sich befleißigt sehen, sie zu drucken. Zuckermann insistiert in seinem jüngsten Beitrag „Kommt nach Israel?“ in der taz auf einer Täter-Opferumkehr, die charakteristisch für den Antisemitismus nach und wegen Auschwitz ist.
Anlass ist das öffentliche Angebot Netanjahus an die Juden in Europa, nach Israel auszuwandern. Hinter diesem Angebot versteckt sich, diplomatisch geschickt, die Mahnung an die Europäer, die Konsequenz ihrer ideologischen Kollaboration mit dem Antisemitismus oder zumindest ihrer Agonie zu reflektieren: Ein Europa ohne Juden.
Unter dem Getrommel von antizionistischen Organisationen und den ganz normalen Europäern kam es in den letzten Jahren zu einem exorbitanten Anstieg an antisemitischen Angriffen. Juden aus Schweden ziehen schon seit Jahren die Konsequenz aus der Melange aus sozialdemokratischem, islamistischen und neonazistischem Antisemitismus, der ihnen ein Leben in Schweden beispielsweise verleidet. Nicht erst seit Netanjahus Rede stellen Juden aus Frankreich die größte Einwanderungsgruppe nach Israel dar, 4500 in 2014. 29% der europäischen Juden erwägen die Auswanderung, 76% sehen den Antisemitismus ansteigen, 1/3 fühlt sich nicht sicher. (Jerusalem Post)
Für Zuckermann sind das alles Wahlkampfparolen Netanjahus. Er sieht das Hauptproblem in der jüdischen Flucht in „ihr „Heim““, er setzt die Anführungsstriche bewusst, und fügt hinzu, dass diese Flucht “ den Tod unzähliger palästinensischer Kinder und Frauen verursacht hat und […] auch 70 Israelis ums Leben kamen“.
Er imaginiert „unzählige“ Opfer des Gaza-Krieges, wo etwa 2100 Todesopfer auf palästinensischer Seite zu verzeichnen sind, davon ein Gutteil Djihadisten. Dass er diesen Krieg dann noch der Flucht von Juden nach Israel in die Schuhe schiebt, ist böswillig.
Die Projektion von Schuld und das manische Hochgefühl über diesen Ablass gehen häufig zusammen: Zuckermann freut sich vor allem, einen Widerspruch aufgefunden zu haben in Netanjahus Rede. Zum einen sei Israel sicherer als Europa – zum Anderen aber bedroht in seiner Existenz durch den islamischen Antisemitismus. Man darf Zuckermann gleichermaßen einen Widerspruch aufzuzeigen. Er behauptet:
„Israel ist in seiner Existenz durch keines seiner Nachbarländer bedroht, auch nicht durch den Iran und schon gar nicht durch die Palästinenser. Jedes Land der Region, das Israel in seiner Existenz zu bedrohen trachtete, würde (aus bekannten Gründen) unweigerlich seinen eigenen Untergang mit festschreiben. „
Israel ist also gar nicht bedroht. Wie also kommt Zuckermann dann zu folgendem Befund?
„Nicht zuletzt wegen der von Netanjahu und seinesgleichen betriebenen Politik ist das Leben von Juden schon seit Jahrzehnten gerade in Israel wie nirgendwo sonst gefährdet.“
Für Netanjahu und die Juden Europas ist dieser Widerspruch real existent und sie müssen eine Abwägung vollziehen: Wollen sie in einem Staat leben, den der Westen allem Anschein nach ohne zu Zögern dem Iran als Beute überlassen wird? Oder wollen sie in Europa in der ständigen Angst vor Übergriffen, Schmähbriefen, Hetzreden und Morddrohungen leben? Im ersten Fall können sie sich in Israel selbstbewusst organisieren, vorbereiten und wehren gegen Angriffe und ihren Alltag als Juden (religiös oder nicht) leben. In Europa ist ihre Sicherheit hingegen Spielball der Willkür der Lokalpolitik, auf den Willen der Polizei und auf die erfahrungsgemäß marginale Fachkompetenz von Judikative und Legislative ausgeliefert. Und so mancher, der eine Synagoge als Kulturgut beschützt, wird hinterher die Vernichtung Israels fordern oder zumindest den Vertretern jüdischer Organisationen abnötigen, sich von der Politik Israels zu distanzieren.
