Micha Brumliks direkte Selbstgespräche über Gilo und die „jüdischen Pasdaran“

Die historischen Fakten: Jerusalem blieb 1947 vom Völkerbund als neutrales Gebiet unter internationalem Schutz aus den Staatsgebieten der künftigen Staaten Palästina und Israel ausgespart. In der Folge des Angriffs der arabischen Guerillas und Staaten auf Israel 1948 wurde Ostjerusalem von Jordanien erobert. Die jüdischen Bewohner des jüdischen Viertels wurden vertrieben, 58 Synagogen und zahllose Wohnhäuser zerstört. Erst als Jordanien 1967 Israel attackierte und das UN-Hauptquartier eroberte, entschloß sich Israels Regierung, Ostjerusalem ohne schwere Waffen zu erobern, um die Denkmäler zu schützen – was zu hohen Verlusten führte. Seitdem sich Ostjerusalem unter israelischer Hoheit befindet, können alle religiösen Stätten von ihren Anhängern besucht werden, das jüdische Viertel wurde renoviert und wiederbelebt.

Gilo wiederum ist ein Stadtteil im Süden Jerusalems, Wohnstätte von 30-40.000 religiösen und nicht-religiösen Juden. Gilo wurde größtenteils auf Land gebaut, das vor 1948 von Juden gekauft wurde. Wie es dort aussieht, hat „Spirit of Entebbe“ in „Schöner wohnen in Gilo“ beschrieben. Seit 1971 bietet Gilo vor allem Neuankömmlingen aus aller Welt ein erstes Quartier. Dennoch gelten Ostjerusalem und Gilo der deutschen Presse und der UN als „illegale Siedlungen“.

Der so gefärbte Weltgeist trägt bisweilen auch den Namen Micha Brumlik und in der taz verbietet er den Israelis in Gilo 1100 neue Wohnungen bauen. Exorbitante Mieten, heftige soziale Proteste, ein solides Bevölkerungswachstum und ein extrem kleines Staatsgebiet sind für Brumliks Reduktionismus ganz nichtige Argumente – für ihn ist der Wohnungsbau allein Beweis dafür, dass die Regierung Netanjahu „keinen Frieden“ wolle – da kann sie noch so oft und argumentativ auf weitaus höherem Niveau als dieser deutsche Universitätsprofessor das Gegenteil beteuern.

Brumlik Fantasie zufolge wolle die Regierung Netanjahu „alles aussitzen“ und „irreversible Fakten schaffen“. Was für Fakten aus welchem Grund irreversibel sein sollen, erfährt man nicht. Sinai wurde zurückgegeben, Siedler von dort wie auch aus Gaza zurückgeholt und über den Golan wird mitunter tatsächlich diskutiert, obwohl dieser aus Israel nicht mehr wegzudenken ist. Sehr wahrscheinlich ist aber, dass Israel niemals Ostjerusalem und Gilo aufgeben und schon gar nicht einem ihm feindlich gesinnten Staat überlassen wird.

Ungeachtet des internationalen Theaters um Gilo herrscht derzeit in weiten Teilen des Westjordanlandes Frieden und ein Wirtschaftsboom im Gefolge der stillen und täglichen Kooperation mit Israel. Palästinenser arbeiten auf den Baustellen der jüdischen Städte im Westjordanland und jüdische Ärzte versorgen palästinensische Kinder in israelischen Krankenhäusern. Sogar in Gaza gehen täglich Tausende zur Arbeit nach Israel. Der stille Friedensprozess ist im vollen Gange, auch wenn Hamas und Konsorten das ihrige dazu beitragen, ihn zu stören. Israel mag dabei nicht immer wie eine perfekte Demokratie reagieren, stellenweise auch Landnahme begünstigen oder mehr oder minder systematisch Rechtsbeugung betreiben, aber das reiht es ein unter die fortschrittlichsten Demokratien – womit nicht Ungarn oder Italien gemeint sind.

Brumlik reicht das nicht, er will andere Kaliber:

„Hätte man aber in den Nachfolgebürgerkriegen des zerfallenden Jugoslawien immer wieder beteuert, dass nur direkte Gespräche zwischen Serben, Kroaten, Bosniern und Kosovaren Frieden bringen könnten – der Krieg dauerte noch heute an. Tatsächlich war es ein unterschiedlich instrumentiertes Diktat auswärtiger Mächte mit ihren je eigenen Interessen, das die Waffen zum Schweigen brachte.“

Wie in den Jugoslawien-Kriegen, wo ethnische Säuberungen, Massaker und Massenvergewaltigungen tobten, müssten also ausländische Mächte in Israel „die Waffen zum Schweigen“ bringen. Wer hier keinen Frieden will, ist offensichtlich. NATO-Luftangriffe auf ein weitgehend friedliches Jerusalem, um der palästinensischen UCK einen Staat ohne Roma, Serben und Juden herbei zu bomben? Was für ein Vergleich – und Brumlik beharrt wiederholt darauf.

