Adolescence – Moral Panic durch Fehllektüren

Der vierteilige Film „Adolescence“ (netflix) erhält überragende Kritiken und wird als Weckruf gegen frauenhassende Incels problematisiert. Anders als grotesk überbewertete Schrottfilme wie „Dune 1+2“, bei denen man wirklich am allgemeinen Verstand von Publikum und Kritik zweifelt, ist „Adolescence“ tatsächlich erst einmal gut gemacht und glänzt mit überragendem Schauspiel durch Owen Cooper und Graham Miller.

Die Quadrilogie erzählt die Geschichte eines Mordes von einem 13-Jährigen an einer anderen Teenagerin in einem Vorort von London. Die empathische Täterperspektive wird zunächst durch dessen Verdrängung und Leugnung ermöglicht, die den Spannungsbogen eines whodunnit erlaubt. Als die Tat dann durch Videobeweis nicht mehr zu leugnen ist, schwenkt die Perspektive auf die Eltern, deren Suche nach Antworten, und am Ende ihr Leiden an sozialer Ausgrenzung, Mobbing und Versöhnung mit dem Sohn.

Die Emotionalität und Sensibilität des Vaters bietet Identifikationspotentiale, aber auch Anlass für die Suche nach Versagen: Der Vater hat einmal „geschrien“ als ihm ein Projekt misslang, das wird zu einem Verdacht der Tradierung männlicher Gewalt aufgebaut, der dann noch einmal mit einem Angriff auf einen mobbenden Jugendlichen gehärtet wird, ohne aber etwas abseits der Normalität zu zeigen.

Internet, Incels und väterliche „Gewalt“ erklären innerhalb des Filmes nichts. Vielleicht will er nichts erklären, sondern nur darstellen. Zum Beispiel die Schule, in der man Kinder beim triezen, sich aufziehen und Klassenclown-spielen sieht. Oder die Institution der Untersuchungshaft für Jugendliche. Hier stellt der Film einem weißen, britischen Publikum als exotische und geschönte Ausnahme vor, was für zehntausende von Flüchtlingskindern in Europa Realität ist: frühmorgens von einem Einsatzkommando aus dem Bett gerissen zu werden, teilweise jahrelanges Inhaftiertwerden, Warten in Behördernmaschinen – ohne ein Verbrechen begangen zu haben.

Und wie die weißen Europäer gewohnt sind, auf Ausländer zu blicken, werden ihnen dann Jugendliche vorgeführt: als Gruselkabinett der Hässlichkeit, als Mobber, Vandalen, schwer Erziehbare und gerade dort, wo sie vermeintlich lieb und brav sind, lauern in ihnen unberechenbare Mörder. Ist das Vorgehen der Polizei erst empörend, erscheint es im Nachhinein als gerechtfertigt zur Kontrolle des Unkontrollierbaren. Es ist eigentlich ein recht konservatives, typisch britisches Drama um den Einbruch des Mordes ins heile Heim, eine moral panic um undurchschaubare, undurchdringliche Jugend die durch unverständliche Prozesse der Modernisierung „immer schlimmer“ zu werden scheint.
Zwar ist die Erzählung eine andere, aber der Publikumsreiz ist der gleiche wie bei „Clockwork Orange“ oder „Quadrophenia“. Nun sind es nicht mehr Drogen oder Mopeds, sondern das Internet und „Incels“.

Dabei scheint der Film gar nicht wirklich überzeugt zu sein von der Ableitung, dass Iincel-Themen am Gewaltausbruch schuld trügen. Der Täter lehnt eine Identifikation mit der 80/20-Regel ab. Incel-Videos habe er mal „gesehen“, aber es habe ihm nicht so gefallen. Die 80/20-Regel geht auf veröffentlichte Daten der Onlinedating-Plattform Okcupid zurück, die belegten, dass Männer von Frauen zu 80% weniger attraktiv befunden werden als umgekehrt und dass ein kleiner Teil von Männern einen großen Teil der Anfragen von Frauen auf sich vereint.

Diese Beobachtung ist zunächst nur eine Aussage über das Nutzer*innenverhalten der Plattform, nicht für die Gesellschaft. Sie ist allerdings auch nicht neu und ähnliche Probleme der Verteilung von sexueller Attraktivität werden auch im Feminismus diskutiert. Die Incel-Bewegung verallgemeinert und nimmt die Zahl jedoch zur Grundlage einer Dominanzkultur, in der Männer mit Betrug, Manipulation und letztlich Gewalt zu Sex kommen müssten, weil sie ein Recht darauf hätten. In einer Gegenbewegung macht man sich über Männer lustig, die an der objektiven Realität einer gesellschaftlich-kulturell entstandenen Ungleichverteilung von Attraktivität leiden. Der Film zeigt die letztere Dimension: Der Junge identifiziert sich nicht als Incel, er wird als Incel gemobbt, weil er offenbar begehrt und nicht zurückbegehrt wird. Die Erklärung, die der Film liefert, ist gerade nicht, dass er durch Incel-Ideologie aufgehetzt wird in die Frauenverachtung. Sondern dass er, als er seine Liebe gestehen möchte, vom Objekt seiner Liebe, das ihn zuvor als Incel gemobbt hat, verspottet wird: so verzweifelt sei sie dann doch nicht („I am not that desperate!“) Das löst in ihm den Mord im Affekt aus. Dass er zuvor ein Messer erhalten hat, widerspricht dem Affekt. Dieser Widerspruch wird aber nicht aufgelöst.
Der Film zeigt einen zweiten Gewaltakt: den eines Mädchens, das mit dem Opfer die beste Freundin verloren hat und die mit schweren Schuhen einen Jungen zu Boden tritt, dem sie Schuld zuspricht. Weder die Geschichte dieses Mädchens noch dieses Jungens werden auserzählt. Und diese Schulhofgewalt durch ein Mädchen wird vom Publikum hingenommen, das Opfer hat es irgendwie verdient, weil er dem Täter das Tatmesser verschafft hat.

Wollen wir dem Film glauben, liegt nicht in der Ansteckung durch Ideologie aus dem Internet die Ursache für den Mord, sondern in der Kränkung: adoleszente Jungen, die sich als „ugly“ empfinden, nach Bestätigung, Zärtlichkeit und gemocht werden hungern, und bei Verweigerung gefährlich werden, Frauen abwerten, sich gegenseitig mobben. Der Junge ist dezidiert nicht „hässlich“, hat aber diese Selbstwahrnehmung im Zuge einer Dysmorphophobie verinnerlicht. Der Film macht aber Angst vor gekränkter „Hässlichkeit“, vor dem strähnigen Baumarktmitarbeiter, der dem Vater gegenüber ein organisiertes „wir“ ankündigt, eine Gruppe von online vernetzten incels, die dem Mörder Solidarität versprechen.

Ist fehlendes Begehren das Problem? Der Film zeigt den Vater, der von der Mutter mit Komplimenten überschüttet wird. Er zeigt die Tochter, die sich „so hübsch angezogen“ hat. Er zeigt die Mutter, die trotz ihrer Falten und Pfunde nach drei Jahrzehnten Ehe noch heiß begehrt wird. Er zeigt die Rechtspsychologin, die der jugendliche Täter „posh“ und hübsch findet. Dem gegenüber stellt der Film den Jungen, der sich als „ugly“ bezeichnet.

Dann, so ein Angebot des Filmes, sind die „ugly“ nicht nur nicht begehrenswert, sondern auch gefährlich. Das ist eine self-fulfilling prophecy, die ständige Stigmatisierungsspiegelkabinette erzeugt: Stigma erzeugt Trauma erzeugt Gewalt, Gemobbte werden Mobber und rasten aus, aus Traumatisierten werden Verdächtige. Der Film bietet mit dem Sohn des Detectives zaghaft ein Gegenmodell an: ein Junge, der gemobbt wird, nicht normschön ist, einen kalten Vater hat, und trotzdem aufrecht und warm bleibt.

Identifizieren sollen wir uns mit der Psychologin, die nachfragt, die die Wutausbrüche erträgt. Die aber die verzweifelte Frage des Jungen, ob sie ihn denn „möge“, mit einem schweigenden und dadurch totalen Nein beantwortet, anstatt einzelne Sympathieaspekte zu benennen: „Was ich an dir mag/nicht mag ist:…“ oder den narzisstischen Hunger zur Selbstbefriedigung anzuhalten: „es kommt darauf an, ob du dich magst oder nicht“.
Im Film wird das Gutachten zur Antherapierung durch Vertrauensbildung. Dem folgt abrupt und unangekündigt der Entzug des dringend benötigten Therapieangebots, eine traumatische Situation, die in dieser Dimension wohl nur therapieerfahrenen Personen ersichtlich ist. Der Film führt hier dem Durchschnittspublikum eher den Jugendlichen als explosiv vor und die Psychologin als professionell überfordertes Opfer jungmännlicher Demütigung. Dass hier der Junge Opfer eines systematischen und gar nicht unrealistischen Pfuschs von Gutachtengewalt wird, ist nur einem Spezialpublikum ersichtlich.

Die Zumutungen und Normativität des Systems aus Familie, Polizei, Schule und Begutachtung wird zwar zweifellos kritisch abgebildet. Insbesondere die Schule „stinkt“. Am Ende aber bleibt alles in der Luft und die konservative Lesart, dass Jugendliche eben mehr Aufmerksamkeit und Familie und weniger Medien bräuchten, drängelt sich durch.
Wenn nun beim Publikum nur noch die angedrehte Aufregung über jugendliche Incels übrig bleibt, wird der Film missverstanden, wofür er in Teilen selbst verantwortlich ist.
Was der Film in seinem Weissein und seiner Weltabgewandtheit nicht zeigt, ist, wie misogyne Ideologie tatsächlich bei Jugendlichen verbreitet wird: Durch gegendertes Spielzeug, das Mädchen zu Püppchen und Jungen zu Polizeiautofahrenden Narbenmännern machen will. Durch die christliche Religion mit ihrer in zwei Jahrtausenden sedimentierten Frauenverachtung. Durch die islamische Religion, die Jungen zunächst an Genitalien verstümmelt und ihnen dann Dominanz über Frauen verspricht und Kontrolle über die weibliche Verwandtschaft zu einer Frage der „Ehre“ erklärt. Durch rechtsradikale Ideologie, in der Frauen, Natur und Homosexualität gleichermaßen abgewertet, bzw. in Ehe, Viehzucht, Sport und Armee kulturell eingehegt werden. Daran wiederum ist überhaupt nichts neu.

