Piratenjagd statt Militärhilfe – zynisches Abschreiben Somalias

Europas Interesse an der Pirateriebekämpfung in Somalia deckt sich derzeit auffallend mit dem der islamistischen Milizen. Nachdem man bislang durch Nichtstun kollaborierte und daher der äthiopischen Armee den Sieg über die islamistischen Milizen wieder aus den Händen schlug, hat man derzeit nichts wichtigeres im Sinn als die Verfolgung von Piraten. Diese rücken deshalb in das öffentliche Interesse, weil sie wichtige Handelswege penetrieren – vom Big Business der illegalen Fischfangflotten vor Somalias Küsten ganz zu schweigen.  Dafür wird dann flugs investiert und die Entsendung von mehr als 1000 deutschen Soldaten angedacht.

Die Millionen Menschen, die in Somalia wieder unter dem Joch der Islamisten Betzwang, Drogenverbot und dem willkürlichen Terror der Rackets ausgesetzt sind, interessieren Europa ebenso wenig wie  die Drohung der Jihadisten, alle westliche Gesinnten auszurotten. Der Jihad in Somalia ist kein lokaler Konflikt in einem am Boden zerstörten Land. Er ist nur eine Front des jihadistischen Weltkrieges gegen  Juden, Individualismus und Frauen, der in Indien, Pakistan, Indonesien,  Nigeria, Afghanistan, Irak und Israel makabre Blutorgien feiert. Vor diesem Hintergrund sind die engstirnigen Überlegungen über Afghanistans Zukunft von Obama bis zur Linkspartei reine Farce – denn anscheinend hat man gerade nichts besseres zu tun, als einen neuen Fluchthafen für jene Jihadisten zu erschaffen, die man aus Afghanistan und Pakistan halbherzig zu vertreiben sucht.

Im Exorzismus an den Piraten versucht Europa im Konzert mit den Autokratien Russland und China jenen störenden Makel auszuwischen, der durch die rein ökonomischen Auswirkungen des Elends in Somalia entsteht. Der Druck der Piraten, die unter dem Zwang des Marktvakuums eine kontraproduktive, aber effektive Form der selbstorganisierten Entwicklungshilfe praktizieren, ist offenbar ein dringenderes Problem für Europa als die Siege der islamistischen Milizen, die mittlerweile vor Mogadischu stehen. Wen kümmern schon Steinigung, Zwangsehen, Genitalverstümmelung. Das bringt keine Einschaltquoten. Anders eine Flugzeugentführung von vor 30 Jahren:  7,34 Millionen Deutsche sahen das Dokutainmentprodukt „Mogadischu“ am 1.12.2008, während Mogadischu eine Geisterstadt ist, weil der Ansturm der Islamisten bevorsteht. Das von diesen produzierte Elend wird man wie im Sudan mit einem tränenumflorten Blick als Bussiness as usual akzeptieren. Treuäugig verweist man in Europa in der Weihnachtszeit auf das ewige Schlechte im Menschen, betet in Kirchen weihevolle Litaneien für die Wiederkunft Gottes und Frieden auf Erden, während man es sich als Pazifismus anrechnet, keine Soldaten in solche Regionen zu senden.

Literaturtip:

Machtkampf um Tanker „Sirius Star“: Somalias Islamisten gegen Piraten. In: tageszeitung 24.11.2008.

Mädchen gesteinigt.“ Berliner Zeitung, Frank Räther: 11.11.2008.

Bisherige Beiträge zum Thema auf „Nichtidentisches“:

Somalia – Islamisten rücken auf Mogadischu vor

Somalia hat Chancen

Islamisten fliehen aus Somalia

„The Mog“ is free

Äthiopien befreit Somalia

Somalia-Zahl der AU-Soldaten immer noch weit unter 8000