Al-Shahaab nimmt Piratenhochburg ein

Das Hafenstädtchen Haradheere, bislang eine Piratenhochburg, wurde nun von der Hizbul Islam, einer mit den Al-Shahaab-Milizen konkurrierenden Al-Quaida-nahen Gruppierung eingenommen. Vorher sah es laut Wall-Street-Journal dort so aus:

The residents of Haradheere enjoy a far more permissive lifestyle than those in militant-controlled parts of the country. Men and women can be seen walking together in the streets, or chatting in black mirrored cars bought with pirate ransoms. Women aren’t required to cover their heads as they do in other parts of Somalia, and beer and whiskey—taboo in other places—flow freely. Men can gather to chew qat, the popular narcotic, without fear of censure.

Man ist nun überrascht, zu hören, dass Hizbul Islam regelrecht in die Stadt gebeten wurde. Sie waren immer noch das kleinere Übel:

Al Shabaab overran a nearby town last week, unnerving the pirates. The Haradheere pirates had long paid taxes on their ransoms to al Shabaab to keep the group at bay. But last week, pirates in Haradheere said they would no longer pay those taxes, prompting a standoff between the two groups. […] Some admit they pay about 15% of their takings to militants to allow them to operate in peace, but most have no interest in aligning themselves further with the fighters.

[…]

On Sunday, members of the group Hizbul Islam, driving pickups mounted with heavy guns, moved into the town of Haradheere. As the militants arrived, the pirates fled, piling into Toyota Camrys and Land Cruisers to escape potential clashes.

„We have to leave this town—those who behead people meaninglessly have arrived,“ said Farah Ganey, a Haradheere pirate, in a telephone interview.

Es erscheint mir immer noch völlig unbegreiflich, wie total sich eine Öffentlichkeit zu nennende Mehrheit im Westen gegen solche Vorgänge derart immunisiert. Jemand, der bei einem Einbruch oder Kindesmisshandlung 110 wählen würde, um den nächsten Polizist mit Dienstwaffe herbeizurufen murmelt dann angesichts derartig menschenverachtendem Racket-Unwesens etwas von „mehr Entwicklungshilfe“ und Fehlern der Vergangenheit. Die versprengten AU-Truppen können derweil froh sein, wenn sie überhaupt noch auf einen Abflug hoffen dürfen. Fast ganz Mogadishu wird wieder von den Islamisten kontrolliert. Eine Entsatzung dürfte wieder einmal der zweifelhaften äthiopischen Armee überlassen bleiben.

The Connection of the Roman Catholic Church and Croatian Nazism

„When the anti-Serb and anti-Jewish racial laws of April and May 1941 were enacted, the Catholic press welcomed them as vital for ‚the survival and development of the Croatian nation’… Archbishop of Sarajevo [then part of Croatia] Ivan Saric declared… ‚It is stupid and unworthy of Christ’s disciples to think that the struggle against evil could be waged… with gloves on.'“

IN AN unusual move, Germany entrusted Croatia with running its own concentration camps, without oversight. Shamefully, clergy members took a voracious dive into the bloodbath, serving as guards, commanders and executioners at the 40 camps, most famously Jasenovac, the Holocaust’s third-largest yet least spoken-of camp. There, they killed Serbs, Jews, Gypsies and anti-fascist Croats. On August 29, 1942, a friar from the monastery of Siroki Brijeg, named Petar Brzica, won first place for killing the most Serbs in the shortest time, boasting 1,350 throats slit in one night.

read on at Jerusalem Post …

Avatar

Henry Rouseau - Der Traum

Henry Rousseau - Der Traum

Ursprüngliche Akkumulation ist ein schmutziges Geschäft. Die Verleugnung über die „von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, schmutz- und bluttriefend[en]“ (Marx, Kapital I, 788) Fundamente kapitalvermittelter bürgerlicher Freiheit machten Marx und Engels zu einem Hauptanliegen in ihren Schriften. Die gewaltsame Verschiebung von Bauern in England wurde als Mordbrennerei zugunsten des europäischen Wollbooms organisiert, den Unwillen der Arbeitslosen domestizierte Edward VI. mit drakonischen Maßnahmen (Marx, Kapital I, 763).

Und so rational und unvermeidlich die effizientere Nutzung der nord- und südamerikanischen Weiten durch die einströmenden, landlosen europäischen Massen war, so pathologisch verlief die rassistisch unterfütterte Landnahme, die ein verhandelbares ökonomisches Konkurrenzverhältnis zwischen Jäger- und Sammlertum und moderner Agrikultur in eine hässliche Serie von durchaus gegenseitigen Massakern und Vernichtungskampagnen verwandelte. In Südamerika dauern diese Indianerkriege bis heute an.

