One thought on “Grenzarbeit – Zur Verteidigung einer antideutschen Linken gegen die Querfront. Script

  1. Ach Felix,

    nachdem ich also erst angeblich von einem „white genocide“ geschrieben hätte, der vonstatten gehe, hinter dem ich in Komplizenschaft mit polnischen Faschisten in antisemitischer Manier Merkel als Strippenzieherin ausgemacht hätte, heißt es nun „bloß“ noch:

    „Da hier Geschichtsbücher als Kontext genannt
    wird, ist sonnenklar, dass hier mit Biopolitik
    irgendeine Ähnlichkeit zum nationalsozialistischen Genozid gemeint ist
    und nicht irgend ein neutraler Bezug auf
    Foucault, wie Gensler es später behauptete.
    Die europaweit vereinbarte Verteilung von
    120,000 Flüchtlingen sollte primär Italien und
    Griechenland entlasten. Wirtschaftliche
    Ausgleichsregelungen waren und sind
    vorgesehen und auch wenn man sie kritisieren
    kann, waren sie Bestandteil eines
    europaweiten Vertrages. Daraus ein
    „deutsches“ Projekt, gar „Biopolitik“ zu
    machen, zeugt vom Realitätsverlust ebenso
    wie von der Aufgabe von Aufklärung als
    Möglichkeit, wenn Polen nicht einmal mehr zur
    Aufnahme und Integration von um 3000
    Flüchtlingen für fähig gehalten wird.“

    Soviel Zeit zur „Überarbeitung“ war also doch noch drin in der Vorbereitung für Deinen Copy-Paste-Vortrag, für den Dein Satz – „Diese Texte und Themen werde ich nicht aufwärmen, weil sie auf meinem Blog nachzulesen sind.“ – eine gute Charakterisierung dargestellt hätte.

    In der Tat gibt es jedoch sogar einige Geschichtsbücher, welche die Zeit vor 1939 behandeln, weshalb es bei mir auch hieß: „Wozu ich nicht so schnell wie Riedel bereit bin, ist, zu vergessen, dass Polen eine etwas längere Geschichte mit deutscher Bevölkerungspolitik hat, die vom Deutschen Orden, über drei polnische Teilungen hin zur vierten polnischen Teilung zwischen NS und Stalinismus und der Besatzung durch NS, zu der ferner der Massenmord der polnischen Juden, bei denen man in Deutschland wie Martin Stobbe betonte, nur zu gern vergisst, dass sie polnische Staatsbürger waren, gehörte.“

    In diesem eher dokumentarischen Sinne, will ich hier noch einmal einfügen, was ich auf Deine absurde Unterstellung antwortete:

    „Wenn nun jemand „Bio-Politik“ geschrieben sieht und im eigenen Kopf nur „Genozid“ ankommt, er aber nicht nachfragt, sondern diese „Verzerrung“ in den Orkus der Sozialen Medien „zitiert“, kann man nur fordern – und ich hätte auch nie gedacht, dies einmal zu schreiben: „Lies Foucault!“, auf den der damalige Verweis abzielte. Dieser schrieb in seiner Vorlesung vom 17. März 1976: „Die neue Technologie dagegen richtet sich an die Vielfalt der Menschen, nicht insofern sie sich zu Körpern zusammenfassen lassen, sondern insofern diese im Gegenteil eine globale Masse bilden, die von dem Leben eigenen Gesamtprozessen geprägt sind wie Prozessen der Geburt, des Todes, der Produktion, Krankheit usw. Nach einem ersten Machtzugriff auf den Körper, der sich nach dem Modus der Individualisierung vollzieht, haben wir einen zweiten Zugriff der Macht, nicht individualisierend diesmal, sondern massenkonstituierend, wenn Sie so wollen, der sich nicht an den Körper-Menschen, sondern an den Gattungs-Menschen richtet.“

    Biopolitik ist demnach in erster Linie eine kollektive, institutionelle, oder einfach staatliche Regulierungen kollektiver Menschenmassen, die verschiedenen Kategorisierungen unterliegen. In eben diesem Sinn wird der Begriff in der Literatur – vor allem in Bezug auf Flüchtlingsfragen – meines Erachtens verwendet – ein paar Beispiel:

    „Egal bei welcher Rechtslage, biopolitische Erwägungen sind in jeder Einwanderungspolitik machtvoll präsent. […] Die Politik der deutschen Regierung 2015 lässt sich als Versuch auffassen, die moralischen und politischen Aporien von Einwanderungs- als Biopolitik humanitär zu entsorgen. […] Auch „Buntheit“ als biopolitisches Ziel kann regimefreie Einwanderung nicht wirklich rechtfertigen.“

    „Foucault wollte mit dem Begriff der Bio-Politik nicht anklagen, so sehr er moralisch irritiert. Denn zur gesellschaftlich organisierten Bio-Politik gehört inzwischen auch moralisch so hoch Geschätztes wie Seuchenkampagnen, Impfkampagnen, flächendeckende medizinische Versorgung, allgemeine Krankenversicherung, Familienförderungs- und Einwanderungspolitik, Entdiskriminierungs- (z.Bsp. Homosexualität) und -Diskriminierungskampagnen (z.B. Kindesmissbrauch), auf die moderne demokratische Gesellschaften keinesfalls verzichten wollen. Auch wenn man erfahren musste, wie entsetzlich Bio-Politik in staatlich organisierte Eugenik, Rassismus, ethnische Säuberung und Völkermord ausufern kann, ist auf Bio-Politik schlechthin nicht mehr zu verzichten.“

    „An der Grenze zu Polen ist es Normalität geworden, dass Flüchtlinge sterben oder Bissverletzungen von den Hunden der Grenzschützer erleiden. Flüchtlinge sind die weitgehend rechtlose Manövriermasse einer europäischen Biopolitik – so rechtlos wie billig als Arbeitskräfte und deshalb z.B. in der Gastronomie sehr begehrt.“

    Ich vermerkte bei Riedel, den Begriff der „Biopolitik“ „durchaus wertfrei“ als Bevölkerungspolitik gemeint zu haben, und bezog mich damit implizit auf die Spannweite des Begriffs, wie er sich in den obigen Zitaten abzeichnet. Riedel hingegen verkündet, Solidarität müsse enden, „wo Gensler die Einwanderungspolitik Merkels als „Biopolitik“ gegen Polen bezeichnet,“ wobei das „wo“ und nicht „wenn“ unterstellt, dass dies überhaupt irgendwo geschehen sei.

    Ich schrieb und Riedel selbst zitierte in seinem Artikel: „auch ohne Bahamaslektüre, aber nach einem kurzen Blick in ein durchschnittliches Geschichtsbuch wäre doch zu erkennen, dass es eventuell Gründe gibt, aus denen sowohl die polnische Regierung als auch Bevölkerung etwas sensibel auf deutsche Biopolitik auf polnischem Boden reagiert.“ (Hervorhebung durch Riedel selbst!)

    Könnte er also lesen, hätte er verstanden, dass ich die Einwanderungs- oder Bevölkerungspolitik Deutschlands, und nicht Merkels,[7] als deutsche Einwanderungs- oder Bevölkerungspolitik beschrieb, die auch „auf polnischem Boden“, demnach in Polen, vonstattengehe. Auch darüber, also die Frage, inwieweit jene oberflächig europäische Politik der Tendenz nach deutsch ist, ließe sich vermutlich streiten. Aber statt dass ich geschrieben hätte, dass diese sich objektive „gegen Polen“ richten würde, hieß es schlichtweg, dass man darauf in jenem Land aus historischen Gründen etwas „sensibel“ – das wiederum heißt, durchaus nicht per se sachlich – reagiert. Ferner ist mit solchen Einlassungen nicht gesagt, dass Polens Abschottung nicht selbst eine Form jener Biopolitik ist. Wozu ich nicht so schnell wie Riedel bereit bin, ist, zu vergessen, dass Polen eine etwas längere Geschichte mit deutscher Bevölkerungspolitik hat, die vom Deutschen Orden, über drei polnische Teilungen hin zur vierten polnischen Teilung zwischen NS und Stalinismus und der Besatzung durch NS, zu der ferner der Massenmord der polnischen Juden, bei denen man in Deutschland wie Martin Stobbe betonte, nur zu gern vergisst, dass sie polnische Staatsbürger waren, gehörte. […] In einem Anflug „konstruktiver Kritik“ schrieb ich bei Riedel weiter:

    „Zum Thema Polen, bei dem ich mir tatsächlich den Vorwurf des Vulgärantideutschen gefallen lassen würde. Ganz pragmatisch wäre ich der Ansicht, dass, wenn die deutsche Kanzlerin verkündet „Wir schaffen das!“, Polen bspw. sagt „Wir nicht!“ – und zwar egal wie fragwürdig die Gründe seien – hätte Deutschland auch einfach die Quote Polens etc. übernehmen können bzw. m.E. müssen, anstatt es gegen den Willen dem Nachbarstaat, den man nicht erst seit zwei Jahren wieder arg paternalistisch behandelt, über das Medium EU überzuhelfen. Und ich meine auch, dass dies – angesichts der Stimmung in manchen der betreffenden osteuropäischen Staaten – gerade auch den Flüchtlingen, um die es geht, gegenüber fairer wäre.“

    Es verdient schon eine Anerkennung der Imaginationsgabe, die aus solchen Sätzen das Palaver von einem „White Genocide“ herauskristallisiert.[8] Ich schrieb also „wertfrei“ von einer Biopolitik – was, das gebe ich zu, tatsächlich problematisch ist; jedoch in einem ganz anderen Sinn, als es Riedel jemals einfallen würde; und zwar meine ich, dass das Problem die Biopolitik mit Flüchtlingen als Ganze ist und nicht nur eine bestimmte – so sehr sich selbstverständlich die Unterschiede in den Motivationen, die den verschiedenen Ausformungen solcher Art der Politik zugrunde liegen, voneinander abheben und bewerten lassen. „Die europaweit vereinbarte Verteilung von 120,000 Flüchtlingen sollte primär Italien und Griechenland entlasten“, schreibt Riedel und fährt fort: „Wirtschaftliche Ausgleichsregelungen sind vorgesehen. Daraus ein „deutsches“ Projekt, gar „Biopolitik“ zu machen, zeugt vom Realitätsverlust ebenso wie von der Aufgabe von Aufklärung als Möglichkeit.“ Riedel betreibt also grobe Sprachkritik, während sich bei mir in der Tat schon aufgrund der Formulierung von der „Verteilung“ von Menschen, Unbehagen regt, weil ich der Ansicht bin, dass Dinge verteilt gehören, keine Menschen. Aber die Formulierung drückt selbstverständlich die ekelhafte Realität aus, und bezieht daher ihr Recht; von daher kann man das schon einmal schreiben. Bezeichnend ist bloß, dass für Riedel der Begriff der „Biopolitik“ ein größeres Unbehagen auslöst, als die tatsächlich streitbare Formulierung eines „“deutschen“ Projekts“. Was sich in diesem zweifelhaften Fokus ausdrückt, ist natürlich die Ahnung, dass die Absage an reinste Biopolitik ja gerade im Bestehen auf den individuellen Fluchtursachen bestünde, insofern es sich um individuelles und nicht um ein kollektives Recht handelt. Dagegen ist Riedels Argumentation und Forderung, wie viele Flüchtlinge Europa aufzunehmen habe – selbst durch und durch biopolitisch – ohne dies freilich offen auszuplaudern – schon allein aufgrund der suggerierten rein prozentualen Aufnahmefähigkeit, die seiner Quantifizierung zugrunde liegt:

    „Erforderlich wäre nämlich 15 Millionen Flüchtlinge in den nächsten 2-3 Jahren aktiv einzufliegen als global vernünftiges und angemessenes Minimum, allein um den akutesten Auswanderungsdruck im afrikanischen Konfliktgürtel, im Sahel und im Nahen Osten ein wenig aufzufangen.“ Die Erläuterung der Zahlen aber lautet dann: „Die 15 Millionen sind 3 Prozent der EU-Bevölkerung und 2 Prozent der europäischen. So kam ich einmal darauf. Zugleich sind 15 Millionen 25 % der weltweiten Fluchtbewegung. Wenn man das noch mit der Wirtschaftsleistung (Die EU hat im Weltvergleich das größte BIP) vergleicht, sollte klar sein, dass das eine Untergrenze ist, die noch nicht einmal realistisch dem Ideal einer gerechten Verteilung entspricht.“

