Spielbergs München

Zur Free-TV-Premiere eines überaus sehenswerten Schwachsinns am Sonntag hole ich mal einen meiner ersten Artikel aus dem Keller, dessen etwas holzschnittartige Dürftigkeit man verzeihen mag, die Kritik bleibt davon hoffentlich unversehrt.

Spielbergs München

„Wir haben Spielberg verloren“, schreibt Jack Engelhard, „Spielberg ist kein Freund Israels, Spielberg ist kein Freund der Wahrheit.“

Jedoch, selbst wenn denn all das wahr gewesen wäre, wenn die zu Beginn des Filmes weiß auf schwarz eingeblendete Beteuerung, dieser Film beruhe auf wahren Begebenheiten, nicht vollkommen wahnhaft, suggestiv und überheblich wäre, was rechtfertigt die spezifische Darstellungsweise, die Spielberg wählt?


Nur zu klar wird von Beginn an, dass Geld und Judentum das Gleiche bedeuten. Ohne Geld kein Judentum, keine jüdische Rache, kein „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Akribisch werden Avner die Eliminierungen in Geldscheinen aufgerechnet. Jede Information wird erkauft, einige wenige gibt es kostenlos, er sagt, er fühle sich lediglich einem Schließfach in einer Schweizer Bank verpflichtet, wo er sein Geld bekommt, und letztlich muss er für alles eine Quittung bringen. Der Schatzmeister des Mossad, der dies von ihm erwartet ist merkwürdigerweise der einzige, dem die Synchronisierung einen „Akzent“ verpasste (oder täusche ich mich da?), merkwürdig insbesondere deshalb, weil er laut Film ein in Israel geborener Jude ist.
Soll hier ein Jiddeln mit dem Job eines Kassenwarts, einem Geldverwalter identifiziert werden? Ist dies der deutschen Synchronisierung zu verdanken oder von Spielberg abgesegnet?

Nicht nur zum Geld haben die Juden in Spielbergs „München“ eine besondere Affinität, sondern auch zum Blut. Blut spritzt stets reichlich in die Kamera, Blutsbindungen zu Israel werden von Avners Partner beschworen, Blut klebt an allen Händen.
Als die nervigerweise über den ganzen Film entzerrte Terrorszene im blutigen Fanal endet, läuft das im Film synchron mit dem Akt zwischen Avner und seiner Frau. Avners Vision vom Terrorfanal vergällt ihm den Orgasmus, ist aber genauso geeignet den Akt immerhin über zwei Minuten andauern zu lassen.

Völlig in nicht weiter versteckten Wahn gleitet Spielberg in den Fragestellungen nach Sinn und Ursache des Terrors ab. Da wird die Frage nicht beantwortet, ob denn hinter allem die CIA oder der Mossad stecke, ob hier nicht ein doppeltes Spiel getrieben werden, ob die PLO letztlich nur ein Spielball beider sei. Teilweise
beantwortet wird immerhin die Frage, warum Avner scheitert. Sein Hauptziel, der Drahtzieher der Anschläge, wird von der CIA geschützt, von da an geht es stets bergab, alle seien Mitkämpfer werden mysteriös ermordet, und Rache treibt sie auch dazu, eine Auftragsmörderin nackt mit umgebauten Luftpumpen zu ermorden. Hier ist Sex, Blut und „jüdischer“ Rachedurst zur Kristallisation getrieben, hier wird deutlich, was Spielberg von der ganzen Geschichte hält.

Rein bleibt nur der mysteriöse Familienclan. Hier wird an christlicher, patriarchaler Metaphorik kaum gespart, das Tischgebet solle erst Avner, dann der Sohn und schließlich, weil beide scheitern, doch der Vater sprechen.
Das Ideal einer Famlie, die zwar überlegen an Information und Moral ist, aber nicht darin abgleitet, sich selbst die Hände schmutzig zu machen, das eines (möglicherweise auch drusischen Idealen folgenden) jüdischen Exils, einer überlegenen Schwäche, ist wahrscheinlich Spielbergs Ideal von einem Judentum, einer „positiven“ Projektion der im Hintergrund sitzenden, aber aufgeklärten eigenen Zielen folgenden Strippenzieher.

