Krieg um Rohstoffe oder Nichtkrieg um Rohstoffe?

Johannes M. Becker, einschlägig bekannter Meinungsträger der kritischen Öffentlichkeit in Marburg an der Lahn, gehört zu denjenigen, die im Vorfeld und während des Krieges mit Saddam Hussein und den Nachfolgerackets am lautesten die Anklage vor sich hertrugen, der Krieg gegen Hussein und Taliban werde nur um Öl und andere Rohstoffe geführt.

Auf Veranstaltungen der Friedens- und Konfliktforschung wurden dann mehr der Verlauf von Ölpipelines und die Lage von Rohstoffvorkommen problematisiert als eine Analyse der islamistischen Ideologie oder der widersprüchlichen, hochkomplexen Struktur der mafiös-terroristischen Rackets im Irak geleistet. Klar war den Konfliktforschern stets: Dieser Krieg ist unmoralisch, weil der Irak zu einem der ölreichsten Staaten der Welt gehört. Ein reiches Land bekriegt man nicht ohne sich bereichern zu wollen – das wäre irrational.

Nun schwenkt Becker um und entdeckt erstaunt ein Phänomen, auf das die Angriffsbefürworter schon lange hingewiesen haben: Dass nicht der Krieg gegen den Terror sich ökonomisch auszahlt, sondern jene Neutralität, die es nicht gibt. Der Kritiker an Kapitalismus und der „Gier nach Öl“ ist nun auf einmal keiner mehr:

Nur zaghaft lösen sich SPD und Grüne aus der großen Kriegskoalition. Dabei gibt es durchaus Anreize für einen Politikwechsel: Im Irak schließt momentan China die größten Öl-Ausbeutungsverträge mit der erstaunlich souverän agierenden Regierung in Bagdad ab. Die Konzerne aus den Staaten der „Koalition der Willigen“ hingegen gehen zumeist leer aus. In Afghanistan erwartet sie die Abbaurechte für Kupfer und Eisenerz. Bekanntlich hatte sich Peking beiden Kriegen verweigert.

Becker ignoriert, dass nicht nur China, sondern viel früher noch die „Friedensmacht“ Deutschland eine hervorragende Ernte aus dem Krieg gegen Saddam Hussein eingefahren hat – die Weigerung, zusammen mit dem „großen Satan“ zu kämpfen hat die traditionsreiche Verehrung der arabischen Staaten für gewisse Deutsche nur noch gesteigert und deutschen Firmen ausgezeichnete Verträge beschert.

Becker ignoriert auch, dass in einigen Regionen im Irak auf Ölfelder gar nicht geboten wird – weil es den Ölfirmen noch zu riskant ist und weil die irakische Regierung selbst für chinesische Konzerne unattraktive Angebote macht. Das größte Ölfeld wird von British Petroleum und der China National Petroleum Organisation  im Konsortium geführt. Nicht etwa, weil China sich aus dem Irakkrieg herausgehalten hat, sondern weil die CNPO zusammen mit BP das beste und einzige Gebot für dieses Feld abgegeben hat. Konzerne, die noch keine Verträge im Irak haben, sind zumeist schlichtweg nicht interessiert. Mit den Erträgen, die die irakische Regierung abzuschöpfen hofft, wird ohnehin nicht viel mehr gefördert werden, als die in staatlichen Profitsystemen so übliche Korruption.

Becker interessiert zuletzt überhaupt nicht, dass eben jenes China, das er der deutschen Opposition aus noch dazu verfälschten Gründen als Vorbild empfiehlt, die Massenmörder im Sudan mit Waffen versorgt: Aus Gründen derselben Rohstoffethik, die Becker so attraktiv findet. Krieg oder Nichtkrieg – alles eine Frage des hinterher zu erwartenden Profits. Darin wird die Projektivität der Ideologie deutlich, die um den Irakkrieg bei weitem nicht nur von Becker gesponnen wurde. Die den USA unterstellten Zwecke der Kriegsführung waren schon immer die eigenen. Zum Glück setzen die USA ihre ökonomische und militärische Macht nicht annähernd so zweckrational ein, wie es Becker den Grünen und der SPD empfiehlt.

Quelle der nachfolgenden Grafik:

Joachim Guilliard, „Irakisches Öl – weiterhin nur begrenzter Zugang für Öl-Multis“ auf „Nachgetragen“:

Überblick über die 2009 vergebenen Verträge Serviceverträge für irakische Ölfelder

Ethnologisches zum Sudan

Der Südsudan war vor der vom Westen geduldeten Verwüstung Darfurs Schlachtfeld der ersten zentralen militärischen Auseinandersetzung des islamistischen Sudans mit seinen selbstgewählten Gegnern. Fritz W. Kramer, ein sich durch Integrität und kritisches Denken auszeichnender Ethnologe, liefert in seinem Aufsatz „Krieg in den Nubabergen – Über Loyalität, Religion und Gewalt“ eine kompakte Beschreibung der ideologischen, militärischen, kulturellen und geographischen Faktoren dieses Krieges.

Als solche benennt Kramer den Sturz des äthiopischen Mengistu-Regimes, das  durch seine Kampagne  „Roter Terror“ bekannt geworden war, und die im Gefolge des Militär-Putsches im Sudan erstarkte National Islamic Front. Nach dem Durchmarsch islamistischer Ideologie in der vormals eher säkularistische Armee wurde der Djihad ausgerufen. Kramer benennt die Identifizierung von Staatsfeinden und Apostaten als zentrales Ideologem der Islamisten. Durch die Aufhebung jeglicher Trennung von Staat und Religion konnte eine Synthese aller Widersprüche in diesem Staat und an seinen Rändern gebildet werden, was sich wie ein Modell für alle islamistischen Regionen ausnimmt. Es galten „…alle Rebellen als Ungläubige und alle Ungläubigen als Rebellen…“.

