Candidates say: work hard and fight

Gestern habe ich ausnahmsweise die Reden der amerikanischen Präsidentschaftskandidaten in Ohio mitverfolgt. Obama beschwört die harte Arbeit, die von jedem getan werden müsse, McCain den Kampf. So unglaubhaft Obamas Rolle als Weihnachtsmann mit dem dicken Geschenkesack ist, so ätzend kommt McCains propagandistische Trickkiste daher: Umverteilung von Wohlstand bedeute, das Geld aus „euren Taschen zu nehmen und in andere Taschen zu leiten“. Mit der Nominierung von Sarah Palins zur Vizepräsidentin und den unappetitlichen Hetzkampagnen gegen Obama hat sich McCain ohnehin jeder Intellektualität entschlagen. Obama wiederum spielt auf dem gleichen Klavier nur das um weniges melodiösere Lied. Wo McCain Terrorist, Sozialist, Kommunist trötet, sagt Obama Bush, Bush, Bush. Interessant ist die Gestik der beiden. Obama wuchert mit dem Lehrerfinger und geizt ausnahmsweise bis zuletzt mit dem sexy Smiley, der ihn populär machte. McCain indes wischt zackig über die Papiere am Pult, winkt fleißig und nutzt die Faust. Geht es ums Programm, so sind beide bis auf wenige Punkte austauschbar. Arbeitsplätze für Amerikaner, Erneuerbare Energien fördern, Irakkrieg beenden. Obama fudert die Millionen  unbekannter Herkunft auf den Tisch, während McCain völlig im Vagen bleibt bei der Finanzierung. McCain will Atomkraftwerke als alternative Energie fördern und diese tollen „Anlagen“ bauen, die in LaHague, Sellafield und Tokaimura so tadellos laufen – da ist Obamas Modell doch ein wenig einsichtiger.

Was Iran angeht: Von der Seite hat bereits Bush gezeigt, dass Israel im Zweifelsfall ohne die USA agieren muss, sei der Präsident auch noch so konservativ. Insofern ist es außenpolitisch betrachtet relativ egal, wer da Präsident wird. Die prospektive israelische Präsidentin Tzipi Livni hat den Angriff bereits um etwa zwei Jahre verschoben, bis dahin kann Obama seine Lorbeeren einfahren, das Ende des bereits jetzt weitgehend gewonnenen Irakkrieges auf seine Rechnung buchen und sich voll und ganz auf Afghanistan konzentrieren – die Zeit spielt für sein Programm. Man sollte daher, wo man sich von der Kandidatenkür allzusehr blenden ließ, zum lästigen Tagewerk der zynischsten Missstände zurückkehren: Der Club of the Worst Conflicts mit Somalia, Pakistan, Simbabwe, Birma, Iran, Nordkorea und Sudan, die Faschisierung Europas und Russlands, und natürlich die vier Reiter der Apokalypse Misogynie, Homophobie, Rassismus und Antisemitismus.

War, Presidents, Violence, Media, Frontlines…

Wer in Sachen Afghanistan auf dem Laufenden bleiben will, kann sich auf WADI verlassen. Hier geht es zu einem lesenswerten Artikel:

„Tightening the Noose“ von Stephen Brown:

„The much-reported 30 percent increase in violence in Afghanistan this year has also been accompanied with very little context. One publication, Strategy Page.com, pointed out that country-wide violence will cause 6,000 deaths in Afghanistan this year, which averages out to 24 dead per 100,000 people. In contrast, South Africa, a country at peace, will see 50 citizens out of every 100,000 die violently in 2008, mostly because of its high crime rate. Other countries, especially failed states like Somalia, probably have an even higher death rate from violence, but are unable to keep proper statistics. So the Afghan situation, while not laudable, is also not dismal.“

Was Russland dagegen derzeit für eine Bündnispolitik betreibt, kann gut an der derzeitigen Route eines nuklear angetriebenen Kriegsschiffes nachvollzogen werden: Über Syrien und Libyen geht es ab zum Manöver nach Venezuela: „Russian nuclear missile cruiser to dock at Syrian Port on Yom Kippur Eve„.