Der Clan organisiert letztlich das, was man einen Dialog der Kulturen nennen könnte, in einem Versteck stolpern PLO-Terroristen über die jüdischen Agenten, die sich als RAF ausgeben. Im Gefolge der Verwirrung entsteht das,was die Welt so gerne hätte, eine subtile Zuneigung zwischen zwei rational argumentierenden Menschen, die beide nur unterschiedliche Interessen haben. Avners Gegenrede bleibt aber dünn, am Ende wird er am Tod des Gesprächspartners Teil haben und entsetzt über die Wirren des Schicksals sein.
In Newsweek meinte Spielberg dazu: „So viele Fundamentalisten in meiner eigenen Gemeinsschaft, der jüdischen Gemeinschaft, sind sehr böse, daß ich den Palästinensern erlaubt habe, einen Dialog zu führen und daß ich es Tony Kushner erlaubt habe, Autor dieses Dialoges zu sein.“
Böse, böse Israelis, und nett, dass er Tony Kushner diesen Dialog „erlaubt“.
„Einige Kritiker sehen einen Beweis für die israel-feindliche Ausrichtung des Films in dem Ko-Drehbuchautor Tony Kushner , der als ausgewiesener Anti-Zionist die Gründung Israels als Fehler bezeichnet hat. Die antizionistische Ausrichtung des Films wird laut Kritikern wie etwa Krauthammer auch darin deutlich, dass Avner und seine Familie Israel verlassen und in die USA übersiedeln, „an den einzigen Ort“, wie Krauthammer ironisch bemerkt, „an dem echte Juden mit Anstand und Feingefühl eine Heimat finden“.“

Sicher ist dem Film nach, dass Israel kein sicherer Hafen ist, dass der Mossad eine fiese, menschenverachtende Organisation ist, die ihre Agenten zu doppelten Spielen missbraucht und psychisch wie physisch verheizt. In den USA ist demnach auch nicht der Terror Avners Feind, sondern der Mossad. Hier brüllt er den Botschafter an, dass er „auspacken werde“, was auch immer er an mysteriösen, kriminellen Zusammenhängen durchschaut haben mag, bleibt dunkel, der Zuschauer aber weiß: Da war mehr, als gezeigt wurde, der Mossad spielt falsch. Die dürre Argumentation des Rachefeldzuges kristallisiert in der erbärmlichsten Szene des Filmes, der Monolog Golda Meirs. Was real als Abschreckung, als Zerschlagung von Infrastruktur, als letzte bleibende Gerichtsbarkeit nach der Freilassung der Attentäter geplant wurde und war, reduziert Spielberg auf ein antisemitisches Ressentiment, es gehe den Israelis in allem nur um Rache, um „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Dass die Militärschläge wie die Attentate weitaus mehr und anderen Inhalt haben, muss geleugnet werden in dem Wahn, durch rational choice Antisemitismus erklären zu wollen.
„Spielberg geht es in seinem Film folgerichtig nicht um die Schuld von Personen, es geht ihm um die Entlarvung der unmenschlichen und überdies inadäquaten Mechanismen einer „Auge um Auge …“-Philosophie, deren ständiger Teufelskreis durch das Bild der Twin Towers gegen Ende des Films illustriert wird.“
So weiß es die deutsche Filmkritik besser, und ein „ständiger Teufelskreis“ und eine inadäquate jüdische Philosophie sei das, was einen Frieden verhindere, und was demnach mit notwendigem Zwang zum 11.9. führe. Das Gift hat schon gewirkt.

Hintergrundinfo:
„Nachdem am 29. Oktober 1972 die sich in deutschem Gewahrsam befindlichen Gefangenen des Olympia-Attentats nach der Entführung eines deutschen Flugzeuges ohne Konsultation Israels erfolgreich freigepresst wurden, schickte Israel unter dem Decknamen „Operation Zorn Gottes“ ein Killerkommando auf den Weg, elf Hintermänner des Olympischen Attentates zur Strecke zu bringen.“

tagesspiegel

Zmag

3.4.06 19:18

28 thoughts on “Spielbergs München

  1. Sehr guter Beitrag.

    Ich sehe es mir eben in ORF1 an.

