Black Robe (1991) – Ein kulturchauvinistisches und rassistisches Machwerk

„Die vielfach als besonders realitätsnah und detailgetreu gelobte Darstellung der Ureinwohner basiert auf umfangreichen Recherchen, historischen Untersuchungen und der Zusammenarbeit mit Ethnologen.“

Dass Arte.tv im Jahr 2020 den Film „Black Robe“ von 1991 unkritisch zeigt, erlaubt einen Einblick in die Fixiertheit des öffentlichen Bewusstseins von Rassismus und christlichem Chauvinismus.

Einige weiße Priester einer Jesuitenmission in Kanada werden als Identifikationsobjekte eingeführt. Einer von ihnen, LaForgue, will mit dem jungen Adepten Daniel eine entfernte Missionsstation bei den Huronen aufsuchen. Dafür erhält er eine Eskorte an indigenen Trägern und Scouts. Diese werden von Beginn an negativ dargestellt. Die Kinder haben permanent dreckverschmierte Gesichter, die Weißen hingegen strahlen vor Sauberkeit.

Die erste Szene der gemeinsamen Reise: der Protagonist LaForgue nimmt einem Kind (später noch einmal einem Erwachsenen) milde lächelnd eine Flöte aus der Hand nimmt, nachdem es vergeblich hineinpusten durfte. Kaum geht es ans Nachtlager, legen sich die indigenen Männer ungefragt zu den befremdet dreinblickenden Weißen unter die Decke – und furzen. Nichts spricht dagegen, Menschen als Menschen zu zeigen. Im Film jedoch furzt ein einziger Mensch und dieser furzt repräsentativ für alle Menschen aus Nordamerika: Die Botschaft: die Weißen furzen nicht. Das Publikum soll hier den Ekel der Priester teilen lernen, nicht den Mythos vom edlen Wilden hinterfragen. Die homosexuelle Konnotation der Szene wird auf eine anale Betätigung reduziert und damit zusätzlich Homophobie mobilisiert.

Die Zuschauer sollen auch nicht den Tauschzwang, den die Missionare in die neue Welt brachten, kritisieren lernen: dieser wird auf die Indigenen projiziert.
So reklamiert einer der Scouts den eigentlich zum Tauschen mit den Huronen vorgesehenen Tabak als Lohn fürs Paddeln und wird von LaForgue dafür angeherrscht, die „Indianer“ sollten lernen, zu planen und nicht nur in den Tag hinein leben. Das kann von einem gebildeten Publikum als Projektion gelesen werden – der Film kokettiert aber auch deutlich mit einer affirmativen Lesart, zumal die „tückischen“ Scouts intrigieren und den Priester später unehrenhaft im Stich lassen. Den begehrten Tabak, so die Botschaft, bringen die handelsbereiten Weißen den Indigenen und nicht umgekehrt.
Der Tabak wird dann doch herausgerückt – und symbolisch gegen Sex getauscht. Der junge und in seinem Glauben schwankende Adept Daniel erhält den Auftrag, den Tabak an die Scouts auszuzahlen und noch bevor er das tun kann, fällt die junge Squaw und Häuptlingstochter Annuka nach drei Sätzen Dialog über den jungen Priester her und küsst ihn ab.

Gespielt wird Annuka von der Sinokanadierin Sandrine Ho in ihrer ersten großen Rolle – später wird Sandrine Ho ihren Namen in Sandrine Holt ändern, um nicht ständig für „ethnische“ Rollen gecastet zu werden. Als sie in „Rapa Nui“ und „Whale Rider“ spielte, ist das weniger dem Umstand geschuldet, dass sie „indigen“ genug aussieht für diese Rollen, als vielmehr, dass sie noch weiß genug ist, um einem weißen Publikum als „schöne Indianerin“ zu gefallen, zuallererst Kevin Costner und Kevin Reynolds, den Regisseuren, die sie in diese Filme holten.

In Black Robe spielt Sandrine Holt die Pocahontas-Rolle der schönen Kulturvermittlerin. Vermitteln muss sie aber primär in ihrer eigenen Kultur: Rassismus wird vollständig auf die indigenen Schauspieler projiziert; deren chauvinistische Urteile werden, wie das Publikum weiß, von der Geschichte blutig gestraft.

Dasselbe weiße Publikum soll sich dann wieder eifrig für seine Erfindungen von den Indigenen bestaunen lassen: Ihr Häuptling sei eine Uhr, die ihnen sage, was sie zu tun hätten, die Bücher Zauberei, Schiffe Inseln aus Holz – die Indianerliteratur ist voll mit diesem Staunen, das für die Stabilisierung der weißen narzisstischen Psyche enorme Bedeutung hat.
Daher werden in „Black Robe“ auch medizinische Kenntnisse anachronistisch zurückprojiziert. Der Priester inspiziert eine Pfeilwunde und weiß er sofort: Der Pfeil darf nicht herausgezogen werden, der Häuptling würde sonst verbluten. Ausgerechnet der Weiße weiß das, der mit Pfeilen vermutlich nie zu tun hatte, der „Indianer“ jedoch weiß es nicht.