Der Sandmonkey wiederum weiß in „McCain doesn’t want to win“ treffend das Unbehagen über John McCains intellektuellen Breakdown zusammenzufassen, wenngleich er die mehr als abgründige Sarah Palins außen vor lässt:

„I don’t know if you guys have been watching the same McCain campaign that I’ve been watching, but has it been majorly sucking lately or what? I mean, I refrained from commenting on the last debate, simply because I was so angry that I- a measly blogger from egypt- actually had better answers than McCain on the questions he was being asked, well, that’s just not a good indicator is it? And why is he sticking to the mavericky crap? It’s nice being called a Maverick, but calling yourself one time and time again? That’s like Obama calling himself “ the great Hope“ time and time again. It’s hokey, it’s unappealing and it’s unbecoming. And now it’s a national joke. […]

Why do I bother? He is going to lose this debate anyway. Obama just wants it more and it shows. And if he ends up winning it, well, good on him anyway, because he fought harder and committed less mistakes. Although I do have to say that american elections have this fantastic effect of taking two candidates that you liked at the beginning of the race and makes you really fuckin hate them near the end of it. Oh well. One month left to go.“

—-

In Afrika, besonders um Tansania, kam es jüngst zu einer Welle an Morden an Albinos: Deren Körperteile werden in der Region für besonders magisch potent gehalten. See also: „Vestiges of Barbaric Animalistic Ritual Murders in Ghana„.

Wer noch 1000-mal lesen will, dass Iran niemals von der Produktion atomwaffenfähigen Materials ablassen wird, kann auf Iran-Focus die zahllosen Bestätigungen einholen.

Michael Moore’s Farenheit 9/11 vs. Flight 93

Der Jahrestag des 9/11 sorgt für Umsätze. Web.de wärmt in hübsch objektiver Berichterstattung Verschwörungstheorien auf, Kabel 1 bringt Michael Moores Fahrenheit 9/11, während gleichzeitig auf dem öffentlich-rechtlichen eine deutsche Synchro-Fassung von Flight 93 läuft. Da ich letzteren gekauft hatte, musste ich mich nicht lange entscheiden und sah mir Michael Moores Streifen an.

Michael Moores selektiver und propagandistischer Blick springt einem halbwegs kritischen Betrachter sofort ins Auge. Moore ist der eifrigste Nutznießer des Prinzips, das er anzugreifen vorgibt. Während er den Republikanern vorwirft, 9/11 zur Manipulation der Bürger zu missbrauchen, gibt er offen zu, mit seinem Film in den Wahlkampf eingreifen zu wollen. Während er der Bush-Regierung vorwirft, systematisch Angst zu schüren, sät er paranoische Ängste vor der Macht saudischen Kapitals, vor Firmen und Regierung. Und wo er diesen Zynismus vorwirft, scheut er sich wie die Sender nicht, verbrannte Leichen zu zeigen und hilflose Verwundete zu filmen, deren Aussagen er zusammenzuschneidet, bis sie in sein propagandistisches Konzept passen. Carlyle, einer Waffenfirma unter Mitarbeit von George Bush, wirft er vor, durch ihren Börsengang 6 Wochen nach 9/11 231 Mio. Dollar Gewinn abgeschöpft zu haben. Michael Moore fährt mit Fahrenheit 9/11 bis 2006 dagegen nur schlappe 222 Mio. Dollar ein. Wo er Bush vorwirft, ein gleichgültiger, machtbesessener Tyrann zu sein, filmt er Saddam Hussein in fröhlicher Runde herumhopsend als harmlosen Kerl. Den Irakkrieg leitet er mit fröhlich spielenden, gutgekleideten Kindern ein. Die Sequenzen werden gefolgt von Bomben und weinenden Müttern. Wer vorher unter Saddam und Udai Hussein litt, ist ihm egal, weil es ihm nicht in seinen Wahn passt. Ebenso verzichtet er auf irgendeine Erwähnung der Giftgasbestände Saddam Husseins, der Konflikte um verhinderte Waffeninspektionen, der gescheiterten Sanktionen unter denen zehntausende Kinder starben. Für Moore ist 9/11 nur ein Mittel zum Zweck, sein eigenes Programm zu forcieren. Seine penetrante Leugnung des Terrorismus gibt noch jenen recht, die im Gefolge des 9/11 unablässig die Gefahr des Terrorismus zur Hauptbedrohung stilisierten und somit unverhältnismäßige Ängste schürten.