    Deine oben gemachte Bemerkung „Nur zu klar wird von Beginn an, dass Geld und Judentum das Gleiche bedeuten. Ohne Geld kein Judentum, keine jüdische Rache, kein “Auge um Auge, Zahn um Zahn” trifft es genau.

    Mir reichten eigentlich eine Filmbesprechung vor Wochen (Ich weiß nicht mehr, von wem) und jetzt die 15 Minuten auch schon.

    Stereotypen allenthalben. Hab‘ schon wieder umgeschaltet.

    Traurig, dass jemand, der in seinem Film „Schindlers Liste“ so viel Empathie vermitteln konnte, derart abgleiten kann.

  2. Ein sehr lesenswerter Beitrag wie ich finde. Ich hab nach deinem Text den Film gesehen. Ich finde du überinterpretierst einiges, aber ich kann das jetzt nicht ausführlich darlegen, vielleicht müsste ich ihn mir nochmal anschauen.

    Versteh mich nicht falsch. Aber es könnte doch auch sein, das die verstärke Sensibilät auch unbewußt Dinge in die Richtung interpretiert, wie sie vielleicht nicht gemeint sind. Ist nur so ein Eindruck.
    So einen Film hätte man fast über jeden Konflikt, Attentat usw. drehen können. Und die Kritikpunkte wären wohl immer die gleichen.

    Bei dir kommt immer das Bild eines Rezensenten, der zu erhöhten Blutdruck hat vor lauter Aufregung und Empörung:-)
    Daher empfehle ich dir einen Film zum Lachen über einen israelischen Anti-Terror-Kämpfer (Adam Sandler) der jetzt Friseur werden will:
    You don’t mess with the Zohan
    Ich empfehle übrigens die Orginalversion.

  3. Ich interpretiere nicht eine antizionistische Grundhaltung in den Film, die Zitate v. Kushner etwa sprechen ja Bände.
    „So einen Film hätte man fast über jeden Konflikt, Attentat usw. drehen können.“ Hätte man das? Und ist das eine Entschuldigung oder verschärft das noch die Kritik?

    Es gibt übrigens noch eine üble Symbolik, auf die mich irgendwer irgendwann aufmerksam machte: Beim ersten Attentat fällt eine Flasche Milch auf den Boden und Milch vermischt sich mit Blut. Die Botschaft an alle, die mit irgend orthodoxem jüdischen Hintergrund aufgewachsen sind, ist sonnenklar: Das ist nicht koscher…

    Zohan muss ein ziemlicher Schwachsinn sein, habe die Rezension in der JA gelesen. Weiß net, ob ich über sowas lachen kann, meistens sitze ich entsetzt im Kino und der Saal brüllt vor Lachen.

  4. Ich habe den Streifen auch gesehen. Was du da vorträgst ist einfach ein Quatsch sondergleichen. Nur weil der Avner vom Mossad über ein Schweizer Konto bezahlt wird ist daß doch keine antisemitische Darstellung – oder meinst du die bekommen ihre Informationen für lau?
    Der ganze Vorwurf dieser Film sei antizionistisch ist ein Witz. Wo werden denn z.B. die Hintergrunde des jordanischen Schwarzen September gezeigt? Wieso wird nicht gezeigt wie Israel die Flüchtlingslager (wieder einmal) bombardiert im Gefolge des Olympia-Attentats? Warum wird Avner zum liebevollen Vater stilisiert der aber gleichzeitig notwendige Arbeit, also Terroristenhatz, eiskalt durchführt?

    M.E. nimmt der Film überhaupt keine Partei; er verzerrt aber zudem die Wahrheit in dem die palästinensische Geschichte nicht zur Sprache kommt; das Mossad-Kommando hingegen ballert sich fröhlich durch halb Europa (mit Lizens einer mehr als milde dargestellten Golda Meir).

