Sarrazins Kinder

In einem Zug irgendwo zwischen Mittelhessen und Nordrhein-Westfalen musste mancher diese Woche folgendem Monolog eines eifernden Mittfünfzigers beiwohnen:

„Der Dingsda von der SPD, der das mit den Ausländern gsacht hat, hat ja jetzt ein auf den Deckel bekomme. Joa. Wenn ma in ner Partei is, kammer das net sache, da kriecht ma gleich was aufen Deckel. Awer eigentlich hatter ja recht. Dass die da den Staat aussuckeln kann ja wirklich net angehn. Wie die in Kleinlinne da, die hot da drei Kinner. 350 Euro! Zahlt alles des Amt! So e  Schlambe, die müsst geprüchelt were, von morchens bis abens! Jeden tach isse inne Disko un die Kinner hotse beim Vatter gelasse!“

Sarrazins geistige Kinder: lauter kleine deutsche Bierbauchmännchen, die das Bewerbungsschreiben für den amtlichen Job des „Durchprüglers“ schon in der Schublade haben, falls der Islamismus kommen sollte.

Wird er nur fehlinterpretiert? Hat er, wie Wolffsohn es wahrnimmt, eine „sachliche“, „analytisch tiefe“ Kritik an islamistischen Zumutungen geäußert? Oder hat der Zentralrat der Juden recht, wenn ein Sprecher behauptet, Sarrazin stünde in einer geistigen Linie mit Hitler?

Sarrazin ist vor allem deutsch wie ein Jägerzaun. So einer schickt schon mal Mitarbeiter zum Einkaufen in den Discounter, um nach einem Blick auf den Kassenzettel und einem weiteren ins Aldi-Kochbuch die Forderung nach 49 Cent weniger Tagessatz für Hartz-4 Empfänger rauszufetzen. Im jüngsten Interview jammert er dann:

„Es gibt auch das Problem, dass vierzig Prozent aller Geburten in der Unterschicht stattfinden“

Warum es überhaupt eine Unterschicht gibt, muss man für einen Malthusianer seines Schlages gar nicht mehr problematisieren – wer dort Kinder gebärt, vermehrt anscheinend zwangsläufig die Unterschicht. So schnell wird Armut rassifiziert und ein gesellschaftliches Problem – das der Armuterzeugung bei gleichzeitiger gigantischer Warenanhäufung – biologisiert. Die Armen erscheinen bedrohlich, ökonomisch und sexuell. Sie fressen und ficken dem Sarrazin zuviel. Da kann ja auch sonst nichts dabei rauskommen:

„Eine große Zahl an Arabern und Türken in dieser Stadt (…) hat keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel, und es wird sich vermutlich auch keine Perspektive entwickeln. Das gilt auch für einen Teil der deutschen Unterschicht.“

Nun könnte man auf die Bedeutung der türkischen Khebapproduzenten für die Ernährung deprivierter SchülerInnen und Arbeitsloser verweisen oder auf Anteile türkischer oder arabischer ArbeiterInnen in Leiharbeitsfirmen. Sarrazin kommt es aber nicht so sehr darauf an, welche Nischen besetzt werden. Er will den Aggress auf die eigene Unproduktivität abwälzen, indem er Menschen zuerst auf ihre produktive Funktion hin klassifiziert. Integration wird hier an der in den Betrieb gemessen.

So nimmt es nicht wunder, dass bei einem derart in Fleisch und Blut übergegangenen instrumentellen Verhältnis zu Menschen am Holocaust vor allem die ökonomischen Einbußen für Berlin bedauert werden – Berlins Bevölkerungsstruktur und Ökonomie erscheinen als vorrangiges Opfer Nazideutschlands:

„Das hatte Folgen für die Bevölkerungsstruktur. Auch der immense jüdische Aderlaß konnte nie kompensiert werden. Dreißig Prozent aller Ärzte und Anwälte, achtzig Prozent aller Theaterdirektoren in Berlin waren 1933 jüdischer Herkunft. Auch Einzelhandel und Banken waren großenteils in jüdischem Besitz. Das alles gab es nicht mehr, und das war gleichbedeutend mit einem gewaltigen geistigen Aderlaß. Die Vernichtung und Vertreibung der Juden aus dem deutschsprachigen Raum insgesamt betraf zu sechzig bis siebzig Prozent Berlin und Wien. Dazu kam der Weggang des klassischen leistungsorientierten Bürgertums.“

Dass es „das alles“ nicht mehr „gab“ ist eben nicht gleichbedeutend mit einem „gewaltigen geistigen Aderlass“. Es ist überhaupt nicht gleichbedeutend. „Die Vernichtung und Vertreibung der Juden aus dem deutschsprachigen Raum insgesamt“ betraf Juden und nicht  „zu sechzig bis siebzig Prozent Berlin und Wien“.

