Eine Karikatur geistert durchs Netz, publiziert von der Süddeutschen. Zuerst gefunden habe ich sie bei http://twitpic.com/d0d5f1:
Diese Karikatur mit so einer Unterschrift ist bösartigster Antisemitismus. Das muss jedem Redakteur heute klar sein und bedarf keiner weiteren Analyse oder Klärung. Eine Zeitung, die unkritisch so ein Bild publiziert und so untertitelt, gehört geschlossen.
Der Zeichner hat offenbar nichts von dieser Verwendung gewusst:
„Ich bin entsetzt«, sagt Ernst Kahl. Der Künstler hat durch Anrufer erfahren, dass eine seiner Zeichnungen am Dienstag in der »Süddeutschen Zeitung« in einem Kontext erschienen ist, der Dieter Graumann von »fast schon ›Stürmer‹-Niveau« sprechen lässt.“ http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/16410
Schlamassel Munich hat ein wenig recherchiert und dem „Stürmer von 1949“ zwei weitere antisemitische Karikaturen nachgewiesen: http://schlamassel.blogsport.de/2013/07/03/242/
Das Simon-Wiesenthal Zentrum äußert sich:
„Further, the characterization of the Jewish State as a ravenous Moloch – an idol to whom children were sacrificed – is a blatant anti-Semitic canard. The attempt to mention a Jewish critic of Israel is a failed fig leaf that neither justifies nor covers up the hate masquerading as political commentary,“ Cooper added.
Und derweil stellt sich Hannah Franziska Augstein, Schwester von Jakob Augstein und Tochter von Rudolf Augstein, die ein wissenschaftliches Buch über den Rassismus im 18. Jahrhundert schrieb, die Frage, ob „ein gehörntes Monster antisemitisch“ sei:
„In der Großen Konferenz der Süddeutschen Zeitung wurde heute über das Bild auf der Seite „Das Politische Buch“ diskutiert. Manche meinten, das sei geschmacklos, antiisraelisch. Andere fanden daran nichts auszusetzen.“
Offenbar geht die Courage bei denen, die das geschmacklos fanden nicht weit genug, den Hut zu nehmen. Und offenbar ist deren Kritik völlig irrelevant, solange andere daran nichts auszusetzen haben. Anscheinend hat sich auch im ganzen Produktionsprozess bis hin zum Drucker und Auslieferer keiner gefunden, der über etwas politische Bildung verfügt. Weiter schreibt Augstein:
„Ernst Kahls gehörntes, hungriges Monster hat mit den antisemitischen Klischees nichts zu tun. Man muss das Bild zusammen mit der Bildunterschrift anschauen.“
Genau das haben wir ja getan und das ist auch das Argument der Jüdischen Allgemeinen: OHNE die Bildunterschrift wäre die Zeichnung Kahls, der gerne Monstrositäten beim Essen malt, nicht antisemitisch.
Augstein erklärt uns ihre Perspektive:
„Da heißt es: „Deutschland serviert. Seit Jahrzehnten wird Israel, teils umsonst, mit Waffen versorgt. Israels Feinde betrachten das Land als einen gefräßigen Moloch. Peter Beinart beklagt, dass es dazu gekommen ist.“ Also: Nur die Feinde Israels sehen Israel in der Weise, die dem abgebildeten Monster ähnelt. Außerdem ist der Staat Israel nicht mit dem Judentum gleichzusetzen.“
Das ist eine windelweiche Argumentation, die merkwürdigerweise nie auftaucht, um den pluralistischen Charakter des jüdischen Staates Israel zu unterstreichen. Sondern ausschließlich, wenn es darum geht, Israel zu dämonisieren, ohne gleich Antisemit sein zu müssen. Besorgt ist Augstein nun allemal, aber gewiss nicht um Juden oder Israel, sondern um den schönen Artikel, der das Opfer eines Missverständnisses geworden sei:
„Nachdem das Bild aber zu Missverständnissen geführt hat, wäre es besser gewesen, ein anderes zu wählen. Denn es soll ja über den Artikel diskutiert werden, nicht über die Bebilderung. Der Text von Heiko Flottau über zwei Israel-Bücher, deren Autoren für die Demokratie in Israel fürchten, lohnt das Lesen und die Debatte.“
Eines kann man Hannah Franziska Augstein versichern: Es gab und gibt keinerlei Missverständlichkeiten in dieser Kombination von Untertitel und Bild. Es ist unmissverständlich antisemitisch.
Lizas Welt hat sich die Süddeutsche geschnorrt und arbeitet das Ganze nochmal am Text auf, in weitaus besserer Qualität als hier geschehen und kommt zu identischen Schlüssen:
„Was aber, wenn da jemand in Augsteins Beritt Flottaus Beitrag gar nicht miss-, sondern im Gegenteil völlig richtig verstanden, in der Bildunterschrift präzise zusammengefasst und – so viel Demagogie genehmigen sich Judenfeinde nun mal – unter hinterhältiger Instrumentalisierung eines keineswegs israelfeindlichen Künstlers pointiert bebildert hätte? Was also, wenn da jemand einfach etwas zu offensiv mit dem Common Sense der Süddeutschen Zeitung umgegangen wäre und ausgeplaudert hätte, was die »Israelkritik« in Wahrheit speist, gebe sie sich auch noch so sehr als »Furcht« um den »demokratischen Charakter Israels« aus? Honi soit qui mal y pense.“
http://lizaswelt.net/2013/07/03/das-arschgeweih-des-feuilletons/
Henryk M. Broder benennt in der Welt das Phänomen der Nichtpathologie der Antisemiten, das man genausogut „nichtantisemtischer Antisemitismus“ nennen könnte:
Aber es gibt Grenzüberschreitungen, deren Urheber so unheilbar gesund sind, dass sie nicht einmal merken, was da in ihnen rumort. Es ist der Sieg des Es über das Ich. Der Antisemit denkt nicht, es denkt in ihm.
[…] So weit wie die „Süddeutsche Zeitung“ ist bis jetzt noch keine bürgerliche Zeitung in Deutschland gegangen. In dieser Karikatur tritt „Israel“ an die Stelle des „Juden“, die „Süddeutsche Zeitung“ setzt dort an, wo der „Stürmer“ 1945 aufhören musste.