Die letzte Tapferkeit

Es verwundert immer noch mehr: Sarrazin musste Amt und Würden hinter sich lassen. Menschen, die intellektuell Lichtjahre hinter seinem verquasten Kork zurückbleiben, bleiben Parteivorsitzender, Ministerin, Parteisekretär. Seehofer, Gabriel und Schröder wuchteten sich zuletzt prominent und ungeniert ins Licht der Öffentlichkeit. Alle drei gerieren sich gerne als sozialer Flügel der jeweiligen Partei. Aus den in Wirklichkeit von den liberalen Grünen angefressenen Parteien SPD und CDU/CSU war wiederholt Angst vor einer „rechten“ Konkurrenz zu vernehmen.

Die in letzter Zeit häufiger geäußerte Drohung, die CDU würde keine Partei rechts von der CDU erlauben, gibt allen Grund zur Unruhe. Rechts und links sind untaugliche Spielmarken, die dringlichst durch ihr jeweils gemeintes – faschistisch, konservativ-demokratisch, liberal, kommunistisch, stalinistisch, sozialdemokratisch, etc.  – ersetzt werden sollten. Tatsächlich lässt sich in allen Parteien ein staatsmonopolistischer und ein liberaler, ein antisemitischer und ein proisraelischer, ein völkischer und ein weltbürgerlicher, ein faschistischer und ein demokratischer Flügel finden. Die Unreinheit der Begriffe links und rechts lässt jedoch gerade Rückschlüsse auf das zu, was die CDU als rechts von sich befindlich ansieht und aufzufangen plant: die nationalsozialistische Position. Diese ist es, die Seehofer einnimmt, wenn er im Jargon Goebbels zur „letzten Tapferkeit“ im Kampf gegen vermeintliche Müßiggänger aufruft, denen das Existenzgeld und wohl noch die letzte Garantie, die sie noch haben, die Nahrungsmittelgutscheine zu streichen sind –  die also im industriellen Stande der paradiesischen Überproduktion ausgehungert werden sollen. Der Schlag nach unten passt zum Schlag nach außen. Wenn er über unverträgliche Kulturkreise spricht, meint er nicht die Troglodyten in bayrischen Vororten, die immer noch gern ihren Kaiser oder den Adolf wieder hätten. Seehofer attackiert einen diffusen Raum, der nicht das Extrem des Fremden ist, sondern den Beginn des Fremden, das eigentlich Verwandte markiert – der Orient. Im Prinzip vollzieht er das, was Sarrazin vorgeworfen wird: Rassismus. Die Herkunft aus einem Kulturkreis ersetzt rhetorisch das Gen und aus dieser Herkunft soll die Ausgrenzung geschlossen werden. Schröder wiederum nutzt die Gunst der Stunde und plätschert gegen „Deutschenfeindlichkeit“ in Schulen – ein ähnlich strukturiertes Konstrukt wie die „Islamphobie“. Eine winzige Sparte des Mobbings in der Schule, das sich an Akzidentiellem aufreibt und strukturell eher homophob als rassistisch ist, wird zum neuen Popanz eines drohenden Untergang des Deutschtums.

Die Maßnahmen sehen sich jeweils gleich: staatliche Zwangsmaßnahmen am Rande des Totalitären  (Kindergartenpflicht – als würde dort Aufklärung garantiert), Abschiebung, Einwanderungsstop.