Das Unbehagen über solche Prozesse spürt die bürgerliche Gesellschaft, weil sie ihr Selbstverständnis einer freien und gleichen, durch Konkurrenz stabilisierten Gesellschaft trübt. Sie hatte historisch kein Äquivalent anzubieten, das die Aufgabe des Jäger- und Sammlertums zugunsten der Arbeit in Minen unter Tage oder der Zerschindung von Menschen in Kautschukplantagen attraktiv erscheinen ließe – der Rassismus diente sich als Legitimation an, das Unmenschliche den zu Tieren und Dingen Erklärten antun zu können, weil die technologische Überlegenheit es erlaubte. Das technologisch-kulturelle Experiment „Avatar“ ist Ausdruck und Folge dieses schlechten Gewissens.

Avatar trifft eine im ganzen Manierismus noch deutliche Aussage über die (Un-)Verhandelbarkeit von Interessen in einem assymetrischen Konflikt zwischen einer hochgerüsteten Industrie-Gesellschaft und einer Jäger- und Sammlergesellschaft.

Der Kapitalzweck wird als abstraktes Prinzip benannt: die „Aktionäre“ und die historisch entstandenen Bedingungen auf dem Planeten Erde. Verleugnet wird nicht, dass dieses abstrakte Prinzip pathologische Charaktere hervorbringt und sich ihrer bedient. So stereotyp der narzisstische Wut ausstrahlende Machtmensch in seiner Kampfrüstung gezeichnet wird, so verharmlosend ist das Bild noch gegenüber jenen realen, historischen Indianerschlächtern und Sklavenhändlern. Stellt Star Wars noch interessante, mythologische Figuren des Bösen auf, wagt es Avatar den Stellvertreter des Kapitalinteresses als so belanglos, austauschbar und langweilig zu zeichnen, wie sie wirklich sind. Diese beiden Prinzipien, kultiviertes Desinteresse und individuelle, berechnend überschnappende Pathologie auf Seiten der Exekutive, sind die beiden Elemente, die mit dem enormen Potential der Produktionsverhältnisse ausgestattet mörderisch wurden und werden. Was diesem Verhältnis gegenübertritt, wird von ihm notwendig angesteckt, hat gar keine andere Wahl, als sich pathologisch daran aufzurichten, wenn es nicht in nicht minder pathologischer Agonie erstarren will.

Die beiden Rousseaus sind theoretische und ästhetische Grundlagen, von denen Avatar zehrt. Mit Jean-Jacques Rousseau lässt sich Avatar so kritisch wie affirmativ lesen, was den entsprechenden Experten überlassen bleibt, die den Wandel von amour soi zur amour propre, von Vergesellschaftung und Instinkten nachzeichnen können. Jenseits des Skeptizismus Rousseaus gegenüber einem Naturzustand zeichnet sich in Avatar Intelligenz innerhalb der naivisierten indigenen Welt durch Konfliktvermeidung aus, nicht durch Beherrschung. Der Urzustand wird als mit ins Äußerste räuberischer Natur versöhnter visualisiert und erotisiert – aggressive Komponenten können in ihrer Reduktion auf Nutzbarmachung geleugnet werden. Das furchtbarste Raubtier wird in dieser Idealisierung noch schön wie die Tiger und Panther des Meisters der Grüntöne, Henry Rousseau. Das Ganze wird zum Gegenstand in HD und 3D wie der Maler einst Hintergrund und Einzelheit gleichermaßen scharf zeichnete. Besonderes gibt es nur im Spiel mit anderem Besonderen, ein Vorrecht wird allein dem Ambiente zugestanden, in dem das Individuum sich trotz der Appliziertheit nur akzidentiell aufzuhalten scheint, aufgrund irgendeiner Erlaubnis, die aus undurchsichtigen Gründen und auf Abruf erteilt wurde.

Doch dieses Versöhnungsidyll ist so brüchig, dass nur der reine Stil des medialen Zaubers es verkitten kann. Das Traumhafte rechtfertigt die Ausnahme von der Realität und ist doch von dieser schon ins Korsett gedrängt. Die Phantasie lebt von einem phallischen Unterwerfungsakt, der keine rationale Idee von Gesellschaft voraussetzt, sondern nur ein spezielles Ökosystem. Weil die Ressource des Idylls eine biologische Vorraussetzung ist, bleibt als einzige Möglichkeit an diesem teilzuhaben die Verwandlung in einen anderen, weniger verwundbaren Körper – es gibt kein Rousseau’sches Sofa im Dschungel, die Raubtiere kennen Hunger, aber kein Erstaunen.

