Entweder Ästhetik Broder Klimaschutz

Im Wort „Schutz“ knallt onomatopoietisch ein Schuss mit. Die Nazis hatten daran ihren Anteil: Schutzstaffel, Heimatschutz, Schutz der arischen Rasse – der Schutz ist assoziativ nicht von der Androhung des Gegenteils zu trennen. Wo das „be-schützen“ noch an etwas heimeliges, an eine gütige elterliche Hand erinnert, die von oben für das Hilflose eingreift und diesem Ruhe verschafft riecht das „schützen“ nach Aggressionen, nach Schützenfest und feudalem Patrouillengang, nach penetranter verfolgender Präsenz. Im verbenreichen Englisch nuanciert sich das Wort: safeguard, shield, protect, shelter, forfend – keiner der Ausdrücke atemt so kurz wie der Deutsche. Zu Recht vermutet man, dass dort, wo geschützt wird, auch geschossen wird, dass dementsprechend Gedanken nicht viel Zeit und Luft eingeräumt wird, wenn „Klimakiller“ an die Türe klopfen.

Dieses Unbehagen gegen die autoritären Komponenten der Schützerei hat Henryk M. Broder und sein publizistisches Netzwerk „Achse des Guten“ von je her veranlasst, dem „Klimaschutz“ mit äußerstem Unbehagen entgegen zu sehen und in ihm ein totalitäres Unterfangen zu erspüren. In der jüngsten Ausgabe von Broders „Deutschland-Safari“ wird Umweltministern, grünen Politikern und Kindern abgelauscht, was sie sich unter der „großen Transformation“, dem Klimaschutz vorstellen. Insinuiert wird dabei von Broder die „Ökodiktatur“, in der selbst Kinder den Müll ihrer Eltern durchschnüffeln und ihnen vorschreiben, was und mit welchen Verkehrsmitteln sie einzukaufen haben. Broders Gespür für die naive Hilflosigkeit der sich rundum gut Glaubenden lockt diesen das autoritäre Vokabular tonnenweise aus dem Munde. Im Rausch dieser vorauseilenden Selbstdenunziation schlägt Broders Polemik um in Relativierung. Eine Fensterkontrolle in Klassenräumen oder eine Solarstromvergütung ist weder qualitativ noch quantitativ vergleichbar mit der Zensur der Stasi oder den Massakern eines Assad – solches nahezulegen ist Verharmlosung, die in der „Deutschland-Safari“ zwar ohnehin ästhetisches und legitimes Mittel der Satire ist, aber in dieser Folge doch mit einigem Ernst vertreten wird.

Das trifft sich mit den Publikationen der AchGut-Autoren Miersch, Maxeiner und anderer, in denen viel vermeintlich liberales Febreze gegen den autoritären Stallgeruch der Nationalökologie versprüht wird. Wissenschaftlichkeit ist auf beiden Seiten kein Thema. Der Nationalökologie einer Merkel ist die Verzweiflung über ihre komplette Unfähigkeit auch nur annähernd etwas vom Thema zu verstehen anzumerken. Das trifft auch die interviewten Grünen Roth und Künast, die vor Ahnungslosigkeit über das von ihnen eingeforderte triefen und auf Broders nicht besonders talentiertes Gestichel nur hilflos reagieren. Da wird dann getüncht mit grünen Phrasen.

Tatsächlich haben weder die Grünen und erst recht nicht Merkel den Rückgang des Artenschwundes nennenswert gebremst. Statt auf Offensichtlichkeiten wie Flächenverbrauch, Agrarsubventionen und Biosprit zu verweisen wird dann gern unterstellt, der globale Klimawandel lasse eben bestimmte Arten aussterben – was eher selten wirklich nachweisbar ist. In Afrika führt man jüngste Dürren auf den Klimawandel zurück – wer vor Ort ist, weiß, wie viele Wälder in den letzten Jahren dort in Holzkohle und Buschfeuern aufgingen. Und Biosprit, ein gemeinsames Projekt von Grünen, konservativen Bauern und der vor dem Ölpreis fliehenden Wirtschaft führte ganz nachweisbar und konkret zu einer beispiellosen und in belegten Fällen mörderischen Abholzung von Regenwald.

