Vorsprung durch Identifizierung – Die Kaperfahrten des Sören P. unter Käptn Assad

„[…] einzig der wissenschaftliche Takt vermag darüber zu wachen, daß das unabdingbare subjektive Element, an dem Spontaneität und Produktivität von Wissenschaft haftet, nicht ins Wahnhafte wuchere.“ (Adorno, „Schuld und Abwehr“, 139)

Im Gegensatz zur „Zeitschrift für Sozialforschung“ hat die Bahamas auf markiges Auftreten sich verpflicht. Das war mitunter berechtigte und lesenswerte Reaktion auf die verhärteten Verhältnisse – von der Ohnmacht gegen diese lässt man sich leider doch zu oft dumm machen.  Die errichtete Sparte verlangt Opfer und sei es der Reflexion. Zur Theorie pflegt man ein mitunter dann doch recht instrumentelles Verhältnis, der Effekt ursurpiert Konsistenz. Sören Pünjer baut diesem ganz postmodernen Eklektizismus ein Denkmal, weil er wegen Wulffens Häuschen gegen die Piratenpartei mit Assad gegen die Islamisten weil für die Alaviten segelt:

„Sich – wie Ende 2011 geschehen – über die Finanzierung des billigen und enorm hässlichen Hauses des deutschen Bundespräsidenten das Maul zu zerreißen, schafft der mündige Chatter genauso locker allein wie einen von djihadistischen Terrorbanden angezettelten aktuellen Bürgerkrieg gegen Alaviten, Christen und Laizisten in Syrien in ein neues Kapitel des arabischen Freiheitskampfes umzulügen: Die Beweise für die jüngsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, also Quellen vom Hörensagen aus den Foren von Islamisten, oder Zeugenaussagen von Opfern, die gestern noch als irreguläre Soldaten reguläre angeschossen haben, findet man genauso gut in den berüchtigten Qualitätszeitungen wie im Netz.“ (Bahamas 63, S. 14)

Die gleiche Strategie der Verharmlosung ist für das postnazistische Deutschland in „Schuld und Abwehr“ dokumentiert: Die Faktizität der Ereignisse wird lächerlich gemacht und als „Hörensagen“ abgewehrt, wenn nicht gleich die Erstschuld der Verfolgten (hier: „angezettelt“) behauptet wird. (S. Adorno, s.o., 165) Das Einverständnis mit dem Mord hat sich schon hergestellt, wenn nur die Identität der Opfer vom Hörensagen erwiesen wird als menschenfeindliche, hier djihadistische. Gegen diese Tendenz ist noch jeder Islamist zu verteidigen. Auch er soll für den Sturz eines Folterfürsten demonstrieren dürfen, ohne von einer Panzergranate zerfetzt zu werden und ohne von einem Schrapnell den Unterkiefer herausgerissen zu bekommen. Dass es Assad ist, den Pünjer hier in der Bahamas in Schutz nimmt, zeugt von der Gravidität der Verdrängungsleistung. Assad, jener antisemitische Baath-Klon Saddam Husseins, Helfershelfer der iranischen Henker, dem Israel noch vor ein paar Jahren einen Atomreaktor im Bau unter den Händen zerbombt hat, der die Raketenlieferungen an die Hisbollah organisierte, der im Libanon nun wirklich nicht der christlichen oder laizistischen Minderheit beisteht, sondern mitverantwortlich für die Morde an halbwegs demokratischem Personal war, Assad, dem nach den importierten Pasdaran nun die Hisbollah zur Hilfe eilt, jener Assad soll auf einmal ganz hilflos von djihadistischen Elementen konfrontiert sein und Benevolentien für Laizisten bereit halten. Mit den groben Sprüchen Pünjers maskiert sich unreflektierte Angst und Hilflosigkeit. Das ganze Schützenfest von Tiraden gegen die Piratenpartei, die grobschlächtigen Versuche, ihr Entstehen theoretisch einzufangen, ist nur Abwehr gegen eine tiefe Verunsicherung, in der man sich selbst die ärgsten Feinde Israels noch zu Garanten seiner Existenz umlügt.

Was zuerst zu kritisieren bleibt an den unausweichlichen Revolten in den arabischen Staaten: Dass man sich in Europa schon allseits darauf einstellt, nun mit „demokratisch gewählten“ Mehrheiten der Islamisten reden und verhandeln zu müssen. Als hätte man nicht vorher um die relative Schwäche der laizistischen und demokratischen Elemente gewusst, fällt man diesen nun vollends in den Rücken, indem man sie für nicht existent, weil abgewählt, bestimmt. Dieser Zirkelschluss ist das deutlichste Indiz dafür, welch geringen Rückhalt demokratische, laizistische Gesinnung in Europa selbst hat. Feiern Faschisten Erfolge wie in Ungarn, Österreich und Italien, wüten in Bulgarien und Rumänien Pogrome gegen Roma und andere Minderheiten, schiebt man Roma aus Frankreich und Deutschland ab, hat man also in Europa längst gelernt, nazistischen Terror durch die Umwandlung seiner Forderungen in allgemein gültiges Recht zu bändigen, ist es nur konsequent, dass die europäischen Regierungen den Islamisten den Hof machen, wenn sie doch nun mal gewählt sind. Die freiheitliche Gesinnung liegt ihnen ganz und gar fern. Kein gesellschaftliches Rätsel darf sich mehr stellen, das der Identifikation in drei Sätzen widersteht.