Die Unterwerfung der Tiere selbst ist als Abbild der derzeitigen Produktionsmittel gestaltet und so hochtechnologisch wie sexualisiert ausgestaltet – „herunterladen“ könne man letztlich die Informationen aus der Natur, die dem profanen Supercomputer, zu dem die vollends aufgeklärte Mythologie ihren Gott erklärt, gleichgemacht wird. „Verlinken“ eröffnet den Gesunden, Starken die Vernutzung der schicksalhaft bereitgestellten Ressourcen. Das erlaubt die Großartigkeitsphantasie, nach der ein bestimmter Humanoid die Krone der Schöpfung sein soll und es erlaubt zugleich die Verspiegelung dieser Großartigkeitsphantasie durch die Unterwerfung unter ein großes Kollektiv im echtesten Latour’schen Sinne.

Diese Janusköpfigkeit ist das Element eines anderen Phänomens, das im zwanzigsten Jahrhundert die ursprüngliche Akkumulation an blutiger Hässlichkeit noch überbot – der nationalistische Faschismus. Wie bei diesem bedarf es erst der externen Bedrohung und des mit narzisstischen Attributen überschütteten Führers, um Einheit unter den konkurrierenden „Stämmen“ zu erzeugen. So kalt der desinteressierte Kapitalverwalter die Ausbeutung der Ressourcen organisiert, so emotionslos geht der zum Anführer etablierte Außenseiter zur Verwaltung seiner propagandistisch aufgeputschten indigenen Truppen über, opfert sie in sinnlosen Gemetzeln. Der Gang durch die  ehrfürchtigen Reihen zum Endziel der Geliebten ist derselbe wie der an anderen Gräbern desinteressierte durch einen Friedhof. Der Blick des Führers hebt sich entrückt zu einem fernen Ziel, während alle ihn anstarren, für den sie doch nur dasselbe Mittel zum Zweck sind wie die unterworfenen Tiere. Dass weder Schauspielern noch Regisseur ein anderer Ausdruck einfallen wollte bezeugt die Wirkungsmächtigkeit der Pose und die Vernabelung mit einer alltäglichen, massenhaften Erfahrung: ignoriert zu werden obwohl man doch selbst alle Aufmerksamkeit widmet.

Die Verherrlichung des Lebens in der Natur auf Pandora ist eine der Jugend. Stärke und Schönheit machen den edlen Wilden aus, solange er nicht gerade Verräter und Dämonen zur Hinrichtung vorbereitet wie später die Inquisitoren und Revolutionäre. Im Alter ersetzt dann Autorität Sexualität. Da man sich als mit dem Tode versöhnt gibt, bedeuten Krankheit und Schwäche nur einen negativen Kontostand in einer Welt, in der man alle Energie von einer Art natürlichen Bank geborgt haben will und irgendwann seine Hypothek im verwirklichten Äquivalententausch einlösen muss.

Es gibt schlimmeres als den Tod. Soviel ist daran wahr, dass aller technischer Fortschritt nichts wert ist, solange das Leben kein wirkliches ist. Solange haben die Kolonialisten auch nichts weiter anzubieten als „alkoholfreies Bier und Jeans“ und nur die Abwertung als verlaust und stinkend kann das eigene Leben als besser erscheinen lassen. Was die Indigenen auf Pandora anbieten ist der gleiche Zauber in bunt. Hat die eine Seite dicke Hubschrauber, kann die andere mächtige Tierwesen auffahren. Wie auf der einen Seite jene mit dem prunkvollsten Kraftfahrzeug beeindrucken wollen, so erfüllt auf der anderen Seite der größte Flugsaurier den gleichen Zweck. Beim Anblick des unterworfenen gelblichen Raubtieres ist die Indianertochter flugs versöhnt und darf mitfliegen. So wird der Versuch, endlich emanzipierte Frauenfiguren in Filme einzuführen letztlich doch zunichte gemacht, nicht zuletzt dadurch, dass keine anderen emanzipierten Männerrollen zu vergeben waren als das Kind, dessen unschuldiges Spiel mit der Kastrationsdrohung beantwortet wird.

Das mag am ökofeministischen Einfluss liegen, der das Gaja-Ideologem aufbereitet. Natur kann nur als technisiertes Konzept bestehen. Diese Einheit von Humanoid und Natur sei „kein heidnischer Voodoo-Zauber“, sondern messbar, real. Die Abgrenzung erfolgt zu zwanghaft, um glaubhaft zu werden. Das gesamte Filmprodukt ist ein einziger Zauber, der sich in diesem Zitat vergewissern muss, dass seine Idee keine esoterische, magische sei.