Von dem, was Broder mit Ökodiktatur meint, ist das alles doppelt entfernt: Weder gibt es die autoritäre Komponente in einer diktatorischen Qualität (auch die Solarverordnung in Marburg kann wie jedes andere Baurecht durch eine gewählte andere Regierung abgeschafft werden) – noch ist die autoritäre Komponente ernsthaft mit Wissen um Ökologie oder Interesse daran ausgestattet. Die kultivierte burschikose Oberflächlichkeit der liebenswerten Sendung erreichte dann in der zweiten Folge vom 10.10. unterirdische Qualitäten – da wird über bislang 10 Milliarden Subventionen für die Solarindustrie gewettert, als würde sich die Asse kostenlos sanieren und als würde ein durchschnittlicher AKW-Rückbau nicht mehrere Milliarden kosten. Von Steinkohlesubventionen oder Agrarsubventionen ganz zu schweigen. Broder demaskiert hier nicht die unsichtbare, autoritäre Hand der Politik hinter dem Markt sondern seinen selektiven Agress auf das Neue, Unbekannte, Fremde der Solarenergie. Was ihm zur gesellschaftlichen Natur geworden ist, darf um keinen Preis verändert werden.

Der ersten Natur ganz verfallen bricht Maxeiner das Weltklima auf ein Billardspiel herunter. Weil man das alles ja gar nicht simulieren könne, so das antiintellektualistische Argument, sei es ja auch komplette Hybris, überhaupt irgend etwas ändern zu wollen. Es ist halt alles so kompliziert. Maxeiners von Broder affirmierte Regression erklärt das Klima zu einem Gott, gegen den keine Wissenschaft gewachsen sei, während die anderen diesem Gott Altäre aus Palmöl und Hybridautos bauen. Die Platitüde ist beiden Seiten Programm. Das trifft auch Broders undialektischen Begriff von Aufklärung. Gegen die Klimaschule stänkert er: „Am Ende ist es doch Umerziehung.“ Bei ihm gibt es stattdessen aufklärerische Blitzbesuche bei Maxeiner and friends.

Die Verwendung von Seife musste mühsam erklärt und beworben werden – bis heute. Broder denkt nicht an Medizindiktatur, wenn in Krankenhäusern oder Restaurants kontrolliert wird, ob die Mitarbeiter sich regelmäßig die Hände waschen. Dass man stets an die Konsequenzen seines Verhaltens denken müsse – sei ihm schlicht „zu unbequem“. Kritikabel an der blaßgrünen Welle ist aber gerade, dass sie die Konsequenzen ihres Handelns nicht bedenkt. Weder auf gesellschaftlich-philosophischer Ebene, wo tatsächlich mitunter die Freiheit des Individuums für das vermeintlich korrekt berechnete Kollektivinteresse schnurstracks eisekalt gemacht wird. Noch auf der ökologischen Ebene, auf der Energiesparlampen statt Glühbirnen verordnet wurden, weil man die tatsächliche Alternative LED nicht zahlbar machen kann und will. Andere Beispiele wären die Ausgleichsmaßnahmen, die es ermöglichen, zerstörte Feuchtwiesen durch ein paar Obstbäume oder teure „Flußrenaturierungsmaßnahmen“ zu ersetzen. Anstatt einfach ein paar formschöne Betonklötze entsprechend im Flußbett zu platzieren und dadurch die Gewässerdynamik zu befördern, werden komplette Mäander gebaggert, die eine Umgehungsstraße an anderer Stelle zerstörte – natürlich nur, wenn es jemand gemerkt und tatsächlich erfolgreich eingeklagt hat. Teiche werden auch gleich mit Bäumen teuer bepflanzt, damit es nicht so hässlich nach Ruderalstandort aussieht – der aber für die bedrohtesten Arten essentiell ist. Im Osten zieren frisch gepflanzte Alleen zahlreiche Straßen – effektiver und billiger wäre es, den Randstreifen still zu legen und wachsen zu lassen, was halt kommt. Dieser satirisch durchaus auszubeutenden Diversität von Fehlleistungen und grob fahrlässigem Unfug stellt sich Broder nicht – das hieße, tatsächliche Wissenschaftlern etwas länger reden zu lassen als die nicht ganz stichhaltigen Drei-Sekunden-Mahnungen vor dem Elektroauto.