Flight 93 ist ein gutes Kontrastprogramm zur Marktschreierei Moores. Auf die Einführung von oskarträchtigen Hauptrollen wird verzichtet. Nicht einmal die Terroristen werden besonders stereotyp inszeniert. Sie erscheinen als angreifbare Individuen ohne spezifische Zeichen des Wahnsinns, fast mitleiderregend. Die polyphone Erzählweise verläuft in einer technisierten Sprache, die positivistisch den Fall „Hijack“ einplant, aber seine Besonderheit weder adäquat erkennen, noch auf sie reagieren kann. Die Vermitteltheit von Kommunikation zwischen zuständigen Stellen der Luftaufsichtsbehörde, zwischen Passagieren und Terroristen wird als Problem wie als Lösung gleichzeitig benannt. Flight 93 ist eine Fundgrube für postmoderne Theorien über Zeichen, Deutung und Kommunikation. Mehr als das ist der Film trotz der starken Suspense-Lastigkeit eine realistische und zurückhaltende Darstellung des Geschehens. Durch diesen fühlbaren Respekt den Opfern gegenüber wird Empathie befördert, wo vorher kein Bewusstsein über die Realität dieser Ereignisse bestand.

Saudi-Arabien vs. Iran

Ein sehr interessanter Artikel auf Iran-Focus ergänzt die etwas plumpen Israel vs. Iran-Szenarien um eine dritte Dimension: Saudi-Arabien. Schon seit längerem ist die Position aus Saudi-Arabien bekannt, man würde es vorziehen, der zionistische Erzfeind würde Irans Atomwaffenpotential eliminieren. Ob das in Saudi-Arabien am antisemitischen Hauptwiderspruch kratzt, sei dahingestellt. Anscheinend drängt die Zeit aber derart, dass nun auch die Saudis nicht mehr länger hinter dem Berg halten können und ernsthaft überlegen, selbst den preemptive strike durchzuführen.

Deutschland, die UN und das Horn von Afrika

Die UN zieht sich derzeit endgültig aus der Zone zwischen Eritrea und Äthiopien zurück. Zwei gleichermaßen unsympathische Staaten, die in Sachen Pressefreiheit und Menschenrechte auf den letzten Plätzen rangieren, sind damit auf dem Sprung, ihren alten Konflikt wieder kriegerisch auszutragen. Auch wenn Eritrea den letzten Krieg sowohl verursachte als auch verlor, wurde ihm im Wesentlichen genau jenes Land zugesprochen, das es annektieren wollte. Äthiopien akzeptierte diese oktroyierte „Konflikt-Lösung“ durch die UN-Grenzkommission nicht und seither sorgte UNMEE vor Ort für Spott und Häme. Eritrea, das sich militärisch in einer schwächeren Position befindet als Äthiopien, übt sich auf einmal in Kritik am Abzug, den es durch seine boykottierende Haltung maßgeblich auslöste.

Im benachbarten Somalia tobt indes der Stellvertreterkonflikt zwischen den von Eritrea und Al-Qaida mitfinanzierten Islamisten und den mit der Übergangsregierung verbündeten äthiopischen Truppen. Die von der African Union versprochenen 8000 AU-Soldaten sind immer noch nicht angekommen, die Hauptlast der wieder erfolgreichen islamistischen Aggressionen tragen derzeit 1300 AU-Soldaten aus Uganda und die äthiopische Armee. Allein in Mogadishu werden dagegen etwa 3000 islamistische Kämpfer vermutet. Die Chance, Somalia nach der äthiopischen Intervention und der vorübergehenden Zerschlagung der islamistischen Verbände zu einen und zu stärken, wurde einem Experiment geopfert: regionales Konfliktmanagement sollte der AU die Gelegenheit bieten, sich als starke Regionalmacht zu präsentieren. Bei dieser Rechnung wurde allerdings der desolate Zustand der afrikanischen Armeen, ihrer Verwaltung und der Regierungen als vernachlässigbarer Faktor benannt: Die Opfer dieser zynischen Rechnung sind jene Somalis, die in Somalia, Somaliland und Puntland auf stabile, friedliche und halbwegs freie Verhältnisse hoffen. Sie erfahren erneut den Unwillen und die Unfähigkeit der UN, mit vergleichsweise wenigen militärischen Mitteln selbst bei einer größtmöglichen Chance, wie sie sich nach der äthiopischen Intervention bot, irgend etwas Positives zu bewirken. Der AU geht mittlerweile auf, dass sie durch die UN nach Strich und Faden betrogen wurde. So sagte der südafrikanische UN-Botschafter jüngst laut BBC: „[…] the AU is doing a job that the UN is supposed to be doing.“ Und selbst das ist noch gelogen, bestehen die AU-Truppen doch bislang lediglich aus 1300 ugandischen Soldaten, während Südafrikas Regierung sich nach Kräften bemüht, im benachbarten Simbabwe die Todesschwadronen Mugabes gewähren zu lassen und sogar zu bewaffnen.

