„Niemandem gelang es besser, diese Paradoxie, die Wiedergutwerdung der Deutschen an den Flüchtlingen, besser auf den Punkt zu bringen als Karl Lagerfeld. „Wir können nicht Millionen Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen.” Wer dieser trivialen Aussage nicht zustimmen kann, der ist offenbar bereit, zwecks Aufnahme von Menschen in Millionenhöhe, die nur zum Teil tatsächlich verfolgt werden und denen zum größten Teil auch anders geholfen werden könnte – all dies könnte man mittlerweile wissen –, die Möglichkeit jüdischen Lebens dort preiszugeben, wo es einmal fast ausgelöscht wurde.“
Das schreibt Felix Perrefort auf der Achse des Guten und es ist nur eine Wiederholung der ewig gleichen zynischen Suggestion, Flüchtlinge seien „geholt“ worden und hätten sich nicht unter Lebensgefahr, durch das Mittelmeer, Kälte und Wasser dezimiert, und unter Aufwand von Kapital für Schlepper an jeder Grenze hierher gerettet.
Man hätte „anders“ helfen können, meint der Autor hier, und sagt aber nicht wie und wer. Anders hilft etwa die Organisation WADI e.V., die nicht das erste Mal feststellen muss, dass aus temporären Lagern für vom IS verfolgte Menschen dauerhafte Einrichtungen werden, während das internationale Interesse und damit die Gelder schwinden. Für solche „andere“ Hilfe wirbt Perrefort aber gar nicht erst: es geht ihm eher darum, dass „Andere“ und vor allem „woanders“ helfen sollen.
Allein der erste Teil der Aussage Lagerfelds ist trivial und wahr: „Wir können nicht Millionen Juden töten.“ Sobald der Nebensatz hinzutritt, wird aus ersterem eine Option. Wann kann man „Millionen Juden töten“? Wenn man danach nicht ihre Gegner ins Land „holt“? Ist es dann erlaubt? Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Was ist mit Schweden, Frankreich, England? Sollen die Millionen Judenfeinde ins Land „holen“ dürfen?
Lagerfelds unausgegorender Unmut ist schon im Ansatz falsch und dieses Falsche ist Ursache dafür, dass wenig Hoffnung auf Heilung vom Antisemitismus besteht: Weder in den Herkunftsländern von Flüchtlingen, die arabische Diktaturen bleiben, noch in Europa, wo man vom Gewordensein des Antisemitismus so wenig wissen will, dass man kein Rezept zur Re-Education von Millionen parat hat.
Wenn Europa nicht eine Million Flüchtlinge im Jahr gegen Antisemitismus bilden kann, wie soll es dann mit den Dezimillionen eingebürgerter und indigener Antisemiten verfahren können? Wie mit den gebildeten Antisemiten in den Universitäten, in den Zeitungen? Der Anti-Antisemitismus scheitert nicht an den Geflüchteten, sondern an den europäischen Eliten, am fehlenden öffentlichen Bewusstsein über den Antisemitismus. Es geht dem Anti-Antisemitismus von Rechts nicht um Aufklärung gegen Antisemitismus, sondern um bequeme, kollektivierende Lösungen, die mit Notständen gerechtfertigt werden sollen. Weil nicht wenige Antisemiten unter den Geflüchteten sind, soll man am besten alle in der libyschen Wüste oder im Mittelmeer oder am besten ganz „woanders“ sterben lassen. Das ist ohnehin Praxis, nur noch knapp 200,000 Menschen schafften es 2017 lebend bis nach Deutschland. Ein Großteil der Geflüchteten sitzt nun in der Türkei fest, wo sie nun den antisemitischen Reden des Islamisten Erdogan zuhören.
Die höhnische Rede von der „Wiedergutwerdung“ hat ihren kritischen Gehalt, den der Begriff im spezifischen Wandel vom Antisemitismus zum sekundären Antisemitismus einmal beanspruchte, längst verloren und verbreitet ausschließlich Hass auf den Humanismus der Flüchtlingshelfer, zu dem man nicht fähig ist und hinter dem man daher dieselben bösen Motive vermutet, die man selbst gegen Flüchtlinge hegt.
Perrefort fährt fort:
„Dass Weltoffenheit und Vielfältigkeit nur die ideologischen Schlagworte sind, mit welchen die Kritik an solchen Zuständen als Fremdenfeindlichkeit denunziert werden soll, dürfte mittlerweile genauso ersichtlich sein, wie das „Willkommenskultur“ geheißene Destruktionspotenzial einer an seiner nationalsozialistischen Vergangenheit erkrankten Gesellschaft, welches beispielsweise darin zum Ausdruck kommt, dass von der polizeilichen Kriminalstatistik empirisch belegten Gewaltkriminalität seitens der Zuwanderer geflissentlich geschwiegen wird.“
Der verstorbene Demagoge Udo Ulfkotte sprach vom „Vernichtungspotential“ der Einwanderer, hier wird aus Flüchtlingshilfe ein „Destruktionspotential“. Wie jeder Agitator suggeriert Perrefort, es werde über Gewaltkriminalität von Geflüchteten, die er im szeneüblichen Jargon als „Zuwanderer“ tituliert, „geflissentlich geschwiegen“. Als würde nicht jede CDU-Postille die Ausländerkriminalität beklagen, als wäre das Internet nicht voll von faszinierten „Berichten“ über angebliche und reale Vergewaltigungen. Wovon tatsächlich geschwiegen wird, sind humanistische Strategien, sowohl für die Kriege in Syrien und Jemen als auch für die Situation von Geflüchteten als auch gegen den Antisemitismus.