Für Zuckermann ist das alles nebensächlich, er ignoriert den realen Widerspruch aus einem anderen Grund: Ihm geht es um die Täter-Opfer-Umkehr. An allem soll Netanjahu schuld sein. Die Politiker Dänemarks und Frankreichs fantasiert er als „indigniert“ in ihrer Reaktion auf „Benjamin Netanjahus fremdbestimmte Ideologisierung des Unglücks in ihrem Land“.
Zuckermanns ganze Sprache ist eine der Verharmlosung und Verschiebung. Der djihadistische Terrorangriff auf Juden, der größte der jüngeren Zeit, wird ihm im Zitat oben zum abstrakten „Unglück“. Die Opfer verschwimmen, es sind nicht einmal mehr Juden, sondern die europäischen Nationen: „in ihrem [sic!] Land“. Kritik daran wird als „fremdbestimmt“ bezeichnet, eine Vokabel, die gerade in diesem Zusammenhang dem Wörterbuch des Unmenschen entsprungen scheint.
Zuckermanns Hass auf den Zionismus reicht so tief, dass er das demagogische Bündnis mit den Antisemiten Europas nicht einmal im Geringsten zu vermeiden trachtet:
„Israel strebt den für eine solche Lebensrealität unabdingbaren Frieden nicht an, weil es diesen Frieden nicht will.„
Oder auch:
„Die Möglichkeit, das Sicherheitsproblem mit einem realen Frieden zu lösen, ist von der israelischen Politik nie ernsthaft erwogen worden.„
Israel erklärt Zuckermann zum Schuldigen für Djihadismus und Terror, die weit vor die Gründung des israelischen Staates zurückreichen. Mehr noch: den globalen Antisemitismus halte der Zionismus „am Leben„.
„Und gerade weil er dies Ideologische immer wieder zum Faktor der Selbstvergewisserung erhob, mithin „Beweise“ zur Rechtfertigung des von ihm begangenen historischen Wegs suchte, musste er den Antisemitismus gleichsam als ideologischen Odem seiner Existenzberechtigung stets am Leben halten.“
Und noch einmal, weil Zuckermann keinesfalls missverstanden werden will (und weil Wiederholung das Rezept des Demagogen ist):
„Israel hat den Antisemitismus nie bekämpft, auch nie bekämpfen wollen, sondern vielmehr zum Argument erhoben, ja war nachgerade immer schon daran interessiert, dass es ihn gebe, um eben mit dem Angebot der historischen Alternative für die Juden, dem Zionismus, aufwarten zu können. „
Zuckermann wähnt den Antisemitismus mal nicht existent, mal ist er gleichsam nützlicher Idiot der Zionisten und wo er doch als „grassierend“ sich aufdrängt, fragt er sich sofort, wie es um den „Kausalzusammenhang bestellt ist zwischen dem in der Welt grassierenden Antisemitismus und der von Israel praktizierten völkerrechtswidrigen Okkupationspolitik„.
Dieses Oszillieren zwischen Verharmlosung und Schuldzuweisung macht Zuckermann systematisch, und darin folgt er im ganzen Duktus dem revisionistischen, antisemitischen Diskurs in Europa.
„Zu diesem Zweck ist auch das Schoah-Andenken von Anbeginn ideologisch instrumentalisiert und die „Sicherheitsfrage“ – ungeachtet ihrer realen Dimension – zum nationalen Fetisch erhoben worden.„
Der Demagoge Zuckermann weiß sich im Herzen seiner antisemitischen Leserschaft, wenn er ihnen die jüdische Stimme der Kritik anbietet, Kritik am „Apostrophieren jeglicher Kritik an Israel, besonders wenn sie aus Europa kommt, als antisemitisch„.
Netanjahu wird ihm zum idealen Zerrbild eines Juden, mehr noch, „des Juden“ als Personalisierung aller Juden, wie ihn der Antisemit imaginiert. „Fremdbestimmend“ über die indignierten, (sprich: angeekelten) Nationen Europas, instrumentell, rational und kalt, rücksichtslos, mithin der Feind aller Völker:
„Nun, dass der israelische Premier um des Machterhalts willen auf nichts und niemanden Rücksicht nimmt, ist bekannt. Selbst die bilateralen Beziehungen mit den USA ist er mit Affronts gegen deren Präsidenten aufs Spiel zu setzen bereit.„
Weil der Leser stets rationale Motive hinter der blutgebadeten Dialektik der Geschichte vermutet, gilt als Surrogat der zumindest in westlichen Intellektuellenkreisen doch etwas altbackenen jüdischen Weltverschwörung immer irgendein Wahlkampf in Israel zur Erklärung. Kriege, Kritik und Krisen – was Netanjahu auch umtreibt, er inszeniert all das offenbar lediglich, weil er sich seinem Wähler verpflichtet fühlt. Dass Juden in Europa keine nennenswerte Wählerschicht bilden, der sich Politik auch widmen müsste, die sich durch Wahlen legitimieren muss, das kann über solcher Empörung vertuscht werden, in der sich zumal allzuoft noch ein zutiefst antisemitisches, dem 19. Jahrhundert entsprungenes Unbehagen über das Wahlrecht von emanzipierten Juden sedimentiert hat.