Dringend nötig ist es, gegen die medial zurechtkastrierten Drei-Sekunden-Kommentare der Opposition, die Fakten zu klären. Einwanderung aus Nicht-EU-Staaten ist bei genauerer Betrachtung so gut wie unmöglich. Niemand kann aus dem sogenannten „arabischen Kulturkreis“ einfach so mit Sack und Pack einwandern und Deutscher werden. Flüchtlinge werden weitgehend durch die Dritt-Staaten-Regelung abgefangen. Eine Aufenthaltserlaubnis gilt ohnehin nur noch sechs Monate. Bleibt die Niederlassungserlaubnis. Die erhalten nur Menschen mit Arbeit, Wohnsitz, Deutschkenntnissen, Integrationstests und einem mehr als fünfjährigen Aufenthaltsowie einer langjährigen Beschäftigung in Deutschland. Was also von Seehofer eingefordert wird, ist ohnehin längst Gesetz: Es gibt keine effektive Einwanderung. Es gibt  lediglich ein marodes Asylrecht, das noch dazu durch Auslegungen untergraben wird. Und es gibt die für die Türkei nicht unbedingt randständige Möglichkeit, Menschen aus Nicht-EU-Staaten zu ehelichen und nach Prüfungen und Bewährungsauflagen dieser Person den deutschen Pass zu ermöglichen. Was für die Troglodyten aus Unterfranken noch lange nicht heißt, dass die Person nun Deutscher oder Deutsche sei.

Die Zahlen für Visa-Anträge konterkarieren Seehofer bereits im Ansatz. Von den erteilten Visa dürfte der allerkleinste Teil zu einer Niederlassungserlaubnis führen. Der Löwenanteil entfällt eher auf sehr wohlhabende Touristen und Geschäftsleute, die noch dazu mehrfach in den Zahlen auftauchen, wenn sie für Geschäftsreisen mehrere Visa benötigen.

Für Ankara hat sich die Zahl der jährlichen Visa seit 2000 konstant halbiert (von 73695 auf 38723) während die Ablehnungen bei um die 15 000 stagnieren. In Istanbul und Izmir gilt der gleiche Abfall. Ähnlich verhält es sich mit  Algier (10984 auf 5472 bei konstant um die 1500 Ablehnungen) und Tunis (18255 auf 7133).

Dubai hat zwar seit 2000 eine Verdoppelung von 21010 auf 41329 erfahren, seit 2007 stagnieren die Zahlen allerdings, gegenüber 2009 ist eine Abnahme zu verzeichnen. Das gleiche gilt für Abu Dhabi mit 6869 im Vergleich zu 12548.

Die insgesamt erteilte Visa-Zahl an allen Botschaften ist seit 2000 um etwa eine Million von 2607012 auf 1649392 gesunken, gegenüber einem leichten Anstieg der Ablehnungen von 167038 auf 177207.

(Quelle: Bundestag)

Ein Drittel weniger Menschen wollten überhaupt Deutschland besuchen, dem verbleibenden Rest steht man aber nicht weniger misstrauisch gegenüber. Und wer trotzdem noch in Deutschland verweilt, wird ausgeschafft: 2009 wurden 7289 Menschen aus Deutschland mit dem Flugzeug abgeschoben – auch in Diktaturen wie China, Irak,  Weissrussland, Vietnam oder Afghanistan. 536 weitere wurden über den Landweg und 5 mit dem Schiff weggeschafft. Sehr tapfer, das. (Quelle: Bundestag)

Das sind im Vergleich zu anderen, multiethnischen Staaten lächerliche Zahlen. In Ghana ist es selbstverständlich, dass 70 verschiedene Sprachen und Dialekte gesprochen werden und Nomaden im Norden wie auch Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten sich ansiedeln. Bei Fluchtbewegungen im Kongo-Krieg sind Hunderttausende auf der Flucht über die Grenzen in die Nachbarstaaten. Deutschland besitzt also die in Seehofer, Gabriel und Schröder kristallisierte Arroganz, zum einen nichts Effizientes gegen irgendeinen jüngeren Genozid oder Massenkrieg auf der Welt unternommen zu haben und zum Anderen sich taub und dumm zu stellen, wenn es um die Aufnahme von Flüchtlingen geht. Es profitiert in unverschämter Weise von Diktaturen, etwa in Iran, und weist dann auch noch den Opfern dieser Dikaturen die Tür. Es diskutiert über die Schimäre „Einwanderung“ während noch nicht einmal ein Asylrecht errichtet und verteidigt wurde, das diesen Namen verdient. Seehofers Vorstoß zur letzten Tapferkeit ist nicht der letzte, den man erwarten darf. Solche sogenannten „Tabubrüche“ sind antidemokratisches Gift, das Fortbestehen des Nationalsozialismus in der Demokratie. Es wird bedrohlich bleiben, solange keine Opposition sich offen für ein Asylrecht im Wortsinne und eine Einwanderungsgesellschaft im weltbürgerlichen Sinne mit einer klaren Garantie der Auflösung des deutschen Volksfetischs hin zu einer weltbürgerlichen, demokratischen Gesellschaft einzusetzen wagt.