Interessanterweise wird in dieses Pathos ein Thema eingeflochten, das eher ein seltenes im Film ist, das der Ethnologie. Deren zweckrationaler Einsatz des Verstehens muss scheitern, wo er nur als sparsamerer Weg zur Beherrschung gewählt wird. Soviel ist wahr an der Kritik. Der theorielose, spielerisch-naive Charakter entspricht dem derzeitig propagierten Ideal eines Feldforschers in einer sich gegen Theorie abdichtenden Ethnologie. „Going native“ ist die Folge, wo die eigene Gesellschaft als unbeherrschbar empfunden wird, die zugewiesene Rolle in der Fremde die in der eigenen Gesellschaft an Dienstgrad und Lustgewinn bei weitem übertrifft. Vom querschnittsgelähmten, befehlsgebundenen Marine zum kraftvollen, elastischen Anführer mit Kohlefaserverstärkten Knochen – es bedarf keines besseren Gesellschaftsmodells und erst recht nicht der Einsicht in dieses, um diesen Tausch attraktiv erscheinen zu lassen. Würde der Film also wirklich an seine vorgeschützte Gesellschaftskritik glauben, würde er nicht dieses Sonderangebot auf ein besseres Leben auffahren müssen.

Rassenmutter und Rebellin – Hexenbilder in Romantik, völkischer Bewegung, Neuheidentum und Feminismus – Rezension

Rassemutter und Rebellin – Hexenbilder in Romantik, völkischer Bewegung, Neuheidentum und Feminismus. Felix Wiedemann, 2007. Würzburg: Königshausen & Neumann. 465 Seiten, 58 €.

Die Hexenverfolgungen der europäischen Frühmoderne wurden von ProtagonistInnen aus den verschiedensten Spektren vereinnahmt. Felix Wiedemann unternimmt in seiner überarbeiteten Dissertationsschrift den Versuch, die Bedeutung des Hexenthemas für die Ideologienbildung in der völkischen, esoterischen und der feministischen Szene zu klären.

Das voluminöse Werk weiß vor allem durch eine Fülle  und Vielfalt von Literaturangaben, Verweisen und Topoi zu überzeugen. Kaum ein Vertreter oder eine Vertreterin der völkischen Szene, der Esoterik oder des Ökofeminismus bleibt unerwähnt. So liest sich das Buch zugleich als überaus dichte Einführung in Geschichte und Ideologeme der überwiegend deutschen Ideologie seit dem 19. Jahrhundert und der postnazistischen esoterischen Strömungen. Zwischen den Zeilen wird dezent Wiedemanns antifaschistische Grundeinstellung deutlich, die zudem auf einer für den deutschsprachigen Raum noch seltenen Konzentration auf den nahezu allen Bewegungen inhärenten Antisemitismus aufruht.

Ausgangspunkt der Betrachtungen Wiedemanns ist eine Trennung von rationalistischen und romantischen Hexereidiskursen. Die rationalistischen Diskurse versuchen nach Wiedemann, über die Ablehnung der Hexenjagden als Aberglaube ihre eigene Position als rationale aufzuwerten. In diese Kategorie fallen Deutungsmuster, die in den Verfolgten Angehörige eines aufgewerteten Kollektivs sehen und die Hexenjagden als Einbruch christlichen Aberglaubens in ein vermeintlich aufgeklärtes oder mit Spiritualität versöhntes Heidentum. Der Kern des als Fremdkörper entworfenen „christlichen Aberglaubens“ wird bei den völkischen rationalistischen Diskursen, jedoch gerade auch in neueren feministischen Verlautbarungen zumeist auf das Judentum zurückgeführt, wie Wiedemann in zahlreichen Beispielen nachweist. Dieser in morbider Monotonie durch die jüngere Geschichte anzutreffende Rückschluss vom Topos des christlichen Aberglaubens und der christlichen Fremdherrschaft auf das antisemitische Ressentiment ist einer von Wiedemanns zentralen Befunden, auf den er immer wieder verweist.

Leider vermeidet Wiedemann  eine eindeutige und nachvollziehbare Differenzierung von rationalistischen Stimmen, die sich in integrer Absicht gegen zeitgenössischen Okkultismus und Hexereivorstellungen wandten und jenem eindeutig instrumentalisierenden und projizierenden völkischen Millieu, das er als rationalistisch kategorisiert. Er insistiert daher zuweilen etwas vorschnell auf einer grundlegenden Anfälligkeit der gegen das Christentum und gegen Hexenjagden gerichteten aufklärerischen Positionen für den Antisemitismus und den Umschlag ins Völkische.