Und was bleibt dann zwangsläufig von der „Kritik“ am Islamismus übrig?

„Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Das gilt für 70 Prozent der türkischen und 90 Prozent der arabischen Bevölkerung in Berlin.“

Dass jemand „vom Staat lebt“ leitet den Beginn der Assoziationskette ein – das ist schon mal sehr verdächtig für einen Berufsbeamten. „Diesen Staat“ abzulehnen scheint ohnehin niemand das Recht zu haben, der „vom Staat“ lebt.  Das ist keine Kritik am Islamismus, sondern das ist Zurichtung auf bedingungslosen Konformismus. Eine solche wird nur noch verstärkt durch die vermeintlich unrassistische Forderung, doch Ausländer reinzulassen, die etwas Anständiges leisten und qualifiziert sind.

„Sie müssen zur Schule gehen, sie müssen Deutsch sprechen können und den normalen Aufstieg durch Bildung nehmen.“

Das klingt mehr als scheinheilig im Land der Arbeitsverbote für Ausländer und der promovierten thailändischen Putzhilfen. Dass Mädchen unters Kopftuch gezwängt werden, rechtfertig zuletzt noch lange nicht, die Geburt dieser Kinder  in der gleichen Weise als „Produktion“ zu diffamieren wie das die Ideologie der Islamisten vollzieht. Was er angreift ist der Mensch, nicht die üble Sitte, die ihn zurichtet. Der Brauch, die Geburt von Mädchen zu diskreditieren, ist überdies ein alter deutscher: In manchen Orten Bayerns wird dem Vater eines Mädchens bisweilen eine Kette von Büchsen an den Balkon gehängt mit einem Zettel, der die Beleidigung „Büchsenmacher“ verkündet.

Sarrazin bietet keine Frauenhäuser für „Kopftuch-Mädchen“ an, er will kein Asyl für alle andernorts unter die Burka geprügelten Frauen erwirken. Sarrazin will ein anständiges deutsches Straßenbild mit deutschen Gemüsehändlern und einer gut integrierten vietnamnesischen Raumpflegerin, die für ihre 6,76€ pro Tag (Sarrazin-Hartz 4 plus drei Stunden Ein-Euro-Job) dankbar SPD wählt.

Daher irrt Wolffsohn: Sarrazin ist ein zutiefst deutsches Kind. Und er wird völlig zu recht von irgendwelchen Mittelhessen zitiert, die ihr Kind zur Universität schicken, jeden Tag zur Arbeit gehen und jeden Tag der nackten Angst vor dem Abstieg in die Unterschicht und ihren lockenden Freuden – dem „Suckeln“ an der Mutterbrust von Vater Staat – nachspüren.

Noble Gesinnung?

2002 wurde Jimmy Carter mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Carter fühlte sich dadurch dazu veranlasst, sein Buch „Palestine: Peace, not Apartheid“ zu schreiben, in dem er Israel die Schuld daran gibt, dass es sich selbst mit einer Mauer vor antisemitischen Überfällen in Schutzhaft nehmen muss.

1994 erhielt Yassir Arafat den Friedensnobelpreis. Das ermutigte ihn 2000 dazu, die zweite Intifada zu organisieren. Seine Garde, die Al-Aqsa-Brigaden, verübten ein Drittel aller Selbstmordanschläge, die während dieser antisemitischen Kampagne verübt wurden.

1919 wurde Woodrow Wilson mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Er hatte als Ku-Klux-Klan-Anhänger und Freund der Sklaverei die Rassentrennung in vielen Bereichen erst neu eingeführt. In seiner Amtszeit geschahen die genozidalen Massaker an der armenischen Bevölkerung in der heutigen Türkei und in Armenien.

Drei Beispiele für die Fragwürdigkeit der Auszeichnung mit einem Friedensnobelpreis.