 

„3096 Tage“ – Eine Buchempfehlung

Der Satz, Natascha Kampusch hat ein Buch geschrieben, wäre fast gelogen. Kampusch wurde gezwungen, dieses Buch zu schreiben. Hinlänglich bekannt sind die Ressentiments und Phantasien, die sich an ihrer Person entzündeten. Der Entschluß, einen öffentlichen Beruf als Moderatorin einer Fernsehsendung auszuüben, wirkt weiterhin magnetisch auf jene vom unverhohlenen Neid Getriebenen. Solche Menschen agieren stereotyp in ihren immer gleichen Fixierungen auf eine gigantische Verschwörung hinter dem offensichtlich Entsetzlichen, in dem das Opfer zum Mitverschwörer wird und sie, die kleinen Leute hinter ihren Bildschirmen die Opfer der Opfer sind.

Doch auch die kleinen, journalistischen Spitzen sind bezeichnend. Rolf Leonhard titelte seine Rezension in der taz ganz unverschämt: „Eine ungleiche Zweierbeziehung.“ Im Artikel phantasiert er: „Immer wieder bekommt man den Eindruck, dass Kampusch, die sich im Laufe der Jahre zur stärkeren Partnerin in dieser ungleichen Zweierbeziehung entwickelte, für ihren Entführer Mitleid empfand.“

Mitleid, und das sagt Kampusch mehrfach ganz explizit, ist ein ganz zentrales Moment ihrer Strategie und ihres Reflexionsprozesses:

Es fiel mir in den folgenden Wochen und Monaten leichter, mit ihm umzugehen, wenn ich ihn mir als armes ungeliebtes Kind vorstellte. (Kapmusch, 123)

Mir tat dieser Mann, der mich über acht Jahre lang gequält hatte, in diesen Momenten unendlich leid. Ich wollte ihn nicht verletzen und gönnte ihm die rosige Zukunft, die er sich so sehr wünschte: er wirkte dann so verzweifelt und allein mit sich und seinem Verbrechen, dass ich manchmal fast vergaß, dass ich sein Opfer war – und nicht zuständig für sein Glück. (Kampusch, S. 257)

Es bedarf schon einiger Ignoranz, von solchen expliziten Stellen „den Eindruck“ zu bekommen. Schlichtweg frech ist es, die Folter als „Zweierbeziehung“ zu bezeichnen und darin auch noch Kampusch als „stärkere Partnerin“ zu halluzinieren, als gebe es die eingeschobenen akribischen Tagebuchaufzeichnungen nicht. Die sperren sich dem Zitat. Zitiert werden können allein Kampuschs nachträgliche Reflexionen in der Vergangenheitsform:

Mein Körper zeigte deutliche Spuren des Essens- und Lichtentzugs. Ich war nur noch Haut und Knochen, auf den Waden zeichneten sich schwarz-blaue Flecken auf meiner weißen Haut ab. Ich weiß nicht, ob sie vom Hunger oder von den langen Zeiten ohne Licht kamen – doch sie sahen beunruhigend aus, wie Leichenflecken. (Kampusch, S. 206)