Romantische Ideologeme integrieren die von Wiedemann als „rationalistisch“ umschriebenen Positionen zuweilen in ihrer antichristlichen Volte. Vorherrschend ist jedoch die Phantasie über eine reale Hexengemeinschaft, die als Hüter eines spirituellen, esoterischen Geheimwissens, oder im Falle völkischer Interpretationen auch als Vertreter einer eigenen, höherwertigen Rasse fungiert.

Beide Diskurse sind frei kombinierbar, ein Topos, den Wiedemann  in einer Fülle von  Zitaten nachweist, wenngleich er die Dialektik dieses Verhältnisses nur in Ansätzen erörtert. Klar wird jedoch anhand der zahlreichen Unterkapitel, die sich mit den verschiedenen Einzelpersonen befassen, dass einige wenige Autorinnen und Autoren durchgängig als Referenzen für die daraus gesponnene Hexenmythologie gelten können:

1. Jacob Grimm konstruiert in seinem Werk „Deutsche Mythologie“ die Figur der Hexe aus  vorgeblichen germanischen Mythologemen als weibliche Mittlerin und Ritualfrau.

2. Johann Jakob Bachofen, ein konservativer Evolutionist, konstatierte ein ursprüngliches Matriarchat, das durch eine schöpferische Phase des Patriarchats abgelöst worden sei. Diese Teleologie wird zunächst für antifeministische völkische Stimmen interessant, weil sie das europäische Patriarchat einem matriarchalisch geprägten Orient gegenüberstellt und so für antisemitische nationalsozialistische und völkische Männerbundideolgien anschlussfähig ist. Später dient Bachofens Matriarchatstheorie, wie Wiedemann herausstellt, den ÖkofeministInnen als eskapistische Hilfskonstruktion zur Überwindung einer als übermächtig und ewig empfundenen patriarchalen Gesellschaftsform.

3. Jules Michelet, laut Wiedemann ein Vertreter des französischen, romantischen Liberalismus, wird zum Erfinder des „Hebammenmythos“. Die natur- und sexualfeindliche Kirche habe Hebammen und Heilkundige verfolgt, und mit ihnen heidnische Bräuche der Naturverehrung auszurotten gesucht. Der Hebammenmythos avancierte zu einem der am weitesten verbreiteten gesellschaftlichen Irrtümer.

4. Carl Gustav Jung lieferte mit den Begriffen vom kollektiven Unbewussten und dem Archetypenmodell einem Heer von PsychologInnen, ÖkofeministInnen und VertreterInnen der Esoterik das Rüstzeug zur Vereinnahmung der Hexenverfolgungen. Von zentraler Bedeutung sind dafür laut Wiedemann die von Jung unter Rekurs auf das Hexenbild entworfenen Archetypen der „Anima“ und der „Großen Mutter“.

6. Margaret Murray wollte als Historikerin reale Fruchtbarkeitskulte entdeckt haben, die in ländlichen Gebieten besonders lange fortbestanden hätten und dort Grundlage für Feen- und Zwergenmythen gewesen seien. Die Hexenverfolgungen hätten sich gegen solche rituelle Gruppen gerichtet. Murrays Thesen boten mit Gerald Gardner den Grundstein für die Wicca-Bewegung.

7. Mircea Eliade erweiterte als Religionswissenschaftler den Schamanismusbegriff und brachte Ekstasetechniken mit den Hexenzirkeln zugeschriebenen Ritualen in Verbindung.

8. James Georg Frazer sah in Fruchtbarkeitskulten ein zentrales und verallgemeinerbare Moment von ritueller Praxis der vormodernen Gesellschaften.

Aus Versatzstücken dieser zumeist selbst schon hochgradig ideologisch aufgeladenen Quellen speisen sich die meisten von Wiedemann analysierten Versuche, die Vereinnahmung der Hexenjagden mit wissenschaftlichem Anstrich zu versehen. So konnten die eklektizistischen und eskapistischen Rückprojektionen als alternative Geschichtsschreibung kursieren.