46 thoughts on “Vorsprung durch Identifizierung – Die Kaperfahrten des Sören P. unter Käptn Assad

  1. Interessante Bemerkung zum Text.
    Mir bleibt jedoch unklar wie Pünjer durch das „angezettelt“ die „Erstschuld der Verfolgten“, also die Erstschuld der genannten Aleviten, Christen und Laizisten, behaupten soll.

  2. @ Thorsten:
    Ich glaube, Du hast den Kommentar nicht recht in Ruhe gelesen. Ob man jetzt unbedingt Postnazismus und Adorno auffahren muss, um die widerlichen Aussagen in der Bahamas zu kritisieren, weiß auch ich nicht. Das macht angreifbar. Die Kritik hätte auch so Bestand gehabt.
    „Die Verfolgten“ bezieht sich aber eben nicht auf die „genannten Aleviten, Christen und Laizisten“. Die verfolgten sind die Opfer des brutalen Regimeterrors in Syrien, Oppositionelle, darunter sicher verschiedengläubige Leute und auch Säkularisten, sicher auch Islamisten, oder Leute, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren oder sind. Diese alle, wie in der Bahamas geschehen, zu „djihadistischen Terrorbanden“ zu machen, die einen Bürgerkrieg „angezettelt“ hätten, das ist die unglaubliche Position Pünjers, die im Text kritisiert wird, als Täter-Opfer-Umkehr. Wenn damit eben Assad noch zusätzlich mit positiv belegten „Aleviten, Christen und Laizisten“ in Eins gesetzt wird… Die Banalität, dass auch Aleviten, ja sogar Christen auch Täter, und sunnitische Muslime auch Opfer sein können (wie umgekehrt) scheint etwas zu sein, was neuerdings in den „ideologiekritischen“ (!) Kreisen nicht mehr bewusst ist.

    (Kurz: Du hast es beim schnellen Lesen wahrscheinlich verkehrt herum verstanden)

  3. Pingback: Syrien – Apologie II « critique aujourd‘hui

  4. Hehe… ja, da kommen ein wenig arabisch und Persisch-Kenntnisse sowie solides Studium der Religionswissenschaften durch…

    Nein, im Ernst, sorry dass die Kommentarfunktion dich nicht gleich freigeschaltet hat, Stephan, keine Ahnung, muss von den Links kommen.

  5. nachtrag: sören pünjer redet aber mit gespaltener zunge. er verschweigt nämlich, dass zb der libyische aufstand von al qa’eda inszeniert wurde, indem sie teenagern lsd in den kaffee getan haben. warum will pünjer darüber nicht reden? demokratie-idealismus?

  6. Das sehe ich ja jetzt erst. Eine unsinnigere Pseudorationalisierung des Ressentiments gegen die Bahamas habe ich ja selten gelesen. Pünjer, der Assad-Verteidiger! Wenn es nicht so lachhaft wäre, müsste man fast eine Polemik dagegen schreiben…

    Aber nur als Hinweis: Pünjer redet gar nicht über Assad, sondern über deutsche Blogger. Und mit dem Hinweis, er mache die Faktizität der Ereignisse lächerlich, wird die Faktizität unterstellt, die es erst zu beweisen gelte. Genau hier hätte die Reflexion einzusetzen gehabt, stattdessen wird einfach das, was die Spatzen durchs Netz zwitschern, weiterhin als Fakt und jeder Zweifel in Solidarität mit den Bösen umgedeutet. So leicht ging linke Feinderklärung schon immer.

  7. ABGW:

    Pünjer redet über Assad. Und seine Gegner. Wenn du es nicht lesen kannst, versuch es nochmal.
    Zweifel liegt Pünjers Zitat fern, er hat sein Urteil gefällt und es ist monolithisch genug, um so herauszuplatzen. Und es ist virulent genug, um dich hier herum“zwitschern“ zu lassen, irgendeinen Beleg lieferst du nicht. „wird die Faktizität unterstellt, die es erst zu beweisen gelte“ – für Pünjer und dich zuallererst, ihr habt euer Urteil klar: Hier anzettelnde Djihadisten, da die Garanten von Laizismus und Multikultureller Gesellschaft.

    Was von euch zu belegen wäre, ist ja nicht, dass die Demonstranten auf keinen Fall die emanzipatorische Unschuld vom Lande sind, sondern dass „Djihadisten“ die Massaker selbst anrichten, „anzetteln“ und dann noch die Berichte darüber „fälschen“. Sich also erst bewaffnen, dann auf unbewaffneten Demonstrationen umbringen lassen und dann die Videos davon fälschen. Das ist schon immanent falsch und die propagandistische Widersprüchlichkeit muss jedem psychologisch gebildeten Menschen ins Auge fallen.

    Die historische Folge der Ereignisse wird weder von dir noch von Pünjer geklärt, zumindest warte ich vergeblich auf ausformuliertes. Es könnte so auch aus Assads Mailverteiler kommen.

    Die Gefahr eines Bürgerkrieges ist gegeben. Pünjer wählt Assad: reflexionslos und auf der Suche nach starken Bündnispartnern. Die eigene Ohnmacht hat ihn dumm gemacht.

  8. Wo genau weist du mir „Ressentiment“ gegen die Bahamas nach? Nur weil ich eine bedingungslose Lektüre ausschließe und gelegentlich eine Kritik daran ausformuliere? Als Adressat die Bahamas selbst und keine alternative „Bewegung“, wie die Rhizomisten und andere?