Die Saat des heiligen Feigenbaums – Filmkritik

„Die Saat des heiligen Feigenbaums“ versucht, den Freiheitskämpfer*innen der iranischen Revolte von 2022 ein Tor zu einem konservativen Bürgertum zu öffnen. Leider funktioniert der Film an zentralen Stellen nicht. Dem Vater nimmt man seine Überraschung nicht ab, dass er auf einmal Todesurteile unterzeichnen soll – wo er doch ein ehrbarer Ermittlungsrichter sei. Über den ganzen Film hinweg wird man angehalten, sich mit diesem Täter emotional zu identifizieren, ihn zu verstehen und zu entschuldigen. Die Protestierenden wiederum bleiben in der Ferne. Lediglich eine „Unschuldige“ betritt das in weiten Teilen als Kammerspiel durchgeführte Stück, sie geriet zufällig und gegen ihren Willen in die Proteste und wurde verwundet. Das schadet der Sache nicht unbedingt, stellt aber die Abwehr im konservativen Haus, deren Projektionen und Strategien ins Zentrum, während es den Töchtern die Rolle gibt, den Aufstand in der Familie zu verteidigen, ohne selbst am Aufstand teilzunehmen.

Gelungen sind diese beiden großartig gespielten Töchter. Die Mutter hat die Rolle der in den Konservativismus getriebenen Geschlechtsverräterin, die letztlich erst unter größtem Druck und aus Konservativismus auf die Seite der Freiheit überläuft. Der Symbolismus könnte eigentlich die stärkste Seite des Films sein, wenn er ähnlich konsequent wie im surrealistischen Film durchgeführt würde. Szenen wie die Jagd durch die Ruinen hätten enormes surreales Potential, wenn sie nicht so unglaubwürdige Thrills kultivierte. Das gleiche gilt für die obligatorische Vefolgungsjagd mit quietschenden Reifen, ohne die heute weltweit kein Film mehr erlaubt wird.

Mühselig sind die ersten 20 Minuten des Films, dann wird es wesentlich besser. Die realen, Onlinemedien entnommenen und eingestreuten Filmschnipsel wurden glaubhaft aus der iranischen Perspektive ausgewählt. Während hier vor allem die Erfolge gezeigt wurden, brennende Autos, Menschenmengen, Parolen, stehen im Film eher die Videos der Gewalt gegen Protestierende im Fokus. Es ist ein Film, der die Niederschlagung des Aufstandes zeigt, von der man im Westen dann nichts mehr oder zu wenig wissen wollte. Es zeigt auch die Macht des Kopftuches: wie sich Frauen von Individuen in wandelnde Masken verwandeln.

Rückblickend war der „Fehler“ der unorganisierten „anarchistischen“ Proteste, dass sie zwar „Tod dem Diktator“ riefen, aber die Konsequenz nicht zogen und sich nicht koordinierten und letztlich bewaffneten. Das erklärt sich aus der durchaus realen Chance, in Iran mit seiner mehrheitlich gegen das Regime arbeitenden Bevölkerung solche Massen auf die Straße zu bringen, dass die Diktatur aufgibt und stürzt. Vergleichsfälle wären Portugal oder die baltischen Staaten.

Dass die iranische Armee wie in Portugal mit Unterstützung von Massen putschen würde, darf bezweifelt werden. Auch wenn Armeen mit ihrer Masse an Mitgliedern immer Nester von Opposition beherbergen, sind die Spitzen in Iran gleichgeschaltet.

Die andere Option wäre, mit Massen auf der Straße vom Regime Reformen zu erzwingen, und dann diese Reformen zu nutzen, um Parteien aufzubauen und überhaupt handlungsfähig zu werden.

Dagegen hat sich das Regime verwahrt, am Kopftuch hängt sein Überleben, und es fürchtet den Tocqueville-Effekt zu Recht.

Die Proteste als Abbild anarchistischer Straßenproteste in westlichen Ländern zu führen, war daher zum Scheitern verurteilt, oder drastischer ausgedrückt: endete in den Foltergefängnissen mit Erschießungen und systematischen Vergewaltigungen.

Das Problem der iranischen Revolten, deren nächste unweigerlich kommen wird, ist, dass sie keine Opposition organisieren können, hinter die sich dann ausländische Unterstützung und das Bürgertum im Land stellen können. Solange ein Zerfall des Regimes nur einen Verlust an Stabilität bringt, überwiegt offenbar bei den Millionen, die trotz ihrer Gegnerschaft nicht auf die Straße strömten, die Skepsis gegen das, was danach folgt: Die Logik des unbekannten Schlimmeren. Will man exilierte monarchistische Kräfte zurück haben, will man die antiisraelische autoritäre Sekte der Volksmudschaheddin MEK mit Einfluß und Waffen ausstatten?

Der iranischen Opposition fehlt trotz der Einigkeit gegen das Regime eine Einigkeit zur Organisation bürgerlicher Kräfte und Parteien. Der Konflikt ist global und in Iran besonders ausgeprägt: zwischen Anarchismus mit seiner verspielten Forderung nach basisdemokratischer Organisation aller freier Individuen, der kein Staat sein will und daher auf Chaos oder Reformismus hinarbeitet; und einer realistischen Politik inmitten eines globalen Gerüsts aus Staaten und Wirtschaft, inmitten von Begehrlichkeiten und Wahnsinn, in dem ein neuer Staat für Repräsentation, neue Gerichtsbarkeit und geteilte Gewalten, Verwaltung, Verantwortung zwangsläufig gerade stehen muss und nur die Wahl zwischen liberaler Sozialdemokratie und autoritärem Konservativismus besteht.

Die iranische Opposition braucht eine sozialliberale, demokratische Organisation mit einer repräsentativen, nach Möglichkeit gewählten Parteielite, mit der Bereitschaft, einen bewaffneten Guerillakrieg gegen die nicht reformierbaren Einrichtungen des Militärstaates zu organisieren und zu Ende zu führen. Ein anderer Ausgang ist m.E. nicht realistisch. Selbst eine von Israel und den USA geleistete Zerstörung des militärischen Potentials des Regimes und die Sanktionen vermögen nicht die mit Kleinwaffen bewaffneten, gut organisierten Schlägertruppen und die Sittenpolizei zu beseitigen.

Von Katzen, Karikaturen und Karotten – Erinnerungen an verschütteten Alltagsrassismus

In den 1980ern verbot mir meine Mutter Asterix-Comics, weil sie gewaltverherrlichend und rassistisch seien. Trotzig und heimlich zog ich das mir irgend zugekommene Heft zweimal aus der Mülltonne, um es im Versteck zu lesen. Später wurde meine Mutter begeisterter Asterix-Fan und hat uns alle Folgen gekauft. Es gab durchaus ein Bewusstsein für Rassismus. Nur brach dieses angesichts einer kulturellen Übermacht ein und unterwarf sich der Marktmacht oder dem Genuß anderer Qualitäten. Denn zweifellos ist Asterix rassistisch. Zwar wird eine allseitige, selbstironische Karikatur anderer Gesellschaften gezeichnet: Die Korsen als konservative Hitzköpfe, die Briten als verklemmte Fußballfanatiker, die Römer ohnehin als dekadente Doofköpfe, die Spanier als ewig singende und tanzende Gitanos/Calé. Die Selbstironie von Stereotypen endet aber dort, wo sie reine Fremdzuschreibung und Projektion auf historisch vollständig unterworfene Gruppen sind. Das betrifft neben der ikonischen, aber immerhin mit eigenem, kritischen Charakter versehenen Karikatur des schwarzen „Baba“ insbesondere die „Indianer“ in „Asterix – die große Überfahrt“, das als „Asterix in Amerika“ 1994 verfilmt wurde. Der Film ist ein unerträglicher Wust an rassistischen und sexistischen Stereotypen: eine europäisch-hübsche Pocahontas inmitten einer hakennasigen Umgebung aus schlacksigen Marterpfahl-Indianern, die von einem fiesen, noch hakennasigeren Schamanen befreit werden müssen. „Pocahontas“ Rolle besteht darin, hübsch zu sein und Obelix den Kopf zu verdrehen. Der unsägliche Film wird nach wie vor regelmäßig ausgestrahlt.
Ebenso unfassbar reaktionär sind die seriellen Indianer-Karikaturen in den Lucky Luke-Bänden. Permanent wird einem tollpatschigen Indianer dort beim Ululieren um den Marterpfahl die Feder vom Kopf geschossen, um ihn Mores zu lehren, nicht selten kommt die ganze Kavallerie, um Weiße aus der Hand von „Indianern“ zu befreien und es hilft auch nichts, dass hin und wieder Lucky Luke auch einmal Vertretern der First Nations hilft, denn dieses „Helfen“, das Unfähigkeit kommuniziert, kennt man zu gut.