Besonders frappant ist die anscheinend willkürliche Phantasieproduktion bei solchen Gegengeschichten im Bereich des Ökofeminismus der 1970-er bis heute. Mehrfach zitiert Wiedemann Beispiele selbst rennomierter Feministinnen wie Alice Schwarzer, die sich ungehemmt selbst als nachträgliche Opfer der Hexenverfolgungen präsentieren und eine ungebrochene Traditionslinie von der Folter in den Hexenprozessen zu der frauenfeindlichen Rechtssprechung der Moderne ziehen. Besonderen Rang hat dabei die Opferkonkurrenz zu den Opfern der Shoah. Im Zuge dessen wird der im 18. Jahrhundert von Gottfried Christian Voigt geschaffene Mythos von den 9 Millionen Opfern der Hexenjagden bedeutsam. Diese Zahl wurde von vielen FeministInnen verwendet, um sich als historisch bedeutsamste Opfergruppe zu gerieren. Besonders zynisch wird bei nicht wenigen von Wiedemann zitierten Autorinnen die Verantwortung sowohl für die Hexenjagden als teilweise auch für die Shoah selbst einem „jüdischen, jahwistisch-patriarchalen“ Prinzip zugesprochen. Darin sieht Wiedemann wesentliche Übereinstimmungen von ökofeministischen und völkischen Modellen. Die antisemitische Vorstellung vom jüdischen Gottesmord entspreche im spirituellen Feminismus der Vorstellung vom jüdischen „Göttinenmord“. Die Faszination für die angebliche rituelle Praxis der als Hexen Verfolgten sei ferner Ausdruck für die in der gesamten alternativen Linken bemerkbare Verschiebung von gesellschaftspolitischem Engagement hin zur authentischen Erfahrung. Wiedemann stellt ferner sehr überzeugend die antifeministischen und sehr konservativen Rollenzuschreibungen heraus, die in den vermeintlich feministischen Phantasien vermittelt werden, die auf die Hexe als Vertreterin von Weiblichkeit und Spiritualität rekurrieren.

Die neopaganistischen Kulte schließlich reihen sich in diese Identifizierung mit den Hexen als Opferkollektiv ein, um ihre eigene Identität aufzuwerten. Wiedemann äußert eine starke Skepsis gegenüber jüngsten Abgrenzungsversuche gegen völkische Ideologien in der neuheidnischen Szene, etwa aus dem „Rabenclan“. Er unterstellt diesen Tendenzen, dass die Ausschlussformeln gegen Rassismus, Sexismus und Antisemitismus nur äußerliche Lehrsätze seien, die wie in der Linken noch lange nicht jene Codes und subtilen Ideologeme beseitigt, die zentrale Träger völkischer Ideologien waren und sind.

Es ist gerade auch diese Skepsis, die Wiedemanns Werk zu einer hervorragenden und profunden Quelle macht, an der wohl kaum jemand, der oder die sich mit der Hexenforschung befasst, vorübergehen kann. Gerade der Verweis auf den  in nicht geringe Teile der Hexenforschung eingedrungene Verbund von Antisemitismus und stereotyper wie simplifizierter Gegnerschaft zur Hexenverfolgung stellt einen unüberhörbaren Ruf nach einer gründlichen Reflexion über mitgeschlepptes Halbwissen und grobe Spinnereien in der wissenschaftlichen Hexenforschung dar.

Was Wiedemann allerdings völlig außer Acht lässt, ist der Verweis auf die Bedeutung moderner Hexenjagden etwa für neopaganistische Gruppierungen. Ebenso fehlt jede Erwähnung von Entsprechungen von Hexereivorstellungen und Antisemitismus.  Bisweilen lässt sich ein überhasteter Eklektizismus vermelden, der die Beziehung oder auch Nichtbeziehung zwischen vorgestellter Person und Hexenthema nicht überzeugend  genug ausleuchtet.

Ungeachtet dessen ist das Buch ein kaum zu überschätzender Meilenstein in der Aufarbeitung des Fortbestehens völkischer und antisemitischer Mythologiebildung am Hexenthema in der postnazistischen Gesellschaft.

Über Rassismusbegriff und Kulturalismus bei Claude Leví-Strauss

„Aber handelt es sich überhaupt um Aberglauben? In solchen Vorlieben sehe ich eher den Ausdruck einer Weisheit, der die wilden Völker spontan gehorcht haben und der gegenüber die moderne Rebellion als der wahre Irrwitz erscheint.“ (Levi-Strauss, TT: 113)

„Und da diese Missstände vorkommen, welches Recht haben wir dann, sie zu Hause zu bekämpfen, wenn sie nur irgendwo anders zu herrschen brauchen, damit wir uns vor ihnen verneigen.“ (TT: 380)