Brumlik traut sich keck, den außenpolitischen Experten der BRD Unbildung vorzuwerfen und sieht dabei den Baumstamm im eigenen Auge nicht. Man müsse wissen, so erklärt er allen, die sich nicht rechtzeitig in Sicherheit brachten, dass Netanjahu einem „politischen Milieu“ entstamme, das ein Großisrael auf beiden Seiten des Jordans wolle. Auch würden „40 % der einst hochprofessionellen israelischen Armee“ „im Zweifelsfall eher ihren Rabbinern gehorchen als der politischen Führung“. Und dann unterbietet Brumlik sogar sein bislang tiefstes bekanntes Niveau: Dieser Teil der Armee, so sei unbedingt zur Kenntnis zu nehmen „mutiert“ „im Zweifelsfall“ „zu einer ‚Pasdaran‚-Armee“ „wie sie im Iran existiert“. Zur Erinnerung: Die Pasdaran sind die „Iranische Revolutionsgarde“, professionelle Massenmörder, Henker, Folterknechte und Berufsvergewaltiger, ein mafiöses Terrornetzwerk mit globalen Dimensionen, das in Libanon, Syrien und Gaza mitmischt.

Angesichts einer solchen, diesmal von jüdischen Seelsorgern kommandierten Bedrohung hat Brumlik heftig getüftelt und sich eine Lösung ausgedacht: Vor „harte Alternativen“ sollten „die Europäer“ die „Israelis und Palästinensern“ stellen. Nun wird auf einmal nicht mehr der NATO-Jet berufen, sondern die überaus harte ökonomische Waffe: Das „Assoziierungsabkommen mit der EU“ stellt sich Brumlik als geeignetes Druckmittel vor. Derselbe Professor, der soeben festgestellt hat, dass auf Seiten der „jüdischen Pasdaran“ keinerlei Kompromissbereitschaft bestehe, wenn es um biblisches Land gehe unterstellt ihnen nun, ausgerechnet um den Verkauf von begehrter Hochtechnologie und erstklassigem Gemüse in die EU zu zittern. Die Palästinenser sollen unter derselben ökonomischen Drohung – der Streichung von Finanzhilfen – nicht zum Frieden gezwungen werden, das wäre ja unfair, aber immerhin zum „Verzicht“ auf das „Rückkehrrecht“. Als ganz raffiniertes Zuckerle stellt Brumlik dann beiden den EU-Beitritt in Aussicht – als wäre die EU derzeit ein Verein, dem man beitreten wollte. Mehr noch, man könne sich dann final auch an einer „würdigen Präsentation des Krieges von 1948“ beteiligen, „während dessen tatsächlich etwa 700 000 Palästinenser vertrieben wurden.“

Welche würdige Präsentation hätte Brumlik dann abschließend gerne? Antisemiten, Nationalisten, zu den Arabern geflohene Nazi-Größen und arabische Freischärler greifen von den Aufenthalten in KZ und Flüchtlingslagern noch ausgemergelte, weitgehend unbewaffnete Juden an und verlieren? Das wäre wahr aber kaum „würdig“ im Sinne palästinensischen Geschichtsbewusstseins. Ebenfalls wenig würdevoll wäre der historisch korrekte Verweis darauf, dass die absolute Minderheit der Flüchtlinge aktiv von israelischen Akteuren vertrieben wurde, dass hingegen ein Teil auch von den arabischen Armeen aus strategischen und ideologischen Gründen vertrieben wurde und der weitaus größte Teil das Land in der Hoffnung verließ, bald in ein von Juden gereinigtes Land zurückkehren zu können. Diesem komplexen Prozess kann sicherlich überall „in aller Würde gedacht“ werden – außer in Palästina. Was Brumlik allerdings androht, ist die Verkehrung eines solchen „Gedenkens“ in jene morbide Geschichtsklitterung, die er selbst seiner armseligen Konfliktanalyse angedeihen lässt.

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Quelle: Brumlik, Micha 2011: „Gott hat es versprochen. Vom Mantra zum Dogma – direkte Gespräche in Nahost.“ In: Die Tageszeitung vom 4.10.2011.

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