Noch einmal: Zuckermann hat mit solcher Propaganda vor allem die Täter-Opfer-Umkehr im Sinn. Israel, der Zionismus und als deren Personalisierung, Netanjahu werden zu Tätern und Profiteuren des Antisemitismus ernannt. Dass es dem Medium, der taz, durchaus ernst damit ist, beweist sie durch einen anderen jüdischen Antizionisten, Micha Brumlik, der sich zu einem Gesetz von Netanjahus Regierung äußert, nach dem der jüdische Staat auch offiziell als solcher definiert wird – unter expliziter Betonung der gleichen Rechte für alle Einwohner. Brumlik schließt seine Kritik an diesem Gesetz in „Was ist der Staat Israel“ mit den hämischen Worten:
„Historisch Interessierte werden an das Römische Reich denken, an den vom Historiker Flavius Josephus geschilderten „Jüdischen Krieg“, der schließlich – der selbstmörderischen Politik der Zeloten wegen – in die Zerstörung des Tempels und das Ende jeder jüdischer Staatlichkeit mündete.„
Auch hier erfolgt wieder die Täter-Opfer-Umkehr: Schuld an der Zerstörung der letzten Reste jüdischer Souveränität sind wiederum „selbstmörderische“ Juden, jene zumal, die es wagten, im Angesicht der für die massenhaften Kreuzigungen von Juden gerodeten Wälder noch Widerstand gegen den genozidalen Furor der Römer leisteten.
„Das eigentliche Rätsel von Moshe Zuckermanns Texten ist nicht, warum er sie schreibt, sondern warum renommierte Zeitungen sich befleißigt sehen, sie zu drucken. “
Wo soll da das Rätsel sein? In den Redaktionen dieser „renommierten Zeitungen“, was auch immer Du damit meinst, arbeiten ordinäre Antisemiten, die vollauf begeistert sind wenn sie Texte eines antisemitischen Alibijuden abdrucken können.
Ein anderes scheinbares Rätsel ist, warum sich überhaupt Leute zu Vorträgen begeben, bei denen der Vortragende offensichtliche Wahnvorstellungen vertritt. Diese sind als solche unschwer zu erkennen. Doch das ficht die Zuhörer nicht an, sie kommen, um sich ein ganz bestimmtes Weltbild bestätigen bzw. auffrischen zu lassen. Der Irrsinn vorne korrespondiert aufs Beste mit dem Wahn im Saal.
Unschwer zu erkennen ist nur, dass es sich bei dir um einen erbärmlichen Dummschwätzer handelt. Alle sind angeblich nicht mehr bei Verstand, der Herr Riedel, seine Zuhörer, aber jemand, der sich hinter der Asozialität des Internets versteckt und nicht einmal erklären kann, was angeblich so offensichtlich ist, will als Maß der geistlichen Gesundheit gelten?
Wenn Sie sich schon der von Ihnen erwähnten „Asozialität des Internets“ unverfroren bedienen um irgendwelche Beleidigungen auszuwürgen, sollten Sie sich vorher mit dem Thema vertraut machen: Es geht hier nicht um Herrn Riedel und seine Zuhörer, sondern um Herrn Zuckermann und seine Zuhörer.
pardon
Der obige post ist totaler Müll. Ich entschuldige mich beim Herrn Nussknacker. Ich hab ihn einfach missverstanden.