Nun hat es Barack Obama erwischt und nur konsequent setzt Füßescharren ein. Was genau hat Obama erreicht? Nordkorea hat sein Atomwaffenprogramm fortgesetzt. China verschärft mit schöner Regelmäßigkeit die Zensur. Im Sudan gehen die Morde weiter und die Vertriebenen leben in ständiger Angst ums Überleben. Der Kongokrieg tobt weiter, plündernde Banden marodieren und vergewaltigen – sie wären mit militärischen und polizeilichen Mitteln einfach zu stoppen, wären diese vorhanden. Somalia muss immer noch mit 3000 AU-Soldaten auskommen  um eine zweifelhafte Regierung gegen kriegserprobte fundamentalistische Fanatiker zu verteidigen –  während man in Deutschland für einen mittleren Castortransport 16 000 Polizisten gegen ein paar Tausend unbewaffnete potentielle Gleisbesetzer mobilisiert. Und was genau hat Obamas zaudernde Politik gegenüber dem Atomwaffenprogramm in Iran mit der Schaffung einer atomwaffenfreien Welt zu tun? Offene Fragen, die Obama bei der Preisverleihung selbst peinlich sein dürften.

Iranische Entwicklung Afrikas

Iran

Solche Bilder findet man häufig in Ghana. Die iranische Intervention beschränkt sich nicht  wie hier in Ghanas größtem „Hexen“-Ghetto Tindang auf handgegrabene Brunnen. In Cape Coast war der einzige Krankenwagen, der während dem historischen Obama-Besuch Bereitschaft in der Menge stand, ein von der islamischen Republik Iran gespendeter. Ein deutliches Zeichen, was man so vom demokratischen Gestus des Amerikaners hält: Solange dessen Todfeind nur das Brot bringt, wird unter der Hand auch dessen Lied gesungen.

In Accra gibt es etwa eine iranisch-ghanaische Klinik – kein kleines Geschenk der Entwicklungshilfe. Besonders im islamischen Norden werden Moscheen, Kindergärten und Schulen aus Iran finanziert. Und Entwicklungshilfe in diesem Maßstab kommt nicht ohne diplomatische Verflechtungen aus:

TEHRAN, Nov. 18 (ISNA)-Iranian private companies can play a key role in Ghana’s development program, said Iran’s Foreign Minister in a visit with the country’s newly-appointed ambassador to Iran Ahmad Hassan.

Iran-Ghana friendly ties as well as Tehran’s technical and industrial potentials can pave the way for further growing of relations, Mottaki said.

Ahmad Hassan for his part described Iran as a significant regional country and said ties with Iran is of much importance for Accra.

He also highlighted Iran’s capabilities in different domains and said he would do his best to boost the level of mutual relations in all sections.

The two countries have already signed seven memorandums of Understandings (MoU) in the fields of health, shipping, agriculture, oil, media, diplomacy and customs during their third joint economic cooperation commission held in Tehran in May.

Source: www.isna.ir (viahttp://www.modernghana.com/news/191212/1/irans-private-sector-can-aid-ghanas-development-pr.html)

Diplomatische Bande, die Ghana unter anderem auch mit dem Ärzte-Exporteur Kuba pflegt und wegen der bloßen Liebe zu Obama noch lange nicht fallen lassen würde. Den verehrt man schließlich vor allem wegen der Hautfarbe und der Machtposition, nicht wegen einer irgendwie gearteten demokratischen Einstellung.

Ob sich Ghana’s muslimischen Gruppen nun vom iranischen Eifer beeinflussen lassen, ist fraglich. Zwar sieht man ab und zu auch voll-verschleierte Frauen auf den Straßen. Und die Moscheen rufen pflichtbewusst zum Gebet, sobald man einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden kann. Aber über das Ritual hinaus lässt sich doch wenig von Ideologie bemerken. Lediglich ein Handy-Shop in Techiman nennt sich „Black Taliban“. Würde er den Händlerinnen auf dem Markt verbieten wollen, Gurken und Tomaten nebeneinander zu verkaufen, weil das der Geschlechtertrennung widerspräche, würde er vermutlich herzhaft ausgelacht und mit Garden-Eggs beworfen. An der prekären Situation der Frauen besonders in den nördlichen Gebieten ändert das wenig – nur daran sind auch traditionelle Religionen und das Christentum so eifrig beteiligt, dass eine Fokussierung auf den Islam wenig Sinn macht.

Nachtrag:

„Black Taliban – or the faith of the unfaithful“ heißt eine populäre Komödie. Daher wahrscheinlich der Namen des Handyshops.

