Terra preta – humoses Glücksversprechen

Dass die Wertschöpfung auf zwei Achsen ruht, wusste Marx sehr gut. Nicht nur die Arbeitskraft des Menschen, auch die drastische Vernutzung von natürlichen Rohstoffen wird im „Kapital“ benannt. Manche vermeintliche Ökorevolution, die sich als Langzeitsicherung des Verwertungsprozesses anbiederte, entpuppte sich im Nachhinein als Verschlechterung. Palmöl beispielsweise wurde unter anderem von den Grünen als nachwachsender Rohstoff auf die Agenda gesetzt und massiv subventioniert – mit dem Ergebnis der Verwüstung indonesischer Wälder für Palmölplantagen. Den zurückbleibenden Orang Utans bleibt nicht anderes als die Palmensprosse abzuknabbern – wofür sie von den Plantagenarbeitern gefangen, getötet und verkauft werden.

Nun soll eine Wiederentdeckung – Terra Preta genannt – die Welt retten. Terra Preta soll gigantische Erträge ohne Dünger liefern und nachwachsen. Terra Preta ist im Prinzip ein oridinärer Humus, der mit Holzkohle angereichert wird. Dass prähistorische Siedlungen solche Böden produzierten ist eigentlich eine recht simple Schlußfolgerung, deren empirischer Nachweis kaum anstrengend gewesen sein dürfte. Man jubelte über solche Böden am Amazonas, unterschlug aber, dass der Brandrodungswanderfeldbau im Prinzip nichts anderes bedeutet, als Holzkohle in den Boden einzubringen. Hinzu kommen Flussniederungen, an denen auch im Amazonas reichlich Humus angeschwemmt wird, der mit der überaus verbreiteten Technik der Fäkalienzugabe längerfristig haltbar gemacht wurde. Dass sich hier noch Knöllchenbakterien ansiedeln, die Stickstoff aus der Luft binden und Pilzmyzele kräftig arbeiten ermöglicht wie überall das Anwachsen einer Humusschicht, sofern Erosion unterbunden wird. Aus dem gleichen Grund wird Leguminosenanbau und Gründüngung noch in der konservativsten Bauernzeitschrift propagiert. Eine „geniale“ Entdeckung ist das Ganze nicht – lediglich die Zugabe von Holzkohle und die in weiten Teilen bereits vorher erfolgte Erforschung ihrer Funktion als Puffer und Speicher für Nährsalze ist bedingt innovativ.

Die Avantgarde solcher Entdeckungen sind stets KleingärtnerInnen. Die vergruben schon immer Hochmoortorf im Garten, um ihr grünes Paradies mit Azaleen und – man ist im Geiste immer der Krise verpflichteter Selbstversorger –  Blaubeeren zu bestaunen. Im nahegelegenen abgetorften Moor starben dafür Sonnentau, Wollgras und arktische Moosjungfer aus. Nun kommt Terra Preta in Mode und man fragt sich als Skeptiker: Woher wird diese Holzkohle kommen?  98% der in Deutschland verbrauchten Holzkohle wird importiert – aus Argentinien, Paraguay, Polen und tropischen Ländern. Natürlich wird das begeisterte avantgardistische KleingärtnerInnentum nicht aus dem verbuschenden Trockenrasen von nebenan kratzige Schlehen schlagen und im Garten verkohlen. Die Gartenbank ist aus Tropenholz, Regale und Fensterrahmen ohnehin. Wieso nicht auch die Gartenerde? Ein neues Auto zu kaufen und Holzkohle im Garten zu vergraben ist attraktiver als einen Wald zu pflanzen, den man niemals zu Gesicht bekommt. Die Entwaldung ganzer Landstriche hat allerdings einen stärkeren Einfluss auf lokale Wasserhaushalte als jeder Klimawandel.

Im Tschad ist die Verwendung von Holzkohle bereits offiziell verboten. In Ghana ist Holzkohle wie in den meisten afrikanischen Ländern der dominierende Energieträger. Ein mannshoher Sack davon kostet 4 Euro und reicht einer kleinen Familie etwa einen Monat, vielleicht zwei. Weite Teile Nordghanas sind durch – weitgehend ineffiziente – Verkohlung und Jagdfeuer zu Buschland degeneriert, das tropische Grün im Süden besteht bei näherem Hinsehen aus nur etwas üppigerem Buschland und Sekundärwald – der in der nebenstehenden Grafik leider etwas undifferenziert ebenso gelb gezeichnet wird wie die Monokulturen, Plantagen, Äcker und Steppen. Holzeinschlag in die verbleibenden geschützten Wälder findet hier unter schwerer Bewaffnung statt, Sklaverei und extreme Ausbeutung sind in solchen kriminellen Unternehmungen  wie bei der Fischpiraterie die Regel. Die Elfenbeinküste verfügt nur noch über 2% Primärwald, 99% der Schimpansenpopulation sind verschwunden. Und durch das Zusammenspiel von Marktwirtschaft und korrupten Eliten wird die entwaldete Fläche nicht etwa in Terrassen oder irgend fruchtbaren Ackerboden umgewandelt. Die Vernutzung von entwaldetem Land schreitet sehr viel schneller voran als im gemäßigten Klima. Das sind Probleme, die weitaus konkretere, berechenbarere Ursachen und Folgen haben als ein moderner Dämon wie Klimaschwankungen.

Israel  ist übrigens Vorreiter in der Trockenwald-Forstwirtschaft – am Rande der Negevwüste breitet sich neuerdings der trockenste Wald der Welt aus.