Kampusch wurde von Priklopil durch ein ausgefeiltes System aus Isolationsfolter, Hungerfolter, Kontrollfolter und brutaler Quälerei unterworfen. Dass sie sich nicht brechen ließ, auch Erfolge gegen ihren Peiniger errang, macht sie noch lange nicht zur „stärkeren Partnerin“. Schlichtweg falsch ist auch Leonhards Behauptung:

„Sie erklärt das sogenannte Stockholm-Syndrom, das Opfer dazu bringt, sich mit ihren Peinigern zu solidarisieren.“

Kampusch erklärt nicht, sie kritisiert diesen Begriff vehement. Nach einer Silvesterfeier, bei der Geschenke mit Priklopil ausgetauscht wurden, reflektiert sie:

Wenn ich davon spreche, kann ich in den Gesichtern mancher Außenstehender Irritation und Ablehnung sehen. Die eben noch empathische Teilnahme an meinem Schicksal friert ein und wandelt sich in Abwehr. Menschen, die keinerlei Einblick in das Innere der Gefangenschaft haben, sprechen mir mit einem einzigen Wort die Urteilskraft über meine eigenen Erlebnisse ab: Stockholm-Syndrom. […] Eine kategorisierende Diagnose, die ich entschieden ablehne. Denn so mitleidsvoll die Blicke auch sein mögen, mit denen dieser Begriff aus dem Handgelenk geschüttelt wird, der Effekt ist grausam. Er macht das Opfer ein zweites Mal zum Opfer, indem er ihm die Interpretationshoheit über die eigene Geschichte nimmt – und die wichtigsten Erlebnisse darin zum Auswuchs eines Syndroms macht. Er rückt genau jenes Verhalten, das maßgeblich zum Überleben beiträgt, in die Nähe des Anrüchigen. Das Annähern an den Täter ist keine Krankheit. Sich im Rahmen eines Verbrechens einen Kokon aus Normalität zu schaffen ist kein Syndrom. Im Gegenteil. Es ist eine Strategie des Überlebens in einer ausweglosen Situation – und realitätsgetreuer als jene platte Kategorisierung von Tätern als blutrünstige Bestien und Opfern als hilflose Länner, bei der die Gesellschaft gerne stehen bleibt. (Kampusch, S. 176)

Und später vergleicht sie die ambivalente Gefühlslage „normaler“ Kinder mit jenem „Stockholm-Syndrom“:

Ich beobachte heute manchmal die Reaktion kleiner Kinder, wie sie sich auf ihre Eltern freuen, die sie den ganzen Tag nicht zu Gesicht bekommen haben und dann nur unfreundliche Worte, manchmal sogar Schläge für sie übrig haben. Man könnte jedem dieser Kinder ein Stockholm-Syndrom unterstellen. Sie lieben die Menschen, mit denen sie leben und von denen sie abhängig sind, auch wenn sie nicht gut von ihnen behandelt werden. (Kampusch, S. 193)

An einer weiteren Stelle wird die aggressive Patina solcher herumgeschleuderten Begriffe weiter bloßgelegt:

Wer anonym in Internetpostings reagieren kann, lädt seinen Hass direkt auf mir ab. Es ist der Selbsthass einer Gesellschaft, die auf sich selbst zurückgeworfen wird und sich fragen lassen muss, warum sie so etwas zulässt. Warum Menschen mitten unter uns so entgleiten können, ohne dass es jemand merkt. Über acht Jahre lang .Jene, die mir bei Interviews und Veranstaltungen gegenüberstehen, gehen subtiler vor: sie machen mich – der [sic] einzigen Person, die die Gefangenschaft erlebt hat  – mit einem kleinen Wort zum zweiten Mal zum Opfer. Sie sagen nur „Stockholm-Syndrom.“ (Kampusch, S. 194f)