Der Puritanismus der Weißen wird durch eine freizügige Sexualität nicht in Frage gestellt wie etwa in „Dancing with Wolves“, sondern erhält ein Gegenmodell, das dem Publikum eine Art Mittelmaß anrät.
Im Paradies gibt es weder Tabak noch Frauen? Die „Indianer“ wenden sich mürrisch ab. Und als Annuka einen Irokesenkrieger zum Sex vor den anderen Gefangenen verführt, um ihn dann mit einer Keule während dem Akt bewusstlos zu schlagen, soll das Publikum lernen, dass die Sexualität der „Indianer“ schon auch kontrolliert gehört.

Völlig projektiv ist der Umgang mit indigener Religion. Diese wird auf Hexenglauben reduziert – während zeitgleich, zwischen 1630 und 1660 die europäischen Hexenjagden noch einmal einen Höhepunkt erreichten. Im Film aber sind die „Indianer“ ständig auf Hexenjagd. Auf einen bloßen Traum hin soll der Priester LaForgue getötet werden. Besonders übel ist die Rolle des Schamanen. Er wird von einem Kleinwüchsigen gespielt, der sofort auf den Weißen losgeht und ihn als Dämon beschuldigt. Darin erschöpft sich seine Rolle: Ein permanent mit heruntergezogenen Mundwinkeln grimmig herumtanzender bemalter Fiesling, der ständig „Hexerei“ ruft und noch den Mann, der ihn herumträgt, mit Püffen antreibt.

Kleinwüchsige erhalten in Filmen selten nichtstereotype Rollen: Hier trifft Stereotypie der Kleinwüchsigkeit auf eine aus Comics sattsam bekannte Karikatur von Schamanen und indigenen Priestern. Diese werden klein gezeichnet, um sie in ihren magischen Drohgebärden schwach und lächerlich zu machen. Ums Lächerlichmachen geht es auch mit dieser üblen Karikatur. Als der Schamane fortfährt, den Priester als Dämon und Hexe zu titulieren, spritzt ihn der Weiße souverän lächelnd mit dem Paddel nass. Ein Lacher für ein weißes Publikum.

Natürlich braucht ein Film 1991 auch ein paar „reflexive“ Dramen: So lernt der Priester am Ende, dass er seine Religion auch „vermitteln“ muss und den „Wilden“ nicht aufzwingen darf. Eventuell ist man auch in der Prüderie zu unflexibel ausgelegt. Deutlich unterstrichen wird aber der generelle Überlegenheitsanspruch der weißen „Zivilisation“.


Der Häuptling der Irokesen tritt auf dem Höhepunkt des Films als Bösewicht schlechthin auf. Ihn interessiert an den Gefangenen nur das Gewehr und sofort geht es zur Folter: Fingerabschneiden mit Muscheln. Mit christlichen Gesängen stärken sich die Gefolterten und um sie zum Schweigen zu bringen, schneidet der Häutling vor ihren Augen einem gefangenen Kind die Kehle durch.

Kriegerische Auseinandersetzungen und Gewalt waren Bestandteil der Geschichte der Indigenen Nordamerikas – jedoch wird hier Geschichte darauf reduziert, um die weiße Kolonisierung sinngebend zu verbrämen. Der Vater Annukas zweifelt daher an seinen gewalttätigen „Brüdern“, den Irokesen, die wie alle Indigenen „keine Menschen“ seien.

Halb zum Christentum bekehrt stirbt er an einer Pfeilwunde im Schnee und zu schalem Kirchengebimmel erscheint ihm noch im Sterben eine Indianermaria.
Symbolisch für alle „Indianer“ stirb er, der Häuptling, während seine Tochter aus der sexuellen Gewalt der anderen Indigenen gerettet wird. Daniel, vom Priestertum abgefallen, bleibt bei ihr, mit dem Segen LaForgues: Die Frau müsse ja versorgt werden. Als bräuchte nicht Daniel ihre Hilfe mehr als sie.
Am Ende bietet der Priester Christentum nicht als Medizin, sondern als Glauben. Kaum tauft er jemanden, zeigt sich ein erlöstes Lächeln. So wird auch Daniels kulturrelativistischer Zweifel am christlichen Paradies widerrufen: Es ist eben doch das Christentum, das erlöst.

Der Film zeigt nicht Rassismus, sondern er zeigt rassistisch. Er zeigt nicht einen Austausch von und über Kultur, zwischen Individuen mit Biographien, sondern er bestätigt in seiner Eintönigkeit und in seiner Fülle von Ressentiments nichts anderes als eine weiße Kultur chauvinistischer Darstellungen indigener Gesellschaften: Ein weißer Heros tritt einem Kollektiv aus Karikaturen gegenüber, lernt dieses oder jenes dazu, behält aber im Kern recht.

Die Taufe bringt erlöstes Lächeln im Tod.




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