In der deutschen Vergangenheitsbewältigung lassen sich viele strategisches Muster entdecken. Eines taucht in letzter Zeit öfter auf: „Kleine“ Frauen werden als Identifikationsfiguren und Vorbilder aufbereitet – nie ganz unbeteiligt, aber insgesamt menschlich und gänzlich unschuldig in ihrer inneren Emigration. In „Der Untergang“ war es die Sekretärin, die ganz zuletzt noch verduzt die Augenbrauen hebt, als ihr geliebter Chef auf einmal im Testament etwas gegen die Juden festhalten lassen will – sowas hat sie ja noch nie von ihm gehört. In „Die Entdeckung der Currywurst“ ist es die Kantinenchefin Lena Bruckner, die zwar eine gesunde Abneigung gegen die allzu spießigen Nazis hat, am Ende aber empört eine Zeitung nach Hause trägt, aus der sie zum ersten Mal vom Massenmord gehört haben will: “ Es gab Lager – da wurden Juden umgebracht.“ Prinzipiell mag es durchaus vorgekommen sein, dass ein gänzlich naives Persönchen ohne Radio nichts vom Vernichtungskrieg mitbekommen hat. Rückt diese Haltung aber systematisch als Hauptdarsteller und somit als großelterliche Identifikationsfiguren in den Fokus der Leinwand, so ist der Verdacht gegeben, das Vonnichtsgewussthabenwollen würde in den Stand der ehrlichen Rede gestellt. Dass jeder Haushalt zur Ehe „Mein Kampf“ als Dreingabe bekam, dass in den Schulen Rassenlehre gelehrt wurde und Ärzte mit Fragen der Rassereinheit befasst waren, dass der Volksempfänger jedem Haushalt die unverblümte Absicht der Nationalsozialisten beibrachte, eine Welt ohne Juden zu schaffen, solche Details werden den auf Synthese und Currywurst bedachten Zuschauern gerne erspart. Es wäre ja noch schöner, wenn jemand aus den Kinos käme und die Großeltern mit unbequemen Fragen belästigte.
So rückt das Sujet von Beginn an die lebenskünstlerische Kreativität ins Zentrum, die zwischen Trümmern und selbst 1945 erst langsam heraufdräuender Nahrungsknappheit erst geweckt wird und so in einer nützlichen Erfindung ihr synthetisches Ende findet. Wenns auch hart war im Krieg und die Spießer bisweilen nervten, so hats doch am Ende für etwas Erotik und die Entdeckung von lecker Currywurst gereicht. Und davon haben schließlich alle etwas. Für die Frauen warf das Ganze sogar noch einen speziellen erotischen Mehrwert ab. Der Film verrät damit zuletzt doch auch etwas Wahres über die Konstitution der liberalen Deutschen unter dem Nationalsozialismus: Der Koch begnügt sich mit einem kleinen Ulk, indem er dem Nazioberst Abführmittel in die Suppe mischt. Die Kantinenchefin deckt ihn und klaut heimlich Reis für ihren dem Militär abgetrotzten Liebhaber. Diese Infantilisierung von Widerstand erklärt auch, dass die in die innere Emigration gegangenen Deutschen den Nationalsozialismus allenfalls als Angstlust verbreitendes Versteckspiel sehen wollten. Seine mörderische Qualität blitzt kurz als zensierte Hinrichtung eines Deserteurs auf. Das Risiko des Todes, das man im Bombenhagel und an der Front in Kauf nahm, wollte man im Allgemeinen dann doch partout nicht eingehen, wenn es gegen die Nationalsozialisten ging. Ein solch gefährliches Wagnis überließ man getrost den Alliierten. Die Verkennung der Notwendigkeit eines militärischen und gewaltbereiten Widerstandes gegen den Nationalsozialismus zieht sich wie ein roter Faden durch die Abarbeitung deutscher Vergangenheits-bewältigung.
Vor dem in deutscher Nachkriegsmythologie zelebrierten Identifikationsstrahl mit den friedlich-infantilen Helden und wehrlosen Opfern von Sophie Scholl über Oskar Schindler bis zu Anne Frank verblasst noch jede wirkliche Bedrohung des nazistischen Regimes durch die Partisanen in Polen, Frankreich, Italien, Spanien, Jugoslawien und Russland. „Die Entdeckung der Currywurst“ webt weiter an dieser Verkitschung des Kriegsgeschehens. Dem fügt die kaum erträgliche Unglaubwürdigkeit von Dialogen und die bisweilen eher ans Theater als an Film erinnernde Symbolik kleiner Gesten dann auch keinen größeren Schaden mehr zu. Die holzige Gestelztheit von Mimik und Gespräch wird nur passend ergänzt von abgelutschten und durchschaubaren Kinkerlitzchen aus dem Regiehandbuch: Der kleine Junge verrät natürlich anders als in der Realität den Deserteur nicht und erhält dafür am Ende doch noch seine Matrosenmütze. Ein zuerst geträumter Blumentopf fällt später symbolgerecht und ganz wahrhaftig aus dem Fenster um etwas Schicksalhaftigkeit zu verbreiten. Und weil man beim Film auch ein paar Psychoanalytiker aushält, kann man in hübsch ausdeutbaren Szenen noch externalisierte Aggression in einer Sturmböe versinnbildlichen oder just im rechten Moment den Tisch umstürzen und Servietten durch die Luft flattern lassen. Das soll dann wohl abschließend die Suche nach Reinheit symbolisieren oder ähnlich ungelenken metaphysischen Schmarrn, mit dem sich das deutsche Kino so gerne schmückt.