    Deine Wut ist doch auch nur schlecht verdrängt.

    • Eine skeptische Haltung, der ich vor und nach dem Artikel folgte, nimmt BICOM ein:
      „The fall of the Assad regime would undoubtedly represent a major blow to the pro-Iranian regional alliance which Israel has identified in recent years as its main regional adversary. But the strong presence of the Muslim Brotherhood in the Syrian National Council, and the increasingly sectarian Sunni nature of the uprising, mean that a post-Assad Syria would be unlikely to be amenable to peaceful coexistence with Israel. Indeed, it is quite possible that such a post-Assad regime would maintain the general anti-western orientation that has characterised Ba’athist rule in Syria.

      At the present time, the indicators are not for the early departure of the Assad regime, but rather for the intensification of the uprising. Israel will be watching the situation in Syria with concern, determined to maintain its deterrent power whatever the outcome.“

      http://bicom.org.uk/analysis-article/1270/

      Pünjer, würde er über Blogger sprechen, tut nichts anderes als jene, träfe seine Kritik zu: Er zündet unbelegte Nebelkerzen, „zwitschert“, nur eben im trauten Umfeld seiner eigenen Peer-Group. Warum man ihm glauben sollte, und nicht den „zwitschernden“ erklärt sich nicht aus seiner Argumentation, sondern nur, weil man eben seinen Tweet abonniert hat und das Ticket stimmt und man nicht zum Renegaten werden will.

  9. For the record ist die Argumentation selbst dann fragwürdig, wenn man wirklich davon ausgeht, dass es sich bei den Aufständischen um Vertreter des Jihadismus handelt. Zumindest die Argumentation, insoweit sie hier nachvollziehbar ist – ich las die aktuelle Ausgabe der Bahamas noch nicht. Dass Assad tatsächlich „Benevolentien für Laizisten“ bereithält stimmt zwar, aber es stimmt nur insofern, als die Existenzgarantie seines Regimes gegenüber dem Westen schon seit Jahr und Tag es ist, sich hie und da als ein laizistisches Regime und ergo ein Bollwerk gegen den Jihadismus darzustellen – das annulliert aber wohl kaum die syrische Unterstützung des Terrors im Äusseren, die Syrien eben mit zu einem wichtigen regionalen Player in Sachen Jihadismus macht. Dass man es dort tatsächlich vermutlich mit nicht unerheblichen Mengen „fundamentalistischer Kräfte“ zu tun hat, sollte man deshalb nicht unter den Tisch fallen lassen – die Opposition gegen das Regime (um die es sich allemal handelt, wenn auch (evtl.) nicht in demokratischer Absicht) allerdings zum djihadistischen Bandenkrieg umzulügen, braucht schon Chuzpe.
    Zudem stellt sich die Frage inwiefern der Begriff (der wohl eine Anlehnung an die Rackettheorie sein soll) in Anwendung an ein Regime wie das Assads überhaupt Sinn macht… das wäre vermutlich das vordringliche, was es zu untersuchen gälte. Wenn man dann weiterführen will, müsste man wohl von der Innenpolitik Syriens ganz weg und die unterschiedlichen Implikationen der beiden Worst Cases (Assad bleibt / Assad wird von Fundamentalisten ersetzt) für Israel untersuchen – ich neige zu der Vermutung, dass die erste der beiden genannten kurzfristig die unangenehmere wäre. Das sind meiner Meinung nach die Fragen, die sich in Anschluss an die Debatte stellen – der lächerliche Streit darüber, wer nun die unzuverlässigeren Quellen hat und wer an welche Peergroup appelliert, bzw. seine Rancune rationalisiert führt da wohl wenig weiter.

  10. Doch, weil es darum im Kern geht, Syrien interessiert Pünjer nur peripher, als Illustration für die Blödheit der Piraten und Internetnutzer, daher ist er ja auch so rasch damit fertig. Und ich vermute noch mehr: Die Aussage ist ja eine über Medien. Seine eigenen (okkulten, d.h. verborgenen) Quellen führt er an gegen die Scheinhaftigkeit und Unwahrhaftigkeit der Internet-Kommunikation. Recht eigentlich ist hier der Frontkampf imaginiert zwischen „djihadistischen“ Bloggern/Twitterern und einer guten alten ehrlichen Bahamas, die aufgrund ihres Papiergehalts schon weniger „Gezwitscher“ sein müsse als das im Netz aufgefundene Material, das völlig entwertet wird – und eben nicht einer kritischen Medienanalyse unterzogen. Wäre eine solche vollzogen worden, Pünjer hätte es zitiert. Daher vermute ich auch, dass sich das Urteil organisch über den Nährboden der unbewussten Ressentiments und spontanen Gegenidentifikationen geformt hat und deshalb auch so disparate Paradoxien aufwirft.
    Meine Quellen zum Konflikt sind bislang BBC, Jpost, AlJazeera (CNN ist wirklich unwatchable geworden), FAZ, taz und einige syrische Blogs, sowie ein paar Analysen der üblichen strategischen Institutionen. Ob nun Pünjer Leute vor Ort hat oder Zugang zum CIA-Ticker, er kann es jedenfalls wie auch AGWB und Wertmüller nicht benennen, woher das Ressentiment kommt und warum seine Position, die deckungsgleich zu jener Assads ist, glaubhafter ist als die der fragmentierten Gegner Assads, unter denen sich zweifellos Islamisten finden werden, die das erste Mal nicht gegen Israel losschlagen, (das könnten sie unter Assad freilich jederzeit tun), sondern sich gegen eine reale Quelle ihrer realen Unfreiheit zuwenden.