Viel unscheinbarer, obwohl präsenter blieb der subtile Rassismus in der Alltagskultur. Warum etwa heißen Mohrrüben Möhren? Lange glaubte ich an die Legende, sie würden eben im Moor angebaut oder in Torf gelagert, um sie frisch zu halten. Der Wahrheit näher dürfte liegen, dass Karotten sehr rasch schwarz schimmeln, wenn man sie lagert oder anschneidet. Eine andere Erklärung ist, dass die schwarze „Mohrenblüte“ im Zentrum der Dolde der Pflanze den Namen gab. In jedem Fall wird eine reine Äußerlichkeit der Farbe mit einer Gruppe von Menschen identifiziert, die dadurch wiederum auf das Merkmal „schwarz“ reduziert wird.

Ebenso unvermeidbar wie das „Zigeunerschnitzel“ in den Gaststuben und Grillbuden findet sich der „Mohrenkopf-Weck“ in den Auslagen von Bäckereien auf dem Lande. Auch wenn hier die Hersteller sehr viel schneller umstellten und wie „Dickmanns“ die Gelegenheit nutzten, die Süßware nach der eigenen Marke zu benennen, vermag ich bis heute nicht, einen Schaumkuss als solchen zu sehen, ohne das Wort „Mohrenkopf“ zu denken.

Und ganz unverdächtig schleicht sich ein Kinderlied ein, sobald ich eine schwarze Katze sehe: „Unsre Katz‘ heißt Mohrle, hat ein schwarzes Ohrle, hat ein schwarzes Fell, und wenn es was zu schlecken gibt, dann ist sie gleich zur Stell.“ Das Lied findet sich bis heute in Kinderliedsammlungen und wird auch im öffentlichen Rundfunk noch eifrig gesungen.

Kulturrassismus beschämt, weil er sich an schöne Erfahrungen heftet, die der Aggression unverdächtig sind. Eine Süßspeise, ein Gemüse, ein lustiges Comic, ein Katzenbaby. Er beschämt, weil er sich in Kindern eingräbt und seine Wurzeln in Neuronenketten gräbt, tief in den Geist hineinschlägt, nicht vergessen werden kann. Er kann aber nur beschämen, wenn erkannt wird, was beim diskriminierten Gegenüber sich eingräbt: kein schönes, unschuldiges Kindheitserlebnis, sondern die Erfahrung, dass alles, was an mir wahrgenommen wird, die äußerste Schicht ist, die Hautfarbe. Das setzt mich mit Pflanzen, Tieren, Pilzen, Dingen gleich, obwohl doch sovieles so anders ist und nichts an mir an einen filzigen Pilz, an eine Ente oder an eine orange Rübe erinnert. Und diese Gleichsetzung erzeugt eine noch erschreckendere Gleichsetzung mit anderen Menschen, mit denen nur die Hautfarbe und auch die oft nur annähernd in Nuancen geteilt wird.

Es wird den Weißen nicht wehtun, Karotte statt „Möhre“ oder „Mohrrübe“ zu sagen, ein „Paprikaschnitzel“ oder einen „Schaumdings-Weck“ zu bestellen. Wichtiger ist aber, dass die Umbenennung Menschen mit dunkler Hautfarbe nicht wehtun will, auch wenn selbst in der Umbenennung noch einige Jahrhunderte die Reaktion auf das rassistische erinnert wird.
Was die Comics und Filme angeht, so sind diese zwar wie alle Kultur mitsamt ihrer Kritik daran Müll. Eine maoistische Kulturrevolution allerdings, die alles über Bord wirft, vergisst die Mülltrennung. Ein Film wie „Asterix in Amerika“ sollte idealerweise nie wieder ausgestrahlt werden und nur noch zu wissenschaftlichen Zwecken in Erwachsenenbibliotheken zugänglich sein. Comics wie Asterix oder Lucky Luke können nach einer gründlichen Auswahl mit entsprechender Überarbeitung oder Anmerkung ja auch weiter Kindern zugänglich bleiben. Solange aber diese Auswahl nicht erfolgt, behauptet man nichts anderes als dass man nichts Anderes hat, dass wirklich alles an Kultur Müll ist, wenn sie ungeändert rassistisch sein muss, um überhaupt existieren zu können.

Mit Atomkraft zum Klimazid

Die Erklärung der COP28 zur Atomkraft ist ein weiterer Tiefpunkt menschlicher Zivilisation. Im Angesicht der vollständigen Auslöschung mariner Riffe und tropischer Regenwälder durch 2-Grad-Plus im Jahr 2050, sowie 3-4,5 Grad plus im Jahr 2100, mit einem Anstieg des Meeresspiegels um dann zwei Meter fällt den Verantwortlichen nichts Besseres ein, als die Leistung der Atomkraft bis 2050 „zu verdreifachen“.
Schon in der Einleitung erfolgt die erste Lüge: „keeping the 1.5-degree goal within reach“. Wer noch vom 1,5-Grad-Ziel redet, ist ahnungslos oder harter Klimaleugner. 1,5 Grad werden aller Wahrscheinlichkeit nach im Jahr 2027 erreicht, also in drei Jahren. Der CO2-Ausstoß in diesem Jahr war ein neuer Rekordwert: 40,2 Milliarden Tonnen. Nichts deutet darauf hin, dass dieser Wert in den kommenden Jahren sinken würde. Dieses CO2 wird erst in vielen Jahren in den oberen Schichten der Atmosphäre ankommen und dort Infrarotstrahlung auf die Erde zurückreflektieren. Auch wenn die Puffer in den Weltmeeren aufgebraucht sind, bleibt das System so träge, dass das Klima in 10 Jahren durch unsere Aktivitäten heute schon feststeht – und dass sich (bislang unwahrscheinliche) netto und global positive Änderungen allerfrühestens in 10 Jahren bemerkbar machen, vermutlich aber wesentlich später.


Atomkraft erzeugt derzeit ca. 10% des weltweiten Strombedarfs, und nur 2% des Primärenergiebedarfs. Diesen Anteil zu verdreifachen wird nichts am krachenden und gewollten Scheitern von 1,5- und 2-Grad-Limits ändern. Nachdem die EU auf Drängen Frankreichs unter dem Reaktionär Macron Nuklearenergie als „nachhaltig“ verklärte, folgen nun auch Teile der internationalen „Gemeinschaft“ diesem Ruf nach der vermutlich teuersten Art und Weise, Energie zu produzieren. Die Erklärung liefert ein paar „Bekenntnisse“ zur Bedeutung von sicheren Versorgungsketten ab, widmet einen Viertelsatz der bislang unabgegoltenen Entsorgung, schwafelt etwas von neuen Reaktoren und Sicherheit, während Pakistan und Nordkorea ungehindert Atomwaffen erlangen konnten und der Iran auf dem besten Weg dazu ist, 40% der Brennstäbe aus Russland kommen und die Kosten und Risiken in allen Nuklear-Staaten auf die Gesellschaft abgewälzt werden. Atomkraft ist in diesen Zuständen nichts als eine Taktik, die Diversifizierung der Energieversorgung zu blockieren und die Netze zu verstopfen und Energiesparmaßnahmen zu sabotieren. Um das gigantische Speicherproblem der auf Dauerlast laufenden Reaktoren zu lösen, wurde der Nachtstromtarif erfunden, Strom in ineffizienten Nachtspeicherheizungen verklappt und in Leuchtreklamenwüsten verschleudert. Atomkraft hat nicht im Geringsten mit dem Ausbau der Kohlekraftwerke konkurriert. An keiner Stelle war das Argument, ohne ein Atomkraftwerk müssten klimaschädliche Kohlekraftwerke gebaut werden. Atomkraft wurde in Frankreich, USA und GB primär gefördert, um Plutonium für Nuklearwaffen zu erbrüten und war ohne die Nuklearwaffenproduktion nicht denkbar.

Während die Atomkraftwerke in Frankreich in den Dürren der letzten Jahre noch nicht einmal „Zitterstrom“ lieferten, sondern wochenlang auch mal gar nichts, während der Sanierungsstau schon nicht planbar ist und der Neubau von gerade einmal zwei Atomkraftwerken in England und Finnland Jahrzehnte dauerte und alle Plankosten sprengte, hat die Photovoltaik alle paar Monate technologische Fortschritte verzeichnet. Photovoltaik-Techniker geben oft keine Kostenvoranschläge mehr, weil die Preise und Anlagentypen sich praktisch alle sechs Monate revolutionieren. Auf FFPV ist eine massive ökologische Aufwertung der Fläche bei möglich, so dass die Flächeneffizienz im Vergleich zu anderen Energieformen legendär ist. Bislang ist im Sommer eine Tagstromversorgung zu 100% aus Photovoltaik realisierbar, mit aktuell technisch möglichen Speicherbatterie-Anlagen auch bis weit in die Übergangszeit hinein. Freiflächen- Solarthermie ergänzt z.B. in Greifswald die Wärmeproduktion dort, wo nicht elektrifiziert werden kann. Die ergänzende Kombination mit Hackschnitzelverfeuerung ist allemal flächeneffizienter als die barbarisch ineffiziente Verstromung von Energiepflanzen in Biogasanlagen.

Der derzeitige Primärenergiebedarf wird sich aber kaum mit irgendeiner Energieform nachhaltig decken lassen. Auch wenn trotz Fachkräftemangels eine „Wärmewende“ gelingen sollte und die Umstellung des Erdölbasierten Verkehrssektors auf Strom irgend realisierbar würde, bliebe es eine freche Lüge, von „Netto-Null-Ausstoß“ zu sprechen, ohne eine Planwirtschaft und umfassende Umwälzungen von Wohnkultur und Konsum zu denken. Eine industrialisierte Gesellschaft mit Verdoppelungsraten ihrer Warenproduktion binnen 24-36 Jahren (bei 3% bzw 2% Wirtschaftswachstum) wird CO2 ausstoßen und Natur vernutzen und beides immer mehr. Alles Gerede von „Kreislaufwirtschaft“ ist Schönfärberei in einem kapitalistischen System, das von Planwirtschaft nicht einmal im Angesichts des Untergangs der Menschheit etwas wissen will.