  5. @nicht-id: man kann den schluss natürlich auch ganz anders interpretieren: trotz des terrors und all des blutes, das geflossen ist, siegt schlussendlich der (über)lebenswille. in der szene werden doch ganz klar tod und leben gegenübergestellt.

    der christliche familienclan wird doch als durch und durch scheinheilig dargestellt, ganz besonders in der szene, in der das tischgebet gesprochen werden soll. die familienidylle besteht doch nur, weil mit gewalt handel getrieben wird.
    die rechtfertigung der gewalt ist dann ja auch bei dem pate wie auch beim palästinenser (und auch den israelis) der wunsch nach einer heimat und sicherheit (der familie).

    Spielberg geht es in seinem Film folgerichtig nicht um die Schuld von Personen, es geht ihm um die Entlarvung der unmenschlichen und überdies inadäquaten Mechanismen einer „Auge um Auge …“-Philosophie, deren ständiger Teufelskreis durch das Bild der Twin Towers gegen Ende des Films.

    ich sehe das tatsächlich auch so. es ist ja keinesfalls so, dass der palästinenser, mit dem avner das gespräch führt, nicht als simpler nationalist enttarnt würde (zudem ist er hässlich, sein auge ist entstellt, falls dir das nicht aufgefallen ist – das erfüllt ganz klar auch eine funktion; es wird doch auch klar, dass er nicht bereit ist, den krieg einzustellen). dass du das auge-um-auge gleich derart assoziierst, ist in dem fall vllt einfach nur dein persönliches problem. das ist doch die herkömmliche lesart der antisemiten. bei dir ist es eben umgekehrt. (die frage ist doch u.a., ob sich diese floskel nicht längst verselbständig hat und von den meisten menschen – wie zB das h&m-palituch in bezug auf israel – gar nicht mit dem judentum in verbindung gebracht wird.)
    und was für einen sinn hätte denn das personalisieren? ansonsten ist personalisieren doch auch nicht deins?

    by the way: der satz bricht ab. wie sollte der denn weitergehen?

    zusatz:

    @narodnik: du meinst, er ist dir nicht antisemitisch genug?

    mich hat selten etwas so genervt wie dieses ständige juden-zu-antisemiten-erklären. alle juden, die israel. politik in gegenwart und vergangenheit auch nur ein bisschen kritisch sehen, werden von so genannten antideutschen als nicht-korrekte juden (also solche, die sich ihrer pflicht als juden (noch) nicht bewusst sind) diffamiert. dann sind sie zum schluss noch mitschuld am antisemitismus. – haha, da wird dann die argumentation leider zu einer antisemitischen.

    M.E. nimmt der Film überhaupt keine Partei

    so sehe ich das auch. (die fortsetzung narodniks unterschreibe ich aber nicht.)

  6. Der Film nimmt Partei gegen den Mossad, stellt die These auf, die Agenten würden von diesem für dunklere Spiele verheizt, behauptet, die CIA würde den Top-Terroristen schützen (was ja nicht mal völlig undenkbar ist, aber eben jenem deutschen Schuldableiterbedürfnis nur zu gut passt), und unterstellt das Motiv der wollüstigen Rache als alleiniges hin – Wogegen real Abschreckung und Zerschlagung einer terroristischen Infrastruktur im Vordergrund standen.
    Das „Auge um Auge“ ist eine der tiefsitzendsten antisemitischen Lehrsätze, die einem in jedem Forum als Moralurteil über die Politik Israels entgegengeworfen werden, gleich nach dem Nachweis, das „auserwählte Volk“ sei per definitionem rassistisch.
    Die Triade Blut, Geld und Sex wird in der Tradition des antisemitischen Films als Symbol des Jude-sein‘ vermengt. Rest – siehe Beitrag.

    Der abgebrochene Satz geht auf einen Übertragungsfehler zurück, danke für den Hinweis!