„Die Strukturen gehen nicht auf die Straße“, wurde den Strukturalisten von den Marxisten 1968 entgegengeschleudert. Sie gingen – deswegen oder trotzdem – auch nicht unter. Der Strukturalismus wurde schon so oft zum toten Pferd erklärt, dass die Nekrologe sich selbst wie Widergänger ausnehmen. Wenn nun Claude Leví-Strauss seinen Geburtstag eher griesgrämig absolviert, ist die Ursache weniger im persönlichen Misserfolg als Theoretiker zu sehen. Vielmehr ist diese Haltung die Konsequenz aus der zivilisationskritischen und bisweilen zivilisationsfeindlichen privaten Einstellung des Ethnologen. Weiterlesen

Candidates say: work hard and fight

Gestern habe ich ausnahmsweise die Reden der amerikanischen Präsidentschaftskandidaten in Ohio mitverfolgt. Obama beschwört die harte Arbeit, die von jedem getan werden müsse, McCain den Kampf. So unglaubhaft Obamas Rolle als Weihnachtsmann mit dem dicken Geschenkesack ist, so ätzend kommt McCains propagandistische Trickkiste daher: Umverteilung von Wohlstand bedeute, das Geld aus „euren Taschen zu nehmen und in andere Taschen zu leiten“. Mit der Nominierung von Sarah Palins zur Vizepräsidentin und den unappetitlichen Hetzkampagnen gegen Obama hat sich McCain ohnehin jeder Intellektualität entschlagen. Obama wiederum spielt auf dem gleichen Klavier nur das um weniges melodiösere Lied. Wo McCain Terrorist, Sozialist, Kommunist trötet, sagt Obama Bush, Bush, Bush. Interessant ist die Gestik der beiden. Obama wuchert mit dem Lehrerfinger und geizt ausnahmsweise bis zuletzt mit dem sexy Smiley, der ihn populär machte. McCain indes wischt zackig über die Papiere am Pult, winkt fleißig und nutzt die Faust. Geht es ums Programm, so sind beide bis auf wenige Punkte austauschbar. Arbeitsplätze für Amerikaner, Erneuerbare Energien fördern, Irakkrieg beenden. Obama fudert die Millionen  unbekannter Herkunft auf den Tisch, während McCain völlig im Vagen bleibt bei der Finanzierung. McCain will Atomkraftwerke als alternative Energie fördern und diese tollen „Anlagen“ bauen, die in LaHague, Sellafield und Tokaimura so tadellos laufen – da ist Obamas Modell doch ein wenig einsichtiger.

Was Iran angeht: Von der Seite hat bereits Bush gezeigt, dass Israel im Zweifelsfall ohne die USA agieren muss, sei der Präsident auch noch so konservativ. Insofern ist es außenpolitisch betrachtet relativ egal, wer da Präsident wird. Die prospektive israelische Präsidentin Tzipi Livni hat den Angriff bereits um etwa zwei Jahre verschoben, bis dahin kann Obama seine Lorbeeren einfahren, das Ende des bereits jetzt weitgehend gewonnenen Irakkrieges auf seine Rechnung buchen und sich voll und ganz auf Afghanistan konzentrieren – die Zeit spielt für sein Programm. Man sollte daher, wo man sich von der Kandidatenkür allzusehr blenden ließ, zum lästigen Tagewerk der zynischsten Missstände zurückkehren: Der Club of the Worst Conflicts mit Somalia, Pakistan, Simbabwe, Birma, Iran, Nordkorea und Sudan, die Faschisierung Europas und Russlands, und natürlich die vier Reiter der Apokalypse Misogynie, Homophobie, Rassismus und Antisemitismus.

Italien – Siegeszug des Faschismus

Der Umgang mit Flüchtlingen ist weder primär noch sekundär ein ökonomisches Problem. Auf dem heutigen Stand der Produktionsmittel ist es auch innerhalb kapitalistischer Produktionsweise allein eine kulturelle und ideologische Frage, wie mit Menschen umgesprungen wird, die von externen Faktoren zur Flucht gezwungen werden. Für viele afrikanische, amerikanische oder asiatische Staaten ist es absolut üblich, Millionen von Flüchtlingen aufzunehmen. Die USA sicherten sich so über lange Zeit ein imposantes Subproletariat ebenso wie gut ausgebildete Eliten. In dem knapp 300 Millionen Menschen zählenden Staat ist es selbst für konservative Regierungen kein Problem, mal eben immerhin einige Millionen illegaler Immigranten zu legalisieren. Pakistan nahm Millionen afghanischer Flüchtlinge auf, in die bettelarmen Nachbarländer des Sudan strömten Flüchtlinge aus Darfur und Kenia sorgte schlecht und recht für die somalischen Flüchtlinge, die infolge der Inkompetenz der UN immer noch nicht zurückkehren können. Würden sich aber beispielsweise in Indien Regionen nach Überschwemmungen weigern, die Millionen Binnenflüchtlinge aufzunehmen, die Welt wäre entsetzt und schnell dabei, das etwa als exotischen Ausdruck hinduistischer Gleichgültigkeit zu geißeln.