Und dieser Untergang ist nicht sprichwörtlich, sondern real: Bangladesch und weite Teile Ozeaniens werden bei 2m Meeresspiegelanstieg praktisch verschwinden, die Niederlande und viele reiche Flachmeer-Anrainer (Nordsee, Ostsee, etc.) nur unter immensen Kosten für Pumpwerke, Schleusen, Deiche noch eine Zeitlang aushalten können. 3 oder 4 Grad im Jahr 2100 bedeuten einen Fall aller kritischer Kipppunkte und damit eine weitere Erhitzung in den folgenden Jahrhunderten.
Megafluten sind bei den Meerwassertemperaturen bei 2-Grad-Plus ebenso wahrscheinlich wie Megadürren und beide werden im dichten Wechsel erfolgen, Wälder unter Hitzestress absterben und Seen in Windeseile verdunsten lassen. Die Klimakatastrophe ist vom Mord an hunderten Millionen Menschen nicht zu trennen. Da die Folgen seit Jahrzehnten bestens bekannt sind und die Ursache einer wachstumsgetriebenen, sprich: kapitalistischen Gesellschaft selbst dem konservativen Club of Rome schon seit 60 Jahren bewusst gewesen sind, ist von einem bewussten, kriminellen Handeln unzähliger Beteiligter auszugehen. Es ist jedem mit Basisschulbildung offensichtlich, was Hitzewellen von 40 Grad bedeuten für proteinbasiertes Leben, das bei 40 Grad an denaturierten Proteinen verendet oder Organe durch Regulierung unter Dauerstress vernutzt. Wer bei 40 Grad Fieber ärztlichen Beistand sucht, hat ausreichend Bildungshorizont, um zu verstehen, was 40 Grad Hitzewellen für den Körper bedeuten. Es ist jedem klar, dass sich in Städten und Staaten mit regelmäßigen Hitzewellen von 50, 60 Grad nicht mehr leben lässt, dass also weite Teile der Tropen und Subtropen unbewohnbar werden und die Menschen dort zu Millionen umkommen werden. Auf diese Probleme mit einer Verdreifachung der Atomkraft zu antworten, ist nichts als ein weiteres Bekenntnis zum dreisten Mord an hunderten von Millionen von Opfern der Klimakatastrophe, es ist praktizierte Menschenfeindlichkeit.

Windkraftpotentiale neuer großer Anlagen liegen derzeit bei 16MW pro Offshore-Anlage und eine durchschnittliche Nennleistung ist bei den derzeitigen Anlagenhöhen von 200 Metern auch im Dauerbetrieb lieferbar. Onshore liegt die Leistung bei 3 MW. Atomkraftwerke liefern gerade einmal 500-1500GW je nach Größe. Das bedeutet, 100 der neuesten Offshore-Windräder oder 3-500 aktuell übliche Onshore-Windräder ersetzen ein Atomkraftwerk – zu einem Bruchteil des Preises und ohne Entsorgungskosten. Natürlich benötigen Windräder Schmiermittel, u.U. Heizsysteme um Vereisung zu verhindern und seltene Erden, um die Magneten bei den im Offshore-Betrieb anfallenden Temperaturen stabil zu halten. Aber was benötigt ein Atomkraftwerk nicht alles an Material für Verschleißteile, Hochleistungsstahl, Spezialwerkstoffe, Beton für Kühltürme, Reaktorblöcke, Abklingbecken…
In den Rechnungen der CO2-Bilanz ist nicht enthalten der Abbau, die Umwälzung von gigantischen Abraumhalden, die als Ewigkeitsaufgabe Schwermetalle und radioaktive Stoffe in die Umwelt entlassen. Es ist nicht enthalten die Aufarbeitung des Uranerzes bis zum Brennstab sowie die ungelöste Entsorgung. Das alles gibt es nicht zum CO2-Nulltarif.

Die Atomkraft wird personengleich von Klimaleugnern beworben, nicht weil sie tatsächlich CO2-neutral wäre, sondern weil sie den Prozess des Klimazids unter der Flagge der „Netto-CO-Neutralität“ weiterzuführen verspricht. Solange von CO2-Ausstoß an allen Teilen der Produktionskette weißgewaschene Atomkraftwerke für das Jahr 2045 geplant werden, können anderweitige Aktivitäten als überflüssig, oder eleganter: als „zu teuer“ geframed werden.

Was müsste tatsächlich erfolgen, um die Klimakatastrophe entscheidend abzubremsen und ungefähr im Jahr 2100 zu stoppen? In aller Kürze: eine demokratisch organisierte Planwirtschaft.

  1. Reduktion der Diversität der globalen Waren-Produktion auf das Notwendigste durch einen demokratischen Warenbeurteilungsprozess, in dem jeder Warentyp auf seine Notwendigkeit hin vorab geprüft wird und nicht durch die Manipulationen eines Marktes aufgeschwatzt wird.
  2. Reduktion der Masse der globalen Warenproduktion auf das Notwendigste durch einen demokratischen Verteilungsprozess, der eine Lieferökonomie nach Zuteilungsschlüsseln beinhaltet, dadurch Wegfall der autozentrierten und impulsgesteuerten Einkaufskultur und dadurch Entfall zahlloser Verpackungszwänge und Verbauungen.
  3. Verbesserung der Qualität der globalen Warenproduktion durch Wegfall von Obsoleszenz, Redundanz, verbesserte Reperaturfähigkeit und Langlebigkeit, entfallende Verschrottung aufgrund von Stilfragen, die als manipuliertes Bedürfnis erkannt werden.
  4. Änderung der Arbeitskultur durch Streichung jedweder überflüssigen Arbeit, dadurch massive Freisetzung von Arbeit, Wegfall des Prinzips allseitiger Konkurrenz, Linderung zahlloser Stressreaktionen und Ventilreaktionen (Urlaubseffizienz, Shopping, Leistungssport, etc.), Reduktion des Flächenverbrauchs für Büros und Fabriken, dadurch Möglichkeit der Rekultivierung von Land und Umnutzung von Gebäuden.
  5. Umstellung der Wohnkultur hin zu kollektiven Wohnformen, um Wärmeenergie in Gebäuden möglichst effizient zu nutzen: Anschluss von Einfamilienhäusern zu Reihenhäusern und Umbau zu mehrstöckigen Häuserblöcken im Plusenergieprinzip mit Dachgewächshäusern, Solarfronten und Verstromung und Verkompostierung der anfallenden Fäkalienmengen.
  6. Renaturierung freiwerdender Flächen, Wiedervernässung von Feuchtgebieten, Renaturierung von Flüssen, Wiederaufforstung von Berg- und Tropenwäldern, Karsten und versalzten Agrarflächen.
  7. Energiegewinnung durch PV, Wind, Erdwärme und Verstromung anfallender organischer Reststoffe.
  8. Nahrungsmittelproduktion nach Plan und Bestellung anstatt die Lebensmittel auf Marktrisiken hin in ein Wegwerfsystem bei Maximalversorgung in den reichen Staaten zu werfen.
  9. Dafür nun einmal notwendig: gesellschaftliche Kontrolle der Produktionsmittel.
  10. Dafür nun einmal notwendig, um den Rückfall einer Planwirtschaft in autoritäre, massenmörderische Sklaverei nach den realsozialistischen bis rotfaschistischen Experimenten zu verhindern: Demokratie bei garantierter Sicherheit vor Folter, Sklaverei, Zwangsarbeit und Todesstrafe, garantierter Wahrung von Rechten von Frauen, Minderheiten, Alten, Schwachen, Kindern. Historische sozialistische Planwirtschaften hatten drei Hauptprobleme: Esoterische Antiwissenschaft in der Lebensmittelproduktion (Lyssenko), Identifikation mit dem Wachstumszwang der kapitalistischen Staaten und dadurch massive Umweltschäden (Aralsee) sowie den Terror gegen die Arbeitenden insbesondere in der Landwirtschaft. Beides waren serielle, aber keine notwendigen Folgen einer Planwirtschaft.
  11. Daher beim gegenwärtigen Stand des gesellschaftlichen Bewusstseins vollständige Unwahrscheinlichkeit, der Klimakatastrophe auch nur irgend signifikant entgegenzuwirken.
  12. Daher die Notwendigkeit von progressiver Politik, Menschen auf die Katastrophen ehrlich vorzubereiten, den Untergang von Zivilisation als wahrscheinlichsten Fall des weiteren Geschichtsverlaufs zu planen und die Faschisierung, den durch die Abschottung der EU, Australiens und den USA im vollen Gang befindlichen aktiven Millionenmord an den Überlebenden des Klimazids aufzuhalten oder zumindest den vergeblichen Widerstand dagegen zu organisieren, wo es geht.
  13. Daher die Pflicht, den konservativen, liberalen, sozialdemokratischen und grünen Schönfärbereien und freudig dahingelächelten Lügen an jeder Stelle und aufs Grimmigste das verleugnete Wachstumsproblem vorzuhalten, um den unverschämtesten Ideologien den Dünger der Achtlosigkeit zu entziehen und die Beteiligung am ökonomisch organisierten Verbrechen gegen die Menschheit und die Möglichkeit von Zivilisation als solche zu benennen.

Schuldenbremsenbashing statt Reichensteuerdiskurs

Die Mobilisierung gegen die Schuldenbremse wird von Linken und Grünen angeführt. Man brauche „Investitionen“ in die Zukunft, und daher müsse man mehr Schulden aufnehmen dürfen. Sicher ist die Folge von 16 Jahren Misswirtschaft unter der CDU, dem Krieg Russlands gegen die Ukraine und die immer noch nicht bewältigte Corona-Pandemie eine besondere Situation. Dennoch übertönt das Wettern auf die Schuldenbremse zwei Aspekte:
1. Die Streichpotentiale bei den fragwürdigen Teilen des Budgets, insbesondere die Subventionen für klimaschädliche Prozesse, Diesel, Energiepflanzen/E10, Dienstwagenprivileg, Autobahnen und vieles mehr.
2. Die ungenutzten Einnahmequellen des Budgets, und da primär die Weigerung, Reiche uns Superreiche angemessen zu besteuern.
Wer „Schuldenbremse“ sagt, schweigt von der „Vermögenssteuer“.