  7. Der Schatzmeister ist kein gebürtiger Israeli, sondern aus der Ukraine, „ein alter Galizier“, wie er selbst sagt, und was Geldwirtschaft angeht, ganz traditionell eingestellt (das dicke Buch, das er am Ende zuschlägt, paßt gut ins 19. Jh.). Ein alter Galizier, bei dem sich alles ums Geld dreht. Naja. Ein solcher würde sich vielleicht garnicht so nennen, weil ihn Antisemiten schon zu oft so nannten. Und das wäre sicherlich auch keiner, bei dem 600’000e inoffiziell durch die Hände gehen sollten. Aber im Film hat eine solche Person eine zentrale Rolle in einem modernen Geheimdienst, während in der Realität sie höchstens bei den Bilanzen eines mittelkleinen Unternehmens helfen könnte. Das Gesicht dieses „alten Galiziers“, so halb angeleuchtet, halb mit Schatten bedeckt, der von Quittungen redet, als ob es ohne diese eine Information („ich brauche Quittungen“, wie Avner später andere genauso anschreien wird) überhaupt nicht gehen würde und die beim ersten Treffen nur dahergeredet erscheinen müßte, muß einen Antisemiten ansprechen; dazu eben der ukrainische Akzent. Extra wird in dieser zweifelhaften Atmosphäre noch hervorgehoben, daß die Rache Israels gleichsam von Schmarotzern und Ausbeutern durchgeführt wird: „Was auch immer Sie tun, jemand anderer bezahlt dafür“, sagt der Schatzmeister zu Avner. Je nach dem wie die Übersetzung ist, kann dies ja noch ein Schlüsselsatz der Terrorspiralenthese des Films sein. Damit wird ihm im doppelten Sinn der Freibrief, sich austoben zu dürfen, gegeben. Ansonsten sind noch mehrere Personen in der deutschen Fassung mit Akzent.

  8. Daß das Blut/Milch-Motiv beabsichtigt ist, dafür spricht auch die auf die Szene unmittelbar folgende Unterhaltung im Café über das Pessahfest. Zusammen ergibt das eine Art religionstheoretischen Einschub. Das Killerkommando Israels wird damit in die Nähe des Todesengels gerückt, der die Häuser heimsucht, die nicht angestrichen waren. Statt Ägypter trifft es Palästinenser, unmittelbar im Eingang hinter der Tür. Die Spirale dreht sich, so die Aussage, seit Jahrtausenden und das sei nicht koscher.

  9. Der Satz aus dem Altertum von wegen im Nahen Osten ginge es doch »Auge um Auge, Zahn um Zahn«, daß also sowohl Juden als auch Araber immer wieder auf Rache sinnen und es deshalb keinen Frieden geben könne ist keine antisemitische Aussage unmittelbar, vielmehr ist das ein Ressentiment gegenüber dieser historischen Weltregion.

    Und daß der Mossad nicht als gute Sache dargestellt wird, ist dein Problem als Mossad-Fan. Im übrigen sei mal erwähnt daß der Film halb-fiktiv ist – daß es wohl ziemlich langweilig wäre 3 Stunden einem Mossad-Kommando zuzuschauen ohne Verwicklungen.

    Aber vom Filmemachen hast du wohl noch weniger Ahnung als von kritischer Theorie, du abgehalfterter Marburger du!

  10. Mag sein, dass das für manche langweilig wäre. Deshalb drehen verantwortungsvolle Filmemacher ja auch Filme auf fernen Planeten mit fiktiven Figuren und behaupten nicht, dass ihr Mist die Wahrheit nachempfinden würde.

    Das „Auge- um- Auge“ ist nicht nur Ressentiment, als solches wäre es harmlos wie jene über Beschneidungszeremonien. Sondern es ist schon die Legitimierung der eigenen Unmenschlichkeit gegenüber solchen, denen man ein solches Prinzip unterstellt. Wo der Jude als rachsüchtig interpretiert wird, legitimiert man erfahrungsgemäß die eigene Rachsucht diesem gegenüber, genauso wie der Vorwurf des Auserwähltseins die Auswahl als Opfer legitimieren soll: Solche hätten es eben nicht anders verdient.