Schwamm drüber. 😉
Theo Sommer tritt mit nach:
„Israels Regierungschef traut dem Frieden nicht. Aber er übertreibt, wie er schon immer übertrieben hat.“
„Aber wird es sich für „Bibi“ wirklich auszahlen, die Entfremdung zwischen ihm und der Obama-Administration noch weiterzutreiben, als er dies schon mit seiner Siedlungspolitik bewirkt hat?“
„Lohnt es sich für ihn tatsächlich, die Europäer – zumal Dänen, Deutsche, Franzosen – vor den Kopf zu stoßen? Das tat er, indem er aus wenigen Vorfällen (von denen jeder einzelne einer zu viel ist!) die verallgemeinernde Schlussfolgerung zog, die Juden seien in Europa ihres Lebens nicht mehr sicher, und sie zur Auswanderung nach Israel aufforderte? „Ich werde nicht zulassen, dass den Menschen in Israel eingeredet wird, für Juden sei in Europa kein Platz mehr“ – dieser Satz François Hollandes hat anderwärts viel Zustimmung gefunden.
Wer immer übertreibt, dem glaubt man nicht. “
http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-03/benjamin-netanjahu-usa-iran-atomprogramm
JA – Israel ist Täter. Was ist so schlimm daran dies zu Erwähnen. Auch liegt Warheit darin, das sich Juden in der Opferrrolle gefallen. Dies ist in keinster Weise eine Opferumkehr und hat schon wirklich nichts mit antijudaismus (Palestinenser sind auch Semiten, somit ist der Begriff antisemit falsch) zu tun. Wo werden Opfer imaginiert ? Schlachtet Israel etwa nicht 1000de Palestinenser ab ? Zu Erwähnen das unter den palestinensischen Opfern „ein Gutteil Jihadisten“ sind ist menschenverachtende Dämagogie des Allerfeinsten.
Dämagogie bei Anderen erkennen wollen und selbst sich genau dieser zu bedienen lässt erkennen was man von Ihnen und diesem Text halten soll.
Fürs Material bleibt es stehen.
@Franz – Wissen Sie was? Ich wünsche Ihnen vom Herzen, daß Sie einen solchen Anlaß erleben wie die Juden in den letzten 1000 Jahren – mit der Shoah als Höhepunkt -, dann könnten Sie selbst Ihr Opfersein auch genießen.
Wie ein halbwegs normaler, halbwegs intelligenter Mensch auf die Idee kommt, daß die Juden ihr Opferstatus genießen – unbegreiflich.
Die Juden tun doch alles, damit sie nicht wieder Opfer werden. Das zeugt gerade nicht davon, daß sie einen solchen Zustand genießen. Eine vollkommen dumme Idee.
caruso
moshe zuckermann ein alibijude?
er ist sohn polnischer juden die den holocaust überlebt haben, nach israel ausgewandert und knapp 10 jahre später wieder nach deutschland gezogen sind. für die info braucht man nur den entsprechenden wikipedia artikel zu bemühen…
das ist schon mal der erste punkt an dem man merkt, dass du dich scheinbar nur sehr, sehr oberflächlich mit zuckermann beschäftigst und vermutlich auch keines seiner bücher gelesen sondern nur artikeln von und/oder über ihn.
auch deinen vorschnellen gebrauch des wortes antisemit würde ich nochmal ernsthaft überdenken…
sehr interessant in diesem zusammenhang: das ausmass der akzeptanz des zionismus unter der mehrheit der juden vor und nach dem holocaust… dazu z.b. offener brief unter anderem von einstein und arendt (New York Times, 4. Dezember 1948). salopp gesagt ist der zionismus für das judentum, dass, was für den islam der wahabismus ist…
ausserdem: es reisen viele, vor allem junge israelis, wieder aus weil sie in dem land für sich keine zukunft sehen. und das nicht etwa wegen dem israelisch-palästinensischen konflikt sondern weil die schere zwischen arm und reich auch dort massiv auseinandergeht. ausdruck dessen waren unter anderem auch die massiven occupyproteste in israel…
zu allem von mir erwähnten finden sich mit leichtigkeit entsprechende quellen und ich meine nich irgendwelche dubiosen blogs von pseudowissenschaftlern, sondern renommierte zeitungen vor allem auch jüdische und israelische. empfehlenswert meiner meinung nach z. b. haaretz…
sorry aber im großen und ganzen zeugen deine aussagen zu zuckermann, israel, juden und antisemitismus von nicht besonders viel kenntnis über diese äusserst komplexen themen welche auf vielfältige weise mit anderen themen verwoben sind. zumindest soweit ich das nach diesem einen artikel und deinen kommentaren beurteilen kann..
lieben gruß
„salopp gesagt ist der zionismus für das judentum, dass, was für den islam der wahabismus ist…“
Na dann ist doch alles wunderbar.