Antisemitismus in Europa – Zweidrittelmehrheit in Sicht

„Many Western European politicians are advocating talks with Hamas but ignore or downplay the violent anti-Semitism of Hamas, according to critics. A leading German Green Party politician, Jürgen Trittin, urged Europe in February to negotiate with Hamas. A study commissioned by the Anti-Defamation League (ADL), who co-sponsored the YIISA conference, found in a December/January poll that 31 percent of Europeans blamed Jews in the financial industry for the economic meltdown, while 58% of those asked said their opinion of Jews had worsened because of events in Israel.“

Quelle: „Trauma drives West’s denial of Iran’s genocidal anti-Semitism.“ Benjamin Weinthal, Jerusalem Post, 3.5.2009.

Wer zum Entstehen eines solchen Stimmungsbildes beiträgt, ist zum Beispiel die allgemein als liberal bezeichnete „Zeit“. Ein Artikel über den Berlin-Besuch des neuen Außenministers Israels, Avigdor Lieberman, kommt nicht ohne Schmähungen aus: Der Mensch sei „ultrarechts“ und wegen „anti-arabischer Äußerungen“ „umstritten“.

In der Zeit hat man allerdings noch nie gelesen, dass etwa ein Gerhard Schröder wegen seiner Allianz mit dem iranischen Nazi Ahmadinedjad als „ultra-rechts“ bezeichnet würde. Oder ein Trittin wegen seinen Aufrufen zu Verhandlungen mit der überhaupt nicht verhandlungsbereiten hitlertreuen Hamas als „ultra-rechts“. Oder dass „ultra-rechts“ für die arabischen Diktatoren verwendet würde, die Christen in ihren Staaten verfolgen und die Auslöschung Israels predigen. Oder für die zahlreichen CDU/CSU-Parlamentäre, die den sudetendeutschen Verbänden zusprechen und Litauen und Ostpolen zum Staatsgebiet Deutschlands rechnen.

Der Terminus „Ultra-rechts“ ist im europäischen Kontext für absolut gewaltbereite, organisierte und militarisierte Hardcore-Neonazis reserviert. Aber in Bezug auf Israel, wo man in Deutschland aufgrund einer merkwürdigen Verkehrung ohnehin alle als Nazis wahrnimmt, die sich nicht aus Appeasement und Kompromissbereitschaft schon selbst aufgehängt haben, kann man einen hitzigen konservativen Patrioten  dann nur noch als „ultra-rechts“ verunglimpfen.

Piratenalarm statt Intervention

Ein Pirat wurde gefangen. Wie die römischen Kaiser Barbarenfürsten in Triumphzügen durch die Straßen Roms zerrten, wird er durch die Presse gereicht – und vor allem als Novum für die Staatsrechtsprechung gehandelt. Piraterie und Staatsbigotterie sind eng verzahnt. In der Hochzeit der Piraterie waren Piraten zumeist Agenten im Auftrag von konkurrierenden Staaten. Sie führten das jeweilige Staatsinteresse außerhalb des rechtlich Verhandelten aus. Als die Staaten sich gegeneinander soweit konsolidiert hatten, dass Piraterie sowohl nutzlos als auch selbst zur Konkurrenz wurde, schrieb man die Freibeuter zu Staatsfeinden aus und verfolgte sie.

In der postnazistischen und postsozialistischen Welt konsolidieren sich die Staaten aufs Neue, diesmal auf internationaler Ebene. Internationale Rechtsprechung wird auf dem Weg zum Weltstaat zum Experimentierfeld, auf dem Trophäen Geltung verschaffen. Das Besondere am Fall des Jugendlichen aus Somalia ist daher nicht, dass er Pirat ist. Piraten gibt es in Südostasien ebenso wie in Afrika und allen Meeren mit unterschiedlichen Aufträgen: Schmuggeln, Fischraub, Müllentsorgung und das Aufbringen von Containerschiffen.

Dieser eine Pirat aus Somalia allerdings hat ein Verbrechen begangen, das schlimmer nicht sein könnte: Er gehört keinem Staat an. Was also implizit verhandelt wird, ist die stellvertretende Rechtsprechung, das Suggerieren eines internationalen verbindlichen Rechtsraumes, einer internationalen Exekutive, die selbst in Nichtstaaten wie Somalia Recht zu sichern weiß.