  11. Genau darum geht es in Pünjers Kommentar gerade: Weder für Assad noch für die Rebellen/Djihadisten Partei zu ergreifen, sondern für „Die Freiheit, die wir meinen“. Wer das nicht mitdenkt bei der Lektüre der Bahamas, der will lediglich sein Ressentiment ausagieren. Das ist mein Nachweis.

  12. @abgwb

    nach pünjer ist ausnahmslos jeder syrer, der gegen assad auf die straße geht, ein dschihadist und verbrechen gegen die menschlichkeit des assadregimes leugnet pünjer gleich ganz und behauptet, diese wären fälschungen der großen verschwörung zwischen medien und bloggern. welche freiheit meint pünjer denn noch?

  13. Naja, das muss man ihm nun wirklich nicht unterschieben – dass er den „Bürgerkrieg“ von „djihadistischen“ Banden angezettelt sieht, heißt nicht, dass er „jeden einzelnen“ daran Beteiligten für einen Djihadisten hält. Das zu unterstellen heißt, es sich zu einfach zu machen. Wichtiger ist tatsächlich, wie Felix schon festhielt, das eigentümliche Verhältnis zur Information, das Pünjer hier unterhält… Ganz streng genommen leugnet er die Verbrechen ja auch nicht – wenn er das auch in raunendem Unterton andeutet, die Interpretationsleistung wird dann anderen abverlangt. Ich hab mich bei der Lektüre der Passage übrigens auch stilistisch an die jüngere „Prosa“ Jürgen Elsässers erinnert gefühlt, insbesondere seine Kommentare 2009. Aber vielleicht ist das tatsächlich nur Ressentiment, ich müsste mir das noch einmal genauer anschauen um das letztgültig sagen zu können. Mir scheint aber, dass der Vergleich unter Umständen schon interessant wäre – auch was die Selbstdarstellung als Einzelkämpfer für die medial unterdrückte Wahrheit anbelangt.

  14. Die Freiheit, die ich meine, wird von der Bahamas lange nicht deckungsgleich eingefordert, dazu habe ich einige andere Artikel geschrieben. Du wirfst das Wort Ressentiment sehr willkürlich um dich. Hast du keins?

  15. Wer weiß.

    Ich weiß lediglich, dass dieser Text, mühsam verklausuliert, auf Revolutionsromantik, Ressentiment und bewusstem Missverstehen basiert, was notwendigerweise in Gleichsetzungen mit Elsässer oder der jungen Welt, wie hier unwidersprochen in den noch platteren Kommentaren geschehen, enden muss. Eine möglicherweise sinnvolle Kritik des Zitates muss so auf der Strecke bleiben, wenn am Ende nur herauskommen soll, dass sich dort jemand dumm mache, offen bis klammheimlich mit Assad im Bunde stehe und ihn zu einem Verteidiger Israels umlüge. Das ist schlicht und ergreifend falsch und eine Lüge – wenn auch eine, die zutiefst geglaubt werden muss, womit auch schon der Zweck des ganzen Aufwandes um diese simple Aussage erklärt ist. Es ist eine reine Rationalisierung des Ressentiments, des Wunsches, hier mal jemandem richtig heimzuleuchten und einen ganz üblen Fehler „nachzuweisen“ – egal was er tatsächlich gesagt haben mag. Eine solche Obsession hat etwas tragisch-komisches.

  16. Die einzige Sorge, die ich tatsächlich trage ist, dass ich mangels des Resttextes das Zitat tatsächlich falsch verstehe. So wie es da steht ist es allerdings wirklich das, was hier schon mehrfach moniert wurde. Wenn du das so kontextualisieren kannst, dass die hier angebrachte Kritik widerlegt wird, ist das ja schön und gut – nur reicht es dafür eben nicht anzuführen, dass die Argumentation nur Ressentiment sei. (Zumal mir auch absolut nicht klar ist, wieso ich auf einmal von heute auf morgen ein „Ressentiment“ gegen die Bahamas hegen sollte.)

  17. anti: danke. Das Zitat ist eine beiläufige Passage, davor und danach geht es weiter über Blogger und die Piratenpartei. In dieser Bahamas ist auch kein Artikel über Syrien, der das als Verweis erscheinen ließe. Lediglich eine kunstvolle, eindimensionale, widersprüchliche und glattbügelnde, dennoch lesenswerte Erzählung von Uli Krug über Islam und Londonkrawall, und von Becker über Ägypten.