    Des weiteren: Man muss kein „Fan“ des Mossad sein, um die Attentate nachvollziehen zu können – etwas, dem sich der Film imho strikt verweigert.
    Ich persönlich lehne die Todesstrafe ab und kann es dennoch ertragen, mich über die „Operation Zorn Gottes“ nicht in dieser Weise moralisch zu entrüsten.

  11. Am Ende oder so wird aber ein Text eingeblendet der beiden Seiten ein Rachebedürfnis unterstellt in der es kein Vergeben gibt. Das ist nicht einseitig auf Israel bezogen, sondern als abstrakte Sicht auf die ganze Region. IMHO verweigert sich der Film einer Parteinahme und will zeigen wie die Gewalt zum Selbstläufer wird.

  12. dieses „auge um auge“ stammt ja nicht einmal aus dem film, sondern aus der feder eines filmkritikers. wen rezipient/innen das so wahrnehmen, kann der filmemacher zunächst mal gar nichts dafür. oder sollen jüd. filmemacher/innen jetzt auf kritik an israel. regierungspolitik verzichten, nur weil es durchgeknallte antisemit/innen gibt? (obwohl ich ja an dem antisemitismus zweifle, so wie auch beim h&m-palituch.)
    ist es denn die aufgabe der jüd/innen, den antisemitismus zu bekämpfen? müssen sie sich jetzt immer einschränken in ihren äußerungen? – das ist doch ein witz!

  13. das hieße ja, jüd/innen abzuverlangen, dass sie sich in hohem maße daran orientieren, wie ihre äußerungen und handlungen jeweils bei den antisemit/innen ankommen (bzw bei den auf antisemitismus spezialisierten ADs, die antisemitismus mittlerweile ja auch im umweltschutz und der mülltrennung entdecken*.). also ein ständiges abwägen, ducken, anpassen.

    *Die Verpackung gilt in dieser Perspektive als etwas dem Gebrauchswert der Ware fremdes, sie tritt erst – parasitär – hinzu. … Dieser Diskurs setzt sich mühelos bis Anfang der neunziger Jahre fort, wenn er auch seine antisemitische Ausdrücklichkeit abstreift.

    da wird das „Jute statt Plastik“ zu ner antisemitischen parole. lieber mal alles vollmüllen. plastik als aufklärung!

  14. „das hieße ja, jüd/innen abzuverlangen, dass sie sich in hohem maße daran orientieren, wie ihre äußerungen und handlungen jeweils bei den antisemit/innen ankommen (bzw bei den auf antisemitismus spezialisierten ADs, die antisemitismus mittlerweile ja auch im umweltschutz und der mülltrennung entdecken*.). also ein ständiges abwägen, ducken, anpassen.“

    @lahmacun: Das von dir beschriebene Verhalten ist leider der Fall und wird in der Jüdischen Allgemeinen ganz gerne satirisch aufs Korn genommen.

    @narodnik: Genau das ist das Problem: eine unzureichende Konfliktanalyse kommt in so einem Langzeitkrieg natürlich zu dem Schluss: zum streiten gehören immer zwei. Was ich von diesem Lehrsatz halte, habe ich öfters an anderer Stelle kundgetan. Studiert man allerdings die Geschichte, so findet man Kriegserklärungen (und bewusst unrealistische Forderungen) von arabischer Seite ohne Ende und ständige Friedensangebote von israelischer Seite.
    Nochmal: für die Befriedigung eines bloßen Rachebedürfnis‘ hat Israel viel zu wenig Ressourcen und ganz andere Probleme.

  15. Jaja, die Araber sind alle böhse und die Israelis wehren sich immer nur tapfer. Deshalb trägst du wahrscheinlich auch die so Leute wie Moshe Dayan und seine Kameraden beim Durchschreiten des frisch eroberten Jerusalem als Avatar.

    Da hat jemand seinen Lieblingsstaat gefunden.