1% besitzen mehr als ein Drittel aller Vermögen und innerhalb dieses einen Prozents findet eine weitere exponentielle Stratifizierung statt, das oberste Tausendstel besitzt ca. 14-17%. In solchen Zuständen muss man keine Schulden aufnehmen, sondern Steuern für obszönen Reichtum und einen Maximallohn einführen. Dass sich die obersten 10% tatsächlich einreden, mehr zu leisten als der Rest, mehr Verantwortung zu tragen oder der Gesellschaft exakt so viel zu geben wie sie aus dieser herauspressen allein durch G-G´ist eigentlich eine besonders ausgesuchte Beleidigung, der sich nur durch eine Begrenzung von Einkommen und Besitz entgegentreten lässt. Was im Kartellrecht für Unternehmen gilt, muss auch für Individuen gelten. Niemand darf so viel Macht durch Reichtum erhalten.

Zur habituellen Gleichgewichtsstörung von Männern

Bei Höflichkeitsgesprächen lässt sich insbesondere bei jungen Männern gern ein Schwanken beobachten, das einem kuriosen Rhythmus aus Ausweichbewegungen und Zuwendungsgesten zu bestehen scheint. Wedeln mit bezigaretteten Händen oder Durchfahren der Haare ähneln Versuchen des Festhaltens in freiem Fall. Vernünftelndes Abwägen wird mit Kopfneigungen aller Art simuliert, doch letztlich bleibt der Eindruck einer tiefen Verunsicherung ob der Ambivalenz der Begegnung haften: als schiene sich das Individuum uneins, der Fluchttendenz in die Ferne nachzugeben oder der vor der Einsamkeit weg in eine unliebsame Konversation hinein, die meist nur aus starren Hülsen pathischer Kommunikation besteht: Wie gehts, Ja geht so, und bei dir, Alder, alles fit, Arbeit, was, ja scheiße halt, mussja, bis denne, Tschausn, machsgutbruder, Alleskla.

Die Befreiung von jedem Verdacht auf Homoerotik durch hölzern-knarzende Stocksteifigkeit steht in krassem Kontrast zur Behauptung von Dynamik in zunächst raumgreifenden, dann wieder auf Böden oder in die Ferne starrenden, schultern zusammenziehenden Gesten. Und erleichtert bewegen sich die Männer dann auseinander, man hat die peinliche Lage durch Konversation entschärft, schwankt von dannen, eventuell ein Hinken oder ein Schlotterknie oder eine leichte Trunkenheit, die eventuelle Fehler entschuldigen könnte, simulierend, oder mit schlacksigen Beinen etwas mehr Raum erobernd als der Weg zum gar nicht vorhandenen Ziel abverlangen würde.

Sicher ist bei Männern der Schwerpunkt biologisch höher, in Richtung des Brustkorbs gelagert, die Ziellosigkeit der Arme eventuell archaischer Bereitschaft zur Flucht geschuldet. Und doch ist die Neigung zum Schwanken auch so tief in Kultur verankert, dass sie sich noch in Gebetsritualen niederschlägt. Der islamische Fall in die Embryonalstellung und das Wiederaufstehen, der ekstatisch kreiselnde Tanz der Derwische, das „Schokln“ im Judaismus, einer Legende zufolge der tanzenden Flamme einer rituellen Kerze nachempfunden, und im Christentum der Kniefall, das Schaukeln des Turibulums, in afrikanischen Religionen die Trancetänze, die Maskentänze und die Perfektion der Synkope. Wo der Buddhismus die fixierte Position anzustreben scheint, wird doch auch stets gern etwas gebommelt, getrommelt, getrillert oder anderweitig Betriebsames verrichtet. Bewegung muss allenorts in verkrustete Verhältnisse, aber es gelingt nicht, weil es im Experimentierfeld der Kulturen stets im Falschen der Religion und Tradition bleibt, unklare Ziele hat, daneben trifft, nicht die Verhältnisse stürzt, in denen der Einzelne ein verächtliches Wesen, eine geknechtete Kreatur bleibt.

Mütter indes schaukeln ihre Babies und mit ihnen, unbezwingbare, selbsterklärende Vernunft und fester Boden, und es wäre so wahr wie auch viel zu einfach, die Wackeldackelhaftigkeit des Mannes als Regression in diese Position oder neidische Sehnsucht nach dieser Sinngebungsmaschine Mutterschaft zu erklären. Gewackelt wird bei Männern eher aus der Lust an der Vermeidung einer klaren Position zwischen Herrschaft und Unterwerfung heraus. Und vielleicht in einem Zwischenstadium, in dem kulturelle Regeln meist zu Recht ihre Gültigkeit verlieren und von einem Experimentierfeld an Selbsterfindung abgelöst werden, das sich dann massenkulturell wieder an Vorbildern orientiert. In den üblichen Begegnungen mit Handschlag irgendeiner Art, nervös-arbeitssamen Ziehen an Zigaretten oder Paffen an elektrischen Pfeifen, paaren sich internalisierte Arbeitsrhythmen mit der Angst, durch eine aufrechte Position Dominanz auszustrahlen, die wiederum als Aufforderung zur Gegendominanz gelten könnte. Das hat weniger mit äffischen, tierhaften, als Hackordnung zu häufig abgetanen Hierarchien zu tun, als mit der Demokratie. Wo in der bürgerlichen Produktionsweise jeder sein eigener Herr sein könnte, es unter der Herrschaft des automatischen Subjekts aber niemand wirklich ist, bleibt alles ein Ausloten des aktuellen Standes des Waffenstillstandes in allseitiger Konkurrenz. Prinzipiell zur Selbstbestimmung befähigt zu sein und doch täglich ein Sklave ohne Kenntnis seines Herrn und Zieles, im Bewusstsein der eigenen Beteiligung an der Selbstausbeutung, der Unfähigkeit, sich zu organisieren mit den Anderen, bei gleichzeitigem Zwang dazu, überfordert und treibt in jene fragile Männlichkeit, die sich an der Unterwerfung Anderer oder von Material und Dingen beweisen muss. Nur konsequent flüchten sich die Hikikomoris in die Isolation, Angst vor der eigenen Wut auf Alles, zivilisatorisches Gegenstück zum Amoklauf.

Nicht das fragile ist dabei kritikabel, nicht das Schwanken in Ambivalenz, sondern die Verdrängung dessen, die Behauptung der Absenz von Fragilität, die Illusion von Statik und Stabilität. Echte Männer lesen das, Survival in der kanadischen Hütte, wie man sich einen Langbogen baut, sei nicht nur frauensammelnder Alpha, sei frauenverschmähender Sigma, kaufe jetzt wieder einen Elektrogrill, kaufe nie diese Werkzeuge, hier siehst du wie man wirklich mit Klimaklebern umzuspringen hat, dort sind die Schwachen, die Unterlegen, das arbeitsscheue Pack, das du nicht bist, hier hast du den Kitsch, mit dem du menschliche Emotionen simulieren kannst, und so weiter flüstern die Shorts und Clips auf das Subjekt ein.

„Cope!“ wird zur Beleidigung par excellence. Wer immer sich beschwert, sich anderer Emotion verdächtig macht als den auf Schwache kanalisierten Aggress, solle klarkommen, copen. Was liegt näher, als der großen Verunsicherung Klarheit der Rollen entgegen zu setzen, die submissive Frau mit ihren Haushaltstricks wiederzubeleben und den bärtigen Vierschrötler mit seiner Werkbank, von verlorener „Gesundheit“ und „Normalität“ träumend. A man has to be ugly and fearsome. Und er hat zu schwanken, am Abgrund, an dem Menschheit steht, denn der dünne Firnis der Zivilisation trägt ihn nicht, gibt ihm keine Antwort, wie diese zum Nichtfrausein verdammte Existenz geht, in der die einen die Angleichung an den vormanipulierten weiblichen Charakter als Subversion bewerben, eine insgeheim misogyne Beleidigung und Verspottung derer, die ihn tragen, während die Anderen die Kastration der Schwachen anempfehlen; in der Menschsein unmöglich, krank unnormal zu sein scheint und es politisch allgemein Mode wird, als Kühltruhe seiner Emotionen umherzuwandeln, nur um die eigene Angst und Leere durch die Vernunft des Mitmachens zu bannen.

WOYZECK. Es geht hinter mir, unter mir Stampft auf den Boden. hohl, hörst du? Alles hohl da unten. Die Freimaurer!

ANDRES. Ich fürcht mich.

WOYZECK. S‘ ist so kurios still. Man möcht den Athem halten. Andres!

ANDRES. Was?

WOYZECK. Red was!


Die Zusammenarbeit mit der AFD

Vor jeden Wahlen betonen die sogenannten „demokratischen“ Parteien, dass sie mit „allen demokratischen Parteien“ zusammenarbeiten würden, also nicht mit der AFD. Nachdem die AFD dann satte Zugewinne einstreicht, überall auf 20-30% kommt und vor allem immer mehr bei Jugendlichen ankommt, merken dann die Wahlverlierer, dass man in Deutschland keine Wahl gewinnen kann, ohne gegen Geflüchtete und „Migration“ zu hetzen. Was machen also die gleichen Parteien, die vor den Wahlen schwören, dass sie nicht mit der AFD zusammenarbeiten würden? Sie schauen sich die Forderung der AFD an und sagen sich: Achso, das haben diese Protestwähler gewählt, dann machen wir das einfach, um die zurückzugewinnen. Dann brauchen wir jetzt sofort eben wirklich mehr Abschiebungen und weniger Immigration, scheißegal, was für Probleme es wirklich gibt, wen interessieren Klimakatastrophe, Renten, Löhne, Mieten, Reichtumsverteilung und schon spricht man auch im Radio freundlichst und gutgelaunt davon, dass ja Migration wirklich ein wahnsinniges Problem sei, das größte Problem, ein gewaltiges Problem.