    Ich habe Pünjers Texte schon einmal kritisiert: http://nichtidentisches.wordpress.com/2010/08/19/bahamas_60/

    ABGW Ich weiß nicht, woher du die Absicht nimmst, „heimzuleuchten“. Der Adressat der Kritik ist die Bahamas und ihr Publikum zuerst, die Absicht, dort vielleicht doch einmal eine Hinterfragung der eigenen Position zu erreichen, eine tiefere Beschäftigung mit einem Thema, eine Klarstellung. Nach einigen Jahren Lektüre sind meine Hoffnungen auf irgendwelche Revisionen bisheriger Schnitzer allerdings sehr gering. Ich kenne Pünjer nicht persönlich und seine Schriften nicht sehr gut, wüsste also nicht, warum ich ihm „heimleuchten“ müsste. Hier wird eine Kritik formuliert. Der Umschlag der Kritik des Islamismus in die Affirmation der arabischen Dikaturen ist kein Gehirngespinst sondern Realität in nicht kleinen Teilen der sogenannten Antideutschen. Wenn er bei der Bahamas stattfindet, einer Institution, der man das kritische Denken trotz allem gelegentlich zutrauen sollte, ist das um so trauriger.
    Wenn Pünjer eine Klärung seiner Quellen und dieser Stelle liefert, werde ich das jederzeit akzeptieren.

    Ich habe den Verdacht, solche „Verrats“- und „Fehde“-Terminologie und der gesamte hochfahrende Habitus entspringt einer gewissen Berliner Szene-Realität mit ihren urwüchsigen Archaismen politischer Betätigung. Wahrscheinlich wird in diesem Dorf, wo jeder mit jeder schon mal gekifft und geknutscht hat wirklich viel „heimgeleuchtet“ oder „ans Bein gepinkelt“.

  18. Es fehlt immer noch der Nachweis Pünjers und ABGW: Wie und wo und welche „djihadistischen Banden“ haben einen Bürgerkrieg gegen Alaviten, Laizisten und Kurden „angezettelt“? Mit welchem Recht unterstellt man diesen Plan, wo findet der Bürgerkrieg statt, gab es ethnische Säuberungen wie sie in den afrikanischen Bürgerkriegen (z.Z. in Nigeria und Sudan) stattfinden, die in der Bahamas noch nie interessant waren? Mit welchem Recht wird Assads Terror und Folterung vor allem von Bloggern als bloße Reaktion auf einen Bürgerkrieg gedeutet? Und wie wenig Verdacht hegt man gegen die eigene Position, wenn sie den Regierungserklärungen eines Diktators aufs Haar gleichen und eben nicht die Position „jenseits“ einnehmen?
    Die Angst der Alaviten und Laizisten in Syrien vor den sunnitischen Rebellenteilen zu benennen ist das eine – die Geißelhaft, in die Assad sie nimmt und mit der er genau dieses Szenario realer macht, fällt bei Pünjer aus dem Blickfeld. Und du lieferst nicht einen einzigen Fakt, während das „Netzgezwitscher“ als negative Projektionsfläche dient. Das ist auch schon Ressentiment.

  19. „Es fehlt immer noch der Nachweis Pünjers und ABGW: Wie und wo und welche „djihadistischen Banden“ haben einen Bürgerkrieg gegen Alaviten, Laizisten und Kurden „angezettelt“?“

    Da das nicht meine These ist, sondern Pünjers, musst Du das Pünjer fragen. Ich habe mich hier geäußert, weil ich diesen Nebensatz zwar selbst unpassend finde, aber diese hier vorgetragene „Kritik“ lächerlich und nicht gedeckt ist. Es gibt keine „antideutsche Affirmation“ irgendwelcher Diktatoren. Was es gibt, ist eine Kritik des arabischen Frühlings, die zur Kenntnis nimmt, dass nach Mubarak und Assad nicht nur alles noch viel schlimmer werden kann, sondern dass das Schlimmere sich bereits von Anfang an abzeichnet und Teile des wie auch immer „islamkritischen“ Spektrums sich schlicht weigern, es zur Kenntnis zu nehmen und fröhlich eine Befreiung und Demokratisierung der islamischen Welt ausrufen. Zumindest dann, wenn man die Kritik des Islamismus als spätkapitalistische Ideologie ernst nimmt und nicht Islamismus und Diktatur als Resultat des Wirkens sinistrer Kräfte, einzelner Personen, gezielter Manipulation der Massen und despotischer Regime begreift, müsste man sich einen ganz anderen Reim auf den arabischen Frühling machen.

    Da ich aber kein Syrien-Experte bin (und man das als Blogger am Schreibtisch auch kaum sein kann), treffe ich keine Aussage zu allen konkreten Rebellen, Djihadisten oder wem auch immer, der da gegen Assad kämpft. Der naive Glaube aber, dass es sich dort um aufgeklärte Freiheitskämpfer, die die Fesseln der Unterdrückung abstreifen wollen, erscheint mir allerdings weit weniger plausibel als die gut begründete Befürchtung, dass eine autoritäre Diktatur durch Islamismus ersetzt werden soll. Es wäre mir allerdings sehr recht, wenn sich dies nicht bewahrheiten würde. Am besten schon in Ägypten.

    Um auf das hier so penetrant vorgetragene Adorno-Zitat zurückzukommen: Eigene Ohnmacht meint in diesem Zusammenhang, dass wir keinen Einfluss darauf haben, was in Syrien geschieht. Sich nicht dumm machen zu lassen hieße in diesem Zusammenhang, auf wishful thinking wie die Befreiung des syrischen Volkes und die Errichtung einer laizistischen Republik durch das syrische Volk komplett zu verzichten. Das wird nämlich, nach allem was man wissen kann, nicht geschehen.

  20. Dein zurückgenommenes Expertentum glaubt dem Pünjer. Was weist diesen als Experten, als glaubhaft aus? Und was soll diese merkwürdige Deligierung von Meinung an „Experten“, die auch keine anderen Möglichkeiten haben, sich ihre Meinung zu bilden?

