Trotz der Fülle an neuen Bilderbüchern drängt sich bei den wenigsten ein bleibender Eindruck auf. Computeranimierte und daher sterile oder überladene, manierierte Ästhetik, reaktionäre Inhalte und eine wenig kindgerechte, bemühte Sprache machen das Gros der Überproduktion aus.
Aus dieser Masse sticht die Geschichte vom rosa Flamingo heraus. In ein hermetisches, regressives Knäuel gemummelt steht er am See und schläft einen tiefblauen Schlaf. Nach und nach sprechen ihn Vögel an, er aber verweigert sich dem Gespräch und schläft weiter. Mit jedem Neuankömmling projizieren die Vögel mehr auf den stummen Flamingo – er wird zum Container für ihre sich steigernden Wünsche und Ängste. Erst bekommt er „Federn aus Gold“ und „Schuhe aus Lack“, dann hat er „seine Mutter an den Zoo verkauft“, wird immer reicher „und gibt nichts ab!“, ist dann rasch der „Schweinekönig“ und am Ende schreit der Spatz: „Das Ende ist nah! Der Flamingo wird uns alle töten und niemand kann uns retten!“ Die Vögel fliehen und nur der Storch bleibt. Er sieht sich in seinem Ressentiment bestätigt: „Na wusst ich’s doch! Flamingos sind an allem schuld. Vögel wie die gehören ausgestopft.“ Endlich agiert der Flamingo, verschlingt den Storch und schläft weiter.
Die Geschichte stellt einen außerordentlich gelungenen Versuch dar, pathische Projektionsmuster im Antisemitismus zu verbildlichen. Die Gleichzeitigkeit von Begehren und Angst wird in einer einfachen Geschichte bis zur geschichtlichen Drastik von Apokalyptik und Vernichtung durchgeführt. Gerade weil das Buch diese Tiefe entfaltet und die Projektionen auch ins Bild übersetzt, den Flamingo tatsächlich als bösen Federkronengott zeichnet, ist es für jüngere Kinder zu unheimlich und überfordernd. Dafür ist es zur angeleiteten Arbeit und Gruppentherapie mit Jugendlichen und Erwachsenen geeignet und sehr zu empfehlen.