Mit dem Staat aus der Krise (und gegen „amerikanischen Egoismus“)

Am Wirtschaftstag zeigt sich, dass die Ideologie der Produktionsmitteleigner und -verwalter nichts von der der Linkspartei unterscheidet, solange es um die bräsige Einheit von Nationalismus und Staatsaffirmation geht.

„Wir müssen unsere soziale Marktwirtschaft erneuern, sie fit machen für die globale Ökonomie, sie vom Raubtier- und Casino-Kapitalismus befreien.“ So kann der Präsident des Genossenschaftsverbandes und vorgeblicher Freund des Dalai Lama Walter Weinkauf in einem Atemzug soziale Marktwirtschaft von einem „Raubtier“-Kapitalismus unterscheiden und im Nebensatz ein aus der Agenda 2010 nur zu bekanntes „Fit-Machen“ androhen.

„Die im deutschen Handelsgesetzbuch verankerten Sicherheits- und Stabilitätskriterien dienen dem Schutz des Mittelstandes. Sie dürfen nicht für eine anglo-amerikanische Wirtschaftskultur geopfert werden.“

Wo solche „Wirtschaftskulturen“ aufeinanderprallen, läuft der rheinische Kapitalismus-Hase gerne Amok:

„Doch moderne Ordnungspolitik hat für Wettbewerb und Chancengleichheit zu sorgen. Sie schützt Kleine, egal ob es um Bürger oder Unternehmen geht. Sie hat der Doppelnatur unseres Daseins Rechnung zu tragen: Nämlich frei sein zu wollen, um sich zu bewähren, und zugleich in einer Gemeinschaft aufgehoben zu sein, mit der Pflicht, sich auch für die Gemeinschaft einzusetzen. Das ist etwas ganz anderes als die an Egoismen orientierte amerikanische Welt.“

Der Ruf nach deutscher Pflicht, sich für die aufhebende Gemeinschaft und damit gegen die „ganz andere amerikanische Welt“ einzusetzen, ist das wirklich zu fürchtende Menetekel der aktuellen Krise. Wo die Berufssparer und der ach so zerrüttete Mittelstand um ihre Einlagen fürchten und Bauchmarxisten vor lauter Angstlust schon mal ihre Schatzbriefe von der Bank fuddeln wabert auf dem Wirtschaftstag der reaktionäre Geist ganz  gemeinschaftlich als kristalliner Antiamerikanismus durch die Luft. Ausgerechnet der Porsche-Chef Wendelin Wiedeking darf dann noch von „Raubtierkapitalismus“ blubbern:

„Die Krise an den Finanzmärkten, die mittlerweile sogar zu einer ernsthaften Bedrohung für die globale Konjunktur geworden ist, bestätigt sämtliche Vorurteile über den von Profitgier getriebenen so genannten Raubtierkapitalismus.“ (Oberhessische Presse, 16.10.2008)

Porsche dagegen war von je her von der „Verantwortung des Unternehmers“ geprägt und keinesfalls vom Streben nach „Gewinn“ und „Profitgier“. In der Krise rottet sich Deutschland eben recht gerne über Klassengrenzen zusammen und sucht sich sein Anderes zurecht.

7 thoughts on “Mit dem Staat aus der Krise (und gegen „amerikanischen Egoismus“)

  1. Vielleicht weil im antiamerikanischen Ressentiment strukturell das antisemitische enthalten ist? Stichwort: raffendes vs. schaffendes Kapital, etc.

  2. Genau, die Terminologie und das Kapitalverständnis gleicht einfach dem des NS. Dazu muss man sich nur die ökonomischen Passagen aus Hitler, Rosenberg und co ansehen. Natürlich sind die beteiligten Personen keine Antisemiten im klassischen Sinne. Heute ist man gegen Amerika und Israel, nicht mehr gegen Juden, oder zumindest nur gegen Bankerjuden, aber doch nicht gegen Juden an sich, man hat schließlich jüdische Freunde und so oder gegen das ultraorthodoxe Judentum, das in Israel und den USA die Strippen zieht, Ostküstenkapital knickknack, aber gegen aufgeklärte, linke Juden wie Uri Avnery hat man doch nichts. Man ist schließlich kein Antisemit oder so, man will nur eine anständige deutsche Wirtschaft gegen anglo-amerikanisches Finanz-Unwesen und Egoismus verteidigen, und die Pflicht zur Gemeinschaft ist doch eine deutsche Tugend und so weiter und so fort…

  3. Etwas schaurig wurde mir vor wenigen Wochen, als Norbert Röttgen bei hart aber fair angesichts der Finanzkrise meinte, daran könne man sehen, dass sich „die deutsche, die europäische Kultur“ als die überlegene erwiesen habe.

  4. jeder wünscht sich jetzt mehr Regulierung, genauer befragt, hört man jedoch immer nur Bekenntnisse gegen den „Turbokapitalismus“ und natürlich gegen die Banker, die vorher groß abgecasht haben (wie jedem nicht-Banker fällt es mir sehr leicht, mich dieser Kritik anzuschließen)

    Regulierungen sind sicher notwendig – der erste Schritt der Krise ist jedoch wohl auf zuviel bzw. falsche Regulierungen (z.B. community reinvestment act) zurückzuführen, welche die Banken dazu brachten Kredite zu gewähren, die normalerweise zu riskant gewesen wären

    im zweiten Schritt wurden aus den faulen Hypothekarkrediten Finanzprodukte gezimmert, hier haben wohl tatsächlich Regulierungen gefehlt

    http://aron2201sperber.wordpress.com/2008/10/11/wissenswertes-uber-subprime-mortgages/

  5. Ja, dass Staat und Zirkulationssphäre nicht als getrennt zu denken sind, sollte ja wohl jedem halbwegs marxistisch geschulten Menschen aufgehen. Insofern ist es ganz normal, dass es Regelungen gibt und ebenso ideologisch, die Banken als staatsfremd zu sehen wie es als Sakrileg zu betrachten, den Staat mehr in diesen Bereich, an dem er längst präsent ist, eindringen zu sehen – solange das allerdings der Marktrationalität entspricht, ist das ebenso nebensächlich wie die Verstaatlichung von Land zugunsten von Autobahnen oder Häfen oder die Privatisierung von Zügen. Besorgniserregend ist die Ideologie, die sich an der Krise austobt.

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