Für den Erfolg dieser Doktrin differenziert Kramer zwischen materialistischen Interessen, etwa der Bestechung und Erpressung von lokalen Autoritäten, der Initiative von Verwaltungsorganen bei der Ausrufung des Djihad, der Integration der iranischen Märtyrer-Kriegsführung in die sudanesische Armee und deren Säuberung von säkularistischen Elementen, sowie letztlich auch das gegen die schwarzen Gruppen gerichteten rassistische Ressentiment, das auf einer jahrhundertealten Sklavenhaltermentalität fusst.

Um Schwarze zu versklaven, schufen die islamischen Herrscher des Sudan ein Distinktions-Regime, innerhalb dessen Schwarze zum Einen gezielt nicht missioniert wurden, um ihre Versklavung nach islamischem Recht weiterbetreiben zu können. Gleichzeitig wurden sie als rückständige und abergläubische „Heiden“ und „Ungläubige“ stigmatisiert. Die starke und offensichtliche Vermischung mit der schwarzen Bevölkerung wurde durch eine Verweigerung jeglicher Bedeutung für eingeheiratete schwarze Frauen verleugnet und so eine hierarchische Dichotomie von vorgeblich reinen Arabern und ungläubigen Schwarzen erzeugt.

Bis zum Waffenstillstand mit der SPLA, der 2005 in einen Friedensvertrag umgewandelt wurde, richtete dieser islamistische Djihad systematisch Massaker an, praktizierte Zwangsrekrutierungen und vollzog die Internierung von Zehntausenden von Zivilisten in „Islamisierungslager“ (unabhängig von der tatsächlichen Konfession) –  zur Beseitigung der ökonomischen und militärischen Basis der Guerilla und als ständige Ressource für (Zwangs-) Konkubinate.

Wer die aktuellen Vorgänge im Sudan und dessen Teilhabe an der internationalen islamistischen Bewegung wie auch dem genozidalen Terror der inzwischen kaum noch überschaubaren Vielzahl von Rackets gegen die Menschen in Darfur überblicken will, dem seien als möglicher Ausgangspunkt die Aufsätze Kramers zum Südsudan in den „Schriften zur Ethnologie“ wärmstens empfohlen.

Literaturangabe:

Fritz W. Kramer: „Schriften zur Ethnologie“. Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag. 2005. 418 Seiten.

Candidates say: work hard and fight

Gestern habe ich ausnahmsweise die Reden der amerikanischen Präsidentschaftskandidaten in Ohio mitverfolgt. Obama beschwört die harte Arbeit, die von jedem getan werden müsse, McCain den Kampf. So unglaubhaft Obamas Rolle als Weihnachtsmann mit dem dicken Geschenkesack ist, so ätzend kommt McCains propagandistische Trickkiste daher: Umverteilung von Wohlstand bedeute, das Geld aus „euren Taschen zu nehmen und in andere Taschen zu leiten“. Mit der Nominierung von Sarah Palins zur Vizepräsidentin und den unappetitlichen Hetzkampagnen gegen Obama hat sich McCain ohnehin jeder Intellektualität entschlagen. Obama wiederum spielt auf dem gleichen Klavier nur das um weniges melodiösere Lied. Wo McCain Terrorist, Sozialist, Kommunist trötet, sagt Obama Bush, Bush, Bush. Interessant ist die Gestik der beiden. Obama wuchert mit dem Lehrerfinger und geizt ausnahmsweise bis zuletzt mit dem sexy Smiley, der ihn populär machte. McCain indes wischt zackig über die Papiere am Pult, winkt fleißig und nutzt die Faust. Geht es ums Programm, so sind beide bis auf wenige Punkte austauschbar. Arbeitsplätze für Amerikaner, Erneuerbare Energien fördern, Irakkrieg beenden. Obama fudert die Millionen  unbekannter Herkunft auf den Tisch, während McCain völlig im Vagen bleibt bei der Finanzierung. McCain will Atomkraftwerke als alternative Energie fördern und diese tollen „Anlagen“ bauen, die in LaHague, Sellafield und Tokaimura so tadellos laufen – da ist Obamas Modell doch ein wenig einsichtiger.

Was Iran angeht: Von der Seite hat bereits Bush gezeigt, dass Israel im Zweifelsfall ohne die USA agieren muss, sei der Präsident auch noch so konservativ. Insofern ist es außenpolitisch betrachtet relativ egal, wer da Präsident wird. Die prospektive israelische Präsidentin Tzipi Livni hat den Angriff bereits um etwa zwei Jahre verschoben, bis dahin kann Obama seine Lorbeeren einfahren, das Ende des bereits jetzt weitgehend gewonnenen Irakkrieges auf seine Rechnung buchen und sich voll und ganz auf Afghanistan konzentrieren – die Zeit spielt für sein Programm. Man sollte daher, wo man sich von der Kandidatenkür allzusehr blenden ließ, zum lästigen Tagewerk der zynischsten Missstände zurückkehren: Der Club of the Worst Conflicts mit Somalia, Pakistan, Simbabwe, Birma, Iran, Nordkorea und Sudan, die Faschisierung Europas und Russlands, und natürlich die vier Reiter der Apokalypse Misogynie, Homophobie, Rassismus und Antisemitismus.