Und also ist das erste, was die gescheiterte Innenministerin Faeser nach der Wahl macht, sich Maßnahmen auszudenken, mit denen Geflüchtete gequält werden können. So sollen nun Abschiebungen nicht mehr angekündigt werden. Es werden also Familien und Traumatisierte in einem ständigen Schwebezustand belassen, in der ständigen Angst, dass um drei Uhr nachts die Polizei die Türe aufbricht. Die Abschiebehaft soll verlängert werden auf 28 Tage, einfach nur, um den Eindruck zu verstärken, dass Flucht ein Verbrechen ist und Geflüchtete in Gefängnisse gehören. Und bei Abschiebungen aus Gemeinschaftsunterkünften – sprich: Flüchtlingslagern – soll das gesamte Lager durchsucht werden dürfen. Das bedeutet, dass Polizisten, die vermutlich wie die Soldaten auch mehrheitlich AFD gewählt haben, in größeren Unterkünften jede zweite Nacht Kinder aus den Betten schubsen, weil sich dort ein Mensch aus dem sicheren Drittstaat Afghanistan oder Iran verstecken könnte. Und da jeder Grenzübertritt nach Deutschland eine Straftat ist, weil es keine legale Möglichkeit gibt, nach Deutschland zu fliehen, und das erste, was Geflüchtete machen müssen ist, sich einige hundert Euro Strafgebühr für den „illegalen Grenzübertritt“ von anderen Geflüchteten zusammenzuleihen, kann im Prinzip fortan auch jeder Geflüchtete als Straftäter abgeschoben werden.

Wer solche „demokratischen“ Parteien hat, braucht die AFD nicht mehr zu fürchten. Wäre die AFD keine demokratische Partei, man müsste sie verbieten. Dazu liegt alles vor, die Informationen sind gesammelt, aber man weiß genau: Das Problem sind nicht die 20% AFD-Wähler*innen, sondern die Leute in den eigenen Reihen, die genauso denken. Also verbieten die „demokratischen“ Parteien nicht die „undemokratische“ Partei AFD, sondern reden ihr das Wort, treten als „Wettbewerber“ in „Konkurrenz“ mit ihr, denn im Kern sind die „demokratischen“ Parteien nicht der wehrhaften Demokratie verpflichtet, sondern der Marktwirtschaft, in der der Kunde recht hat.

Derweil verpestet rechte Propaganda die sozialen Medien, weil dort reiche „Patreons“ ihre rechten Sprachrohre ausgefeilteste Clickbaits produzieren lassen. „Witzige“ Clips, in denen eine Frau aus den 50ern im Pettycoat der bärtigen Transvestitenfrau aus 2023 gegenübertritt und sich wundert, wie wichtig Pronomen sind. Oder irgendein „Kirchenketzer“, der Aiwangers Flugblatt als „morbiden Jungenstreich“ verharmlost und fragt „wo ist der Antisemitismus“. Oder die hunderte Videos, in denen Autos in Klimaproteste hineinfahren. Oder Jordan Peterson, wie er eine Feministin zerstört. Oder Jordan Peterson, wie er woke Kultur zerstört. Oder Jordan Peterson wie er den Sozialismus zerstört. Oder die Ayn-Rand-Stiftung. Oder die Epoch-Times, rechtsradikales Onlinemedium der Falun-Gong-Bewegung, das im trumpistischen Milieu führend wurde mit Klimaleugnung und Hetze gegen Geflüchtete. Oder der „Welt-Nachrichtendienst“, der es trotz allem blocken immer wieder in die tollen Angebote von Youtube schafft, die vor allem Datenkraken-Handyspiele, Grillfleisch und tonnenweise Wick Medinight unters Volk bringen sollen.

Es gibt keine Blase mehr. Die Algorithmen erkennen „links“ nicht, weil es sich nicht monetarisiert. Man erhält auf Youtube nicht immer linkere Videos, wenn man mal etwas über Che Guevara oder die Arbeiterkultur im 19. Jahrhundert angeklickt hat. Man erhält als Mensch mit politischem Interesse automatisch die „kontroversen“ Videos eingespielt, die Clicks und Kommentare einbringen, sprich: man wird mit rechtsradikaler, zynischer Gülle ertränkt, die man dann entweder unkommentiert stehen lassen kann oder denen man noch zusätzlich Clicks durch Kritik verschafft. Solange die Creators nicht für die Qualität ihres Contents, sondern für Clicks bezahlt werden, wird Youtube nach rechts drücken. Und solange die „demokratischen“ Parteien nicht das Gegenteil von dem machen, was die AFD fordert, werden die Leute AFD wählen, weil sich das direkt in Politik umsetzt, obwohl die AFD kurioserweise keinerlei Regierungsverantwortung hält.




Abschied von der Biodiversität und die Perspektiven einer Planwirtschaft in einer RCP 8,5-Welt

Das Ende der schönen Natur zu proklamieren, während doch alles in Saft zu strotzen scheint, macht sich der Arroganz verdächtig. Ein wissenschaftsfeindliches Kleinbürgertum, das religiöse Prophezeihungen und Vorhersagen aufgrund von extrapolierten Daten und von logischen Schlüssen nicht auseinanderhalten kann und will, schämt Wissenschaftler in einen Daten-Konservativismus hinein, der jeden Alarmismus vermeiden muss und will. So war es nicht überraschend, dass die Klimawissenschaften von der Prognose 1,5-Grad zwischen 2027 und 2035 überrascht waren – dass es also schneller geht als von den Modellen vorhergesagt. Das ist sehr einfach erklärbar aus der Multifaktorialität der Klimakatastrophe, die selbst die besten Computermodelle nicht simulieren können. Zwar werden diese getestet an Daten der Vergangenheit und dahingehend sind sie sehr präzise. Sie können aber nur mit bekannten Daten gefüttert werden. Alle bislang noch (teilweise) unbekannten, unerforschten Faktoren müssen zwangsläufig aus den Simulationen entfallen. Dazu zählen unter anderem der Permafrost, der Ozean insbesondere in der Tiefe, nicht in den CO2-Ausstoß eingerechnete Erdgaslecks oder andere Quellen für Treibhausgase und das Zurücksterben von Regenwäldern. Die vergangenen Klimaereignisse – Milankowitsch-Zyklen, Vulkanausbrüche, etc. – betrafen eine weitgehend intakte Natur ohne Raubbau an Schlüsseltierarten (z.B. Wale, Haie) und Rohstoffen. Niemals in der Erdgeschichte wurden gleichzeitig und systematisch sowohl der Ozean leergefischt als auch Torfregenwälder abgefackelt als auch Tundren abgeholzt als auch Moore vernichtet als auch ganze Süßwassermeere (Aralsee, Tschadsee) künstlich durch Entnahme trockengelegt. Das lässt sich nicht konservativ prognostizieren, hier müssen Zuschläge nach oben eingeplant werden, wie sie ja in den „Kipppunkten“ (tipping points) formuliert sind, die in Wahrheit viel zahlreicher sind, als dies vereinfacht dargestellt wird.

Das 1,5 Grad-„Ziel“, das immer schon die Katastrophe war, die heute herrscht, ist längst beerdigt. Die zwei Grad bis 2045 stehen ebenfalls fest. Die exponential ansteigende CO2-Kurve am Mauna Loa weist keinerlei Knick oder Abflauen auf. Diese Kurve ist das, was letztlich über gelungene Politik entscheidet. 8,5RCP (ca. +4 Grad 2100) sind trotz des Rückbaus von Kohlenutzung und des Booms von Photovoltaik und Windkraft eine reale Drohung, wenn nicht für 2100, so doch für die Generation danach, die an den progredierenden Wirkungen leiden wird.

Für die Artenvielfalt ist der Sprung von +2 auf +3 oder +4 von geringerer Bedeutung als der Sprung von 0 auf +2 Grad. Die kommenden drei Jahrzehnte werden von einem massiven Absterben von Korallenriffen geprägt sein und damit 40% des marinen Lebens, die verschwinden oder sich auf Relikte zurückziehen. Ganze Ozeane werden sich zeitweise, zunächst alle Jahrzehnte, dann ständig, in zu warme, sauerstoffarme Zonen verwandeln. Regenwälder trocknen bereits jetzt rapide aus, brennen und hinterlassen einen extrem nährstoffarmen Boden, der erodiert und sich ohne Zwischenstadien in Wüste verwandelt. Schmelzende Gletscher hinterlassen ausgetrocknete Landschaften in den Alpen und anderen Hochgebirgsregionen. Einige wenige euryöke R-Strategen werden sich ausbreiten und dominieren. Über Jahrmillionen diversifizierte Ökosysteme mit ihren hochangepassten, endemischen, stenöken k-Strategen werden verschwinden. Kälteliebende Arten werden sich auf die Bergregionen und Hochmoore zurückziehen und dann auch rasch erlöschen. Wir verlieren das, was wir natürliche Schönheit nennen und was in der Menschheitsgeschichte Kunst, Selbstreflexion an Natur überhaupt ermöglichte. Dieser Verlust ist Ergebnis der dahingehend bestens informierten Politik der letzten zwanzig Jahre und damit Resultat eines geplanten Verbrechens gegen die Menschheit.