Dass die derzeitige Form der ökologischen „Aufklärung“ autoritär und mitunter totalitär ist, rechtfertigt nicht die Regression in die Halbwahrheit und in Gegen-Propaganda. Wenn Broder etwa das Biosprit-Problem skandalisiert, so ist eine gewisse instrumentelle Haltung zu diesem Thema zu erkennen, aber kein Interesse – anhand des Problems soll denunziert werden, was erst als Totalität entworfen werden muss: Die globale Klimaschutzbewegung im Verein mit autoritären Staaten respektive Deutschlands. Es gibt eine andere Möglichkeit, die Broder aber schlichtweg zu mühselig ist: Die Arbeit am Objekt, die zähe Ausdifferenzierung von rationalen, irrationalen, ideologischen, dialektischen, biologischen und gesellschaftlichen Facetten des Mensch-Natur-Problems – in Absehung von der Verrichtung der identitären Notdurft.

Der Kritiker des Spiritismus und des Empirismus Friedrich Engels verfügte tatsächlich über Kenntnisse der Naturwissenschaften, die jene Ignoranz Broders gegenüber einer wissenschaftlich-philosophischen Zerlegung von Spinnereien zumindest als sehr armselig erscheinen lässt. Vielleicht liegt das an den Verkürzungen, die der kulturindustrielle Betrieb, in dem Broder agiert, mit sich bringt. Vielleicht auch an seinen Assistenten Maxeiner und Miersch, die beide nicht besonders Wert auf wissenschaftliche Details oder Dialektik legen, weil es tatsächlich so vielen sehr bequem zu widerlegenden ideologischen Unfug in der Ökologiebewegung gibt.

Und auch bösartiges bleibt: Der sich gegen die Instrumentalisierung von Kindern aussprechende Broder ist in der Denunziation der autoritären Kinder autoritär – er erkennt die Realangst vor der Krisenhaftigkeit eines auf Expansion verpflichteten Systems nicht an und spricht implizit den Kindern ihr rationales, wenngleich häufig eingeflüstertes und in verkitschte Formen gepresstes Interesse ab. Es gibt eine Klassenfensterkontrolle. So what? Andere Kinder erpressen das Pausengeld oder müssen in der Schule mit I-Pads oder den Geschichtsfälschungen von Cornelsen, Westermann und Klett arbeiten oder Gruppenarbeit machen, obwohl sie lieber in der Nase bohren würden.

Für die Erhaltung der Artenvielfalt spricht nicht ihr ökonomischer Wert, der je nach Art sehr diskutabel ist, auch nicht die Möglichkeit zur Durchherrschung von Natur, sondern der Grund, warum man dazu fähig ist – die menschliche Intelligenz und der technologische Fortschritt. Moderne Industriegesellschaften könnten wie vor noch gar nicht langer Zeit praktiziert Wale fangen und zu Biosprit verarbeiten – sie sind aber nicht darauf angewiesen und haben eine Wahl, auch wenn die manchmal eine zwischen Bequemlichkeit und Fortschritt ist. Letztlich ist die Frage des Artenschutzes auch eine ästhetische. Oldtimer, Picasso, Wiedehopf sind alle letzlich nur ihrer subjektiv bewerteten Schönheit wegen liebenswert. Nur einer davon lässt sich nicht nachbauen.

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