    „dass eine autoritäre Diktatur durch Islamismus ersetzt werden soll.“ Das ist doch Unfug. Die Diktaturen waren der Islamismus, er war ihr Produkt und sie brauchten ihn und beförderten ihn, wenngleich sie ihn mitunter brutal zurechtstutzten. Wer Djihadist werden wollte, konnte unter Assad in den Südlibanon und dort Raketen auf Juden schießen, er wurde von Mubarak nach Gaza gelassen und konnte dort russische Grad-Raketen abfeuern. Der staatliche Antisemitismus tat sein übriges. Dass sich diese Djihadisten nun gegen ein reales Moment der Unterdrückung wenden ist grundsätzlich zu begrüßen. Wie sich Europa zu gewählten Islamisten verhalten wird, hat zur Diskussion zu stehen, nicht die anstehende Auflösung der Diktaturen, unter denen niemals demokratische Gesinnung gedeihen konnte.
    „Eigene Ohnmacht meint in diesem Zusammenhang, dass wir keinen Einfluss darauf haben, was in Syrien geschieht.“ So kann man Adorno auch als Aufforderung zur Unmündigkeit verstehen. Du hast einen Einfluss darauf, was in Syrien geschieht.

  21. Faktisch ist die Diversität der Proteste gegeben, zu den ersten Demonstrationen zählten kurdische (die auch Islamisten sein können, sure) aber die initiale Steigerung der Gewalt ging von Assad aus. Es gibt für die ersten Demonstrationen keine Beweise für Terrorismus oder die von Assad unterstellten Schüsse aus den Demonstrationen, dagegen sehr viel Bildmaterial, das unbewaffnete Opfer von militärischen Säuberungen zeigt. Und das trotz des Missverhältnisses der medialen Möglichkeiten. Aus dieser Zeit stammen auch die Berichte über Folterungen von Bloggern und Netzaktivisten, die gewiss nicht in das Schema „Djihadisten“ passen.
    Erst sehr spät kam es überhaupt zu militärischen Aktivitäten der sogenannten Freien syrischen Armee.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Aufstand_in_Syrien_2011/2012#Verlauf
    Dann drohte Assad von Beginn an Israel mit Krieg im Falle weiterer Erfolge – und nicht die Protestierenden (wie in Ägypten).
    Hinzu kommen die allseits zitierten Transparente, die Bush Obama vorziehen und Israel Assad. Es gab eine Diversität und die leugnet Pünjer. Er fällt damit jedem Versuch noch so kleiner demokratischer Kräfte in den Rücken und redet faktisch Assad das Wort.
    Er drückt sich damit auch um das Problem herum, dass der Westen keine intellektuelle praktische reflektierte Antwort auf den Islamismus gefunden hat und stattdessen ihn nur, wie du übrigens auch, als rein beobachtbare, quasi gottgegebene Erscheinung hinnimmt, als fait social total. Ich übergebe an Adorno, in Emile Durkheim: Soziologie ud Philosophie.

  22. Die Annahme, es müsste eine Mehrheit schon Demokraten sein, um eine Demokratie zu erstellen, ist auch so ein Trugschluss. Demokratien wurden meistens elitär erstritten. Die nun sprechende, twitternde, bloggende Existenz einer demokratischen Minderheit, die von Islamisten Druck bekommt, aber dennoch sich nicht mehr in der starren mörderischen Geißelhaft der Diktaturen befindet, gibt mehr Grund zum Optimismus als die Totenstille davor. Die Revolution in Syrien ist ebenso begrüßenswert wie die Befreiung des Iraks. Dort wusste man auch über die Gesinnung der Nachfolger Bescheid, die Terrorwelle könnte man in Syrien mit etwas mehr militärischem und diplomatischen Geschick vermeiden.

  23. Ein Propagandavideo von irgendwelchen Kampfhandlungen:


    http://www.youtube.com/watch?v=exWmITZb2iY&feature=related
    die anzettler machen auch propaganda:


    Mrs. Jazeera, nicht unbedingt objektiv:

    „Every day , more and more staged videos claiming to show Syrian security forces shooting or attacking Zionist American backed armed criminals. Most videoa are either staged managed and it is now know that the CIA and Mossad are working close with insurgents in making and posting thse videos on you Tube , then claiming that they are real . We have seen the same Zionist American tactic used in Libya , were NATO nd their Zionist masters bombed and slaughtred thousands of men women and children.“

    Das ist eine ähnlich fundierte Medienkritik wie Pünjer sie leistet.

    „einen von djihadistischen Terrorbanden angezettelten aktuellen Bürgerkrieg gegen Alaviten, Christen und Laizisten in Syrien in ein neues Kapitel des arabischen Freiheitskampfes umzulügen: Die Beweise für die jüngsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, also Quellen vom Hörensagen aus den Foren von Islamisten, oder Zeugenaussagen von Opfern, die gestern noch als irreguläre Soldaten reguläre angeschossen haben, findet man genauso gut in den berüchtigten Qualitätszeitungen wie im Netz.“

    Pünjer sagt damit: Es gibt keine Beweise für Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Zeugenaussagen sind wertlos, die Quellen von islamistischen Foren. Die Auseinandersetzungen seien ein „Bürgerkrieg GEGEN Alaviten, Christen und Laizisten.“ Eine „objektive“ Position müsste zumindest konstatieren: Ein Bürgerkrieg „zwischen“ Sunniten und Alaviten. Der ist tatsächlich die größte Gefahr der Auseinandersetzung, aber das ist nicht Pünjers Argument.
    http://www.reuters.com/article/2012/02/01/us-syria-alawites-idUSTRE81024G20120201

    http://de.wikipedia.org/wiki/Nationales_Koordinationskomitee_f%C3%BCr_Demokratischen_Wandel