Wie kann emanzipatorische, humanistische Politik aussehen, die Gesellschaft auf eine +3-Grad-Welt vorbereitet? Die Entscheidung ist nicht die zwischen einer deregulierten neoliberalen Marktwirtschaft und einer regulierten Marktwirtschaft (Sozialdemokratie). Beide haben ein Wachstum von mindestens 2%, besser 4% als erklärtes Ziel, und damit eine Verdoppelung der Warenströme mindestens alle 36 Jahre (bei 2%), bzw. alle 24 Jahre (bei 3%) – nur wollen die Sozialdemokratien die Arbeiter*innen etwas stärker an diesem Wachstum beteiligen als die neoliberalen Modelle. Daher prognostiziert die OECD auch entsprechende Verdoppelungsraten beim CO2-Ausstoß, bei der Plastikproduktion, beim Müllaufkommen, etc.


Die einzige, notwendige Alternative zur wachstumsbasierten, kapitalistischen Gesellschaft ist die Planwirtschaft. Diese wird zwangsläufig ab irgendeinem Punkt der Klimakatastrophe eintreten. Die größere Wahrscheinlichkeit weist auf eine bürgerlich-faschistische Kriegswirtschaft, die entstandene Mängel autoritär durch Unterdrückung von Revolten, weitreichenden Eingriffen des Staates in die Produktion, Umverteilung von Lebensmitteln und effektiven Massenmord an Geflüchteten löst, ohne die Reichtumsverteilung zugunsten der obersten 5 % anzutasten.
Eine progressive Planwirtschaft bedürfte einer demokratischen Basis und Kontrolle bei der Enteignung und Umverteilung von Reichtum, sowie bei der rationalen Diskussion um Einschränkungen von Überschussproduktion und Rückdrängen manipulierter Scheinbedürfnisse. Diese progressive Planwirtschaft ist derzeit absurd unwahrscheinlich einfach dadurch, dass sie keine einzige demokratische Partei überhaupt diskutiert, während die politischen Splittergruppen, in denen Planwirtschaft noch diskutiert werden kann, in aller Regel ideologisch versteinerte Relikte aus den sozialistischen Planwirtschaften rotfaschistischer Prägung, mit Führerkult, Militarisierung der Gesellschaft, starker Stellung der Geheimdienste, Unterdrückung der Redefreiheit und Anwendung von Folter und Todesstrafe sowie Sklaverei in Gefangenenlagern darstellen.

Eine emanzipatorische, auf humanistischen Prinzipien ruhende Planwirtschaft hat derzeit keine gesellschaftliche Basis in irgendeiner Sichtweite. Um diese Sichtweite überhaupt denkbar herzustellen, sind bereits Zeiträume erforderlich, die von der Dynamik der Klimakatastrophe überrollt werden – und darin noch nicht einmal die Drohung eines Atomkrieges berücksichtigen. Daher kann eine emanzipatorische Politik derzeit nur darin bestehen, die Realität einer mindestens 3-Grad-Welt im Jahr 2100 zur Grundlage zu machen und sich das Problem des dann herrschenden Mangels an Nahrung, Wasser und habitabler Zonen zu vergegenwärtigen. Wer immer noch behauptet, Kommunismus würde in den Luxus führen, ist schlichtweg Klimaleugner*in und hat grundlegende Probleme der Ausbeutung von Natur und Mensch nicht verstanden. Planwirtschaft könnte heute etwas Anderes sein als Elendsverwaltung – sie könnte global binnen zwei Jahrzehnten rationale kollektive Wohnformen in Plusenergie-Reihenhäusern und Archen aufbauen, Kreisläufe der Nutzung von Holz, Metallen, Fäkalien herstellen, die Produktion auf das Nötigste zusammenschrumpfen, freigesetzte Arbeitskraft in die Wiederaufforstung der Regenwälder und Bergwälder sowie die Wiedervernässung investieren, so dass ein klimatischer Effekt eintritt und die Klimakatastrophe bei ca. 2 Grad arretiert und danach zurückgedreht wird.
Aber Planwirtschaft ist nicht heute. Sie ist auch nicht morgen, sondern selbst im optimistischsten Szenario allenfalls 2100 überhaupt denkbar, nach nur zwei Generationen Aufbauarbeit gegen alle Widerstände und Widrigkeiten, zu denen algorithmisch rechtsgedrallte Onlinemedien ebenso wie faschistische, nuklear bewaffnete Diktaturen in Russland, Nordkorea und China sowie erstarkende faschistische Parteien im Westen gehören. Der Zivilisation als solcher sind nur marginale Chancen ins Stammbuch zu schreiben.



Die Ideologieproduktion zum neuen Cannabisgesetz

Der Gesetzentwurf zur Legalisierung von Cannabis liegt vor und produziert Ideologien.
Das Gesetz ist an wichtigen Stellen ein Fortschritt: Privater Konsum wird legal, niemand kann mehr wegen THC im Blut entlassen werden (z.B. Polizisten, Richter, Zollmitarbeiter, etc.). Die Beschaffung allerdings wird ein bürokratisches Monstrum, für das man sich „Cannabis-Clubs“ ausgedacht hat, die höchstens 500 Personen umfasssen dürfen, aber ein Maximum an Kontrollmaßnahmen leisten sollen.
Immerhin: Samenbesitz, -erwerb und der Handel über Grenzen hinweg werden mit §4 rückhaltlos legalisiert.

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Cannabis/Gesetzentwurf_Cannabis_Kabinett.pdf


Die größte Unklarheit besteht zwischen der Erlaubnis, drei weibliche Pflanzen zum Eigenanbau großziehen zu dürfen, jedoch nur 25 Gramm davon „besitzen“, also lagern zu dürfen. Gewächshauspflanzen können weit über 300 Gramm, in einigen Fällen auch über 1000 Gramm Ertrag bringen. Ein Ertrag von 80-100 Gramm pro Pflanze gilt als untere Grenze der Anbauwürdigkeit einer Sorte. Der Eigenanbau für den regelmäßigen Eigenkonsum wird so unter Kunstlicht gezwungen, um eine ganzjährige Versorgung durch Cannabonsai-Pflanzen zu ermöglichen. 1 Gramm pro Tag ist für Dauerkonsumenten normal. Das bedeutet, alle 25 Tage eine weitere Pflanze erntereif zu haben. Die Ernte kann aber nur nach der Blütenreife stattfinden.
Die drastische Beschränkung von Vorratshaltung und Anbau kann daher zu Mehrkonsum führen. Steht eine Ernte an, müssten rein rechtlich Restbestände rechtzeitig aufgeraucht werden – denn die Entsorgung ist nicht geregelt. Eine Abgabe an andere Personen ist nur im Rahmen der Clubs legal. Diese Clubs werden sich naturgemäß auch entlang politischer Verwerfungslinien bilden – schließlich will nicht jeder in einen Club christkonservativer Cannabiskonsument*innen eintreten.

Trotz der drastischen, rundweg enttäuschenden Einschränkungen wird die Scheinlegalisierung als Bedrohung diskutiert. Auffällig ist, dass sich auch die Befürworter*innen des Gesetzesvorschlags häufig auf die Gleichsetzung mit Alkohol zurückziehen. Ob Gehirnschädigungen bei Jugendlichen, psychische Erkrankungen, Unfälle oder Sucht: Der ritualisierte Satz in den Radios derzeit lautet: „Das gilt aber auch für Alkohol“.

Das ist eine schlechte Defensive. Alkohol hat eine vielfach größere psychische und physische Suchtwirkung und vielfach größere Hospitalisierungs- und Verkehrsunfallszahlen. Nach wie vor ist kein einziger direkter Todesfall durch Cannabiskonsum bekannt – wohl aber durch Spice und synthetische Cannabinoide, die als „Legal High“, Tees und Badesalz vertrieben werden und nichts mehr mit Cannabis oder THC gemein haben.

Cannabis hat nun einmal keine physische Suchtwirkung und nur eine milde psychische, die sich als Gewöhnung beschreiben lässt. Wer aufhören will, hört auf. Dauerkiffer können grantig und suchtig werden, wenn sie keinen Stoff bekommen – was aber auch für Kaffeetrinker gilt, denen der Morgenkaffe verweigert bleibt. Dennoch ist der Schritt in die Verwahrlosung durch Cannabis bislang von einem einzigen Faktor dominiert: Der Schritt in die Beschaffungskriminalität.
Wer Cannabis konsumiert, vernachlässt für gewöhnlich trotzdem nicht Körperpflege und Nahrungsaufnahme. Bei Alkoholiker*innen ist die körperliche Verwahrlosung die Regel. Alkohol schiebt sich in der Bedürfnishierarchie nach oben und zwingt Abhängige dazu, Nahrung, Waschen, etc. hintanzustellen. Dosissteigerung ist die Regel. Das starke Zittern hält bei starken Alkoholikern selbst noch nach dem Konsum von Alkoholmengen an, die eine normale Person volltrunken machen würden.

Bei Cannabis stellt sich auch bei Dauerkonsumenten eine Dosissteigerung nur in Grenzen ein. Auch Dauerkonsumenten werden es kaum je schaffen, mehr als 2 Gramm am Tag dauerhaft zu konsumieren.
Und selbst wenn Sorten wie Bruce Banner, Banana, Gorilla, Critical Kush theoretisch THC-Gehalte von 30% erreichen, entspricht das noch nicht einmal gutem Haschisch. Solche Sorten waren bislang teuer und der Illegalität geschuldet: Hochpotentes Cannabis lässt sich für gleiche Wirkung mit bis zu dreimal geringerem Gewicht schmuggeln und verkaufen, wurde aber gerichtlich häufig einem normal- und niedrigpotenten Cannabis gleichgestellt. Ein Großteil der Konsument*innen wird sich in einem transparenten Markt aus freien Stücken für schwächere, berechenbare Sorten entscheiden und sorgfältiger nach Geschmack aussuchen als nach THC-Gehalt.

