Die UN zieht sich derzeit endgültig aus der Zone zwischen Eritrea und Äthiopien zurück. Zwei gleichermaßen unsympathische Staaten, die in Sachen Pressefreiheit und Menschenrechte auf den letzten Plätzen rangieren, sind damit auf dem Sprung, ihren alten Konflikt wieder kriegerisch auszutragen. Auch wenn Eritrea den letzten Krieg sowohl verursachte als auch verlor, wurde ihm im Wesentlichen genau jenes Land zugesprochen, das es annektieren wollte. Äthiopien akzeptierte diese oktroyierte „Konflikt-Lösung“ durch die UN-Grenzkommission nicht und seither sorgte UNMEE vor Ort für Spott und Häme. Eritrea, das sich militärisch in einer schwächeren Position befindet als Äthiopien, übt sich auf einmal in Kritik am Abzug, den es durch seine boykottierende Haltung maßgeblich auslöste.
Im benachbarten Somalia tobt indes der Stellvertreterkonflikt zwischen den von Eritrea und Al-Qaida mitfinanzierten Islamisten und den mit der Übergangsregierung verbündeten äthiopischen Truppen. Die von der African Union versprochenen 8000 AU-Soldaten sind immer noch nicht angekommen, die Hauptlast der wieder erfolgreichen islamistischen Aggressionen tragen derzeit 1300 AU-Soldaten aus Uganda und die äthiopische Armee. Allein in Mogadishu werden dagegen etwa 3000 islamistische Kämpfer vermutet. Die Chance, Somalia nach der äthiopischen Intervention und der vorübergehenden Zerschlagung der islamistischen Verbände zu einen und zu stärken, wurde einem Experiment geopfert: regionales Konfliktmanagement sollte der AU die Gelegenheit bieten, sich als starke Regionalmacht zu präsentieren. Bei dieser Rechnung wurde allerdings der desolate Zustand der afrikanischen Armeen, ihrer Verwaltung und der Regierungen als vernachlässigbarer Faktor benannt: Die Opfer dieser zynischen Rechnung sind jene Somalis, die in Somalia, Somaliland und Puntland auf stabile, friedliche und halbwegs freie Verhältnisse hoffen. Sie erfahren erneut den Unwillen und die Unfähigkeit der UN, mit vergleichsweise wenigen militärischen Mitteln selbst bei einer größtmöglichen Chance, wie sie sich nach der äthiopischen Intervention bot, irgend etwas Positives zu bewirken. Der AU geht mittlerweile auf, dass sie durch die UN nach Strich und Faden betrogen wurde. So sagte der südafrikanische UN-Botschafter jüngst laut BBC: „[…] the AU is doing a job that the UN is supposed to be doing.“ Und selbst das ist noch gelogen, bestehen die AU-Truppen doch bislang lediglich aus 1300 ugandischen Soldaten, während Südafrikas Regierung sich nach Kräften bemüht, im benachbarten Simbabwe die Todesschwadronen Mugabes gewähren zu lassen und sogar zu bewaffnen.
Am Horn von Afrika werden indes von Oxfam 13 Millionen Menschen als mögliche Todesopfer einer aufziehenden Hungerkatastrophe ausgemacht: Eine Dürre plagt die Region während in Südafrikas Häfen 80 000 Tonnen Nahrungsmittel verrotten, weil – anders als deutsche Freizeitargonauten – kein vernünftiger Kapitän mehr sein Schiff durch die von Piraten besetzten Gewässer Somalias fahren will. Die vor der Küste stationierte deutsche Marine hat anscheinend kein Mandat, Piraterie zu bekämpfen. Das ist laut Amigues/Bishops vor allem der innerdeutschen CDU-Politik geschuldet. Während in Afghanistan deutsche Soldaten durchaus Polizeiaufgaben übernehmen, will die CDU durch die Verweigerung der Zustimmung zu einem solchen verfassungsrechtlich bereits prinzipiell möglichen Vorgehens am Horn von Afrika die SPD dazu erpressen, die Trennung von Bundeswehr und Polizei endgültig aufzuheben. Weil bei den derzeit der Bundeswehr zugeordneten Auslandseinsätzen in Guerillakriegen logischerweise keine klare Trennung von militärischer Aktion und Polizeiarbeit vorzunehmen ist, wäre die Forderung nach einer Neuregelung bei Auslandseinsätzen durchaus nachvollziehbar. Diese Rationalität wird allerdings von der CDU nur zu offensichtlich instrumentalisiert, um dem notorischen Faschisierungskurs der Partei als Profilwetzstein zu dienen. Jede weitere Auflösung der Trennung von Polizei und Bundeswehr ist somit Wasser auf die Mühlen der ewigen Scharfmacher und „tough guys“ innerhalb der CDU/CSU. Die Konsequenz daraus wäre, einem demokratischeren Staat, bei dem man nicht bei einem humanitären und somit in Somalia eben militärischen Einsatz gegen islamistische Guerillas den Verfall von demokratischen Institutionen und den Ausbruch des Faschismus im eigenen Land befürchten müsste, die Befehls-Obhut über eine so diffizile Konfliktregion zu überantworten und Deutschland nur noch entsprechend zur Kasse zu bitten. Dem allerdings steht die Kolonialmacht-Attitüde der Bundeswehr entgegen, die jede Präsenz im Ausland als Siegestrophäe über die in Jugoslawien erstmals offen und lautstark in aller Widerwärtigkeit gebrochene deutsche Verteidigungsdoktrin braucht.
Die EU beruhigt ihr Gewissen mit lauwarmen Geldgeschenken: Satte 21 Millionen Euro, etwa der Preis von wenigen Kilometern Autobahn, schickt sie mit zweifelhaften Vorgaben auf den Weg nach Somalia und Eritrea. Das ist jedoch allemal billiger, als ein Militäreinsatz, der Somalia endgültig von den islamistischen Guerillas und den kriminellen Banden befreien würde, die Produkt und Ursache des derzeitigen Zustandes zugleich sind. Erfahrungsgemäß wird solcherlei nicht militärisch geschütztes Kapital über die zahllosen Straßensperren und Schutzgelderpressungen in die Kassen der Milizen fließen. Den Militäreinsatz gegen solcherlei über Hilfslieferungen finanzierte Guerillas überlässt man getrost der notorisch bankrotten AU und den USA, die dann für die gelegentlichen zivilen Opfer von Luftangriffen mit allen Zeigefingern angeprangert werden können, während man selbst die Hände im Blut der Opfer der Nichteinmischung wäscht.