    Osten-Sacken noch am ehesten und sehr Anti-Assad, [wadinet ein Forum von Islamisten?]:
    http://www.wadinet.de/blog/?cat=5

    http://www.wadinet.de/blog/?p=8045
    http://www.mesop.de/2012/01/04/syrian-opposition-pledges-to-recognize-kurdish-rights/

  24. Eine Ergänzung: Ich teile nicht die Auffassung des Inteviewten. Dieses Interview aber zeigt zweierlei:

    Erstens: Selbst diejenigen, die von Sekularität, Religionsfreiheit, Demokratie etc. reden, meinen damit nicht die Freiheit, die ich meine. Das greift sogar weit über die arabische Welt hinaus, das geht bis zu real democracia oder occupy, bis nach Griechenland und in den Stuttgarter Stadtpark.

    Zweitens: Nahezu immer lautet ihr Feindbild Israel und der Westen, auch bei den sekularen und demokratischen Kräften, selbst unter ihnen ist Israelsolidarität nichts greifbares.

    Drittens: Das, was die in verschiedenste Gruppen zerfallenden Subjekte letztendlich eint, ist der Bezug auf denselben Gott und denselben Feind, egal was der einzelne so reden mag. Organisation und Zusammenhalt bietet in den Ländern des arabischen Frühlings der Islam. Die Aufstandsbewegung ist weder Revolution noch nachholende Modernisierung und kann das auch nicht sein, weil sie in derselben Epoche stattfindet wie die Wutbürgerproteste anderswo und nicht in revolutionären oder bürgerlichen Zeiten, sondern eben im Spätkapitalismus.

    Der naive Revolutionsoptimismus geht also von vollkommen falschen Bedingungen aus und die Menschen in Syrien dienen dabei nur als Projektionsfläche, bestenfalls der eigenen Wünsche oder Hoffnungen. Die Subjekte selbst werden dabei in ihrem Wollen und Wirken überhaupt nicht mehr ernstgenommen, sondern zu Objekten degradiert.

  25. „nicht in revolutionären oder bürgerlichen Zeiten, sondern eben im Spätkapitalismus.“

    Damit setzt du doch voraus, dass in diesen Staaten spätkapitalistische Verhältnisse herrschen würden. Liegt es nicht näher, sie als vorbürgerliche, feudale, retraditionalisierte, etc. zu betrachten, bzw. diese Teleologie mit ihrer starren Terminologie aufzugeben und darzustellen, was spezifisch in dem Land für Produktionsbedingungen herrschen, ohne in Erwartungen an Kategorien zu verfallen?

    Der „naive Revolutionsoptimismus“ ist ein Problem, wie auch der Fatalismus, mit dem man gemeinsame Sache mit Diktatoren und Islamisten und ihrer Propaganda macht. Pünjer leugnet Menschenrechtsverletzungen, die er als Medienfälschungen denunziert, und die Diversität der Proteste, ihren realen Grund. Jüngst wurde die Position geschärft, dass in Syrien ein Stellvertreterkrieg sich anbahnt zwischen Türkei, Iran und Saudi-Arabien. Diese Perspektive ist frei von Revolutionsromantik, sie ist pragmatisch. Das leistet Pünjers eindimensionale Flapsigkeit nicht. Dass eine bürgerliche Revolution unmöglich geworden ist, (was nochmal zu diskutieren wäre) entbindet nicht von dem Beharren auf ihrer Notwendigkeit und dem steten Versuch, das Unmögliche doch durchzuführen. Beerdigt wird zumindest die Hybris Europas, je noch mit Diktatoren dem Islamismus begegnen zu können. Das ist das Modell, das in Iran scheiterte, nicht die Demokratie, die auch in Tunesien noch nicht für sicher genommen werden kann. Selbstverständlich sollte einem das krude Harmlosgetue der Ehnnada Schauder über den Rücken jagen, die Selbstverständlichkeit mit der in Kollektive „Touristen“ und „Tunesier“ getrennt wird, wobei Tunesier die männlich beherrschte Umma und nicht das weibliche Individuum beinhaltet. Dem sunnitischen Islamismus ist aber in Saudi-Arabien und seinen willigen Wirtschaftspartnern eher etwas entgegen zu setzen als in der Piratenpartei.

  26. „Damit setzt du doch voraus, dass in diesen Staaten spätkapitalistische Verhältnisse herrschen würden. Liegt es nicht näher, sie als vorbürgerliche, feudale, retraditionalisierte, etc. zu betrachten, bzw. diese Teleologie mit ihrer starren Terminologie aufzugeben und darzustellen, was spezifisch in dem Land für Produktionsbedingungen herrschen, ohne in Erwartungen an Kategorien zu verfallen? “

    Ich würde an dem Begriff „Spätkapitalismus“ in Bezug auf die Länder des Nahen Ostens festhalten wollen. Dass die Darstellung der spezifischen Produktionsbedingungen wichtig ist, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass die Rebellion vor allem in den Ländern ausbrach und Erfolge erzielten, die nicht wenigstens als einen funktionierenden Wirtschaftszweig die Ölindustrie hatten.

