Israel im Kopfkino

Petro Markaris erklärt in der taz vom 3./4./5. April die Finanzkrise Griechenlands. Dabei fühlt er sich berufen, eine griechische Reaktion auf deutsche Ressentiments folgendermaßen zu vergleichen:

„Es ist auch naiv, die Empörung der Griechen über solche Aussagen damit abzutun, dass man diese Empörung auf Traumata aus der deutschen Besatzungszeit zurückführt. Das ist ungefährt wie das Argument der Israelis, jeder, der die israelische Politik kritisiere, sei ein Antisemit.“

Egal, was diese vorherigen „Aussagen“ benannten: Hier wird ein klassischer Fall von Kopfkino und vorauseilender Verleugnung nach Freud durchgeführt. Unterstellt wird, dass jeder Israeli Kritik an „israelischer Politik“ als Antisemitismus abtue. Anscheinend war der Autor noch nie in Israel oder hat sich mit dem Judentum befasst, sonst würde er das dort bekannte Sprichwort kennen: „Zwei Juden, drei Meinungen.“

Bei ihm lässt sich das umkehren dahingehend, dass sein Antisemitismus die monolithische Imago „Israelis“ als dogmatische Instanz identifiziert und dieser Instanz ein Urteil über die eigene Meinung zuordnet, das der Verlautbarung vorausfolgt. Somit trifft er auch gar keine Fehlaussage über die Richtigkeit dieses Urteils, sondern verrät ein unbewusstes Wissen um seinen eigenen Antisemitismus, der in der Verleugnung dem Geständniszwang folgt. Noch bevor er also seine Kritik an Israel in einem Artikel über die griechische Ökonomie einzuflechten vermag, zwingt ihn sein schlechtes Gewissen zum Geständnis: Das was er gesagt hätte, wäre Antisemitismus gewesen. Die von Forumsnutzern so häufig ähnlich gelesene Einleitung, die auf die Beschwerde hinausläuft, dass man seinen Antisemitismus nicht mehr sagen dürfe, sonst werde man gleich als Antisemit beschimpft, offenbart die tiefe Kränkung, die die Kritik des Antisemitismus erreicht hat.