Dabei gibt man sich humanitär: Die Piraten seien eine Bedrohung für Hilfgüterschiffe. Die Hilfsgüterschiffe selbst sind eine Bedrohung. Die Schutzzölle der Helfer an die Warlords verschaffen diesen eine Existenzgrundlage, die eingeführten Hilfsgüter und Nahrungsmittel werden von Warlords verkauft oder paternalistisch verteilt. Es ist klar, dass keine Hilfsgüter nötig wären, wenn Waffenschmuggel, Islamismus und Tribalismus in Somalia eingedämmt würden. Die Hilfsgüter sind Zeichen einer Politik, die Somalia aufgegeben hat und mit Almosen ihr schlechtes Gewissen beruhigen will. Von Seiten Europas werden waffenstarrende Marineschiffe zum Schutz von ein paar Öltankern und Fischwilderern geschickt. Zur Verteidigung Mogadishus, der zwei Millionen schweren Hauptstadt Somalias aber sollen knapp 3000 Soldaten aus Uganda und Burundi ihr Leben gegen schwer bewaffnete und hochmotivierte islamistische Eiferer einsetzen. Zum Vergleich: um München gegen Grafittikünstler, Flüchtlinge ohne Papiere und Ladendiebe zu sichern, hält Bayern den dauerhaften Einsatz von 6000 im Gebrauch mit Schusswaffen bestens ausgebildete PolizistInnen für notwendig.

Das vom Weltmarkt abgehängte Hungerleiderland Somalia ist offensichtlich nicht von Interesse für die den Weltmarkt repräsentierenden Staaten. Sobald aber von jenen Hungerleidern eine Bedrohung für diesen Weltmarkt ausgeht, wird mit aller Macht zurückgeschlagen – und damit nur ein weiteres Mal zynisch zur Schau gestellt, welche Kapazitäten man zur Anwendung bringen kann, wenn man nur will. Dass Piraterie bekämpft wird, ist kein grundlegender Skandal, sondern eine Banalität. Dass Pirateriebekämpfung in Somalia zum vorrangigen Ziel erklärt wurde, während man Millionen Menschen und darunter vor allem die Frauen in Somalia dem Terror von Islamisten und traditionalistischen Männerbünden überlässt, ist menschenverachtende Bigotterie, eine makabre Farce.

Ein Fall von antiisraelischer Propaganda im ghanaischen „Daily Graphic“

Der Daily Graphic, die weithin zu Recht angesehenste Tageszeitung in Ghana, veröffentlichte am 19. Februar 2009 ein Exklusivinterview mit dem Botschafter Israels in Nigeria und Ghana, in dem dieser die voreingenommene Berichterstattung im Gaza-Krieg kritisierte. Ein Dr. Adam G. Nasser von der University of Ghana konnte das nicht aushalten und hält mit einem fett umrahmten Artikel – neben dem Konterfei Kofi Annans und dessen Rede in Nigeria – am 21.3.2009 dagegen. Der Titel gibt sich universitär:

„Re: Reflections on Gaza War. A response to Ambassador Moshe Ram.”

Reflexion ist immer eine gute Sache, Dr. Nasser allerdings verwechselt sie mit Projektion und zieht an allen Registern der hinlänglich analysierten antiisraelischen Propaganda. So entsteht ein Artikel, den man so auch in Deutschland von Professoren der Friedens- und Konfliktforschung oder Politikwissenschaft erwarten würde.

„First of all it is important to correct the erroneous impression that this conflict is between two armies. It is not. The Palestinians don’t have an army.”

Das ist sehr richtig, die zahllosen konkurrierenden palästinensischen Terrororganisationen verfügen derzeit nicht über eine Armee, sondern über mindestens drei schwer bewaffnete Streitmächte, die sie mit Waffen und Ausbildung versorgen, nämlich Iran, die Hisbollah und Syrien. Die zahlreichen sunnitischen Helfer aus Asien und dem nahen Osten wollen natürlich auch nicht vergessen werden, ferner ist in der Finanzierung von Hamas & Co. Europa ganz vorne mit dabei, während das subsaharische Afrika an Bedeutung für Finanzierung und Rekrutierung gewinnt und auch in Südamerika enge Bande zur den Terror gegen Israel fütternden Hisbollah-Mafia bestehen. Soviel dazu.

„Palestinian fighters consist mainly of the children of refugees who were forced to flee their ancestral homes following the violent creation of the Israeli state in 1948.”