In diesen Passagen tritt Kampusch – und an dieser Stelle ist es egal, ob sie selbst dies schreibt oder ihre Ghostwriterin –  als  avancierte Kritikerin eines entleerten Allgemeinbegriffes auf, die philosophisch gelesen werden will – was ihr die Journalisten in ihren Naivisierungen verweigern. Die FAZ reinigt das Werk von seiner gesellschaftskritischen Gewalt und fokussiert ausschließlich auf das Verhältnis zwischen Täter und Opfer. Kampusch leistet viel mehr als eine von der FAZ kolportierte „analytische Beschreibung des Lebens und der Nöte eines jungen Mädchens, das mit Unvorstellbarem konfrontiert wird.“ Ihre Analyse ist schon Gesellschaftskritik eines intellektuell reifen Individuums – von der will man in der FAZ naturgemäß nichts hören. Zu vieles ist Kampusch an der reaktionären Gesellschaft nicht geheuer. Merkwürdiges, allgemein übliches Gebaren mit Kindern sowie die autoritären Gesten der Züchtigung, die erst kürzlich gesellschaftliche Ächtung erfahren haben, werden ihr schon an ihren Eltern verdächtig .

Er [KampuschsVater] war ein jovialer Mann, der den großen Auftritt liebte, seine kleine Tochter in ihrem frisch gebügelten Kleidchen war ein perfektes Accessoire. (Kampusch, S. 22)

Es war diese fatale Mischung aus verbaler Unterdrückung und „klassischen“ Ohrfeigen, die mir zeigte, dass ich als Kind die Schwächere war. […] Im Hof konnte ich immer wieder Mütter beobachten, die ihre Kinder anbrüllten, zu Boden stießen und auf sie einprügelten. Das hätte meine Mutter nie getan, und ihre Art, mich nebenbei zu ohrfeigen, stießt nirgends auf Unverständnis. Selbst wenn sie mir in der Öffentlichkeit ins Gesicht schlug, mischte sich nie jemand ein. (Kampusch, S. 30)

Das später erlittene Verbrechen baut Kampusch bewusst als ins Riesenhafte gesteigerte Version dessen auf, was sich im Kleinen im österreichischen Alltag findet:

Sogar Kindern zumindest vorübergehend die Freiheit zu nehmen war nichts, was mir außerhalb des Denkbaren erschien. Auch wenn ich es selbst nicht erlebt hatte: Es war damals in manchen Familien noch eine gängige Erziehungsmethode, Kinder, die nicht gehorchten, in den dunklen Keller zu sperren. Und alte Frauen beschimpften in der Straßenbahn Mütter von lauten Kindern mit dem Satz: „Also wenn das meines wäre, würde ich es einsperren.(Kampusch, S. 89).

Kampusch sieht die Rezeption des an ihr begangenen Verbrechens in einem größeren gesellschaftlichen Zusammenhang:

Diese Gesellschaft braucht Täter wie Wolfgang Priklopil, um dem Bösen, das in ihr wohnt, ein Gesicht zu geben und es von sich selbst abzuspalten. Sie benötigt die Bilder von Kellerverliesen, um nicht auf die vielen Wohnungen und Vorgärten sehen zu müssen, in denen die Gewalt ihr spießiges, bürgerliches Antlitz zeigt. Sie benutzt die Opfer spektakulärer Fälle wie mich, um sich der Verantwortung für die vielen namenlosen Opfer der alltäglichen Verbrechen zu entledigen, denen man nicht hilft – selbst wenn sie um Hilfe bitten.

Gar nicht zufällig ist daher ihr Engagement gegen Rassismus. Diese in den Ohren der FAZ sicherlich enervierend sirrende Kritik geht weiter in ihrer verächtlichen Denunziation Strasshofs als „gesichtsloser Ort ohne Geschichte. […] Am Wochenende surren die Rasenmäher, die Autos werden poliert, und die gute Stube bleibt hinter zugezogenen Stores und Jalousien im Halbdunkel versteckt. Hier zählt die Fassade, nicht der Blick dahinter. Ein perfekter Ort, um ein Doppelleben zu führen. Ein perfekter Ort für ein Verbrechen.“ (Kampusch, S. 154)

Es ist die faschistoide Struktur Deutschlands und seines Seelenverwandten Österreichs, das einen in der Beschreibung des Täters wie der Umgebung Kampuschs immer wieder anspringt.