  16. von wegen gegen todesstrafe und moralische entrüstung gegen die operation:

    aufgabe eines geheimdienstes ist es die sicherheit eines staates zu gewährleisten und nicht die strafrechtspflege

    terroristen unschädlich zu machen und den anderen terroristen zu zeigen, dass auch ein rechtsstaat sich zu wehren weiß, ist absolut notwendig

    sollten wir einmal in einem weltstaat (eine UNO bestehend aus lauter demokratischen Verfassungsstaaten) leben, wo terroristen vor einem weltgericht bestraft werden könnten, wird man geheimdienste nicht mehr brauchen

    im moment ist die UNO ledliglich ein forum, in dem miese regime das große wort führen dürfen (durban II,…)

  17. Man sollte schon ein wenig besser unterscheiden zwischen den Intentionen Spielbergs und den eigenen Ressentiments.
    Die politisch vielleicht naiven Herangehensweisen von Spielberg und Kouchners Film mögen dem Herrn Kritiker nicht gefallen, aber dass man Juden antisemitischen Selbsthass an den Kopf wirft, weil sie ihre – zugegeben nicht besonders klugen – humanistischen Projektionen an Israel abarbeiten müssen, ist nicht wirklich sinnvoll.

    Israel ist was es ist, und die jüdische Tradition des europäischen Humanismus ist was sie ist, weil Selbstkritik einfach zum Denken dazu gehört. Die Tatsache, dass sich israelische Antizionisten wie Avnery manchmal im Ton vergreifen, heißt noch nicht, dass sie falsch liegen. In Israel ist Kritik an der Politik des eigenen Staates erlaubt, wenn auch nicht immer sehr beliebt. Diesen Wert, dass man das Eigene zuallererst kritisiert nimmt auch Spielberg für sich in Anspruch und dass er Rache/Vergeltung als moralisches Problem sieht, und weniger als eine Frage politischer Macht, tut dem Film keinen Abbruch.
    Das Wesentliche ist die Frage: Was macht die Rache aus dem Rächer?
    Avners Dilemma ist nicht die politische Rechtfertigung für sein Tun, sondern wieviel Distanz noch zwischen ihm und seinen menschlichen Zielen bleibt. Die paradoxe Antwort, die Spielberg auf dieses moralische Problem gibt, ist – wenig überraschend – Amerika. Nur in den USA können Juden leben, so wie sie leben wollen, (übrigens geht das auch vielen Europäern, Asiaten und Südamerikanern so.) Israel, das ist auch eine merkwürdige Wahrheit diese Filsm, ist ein Staat wie jeder andere auch. Das ist übrigens eine sehr interessante Gemeinsamkeit zwischen Antisemiten udn Antideutschen: für beide ist Isarel kein gewöhnlicher Staat mit Bevölkerung, Demokratie, Rassismus und Repressionsapparaten, sondern eine Anomalie der Geschichte. Was Avner aber herausfindet ist eben das: In Israel zu leben, heißt in einem sehr normalen Land zu leben, in dem die Normalität der Ausnahmezustand ist. Dass man der Figut nicht übel nehmen kann, sich von so einem Leben zu verabschieden, ist ein Ausdruck von Ressentiment.

  18. Ohjeh, nochmal:
    Spielberg will das Moment der jüdischen Rache in der Aktion sehen. Das ist eine Reduktion der israelischen Politik auf ein archaisches Gefühl, das sich natürlich leicht mit dem Zeigefinger denunzieren lässt. Es ging allerdings nicht um Rache, dann hätte der Mossad ja palästinensische Sportler entführen und ermorden können, sondern um a) Strafe und b) Verhütung von Schlimmerem: Daher wurden auf freien Fuss gesetzte Terroristen gejagt.
    Spielberg verdreht diesen Sachverhalt und bedient damit den Antisemitismus.
    Israel wird übrigens nicht als „normaler“ Staat gezeigt. Und die Verschwörungsmythologie im Film übergehst du auch.