Kindern kann man ja nun wirklich nichts Böses wollen. Und dann noch Flüchtlingskindern. Die Ingredienz „Ancestral homes“ ist eine in Ghana hochaufgeladene Formel für die Herkunftsregionen der Nachkommen von Sklaven. Die Begriffe Heimat, Boden und Tradition werden gerne als Einheit gedacht, wo der Familienschrein steht, dahin kehrt man gern zurück. Zu verschweigen, dass die Gewalt bei der Entstehung Israels dem Überfall der von Deutschland inspirierten arabischen Staaten auf eine weitgehend unbewaffnete Minderheit von ausgemergelten, jüdischen Flüchtlingen geschuldet war, ist dann antisemitische Geschichtsverkehrung as usual, wie sie in den USA, Europa und eben auch Ghana synchron stattfindet.

„The weapons in the armoury of the Palestinian David consist of light arms, crude homemade rockets, catapults, slings and stones. With these primitive weapons, they confront the awesome might of the Israeli army with a lethal arsenal of US-supplied, super hi-tech F16 fighter planes, missiles, tanks, apache helicopters and nuclear arms.”

Bei der als Chiasmus aufgebauten Steigerung, die erst von leichten Waffen zu Steinschleudern absteigt, um dann von F16 zu Atombomben wieder aufzusteigen, was dann auf die Konfrontation von Steinschleudern gegen Atombomben hinausläuft, ist die Sympathieverteilung selbstredend prädisponiert. Der Autor hat den ersten Paragraphen im Lehrbuch der antisemitischen Propaganda, die Imagination einer gewaltigen jüdisch-amerikanischen Übermacht, also vorläufig abgeschlossen und geht weiter zum Teil zwei, der Berufung auf Recht und Staat.

„Second, the widely held notion, that the continuous Israeli military attacks on Gaza are acts of self-defence against rocket fire attacks should be debunked. It must be conceded here, that rockets from Gaza that fall on civilian areas violate international law. But it is also true, that they are directed at territories forcibly occupied by Israel since 1967. The firing of rockets at Israeli settlements by Hamas should be assessed within the context of a guerrilla force fighting an occupying power.”

Mit ein wenig Geschichtsfälschung kann man so ganz einfach aus dem Selbstverteidigungsrecht des jüdischen Staates das der Hamas machen. Weil allerdings schon die Gründung Israels gewaltsam war, ist das pausenlose Abfeuern von Raketen auf jüdische Städte in der Vorstellung des modernen Antisemiten schon immer dringend gebotene Notwehr. Ob Sderot oder Ashkelon nun 1967 oder sonst wann „besetzt“ wurden, alle jüdischen Städte bleiben „Siedlungen“ und somit mit dem Urgrund antisemitischer Überfremdungsängste verbunden. Sobald diese sich selbst als Vernichtungswunsch bewusst zu werden drohen, kommt es unvermeidlich zur gewünschten Endprojektion, der Markierung des antisemitischen Terrors als Antifaschismus:

„Nazi Germany could not invoke the argument of self-defence against guerrillas who fought Nazi troops in occupied France, Poland, and the rest of occupied Europe.”

Israel = Nazi Germany, kein Problem für den sonst so vorsichtigen Daily Graphic. Nachdem man sich also sowohl von der Übermacht (Atombomben) als auch der Bösartigkeit (Nazis) des Juden überzeugt hat, kommt man bei Punkt drei an, der Versicherung der eigenen Stärke.

“Third, it is equally important to stress the point that Hamas has a mass and popular base among the Palestinian people, as well as a solid electoral legitimacy, having won democratic elections in 2006 much to the anger and displeasure of the United States and Israel.”

Was die USA und Israel verärgert, muss ja notwendig irgendwie demokratisch und inspirierend auf den Autor wirken. Das Weltbild also steht. Nun kann man sich mit dem konkreten befassen.

„I now turn to some specific issues of Ambassador Moshe Ram’s Interview.”