Was die Schädigung von Gedächtnis und Gehirn von Jugendlichen angeht, haben Arbeit und ideologische Erziehung ungleich größere Auswirkungen. Auch starker Cannabiskonsum in der Jugend wird den später Erwachsenen weniger schwer zu schaffen machen als etwa der Bildungshintergrund der Eltern oder eine streng religiöse Erziehung, Zugang zu gutem Bildungsmaterial oder die Qualität von Lehrer*innen in der Schule, die der Hauptfaktor für Lernerfolge sind. Die meisten psychischen Schäden treten durch Mischkonsum ein: u.A. durch Alkohol, der von Dauerkiffern als Ersatzdroge verwendet wird, aber auch durch Pilze, unaufgeklärt eingenommene Pflanzendrogen (Engelsblüten, Muskatnuss, Fliegenpilz), Amphetamine oder Cocain. Dauerkiffer sind in der Regel zufrieden mit Cannabis, weil die Wirkung über Jahre hinweg relativ gleich bleibt.

Entgrenzungsängste sind unrealistisch, was Cannabis angeht. Angemessen sind sie bei Alkoholismus. Alkoholikern geht es schlecht, wenn sie nicht mindestens eine Flasche Schnaps am Tag konsumieren. Der Entzug kann Alkoholiker töten. Sie werden durch das Zittern bewegungsunfähig, können nicht mehr Treppen steigen oder Flaschen öffnen, können durch den Entzug Psychosen entwickeln.
Dauerkiffer hören von einem Tag auf den anderen auf zu kiffen, ohne körperliche oder psychische Probleme zu haben.
Nikotin- und Alkoholsucht bleiben jedoch ein Leben lang mit einer Rückfallgefahr behaftet. Wer Nikotin- oder Alkoholsüchtig war, wird immer unter Cravingattacken leiden. Dieses Craving wird von einer ganzen Industrie systematisch ausgebeutet. Gaststätten, Restaurants, Getränkehändler, Brauereien, Discos leben vom Alkoholkonsum. Supermärkte verkaufen nach wie vor Alkohol in Kleinstflaschen an der Kasse als Schnuckware – um Alkoholiker*innen rückfällig zu machen.
An der projektiven „Diskussion“ um die ohnehin schon halbgare „Legalisierung“ von Cannabis redet sich die Bevölkerung primär ihr Alkoholproblem schön.

Ebenso geht unter, dass der generelle Umgang mit Sucht grundsätzlich überholt werden muss und eine Entkriminalisierung von Drogen eine unmittelbare Verbesserung der Situation von Suchtkranken zur Folge hat. Drogenprostitution und Beschaffungskriminalität sind zwei der größten Faktoren, die Suchtkranke in Verelendung treiben. In der Diskussion des Cannabisgesetzes wird nach wie vor nicht annähernd hinreichend thematisiert, wie reaktionär Gesellschaft mit Sucht umgeht und wie kontraproduktiv Kriminalisierung für Suchtkranke ist. Die Legalisierung von Cannabis ist überfällig, weil die Droge um ein vielfaches harmloser und weniger gesundheitsschädlich ist als Alkohol und Nikotin.
Eine wirklich humanistische Drogenpolitik ginge aber nicht nur neoliberal vom egoistischen rekreationalen Konsuminteresse der Einzelnen aus, sondern von der Irrationalität der Kriminalisierung Suchtkranker, die zuallererst bei der Entkriminalisierung und kontrollierten medizinischen Abgabe harter Drogen ansetzen müsste. Drogen wie Amphetamine, Cocain oder Opiate und Opioide greifen tief ins hormonelle System ein und erzeugen eine Suchtwirkung, deren Entzug psychisch in vollständige Depression führt oder körperlich in Folter mit lebensbedrohenden Reaktionsbildungen beim kalten Entzug mündet. Hier muss eine humanistische Gesellschaft Möglichkeiten schaffen, das unmittelbare Craving von nun einmal Suchterkrankten legal zu stillen, um dann in einem zweiten Schritt medizinische Substitutionstherapie und langfristige Entzugskonzepte anzubieten.
In einem dritten Schritt würde ein aufgeklärter Umgang mit Drogen nicht nur eine Liberalisierung anstreben, sondern auch eine stärkere Kontrolle von legalen, akzeptierten Drogen. Die Opioidkrise, die in den USA seit den 1990ern andauert, wurde durch legale Medikamente ausgelöst: vor allem Fentanyl und Oxycontin. Die mafiöse Eroberung des US-amerikanischen Marktes für Oxycontin wurde durch die Serie „Dopesick“ thematisiert. Im Schatten der restriktiven Drogenpolitik profitierten wieder einmal legale Tabletten. Im Jahr 2021 starben in den USA 220 Menschen täglich an einer Überdosis. In Deutschland ist die Verschreibung des vergleichsweise schwachen Tramadols üblich. Zwar gilt dieses als gering suchterzeugend, kann aber bei bereits Suchterkrankten Rückfälle auslösen. Bei der Verschreibung von Opioiden gegen starke Schmerzen muss eine Abklärung von vorliegenden Suchterkrankungen stattfinden, um Rückfälle auszuschließen. Dazu bedarf es eines grundlegend anderen Verständnisses von Suchtkrankheit als das bürgerlich-reaktionäre, das Sucht primär auf Disziplinlosigkeit, Arbeitsscheu und eigenes Verschulden zurückführt und die Suchtkranken bekämpft.

Die vermurkste Legalisierung von Cannabis stellt leider ein Ablenkungsmanöver dar, das durch die in Regulierungswut transportierten Ideologien eine wirklich progressive Drogenpolitik sabotiert.

Empfehlung: „Nicht länger nichts!“ – Geschichte der Arbeiterbewegung in vier Teilen

Die Dokumentation „Nicht länger nichts!“ lässt sich auf arte herunterladen oder streamen. Zwei Aspekte sind besonders hervorzuheben: es kommen gebildete, reflektierende Arbeiter*innen ausführlich zu Wort. Ein Schlachtfabrikarbeiter, eine Fließbandarbeiterin, ein zum Historiker fortgebildeter ehemaliger Minenarbeiter brechen klassische Präsentationsformen von Arbeitenden. Wie gebildet Arbeitende waren, wird mit einer Studie aus dem 19. Jahrhundert untermauert, die Arbeitende ihren Lesestoff zwischen Darwin, Marx und Nietzsche angeben lässt. Die gescheiterten Revolutionen führten zur permanenten Selektion der gebildeten Arbeitenden durch Verbannung und Ermordung.
Bildungsgrade sind zwar bis heute einkommensabhängig, aber Bildung und Ausbildungsgrade gehen nicht ineinander auf, wie das Beispiel zahlloser eher wenig zu Reflexion und Denken begabter Professor*innen belegt. Auch geht extremer Reichtum nachweislich nicht mit Reflexionsvermögen, Intelligenz und Aufklärung einher, auch wenn die Superbourgeoisie von Jack Ma über Elon Musk bis Jeff Bezos sich selbst ihren Reichtum aus höherer Gewitztheit oder Leistungsfähigkeit erklärt.
Die Serie legt an Beispielen offen, wie roh und brutal Vertreter*innen der besitzenden Klasse die Ausbeutung planten, raffinierten und letztlich an die Arbeiter*innen manipulativ departementalisierten, bis diese sich ab dem Fordismus ohne äußeren Zwang und für den Konsum von objektiv nicht notwendigen Waren ausbeuteten. Die Beispiele sind zwar in gleicher Strategie wie bei Marx/Engels, aber eher in Erweiterung zu den dort bekannten vorgetragen.

Der zweite Aspekt ist der faire und ausführliche Blick auf den Luddismus. Die Maschinenstürmerei war innerhalb der Zwänge eine legitime und nachvollziehbare Praxis. In Ermangelung der organisatorischen und militärischen Macht zur Übernahme der Produktionsmittel schritten die durch Konkurrenz der Maschinen außer Brot gesetzte Arbeitenden zur Sabotage. Die Entwicklung der Produktionsmittel ging eben nicht strukturell mit einer Erleichterung der Arbeitenden einher, sondern mit höherem Risiko für Gesundheit und härterer Konkurrenz. In den Maschinen wurden die Arbeitenden tatsächlich zermalmt. Mit der Entwicklung von Bohrhämmern im Bergbau sank die Lebenserwartung zunächst, weil die grotesk lauten Geräte die Minenarbeiter noch rascher zerschmetterten und zerrüttelten als vormals die Arbeit mit Hämmern und händisch gedrehten Bohrstangen. Und heute besprühen Maschinen mit Lasertechnologie die Hände der Turnschuhkleber*innen rücksichtslos mit Lösungsmitteln, bis sich deren Haut ablöst und sie von den Dämpfen bewusstlos werden. Der Parteisozialismus verherrlichte den Fabrikarbeiter und damit die Maschinen, die den Arbeitenden den Fortschritt bringen sollten. Stalin machte aus dem Maschinenkult eine regelrechte Religion, deren heiligste Reliquie die immer größere, in den Dienst von Tunnelbau und Landschaftsgestaltung gesetzte Nuklearwaffe wurde. Mao ließ für den „Fortschritt“ einer simulierten Industrialisierung die Arbeitenden Kochtöpfe in Stahlöfen werfen, bis sie abends vor Muskelzittern ihre Suppe nicht mehr essen konnten. Die Maschinenstürmer waren rationaler als vieles, was die sozialistischen Eliten an Ideologien über Maschinen hervorbrachten.


Die Dokumentation hat vor allem drei Mängel: sie ist gerade in der Darstellung internationaler Arbeitskämpfe, z.B. in Südkorea, Japan, Südafrika, Peru viel zu kurz und damit ethnozentristisch. Sie vernachlässigt Marx/Engels auf geradezu kriminelle Weise. Und sie zeigt in ihrem Fazit des Endes einer Arbeitendenklasse zwar reflektierende, pessimistische moderne Arbeiter*innen, aber nicht den Gewerkschaftsalltag und die Struktur von Arbeitskämpfen heute.