  19. Du übergehst etwas ganz anderes: Das Problem, das der Film zeigt, ist die Asymmetrie der Vergeltung. Was genau an Schlimmerem hat denn die israelische Politik verhindert? Das Problem ist ja genau, dass die israelische Politik recht wenig damit zu tun hat, was terroristische Judenhasser umtreibt. Genauso wenig Effekt, wie ein Agreement „Land für Frieden“ hatte, (also israelisches Wohlverhalten) genauso wenig Effekt hat es Rollstuhlfahrer mit Raketen zu beschießen. Der politische Mord selbst ist – und das argumentiert Spielberg halt rein moralisch, aber trotzdem richtig – keine Politik. Wer glaubt, dass Schlimmeres als die Ermordung israelischer Sportler durch den Mord an Terroristen verhindert werden könnte, ist einfach naiv.
    Wenn Avner mit dem palästinensischen Terroristen darüber unterhält, wer eigentlich angefangen hat, ist das Dilemma auf den Punkt gebracht. Möglicherweise ist die Liquidierung von Terroristen die (kurzfristig) einzige Möglichkeit Attentate zu verhindern, aber Politik ist es eben keine, wenn die nächste Generation in den Startlöchern steckt. Da ist nicht adornitischer Slang gefragt, sondern pragmatische Handlungsfähigkeit. Es nützt nichts zu sagen, dass die Palästinenser als Kollektiv unfähig zu Friedensverhandlungen sind (was stimmt), wenn man nicht gleichzeitig sagt, dass die israelische Politik viel dazu beigetragen hat, sie unfähig zu machen.
    Die Jagd auf angebliche oder tatsächliche Münchenattentäter diente, und da liegt Avner in einer der letzten Szenen richtig, vor allem der Liquidierung der PLO Führung. Ob das richtig oder falsch ist, mag entscheiden wer will, vor allem die immer alles bessere Wissenden werden hier schon ihre Position finden. Was Spielberg in seinem Film aber sehr gut macht ist, zu sagen, dass das ein Problem ist.
    Und das Problem ist – neben der menschlichen Dimension, die Spielberg fast ausschließlich im Blick hat – dass die Vergeltung selbst niemals „die Richtigen“ treffen kann. Der Mord an den israelischen Sportlern – und hier setzt sich Spielberg in eine humanistische jüdische Tradition – kann nicht „gerächt“ werden, ohne die eigene Seele zu verkaufen. Das ist der Hintergrund des Dialogs zwischen Avner und seinem Bombenexperten.
    Es geht nicht darum zu sagen: die israelische Politik hätte nichts tun dürfen. Wer so dumm und niederträchtig ist, aus reinem Hass die olympischen Sportler eines Landes zu ermorden, darf sich über die Reaktion des Staates nicht wundern, aber die Tatsache, dass (im Film zumindest, vielleicht ist das alles ja nie passiert) der israelische Staat so reagiert, wirft neue Probleme auf, die über politische Moral hinaus gehen. Probleme, die man nicht mit verweisen auf Antisemitismus beantworten kann. Darüber kann man nachdenken, ohne in geifernde Attacken auf den jüdischen Selbsthass von Juden zu verfallen.

  20. In München wurde der Terrorismus erfunden, der uns alle bedroht, nichtzuletzt deswegen ist Spielberg wohl etwas korrekter mit der Geeschichte umgegangen als diejenigen seiner Glaubensbrüder die noch damit beschäftigt sind sich die Taschen zu füllen.
    Jede Stunde die ich auf einem Flughafen wegen Sicherheitskontrollen extra warten muss habe ich dem primitiven, rachsüchtigen und imperialistischem Regim zu verdanken welches seit Jahrzehnten ohne Augenmaß den Hass auf Jud en schürt indem es seine Gastgeber misshandelt.

  21. @Hochdorf
    mARBELLA pETE treibt ein hochgradig antisemitisches Beduerfnis, Juden fuer irgendwelche Sicherheitskontrollen verantwortlich zu machen, wenn er nicht gerade Palaestinenser in ihrem antisemitischen Stolz verletzt, indem er sie zu „Gastgebern“ des juedischen Staates degradiert, wo sie doch so viel darauf halten, die blutruenstigsten und schrecklichsten Feinde der Juden ever zu sein.
    Kurzum ist er oder sie einer jener Freizeitantisemiten, die nichts besseres zu tun haben, als ihre Guelle hier abzuladen.
    Zu Dokumentationszwecken bleibt es mal stehen.

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