„Denkst-du“ – Wie Menschen mit Behinderung den sozialen Frieden in Deutschland bedrohen

Im IC die Bahn-Zeitung „Mobil“ aufgeschlagen, draußen das graubraune Land. Eine ganzseitige Anzeige  von „denkst-du“ lässt die Zehennägel kräuseln. Motiv: Ein Schweißer, überladen mit Schläuchen, unter dem Arm eine Schweißerhaube, eine dicke Unterlippe wird von einem schwarzen Schnurrbart kontrastiert. Dicke Schrift: „Unmöglich, denkst du“. Ich frage mich natürlich, was man hier für unmöglich halten soll. Dass zum Schweißen so derart viele Schläuche nötig sind? Dass ein Mensch mit Schnurrbart und dicker Lippe schweißen kann? Erkennt die Spezialistin hier sofort an irgendwelchen Merkmalen eine Trisomie oder einen Mangel an Sauerstoff während der Geburt? Mir als Laie bleibt das verborgen, da steht also ein Schweißer und schleppt ziemlich elend an dem Material herum, das ihn ausweisen soll. Vielleicht gibt der Text mehr her:

„An über 2.300 Standorten leisten täglich Menschen mit Behinderungen ihren wertvollen Beitrag für unsere Volkswirtschaft. So helfen wir, den sozialen Frieden in Deutschland zu sichern. Das ist nur eine unserer Stärken. Gute Arbeit aus Werkstätten für behinderte Menschen.“

Man ist aufgeklärt. Würden die Werkstätten für behinderte Menschen nicht Menschen mit Behinderungen beschäftigen, wer weiß, was die sonst so anstellen würden mit dem sozialen Frieden hierzulande. Nasebohrende, pöbelnde Rollstuhl-Punks an allen Orten, arbeitsscheue Trisomie-21-Agitatoren an den Straßenrändern, eine Spastiker-RAF soll auch schon in der Gründung sein: Sodom mindestens, wenn nicht Gomorrha… Berlin also gerade noch mal davongekommen, den Werkstätten sei Dank. So ist „unsere“ Volkswirtschaft doch auch von „denen“ abhängig. „Wertvoll“ muss der Beitrag aber schon sein, sonst gibts keinen sozialen Frieden zum Abendbrot.

Vielleicht ist auch das Gegenteil gemeint. Vielleicht hat man nur Angst, dass, würden Behinderte nicht in Werkstätten durch zumeist weitaus stupidere Arbeit als Schweißen oder Feuerwehr „beschäftigt“, der soziale Frieden dahingehend zusammenbricht, dass die Volkswirtschaft mal wieder über die Menschen mit Behinderungen herfällt. Die Rede vom „Sozialen Frieden“ droht schon mit Genozid. Wo Ausländerhatz systematisch organisiert wird, von Fernsehsendern bejubelt und vom Volk goutiert, herrscht „sozialer  Frieden“. Wo allseitige Konkurrenz den Menschen das Leben sauer macht, beschwört man die Volkswirtschaft. Nichts wie raus aus diesem Zug.