    Schon die Formulierung, „realistisch dem Ideal einer gerechten Verteilung entspricht“, lässt die Frage aufkommen, inwiefern „realistisch“ mit „Ideal“ oder „gerecht“ – letzteres hat Riedel mal so schnell und nebenbei mit dem Taschenrechner bestimmt – auch nur im Ansatz zusammenpassen. Zur Beantwortung jener Frage betrachte man die Vermittlung der Wirklichkeit mit Riedels Vernunft im biopolitischen Humanismus: „Rein faktisch: Die gesamte Weltbevölkerung würde bei einer Besiedelungsdichte von New York auf eine Fläche des Staates Texas passen.“ „Rein faktisch“ meint hier schon „rein mathematisch“ oder „geometrisch“ und wo der Mann Recht hat, hat er Recht: in New York leben 11,000 Menschen/km²; die 7418 Millionen Menschen, welche momentan auf der Welt leben, passen also durchaus nach Texas, mit seinen 700.000 km² – und da es bekanntlich eh kein richtiges Leben oder Wohnen im Falschen gäbe, kann man aus dem behaglichen Marburg heraus auch schreiben: „Europa könnte bei etwas Komfortverlust eine Verdreifachung der Bevölkerungszahl verdauen, wenn man etwas zusammenrückt. Dort wo heute ein Mensch wohnt, würden drei wohnen. Das ist in weiten Teilen des Landes überhaupt kein Problem und würde immer noch die Wohnflächen etwa in Tokio übertreffen.“

    Es ist erstaunlich, wie jemand, der sich über den Begriff Biopolitik echauffiert, nicht bemerkt, dass ein Körper „verdaut“ und jener Körper vor allem „etwas“ und nicht jemanden verdaut. In genau solcher als „Humanismus“ gespriesenen Denkungsart steht Riedel der Aussage Gaulands in nichts nach: „Es ist die Sache der Polen zu entscheiden, wie viele Flüchtlinge sie in ihrem Volkskörper haben wollen.“ Der einzige Unterschied zwischen Gauland und Riedel besteht neben der etwas anderen Benennung des gleichen biopolitischen Grundgedankens in dem jeweiligen Fokus auf den „Willen“ oder „Unwillen“ (Gauland) und der „Fähigkeit“ (Riedel) zum „Verdauen“ von Flüchtlingen. Mit diesem Unterschied einher geht tendenziell ein Unterschied im Fokus auf die Qualität (Gauland) und Quantität (Riedel), und des jeweiligen Umschlags in das andere. Dass sich Gauland hierbei auf eine Qualität bezieht, heißt natürlich nicht, dass diese nicht ordentlich krude ist. Während also Gauland verteidigt, dass Polen sich gegen die Aufnahme einer wirklich geringen Quote von Flüchtlingen wehrt, wirft Riedel vor: „Für euch ist es eine Zumutung, dass EU-Länder wenigstens ein paar Dutzend Flüchtlinge aufnehmen, wozu sie sich verpflichtet haben.“ Es bleibt schwer zu verstehen, wie man sich derart echauffieren kann, wenn es sich doch offensichtlich um eine fast schon symbolische Anzahl von Menschen handle, die einen prinzipiell vorhandenen Humanismus darstellen soll, während meines Erachtens Deutschland in diesem Fall die polnische Quote übernehmen sollte; was ich bei „ein paar Dutzend“ Flüchtlingen wahrlich nicht für eine Zumutung halte. Wirklich fatal aber ist daran, dass Riedel zum einen Polen ausmalt als den Ort des Schreckens, zum anderen aber tatsächlich im antifaschistischen Kampf Flüchtlinge in diesen Ort schicken würde, sie also im Kampf für den Humanismus einfach verheizen würde, während doch die offensichtliche Reaktion auf eine solche „Erkenntnis“ sein müsste, sie um keinen Preis dorthin zu schicken, bis sich die Lage verbessert hat.“

    https://www.patreon.com/posts/ein-paar-thesen-20798711

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.