Es sei ein Faktum, dass die meisten der getöteten Zivilisten Frauen und Kinder waren. Das ist wahr. Wer in einem Krieg Schreckliches finden will, wird es finden. Dr. Nasser aber ist nicht so sehr an Grausamkeiten und ihrer künftigen Vermeidung interessiert, als vielmehr an Verkehrungen. Dass die israelische Armee bei Razzien die Familien in einem Zimmer einsperrt, und dann von einem anderen Zimmer aus das Areal sichert, gerät ihm zum Beweis für „Human shields“ als völkerrechtswidrige Taktik. Wäre der Gaza-Streifen geräumt worden, um der Hamas ohne zivile Opfer habhaft zu werden, hätte man von völkerrechtswidriger Deportation gesprochen. Da kann unerwähnt bleiben, dass die Hamas als grundlegende und einzige Strategie die Verursachung ziviler Opfer bei Gegenreaktionen eingeschlagen hat. Das ist bereits bei Che Guevara erklärtes Ziel einer jeden antiimperialistischen Guerilla: furchtbare Gegenschläge zu provozieren, um den verblendeten, friedliebenden und kompromissbereiten Massen die Grauenhaftigkeit des Gegners vorzuführen und daraus dann zu rekrutieren. Diese tatsächlich grauenhaften Vorfälle werden dann um jeden Preis noch greller ausgeleuchtet und ausgeschmückt. Israel habe Familien in UN-Gebäude getrieben und diese dann mit Phosphor beschossen, um absichtlich 50 Frauen und Kinder zu töten. Dass die UN mit ihren ungleich gewaltigeren Kapazitäten zur Konfliktverhütung vor Ort in Kauf nimmt, dass ihre Krankenwagen zum Transport von Hamas-Kämpfern und zum Waffenschmuggel verwendet werden, dass von ihren Gebäuden aus Raketen abgeschossen werden, dass die Weltmacht UN schlichtweg nicht an einem Stop des Terrors gegen Israel interessiert ist, braucht einen Dr. Nasser nicht in seiner Argumentation zu stören. Er fertigt damit den in nur sehr wenigen Fällen tatsächlich belegten, rechtlich sehr komplizierten Einsatz von weißem Phosphor im Handstreich ab, um dann zum letzten Punkt über zu gehen: Dem übermächtigen, bösen, zur Vernichtung ausgeschriebenen Juden noch Ratschläge zu seiner vermeintlichen Rettung zu erteilen:

„As fort he charge that Hamas is a terrorist organisation, my advice to Ambassador Moshe Ram is that he should remove the log in the Israeli eye before pointing at the speck in the Palestinian eye. That the foundations of Israel were built on acts of terrorism is well documented in history. In fact three prominent Israelis who eventually became that countries prime ministers had earlier in their careers been terrorists.”

Wollte Dr. Nasser nun den berufsmäßigen Terrorismus der Hamas gegen das längst aus dem Gaza-Streifen abgezogene Israel als antiimperialistischen Widerstand glorifizieren oder wollte der den selten auch mit terroristischen Anschlägen arbeitenden „antiimperialistischen“ Widerstand der Haganah gegen die britische Kolonialmacht als Terrorismus denunzieren? In jeden Fall ist Israel der Terrorist und Ariel Sharon habe das Sabra-Shatila-Massaker initiiert, wenn nicht gar ganz allein und zugleich stellvertretend für alle Israelis und Juden durchgeführt.

Massaker der Al-Husseini-Brigaden an der palästinensischen Opposition, der Bürgerkrieg zwischen Hamas und Fatah und anderen Terrororganisationen, die systematische Diskriminierung der Palästinenser in den arabischen Staaten werden wie gewohnt nicht einmal erwähnt.

Ein Schluss-Satz wurde Dr. Nasser von einem beim googeln gefundenen Faktum aufgedrängt, irgendwelche tiefergehenden „Reflections“ über das Fabrizierte löste er allerdings nicht aus.

„Of course, Hamas has engaged in terrorist acts, most notably by purposely targeting civilians with suicide bombs.”

Angedroht wird noch ein “to be cont’d”. Man darf hoffen, dass es ausblieb, folgt doch den widerwilligen Aufzählungen einiger Verbrechen der Hamas immer die letzte Schuldzuweisung daran mit einem großen „aber“ an Israel.

Der Artikel ist nur ein winziger Ausschnitt eines global reproduzierbaren Phänomens, der stereotypen Fokussierung auf einen Weltfeind Israel. Er ist keinesfalls repräsentativ für Ghana. In Ghana wie in weiten Teilen Afrikas findet man eine sehr enthusiastische, zumeist religiös unterfütterte Israelfreundschaft, die von Politik wenig weiß und die Israelflagge aus purem Rastafarei im Auto hängen hat – und genauso findet man eine prowestliche Israelfreundschaft, die sehr genau weiß warum man lieber in die USA  oder Israel emigrieren wird als in islamische Staaten.

