Ein deutscher Film, so lautet das Gesetz, bedarf entweder eines Mörders oder eines Eigenheims, das gegen ökonomische Kalamitäten verteidigt werden muss. In „Ausgerechnet Sex“ darf das Häuschen dann auch mal eine millionenschwere Villa in Münchens Speckgürtel sein. Die gesetzlich vorgeschriebenen zwei Kinder, natürlich gemischgeschlechtlich und mindestens ansehnlich, verlieren tragischerweise den lieben Vater.
Die Mutter sieht sich vor fast unüberwindliche Schwierigkeiten gestellt, um den Kindern die Privatschule und das Designertraum-Schlösschen zu erhalten: Soll sie ein paar edle Vasen, Gemälde und die Dunstabzugshaube verkaufen, um die irrsinnigen Schulden von 84,000 Euro zu bezahlen? Oder überwindet sie ihre Prüderie und führt die Pornofirma des Gatten weiter, der seinen sauren Broterwerb vor ihr verheimlichte? Müssen gar die Kinder ins Elend der öffentlichen bayrischen Schulen abrutschen? Die logischste Alternative, das fürstliche Anwesen zu verkaufen und sich auf einer Karibikinsel zur Ruhe zu setzen, steht natürlich nicht zur Debatte – die arme reiche Frau hat das sich selbst zeugende Kapital zu neuem Elan zu motivieren und muss dafür ihre Verklemmung überwinden.
Die Verklemmung besteht nur oberflächlich in antiquierten Vorstellungen von einer Einheit von Liebe und Sex, die sie daran hindern, entspannt bei Pornoproduktionen zuzusehen. Für den Produktionsprozess ist sie so überflüssig wie sonst nur der europäische Adel. Als Legitimationsplattform für die Herrschaft dient die „Familie“, zu der die Belegschaft mutiert. „In meiner Firma wird niemand ausgebeutet“ protzt die Chefin mit der Luxus-Villa. Sogar die Oma putzt in dem „Familienbetrieb“ und ist ganz versöhnt mit dem Klassenunterschied innerhalb der Familie.
Die Erbin will sich des Produktionsprozesses inklusive Schwiegermutter bemächtigen und träumt von ökologisch korrekten Pornos mit künstlerisch-amourösem Wert, sprich: Mehrwert. Der Geschmack des knallharten Marktes droht sich dann auch nach Fehlschlägen durchzusetzen, würde die Unternehmerin nicht doch ihre einzige Leistung liefern: eine Marktlücke entdecken. Die besteht in den sexuellen Wünschen von anderen, noch reicheren Frauen. Deren angehäuftes Kapital kann gar nicht mehr selbsttätig vershoppt werden, so dass ein eigener Privatporno mit dem galanten „Roy das Rohr“ interessantes Ersatzbedürfnis wird. Die geniale Managerin „erfindet“ den „Freundschaftspreis“ von 1500 Euro für ein komplettes Filmchen. Was da nach den Produktionskosten noch für die Darsteller bleibt, spottet wahrscheinlich noch dem durchschnittlichen Prostituiertenlohn. Immerhin: Bei der ersten Konsumentin ist „alles noch ganz knackig“.
Unter dem sozialen Druck von Moralaposteln (und vor allem aus ästhetischen Skrupeln) wird so aus der Pornofirma, in der vormals Befreundete und verheiratete Schönheiten vor der Kamera Sex hatten, ein Edelbordell, in dem die Darsteller fortan Privatpornos für reiche Scheidungsanwältinnen drehen müssen. Das wird abgefeiert als Rettung der Firma, als moralisch integrer Fortschritt, als Zugeständnis an die Puritaner an der Privatschule und als privatfamiliäre Versöhnung mit der eventuell doch zu freizügigen, renitenten Tochter und dem überkeuschen Sohn.
Natürlich handelt die Leiterin im Interesse der Angestellten. Geldprobleme hat natürlich nicht nur die Unternehmerin, aber sie hat die drastischsten. Das ist Krisenbewältigung a lá Deutschland, mit ein paar halbgezeigten Brüsten und Lederröckchen verziert. Da darf zwangsliberal dann auch der seit neuestem für den deutschen Film obligatorische Transvestit auftreten – wie immer nur, wenn er körperlich schwach ist und beim Joggen ohnmächtig wird. Natürlich gibt es auch einen fahrradbehelmten Spießer, der Pornos verabscheut und seinen Kredit zurückfordert. Und es gibt einen schmierigen Jung-Regisseur, der einem Schneewittchen von 17-Jähriger nachsteigt und die Filmproduzentin ganz abscheulich erpresst – was die darüber furchtbar Empörte natürlich nicht davon abhält, ihre KundInnen gleich Dutzendweise mit den produzierten Privatpornos zu erpressen. Das alles ist so flach wie ein Papier, aber raffinierte Ideologie.
„Ausgerechnet Sex“ ist der nicht mehr ganz neue Versuch, das Adelsdrama zu renovieren. Das hineingeschleuste Marktprojekt ist gar nicht unzeitgemäß: Neben der ganzen deutschen Ideologie wird die reiche Frau als Freierin hoffähig gemacht. Die traditionelle ökonomische Rolle des Mannes, der sein überschüssiges Kapital im Puff ausgeben darf und soll, wird von zwei Seiten in die Zange genommen:
Zuerst wird sichergestellt, dass hier wirklich alles freiwillig und nicht etwa aufgrund ökonomischer Zwänge geschieht, die für weibliche Prostitution wie für jede Lohnarbeit typisch sind. Alle Pornodarsteller und –darstellerinnen arbeiten natürlich aus purem Spaß an der Freude, Arbeit ist Lust oder Show.
Nachdem die neobourgeoisen Frauen ihre vom 50-er-Jahre-Patriarchat angefressene ökonomische Position endlich revolutioniert haben, wird ihnen angeraten, ihre Sexualität zu liberalisieren, nach dem Modell der Männer zu verfahren, und ebenfalls auf die sexuellen Unkosten zu kommen, die der Arbeitsprozess und der Rückstand echter gesellschaftlicher Liberalität mit sich bringt – das alles natürlich ohne den Ludergeruch eines gewöhnlichen Bordells, hier ist pornographischer Sex käuflich, privat und politisch korrekt. Unmoralisch daran ist die perfide Leugnung von Ausbeutung in der Produktion, die hier noch larmoyant zum Leid und Wehe der Firmeneignerin umgelogen wird, mit der dann alle Beteiligten noch sich identifizieren dürfen.
Die Bordelle, die man auch im Fernsehen in „irgendwelchen Dokus“ zu sehen bekommt, sind in den meisten Fällen verherrlichend und ich kann das Thema absolute nicht gut heißen. Dass es die Prostituierten nur aus Spaß an der Freude machen, stimmt nur bedingt, dennoch werde ich dem Film eine Chance geben 😉