    Die Betrachtung als vorbürgerliche, feudale oder retraditionalisierte Gesellschaft scheint mir einer der Kernirrtümer westlicher, aber auch antideutscher Islambetrachtung zu sein, welche einem Mangel an materialistischer Kritik und eine Überbetonung der Textexegese entspringt. Die falsche Vorstellung, bestimmte Gesellschaften seien noch in der Feudalzeit „zurückgeblieben“ und müssten eine „nachholende Entwicklung“ durchmachen, ist ebenso wie der Revolutionsoptimismus ein schlechtes Relikt des Traditionsmarxismus und des Marxismus-Leninismus. Zudem verkennt die Rede vom „rückständigen“ Islam, dass der Islam keineswegs „das andere“ des Westens ist.

  27. „Dass die Darstellung der spezifischen Produktionsbedingungen wichtig ist, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass die Rebellion vor allem in den Ländern ausbrach und Erfolge erzielten, die nicht wenigstens als einen funktionierenden Wirtschaftszweig die Ölindustrie hatten.“

    Kannst du das spezifizieren?
    Du willst weg von Kategorien wie vorbürgerlich, führst dann aber einen derart harten Ökonomismus ein?

  28. hier kommt mehr Hilfe gegen die „djihadistischen Terrorbanden“: „Ismail Gha’ani, the deputy head of Iran’s Quds force, the arm of the Revolutionary Guards tasked with overseas operations, said in an interview with the semi-official Isna news agency: „If the Islamic republic was not present in Syria, the massacre of people would have happened on a much larger scale.““
    http://www.guardian.co.uk/world/2012/may/28/syria-army-iran-forces?newsfeed=true

  29. Bei einer Veranstaltung mit Justus Wertmüller, die eigentlich ein ganz anderes Thema hatte, kam dieser irgendwann auch mal nebenbei auf das Thema Syrien zu sprechen. Auch er behauptete standhaft, dass Islamisten die Revolution zumindest dominieren würden (ein Wort wie „anzetteln“ hat er glaube ich nicht in den Mund genommen) und daher auch eine Gefahr v.a. für Leib und Leben der Alaviten und Schiiten ausginge bzw. ja auch bereits Massakern an diesen verübt worden wären. Als einzige Quelle nannte Wertmüller die FAZ.
    Ich musste mich an diesen Artikel erinnern und habe abermals versucht etwas über die diffusen Umstände in Syrien zu recherchieren. Die Stiftung Wissenschaft und Politik beispielsweise wollte bereits im November letzten Jahres nicht ausschließen, dass Djihadisten durch Angriffe auf die genannten Minderheiten versuchen könnten einen Bürgerkrieg zu entfachen. Beim Giga Institut kann man lediglich lesen, dass die Muslimbruderschaft auch ihren Teil an der Oppositionsbewegung in Syrien hat. Von renommierter Seite also kaum Informationen zum innersyrischen Konflikt.
    Das einzige, was ich bei der FAZ gefunden habe, auf das sich die Aussagen Wertmüllers stützen könnten, wäre dieser Artikel: http://www.faz.net/aktuell/politik/neue-erkenntnisse-zu-getoeteten-von-hula-abermals-massaker-in-syrien-11776496.html . Leider habe ich versäumt, ihn nach der Veranstaltung nochmals darauf anzusprechen.
    Dennnoch lässt sich zumindest feststellen, dass sich die Presseberichte über eine wachsende Dominanz islamistischer Kräfte innerhalb der „Revolution“ mehren. Z.B.: https://www.ftd.de/politik/international/:widerstand-in-syrien-islamisten-unterwandern-syrische-revolution/70049403.html

  30. Ich finde es etwas billig, sich zu beklagen, dass auch die säkularen Kräfte in Syrien tendenziell antiwestlich und antiisraelisch denken. Natürlich ist das so, das ist ein einigendes Element von Assad und denen, die ihn bekämpfen. Aber es ist noch lange kein Grund, ihnen deswegen ein Stück Solidarität zu verweigern. Unter der Knute eines Diktators und dessen Clique werden diese Ressentiments auch sicher nicht abnehmen, sondern weiter zur Herrschaftsstabilisierung instrumentalisiert. Der Hinweis, dass in der arabischen Welt Antisemitismus und Antiamerikanismus omnipräsent sind, ist so eine erbärmliche Plattitüde… trotzdem haben sie es nicht verdient, dass sie von Assads Luftwaffe malträtiert werden.
    Aber anscheinend funktioniert dieser Trick immer wieder, selbst Gaddhafi selbst, ein Islamist vor dem Herrn, konnte sich gegenüber dem Westen immer als Bekämpfer der Terroristen darstellen. Ohne ihn wäre Al-Quaida kurz vorm Kalifat, diese rhetorische Figur hat allen pseudosäkularen arabischen Diktatoren immer wieder geholfen, vorm Westen in Ruhe gelassen zu werden. Dabei waren und sind ihre Unterschiede zu den „richtigen“ Islamisten marginal. Auch unter Mubarak wurden die Protokolle der Weisen von Zion in jedem Tante-Emma-Laden munter verkauft…

  31. Pingback: Warum es in Syrien schon lange nur noch um ein zu befreiendes Land geht – Eine Antwort auf Justus Wertmüllers Aufruf für die kurdische Autonomie in Syrien | Nichtidentisches

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