Deutschland ethnologisch – Teil 1

Deutsche Städte haben einen je unterschiedlichen Zugang zum Umgang mit den Toten des zweiten Weltkrieges gefunden. Während die einen eher bescheidene Denkmäler mit Titeln wie „Nie wieder…“ oder „in Trauer um…“ wählten, zeigt sich in Dörfern wie Klepsau an der Jagst der Drang zum ewiggestrigen Protzen mit der nationalsozialistischen Gesinnung. Rings um die Kirche ziert jedes Haus ein Marienaltar, vor der Kirche prunkt symbiotisch ein Märtyrerdenkmal in Marmor und Blattgold. „Die dankbare Gemeinde“ verehrt unter dem eisernen Kreuz ihre „tapferen Helden“ für das Morden und Brandschatzen im Osten, das Gemetzel an den alliierten Streitkräften, die Vernichtung der europäischen Juden, an deren ehemalige Anwesenheit in ähnlichen Dörfern oft noch eine alte Synagoge oder ein alter jüdischer Friedhof erinnert. Der Nationalsozialismus ist mitnichten im Rückzug auf deklassierte Ostgebiete begriffen: In einer der reichsten Regionen der Welt, Baden-Württemberg, mit einer Arbeitslosigkeit von gerade einmal 6% und einer flächendeckenden Versorgung mit Gymnasien, Freibädern und Ärzten ist das Fortwesen nationalsozialistischer Gesinnung kaum aus vulgärmaterialistischer Expertise abzuleiten. So sind die Klepsauer Nazis weder besonders arm noch ungebildet, sie lernten Latein und wählen brav ihre CDU oder auch SPD. Sonntags gehen sie in die Kirche hinter dem Denkmal, um Nächstenliebe und Frieden zu erbitten. Es hat sich vielmehr über Jahrhunderte hinweg eine kulturell bedingte Immunität gegen kritischen Geist und Selbstreflexion eingeschlichen. Die dem so in die Hirne zementierten autoritären Charakter gut zu Gesicht stehende Identifikation mit den vermeintlichen Helden und Altvorderen findet in dieser Region ihr Pendant in der Götzenverehrung. Im benachbarten Krautheim befindet sich jenes Denkmal an den Ausspruch des Götz von Berlichingen, sein Duellant könne ihn „von hinden lecken“. Das sich in allen touristischen Schriften der Region in zahllosen vielsagenden Andeutungen und Pünktchen ergehende verklemmte Gekichere darüber trägt das Zeichen der mit äußersten Gewalt unterdrückten (Homo-) Erotik, die sich letztlich auf Heldenverehrung zurückzieht: diese toten Männer können ebenso gefahrlos geliebt werden, wie in den Klöstern die erotischen Marienbildchen. Den „Fremden“ verkauft man derweil von Rothenburg bis Schöntal ungenießbares Gebäck als regionale Spezialität, lockt sie mit Radwegen in Hinterhalte aus Höhenmetern, um ihnen drittklassige Sehenswürdigkeiten als kulturelle Leistung zu präsentieren oder ihnen den desolaten Zustand des Hausflusses im fernen Tal zu verheimlichen. Wehe den stets willkommenen Fremden jedoch, wenn St. Anna oder die Heilquelle vor Ort auf einmal nicht mehr hilft – dann packen dankbare Gemeinden eben jederzeit wieder tapfere Helden aus.

7 thoughts on “Deutschland ethnologisch – Teil 1

  1. Es lohnt sich immer wieder, wenn man mal in einem Dorf in der Pampa unterwegs ist nach Ehrendenkmählern ausschau zu halten. Ich muss gestehen, ein derartiges (siehe erstes Bild) ist mir bis her noch nicht untergekommen.
    Worum handelt es sich bei den beiden Figuren? Erinnert mich an griechische Helden/Götter Darstellungen.

  2. Ja, außergewöhnlich ist es in der Tat, die normalen etwas angegammelten „Für uns starben“ und so weiter Zumutungen findet man tatsächlich so etwa in jedem zweiten Dorf, um so positiver überrascht es mich manchmal, in einem Städtchen auch einmal ein relativ freundliches, pazifistisches zu sehen…leider fällt mir gerade keines ein.

    Die Figuren kann ich gerade auch nicht deuten, dazu mangelt es mir an Kenntnis der Symbolik. Die Sterne könnten Aufschluss geben. Möglicherweise hat sich aber auch einfach eine bildhauerische Lokalgröße ausgetobt.

  3. Man kann aber nicht annehmen, dass ganz BaWü von Nazis zersetzt ist. Schließlich handelt es sich um die Schwaben, die schon immer ein sehr eigenbrödlerisches Völkchen waren und ebenso sehr, findet man in den Städtchen Kriegsdenkmäler, die sich gegen den 2. Weltkrieg richten.
    Ich persönlich komme aus Freudenstadt, welches in seinem Heimatmuseum eine ganze Reihe von Freudenstadt im Krieg dokumentiert.

    Gruß

    AMUNO

  4. Ich sage ja, es gibt sehr unterschiedliche Ecken. Im Schwarzwald soll es ja auch einige Widerstandsnester gegeben haben. Umgekehrt häuft sich ohne erkennbaren Grund an anderen Fleckchen die ganze Scheiße, an ganz anderen wiederum steht beides beziehungslos nebeneinander.

  5. .entry img
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    border-top:#eee 1px solid;
    border-left:#eee 1px solid;
    }
    Ziemlich sicher liegt es an der Zeile mit dem Background.
    Einfach im Stylesheet weglöschen, dann sollte es gehen.
    So:
    .entry img
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    border:none;
    border-top:#eee 1px solid;
    border-left:#eee 1px solid;
    }
    Viel Glück.

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