Witchcraft, Displacement and Human Rights Network online

Ein neues Netzwerk versucht, innerhalb der UNHCR die Bestrebungen um ein Ende der Hexenverfolgungen in allen Teilen der Welt zu forcieren. Fast jeden Tag findet man hier neue Zeitungsmeldungen und lesenswerte wissenschaftliche Artikel zu Hexenverfolgungen. Dass von der UN allerdings im Allgemeinen nicht viel zu halten ist, sollte bekannt sein.

http://maheba.wordpress.com/

Fragmentarisches zur sexuellen Gewalt und Homosexualität in Ghana

Während es als „normal“ angesehen wird, dass Kinder in der Schule mit Schlägen diszipliniert werden und davor und danach bis spät in die Nacht Orangen oder Gebäck oder Wasser verkaufen müssen, beunruhigt es viele GhanaerInnen dann doch, dass in Schulen sexuelle Belästigung und Vergewaltigung offenbar stark zunimmt. Ein Vortrag des Direktors der Comission for Human Rights and Administrative Justice, Dr. Richmond Mensah vor über 1000 Zuhörern wollte über dieses Problem aufklären. In der von GhanaWeb erstellten Zusammenfassung entsteht allerdings der Eindruck, als setze er eher wirtschaftliche Prioritäten: sexuelle Belästigung könne die Aufmerksamkeit in der Schule und akademische Karierren gefährden. Und:

„…if not checked, sexual harassment could degenerate into attempted rape or defilement, or even lead to homo sexuality, if it is perpetrated between persons of the same sex.“

Die homo-, bzw. pädosexuelle Gewalt gegen ein Kind – die möglicherweise gegen ihre Tabuisierung thematisiert werden wollte –  würde demnach schon mit Homosexualität gleichgesetzt. Das ist in einem Staat, in dem 3 Jahre Gefängnis die Strafe für homosexuelle Handlungen ist, mehr als nur ein Lapsus.

Die dringend gebotene Aufklärungsarbeit und das Engagement gegen das drängende Problem der sexuellen Gewalt geht leider mit einer offiziellen konservativen Sittenstrenge in Bezug auf jegliche Sexualität einher. In Broschüren für Touristen wird davor gewarnt, öffentliche Zuneigungsbekundungen wie Küsse oder Umarmungen auszutauschen: Es könne die Moral der Kinder verderben. Der Kanal „African Magic“ kennzeichnet Filme als „VL16“, wenn in ihnen „strong language or offensive words“ auftauchen. Besonders fragwürdig ist ein Aufklärungsplakat aus einem preiswerten Hotel: Ein in weiß gezeichneter Mann infiziert sich bei einer rot gezeichneten Prostituierten und wird im nächsten Bild ebenfalls rot. Er infiziert im folgenden Bild eine weitere Frau, die vormals weiß ist und dann rot wird. Die dritte Frau verwendet ein Kondom, bleibt weiß und entsorgt das Kondom mit rotem Inhalt in der Mülltonne. Weiß oder hell sein wird so mit gesund sein gleichgesetzt, dunkel mit Krankheit. Im gleichen Hotel findet sich in der Rezeption am schwarzen Brett ein Zeitungsausschnitt mit dem Bild einer Schönheit. Der Teil unterhalb des Kopfes wurde aber züchtig ausgeschnitten. Das Nebeneinander von Diskursen lässt allerdings auch den Verkauf von Pornografie auf offener Straße zu. Ferner wird auf dem Campus vor Pharmaziehütten sehr offen über Geschlechtskrankheiten aufgeklärt. Und auf Ghanaweb findet sich ein fast schon als Werbung gehaltener Bericht ueber die Homosexuellenszene in Ghana:

Information reaching the Statesman newspaper indicates that a new gay and lesbian club night on the campus of Legon has drawn unprecedented numbers, indicating a growing sexual liberalism amongst students at the nation’s premier University. What the gay social event, which was attended by non-gay liberal students, shows is that the gay scene is getting big in Ghana. (…) Around 5pm, students from both Legon and the Kwame Nkrumah University of Science and Technology started trickling in, and by 9pm, the party was rocking – with the blaring music audible in the whole vicinity. Flamboyance characterized the outfits of the partygoers, with men and women alike donning high heels, painted nails and weave-ons for the birthday celebrations.“