Am Horn von Afrika werden indes von Oxfam 13 Millionen Menschen als mögliche Todesopfer einer aufziehenden Hungerkatastrophe ausgemacht: Eine Dürre plagt die Region während in Südafrikas Häfen 80 000 Tonnen Nahrungsmittel verrotten, weil – anders als deutsche Freizeitargonauten – kein vernünftiger Kapitän mehr sein Schiff durch die von Piraten besetzten Gewässer Somalias fahren will. Die vor der Küste stationierte deutsche Marine hat anscheinend kein Mandat, Piraterie zu bekämpfen. Das ist laut Amigues/Bishops vor allem der innerdeutschen CDU-Politik geschuldet. Während in Afghanistan deutsche Soldaten durchaus Polizeiaufgaben übernehmen, will die CDU durch die Verweigerung der Zustimmung zu einem solchen verfassungsrechtlich bereits prinzipiell möglichen Vorgehens am Horn von Afrika die SPD dazu erpressen, die Trennung von Bundeswehr und Polizei endgültig aufzuheben. Weil bei den derzeit der Bundeswehr zugeordneten Auslandseinsätzen in Guerillakriegen logischerweise keine klare Trennung von militärischer Aktion und Polizeiarbeit vorzunehmen ist, wäre die Forderung nach einer Neuregelung bei Auslandseinsätzen durchaus nachvollziehbar. Diese Rationalität wird allerdings von der CDU nur zu offensichtlich instrumentalisiert, um dem notorischen Faschisierungskurs der Partei als Profilwetzstein zu dienen. Jede weitere Auflösung der Trennung von Polizei und Bundeswehr ist somit Wasser auf die Mühlen der ewigen Scharfmacher und „tough guys“ innerhalb der CDU/CSU. Die Konsequenz daraus wäre, einem demokratischeren Staat, bei dem man nicht bei einem humanitären und somit in Somalia eben militärischen Einsatz gegen islamistische Guerillas den Verfall von demokratischen Institutionen und den Ausbruch des Faschismus im eigenen Land befürchten müsste, die Befehls-Obhut über eine so diffizile Konfliktregion zu überantworten und Deutschland nur noch entsprechend zur Kasse zu bitten. Dem allerdings steht die Kolonialmacht-Attitüde der Bundeswehr entgegen, die jede Präsenz im Ausland als Siegestrophäe über die in Jugoslawien erstmals offen und lautstark in aller Widerwärtigkeit gebrochene deutsche Verteidigungsdoktrin braucht.

Die EU beruhigt ihr Gewissen mit lauwarmen Geldgeschenken: Satte 21 Millionen Euro, etwa der Preis von wenigen Kilometern Autobahn, schickt sie mit zweifelhaften Vorgaben auf den Weg nach Somalia und Eritrea. Das ist jedoch allemal billiger, als ein Militäreinsatz, der Somalia endgültig von den islamistischen Guerillas und den kriminellen Banden befreien würde, die Produkt und Ursache des derzeitigen Zustandes zugleich sind. Erfahrungsgemäß wird solcherlei nicht militärisch geschütztes Kapital über die zahllosen Straßensperren und Schutzgelderpressungen in die Kassen der Milizen fließen. Den Militäreinsatz gegen solcherlei über Hilfslieferungen finanzierte Guerillas überlässt man getrost der notorisch bankrotten AU und den USA, die dann für die gelegentlichen zivilen Opfer von Luftangriffen mit allen Zeigefingern angeprangert werden können, während man selbst die Hände im Blut der Opfer der Nichteinmischung wäscht.