Staaten wie Deutschland oder Italien nehmen für sich in Anspruch, mit fadenscheinigen Argumenten wie Integrationsproblemen oder Arbeitsmarktkomplikationen Menschen fundamentale Grundrechte zu verweigern. Italien nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein und mausert sich in Riesenschritten zum Entrepreneur in Sachen demokratischer Faschisierung. Vernichtungsphantasien von Seiten der starken Rechten tobten sich schon lange an wehrlosen Objekten aus: Flüchtlingsboote wollte mancher bombardieren, in den Lagern, in denen Flüchtlinge konzentriert werden, herrschen unmenschliche Zustände, während wenige Kilometer weiter der Papst weihevolle Reden von Mitgefühl hält. Sinti und Roma sind prädestinierte Zielgruppen aller europäischen nationalistischen Bestrebungen und in Italien auf der gar nicht sprichwörtlichen Abschussliste ganz oben verzeichnet. Kriminelle Akte, unausrottbare Normalität in der bürgerlichen Gesellschaft und erst recht in einem mafiösen Staat wie Italien, werden dann zum Anlass genommen, massenhafte Ausschaffungsaktionen durchzuführen. Maßnahmen wie die gesetzliche Abnahme von Fingerabdrücken von Roma-Kindern sind erste Produktionsschritte der altbekannten, aber in Sachen Modernisierung generalüberholten Exterminierungsmaschinerie. Während sich in Neapel Müllhaufen seit Jahren stapeln, hat man noch genügend Bulldozer und Mittel parat, um bei Nacht und Nebel einige illegale Roma-Siedlungen zu beseitigen.

Jetzt haben sich die italienischen Faschisten endgültig durchgesetzt mit der Forderung nach einer Trennung von Schulklassen: Ausländer, die nicht genügend Italienischkenntnisse aufweisen, sollen separat unterrichtet werden. Die Bigotterie des als rational vorgeschobenen Arguments, es gehe darum, den Schülern Italienisch beizubringen, wird an der gleichzeitigen Kürzung von Lehrstellen deutlich. Die markierte Differenz feiert Urständ: In deutschen Foren tobt der Jubel, jeder dritte Kommentar feiert die italienische Entschlossenheit und jeder zweite weiß von Problemen zu berichten, die durch mangelnde Sprachkenntnisse ja so wirklich und real entstünden. In afrikanischen Staaten ist es allerdings normal, dass Schulklassen zwei-, drei- oder fünfsprachig stattfinden, ohne dass das zu größeren Problemen als den üblichen  ökonomischen führen würde. Wer allemannische Dialekte aus dem Schwarzwald oder hessisches Platt kennt, würde Sprachkenntnisse im Deutschen nicht leichtfertig vom Pass abhängig machen. In Deutschland mit seinen 2 Millionen mehr oder weniger türkisch sprechenden Bürgern ist es gleichsam undenkbar, Türkisch als in ferner Zukunft einmal mögliche zweite Amtssprache auch nur anzudenken. Selbst englischsprachige Filme werden zu 100 Prozent synchronisiert, während man in den östlichen Nachbarländern sehr selbstverständlich auch deutsch spricht und etwa die Schweiz mit drei Amtssprachen brilliert. Reale Probleme des Bildungssystems stehen somit kaum zur Debatte: Schließlich werden sie nicht liberal und rational zu Gunsten einer gleichberechtigten Schülerschaft verhandelt. In Wirklichkeit geht es nur um einen weiteren erfolgreichen Tabubruch bei der Einrichtung eines fremdenfeindlichen Faschismus. Den zum Erfolg Bestimmten solle die Unfähigkeit der Fremden ein Hemmschuh sein. Der Widerspruch, warum ökonomisch sehr viel schlechter gestellte Staaten sehr viel selbstverständlicher mit Flüchtlingen umgehen, juckt im Land des Katholizismus wenig. Die Linke gibt sich indes unehrlich empört. Wo gegen die USA noch Millionen auf die Straße gingen, versammeln sich angesichts der Manifestierung solcher faschistischen Umtriebe in der italienischen Staatspolitik einige wenige Grüppchen zum bunten Händchenhalten.