Das Wohnzimmer schien mir wie die perfekte Spiegelung der „anderen“ Seite des Täters. Spießig und angepasst an der Oberfläche, die dunkle Ebene darunter nur dürftig überdeckend. (Kampusch, S. 156)

Lediglich die Frankfurter Rundschau erwähnt beiläufig, dass man „nebenher“ erfahre, Priklopil sei ein „Anhänger Hitlers und Haiders“. Kein Wort zuviel lässt die Presse zu, es scheint, als wäre die sich an vielen weiteren Stellen aufdrängende Verwandtschaft zwischen dem an Kampusch begangenen Verbrechen und der  nationalsozialistischen Gesinnung Priklopils der deutsch-österreichischen Gesellschaft zu peinlich, um sie zumindest für ebenso bemerkenswert zu finden wie Kampusch:

Eines der Bücher im Regal im Wohnzimmer, auf das der Täter besonderen Wert legte, war „Mein Kampf“ von Adolf Hitler. Er sprach oft und mit Bewunderung von Hitler und meinte: „Der hatte recht mit der Judenvergasung.“ Sein politisches Idol der Gegenwart war Jörg Haider […]. Priklopil zog gerne über Ausländer vom Leder, die er im Slang der Donaustadt „Tschibesen“ nannte – ein Wort, das mir von den rassistischen Tiraden der Kunden in den Geschäften meiner Mutter vertraut war. Als am 11. September 2001 die Flugzeuge in das World Trade Center flogen, freute er sich diebisch: Er sah „die amerikanische Ostküste“ und „das Weltjudentum“ getroffen. Auch wenn ich ihm die nationalsozialistische Einstellung nie ganz abnahm – sie wirkte aufgesetzt, wie nachgeplapperte Parolen -, gab es etwas, das er ganz tief verinnerlicht hatte. […] Er fühlte sich als Herrenmensch. Ich war der Mensch zweiter Klasse.(Kampusch, S. 167)

Ihre Analyse des Täters baut auf dieser Voraussetzung auf. Erst im folgenden Kapitel erwähnt sie seine überfürsorgliche Mutter, (Kampusch 178f) die Priklopil offensichtlich in seiner Misogynie kontrollieren wollte, indem er ein Mädchen einkerkerte und folterte, sich selbst in einer versorgenden Mutterrolle gefiel und zugleich bereits dem Mädchen Aufgaben zuwies, die wohl ansonsten seiner Mutter vorbehalten waren. Priklopil hatte offenen Größenwahn und die dem beigesellte Paranoia: Er fürchtete Abhörgeräte und hielt sich für einen ägyptischen Gott, wollte Maestro oder Gebieter genannt werden, was ihm Kampusch verweigerte. Dieser Einbruch der feudalistischen Herrschaft in das bürgerliche Abhängigkeitsverhältnis von weiblicher Reproduktion und männlicher Repräsentation ist kein zufälliger, sondern eine Steigerung, an deren grotesker, pathologischer Drastik sich viel über die vielen „normalen“ Formen häuslicher und männlicher Gewalt ablesen lässt.

Kampusch ist mit ihrer Autobiographie ein philosophisches Werk gelungen, dessen gesellschaftskritische Tiefe den dunklen Abgrund der bürgerlichen Gesellschaft auszuloten vermag.

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Nachsatz:

Ein früherer Artikel, den ich schrieb, trug den Titel „Natascha“ – heute weiß ich, dass Natascha Kampusch es zutiefst verabscheute, wenn sie in der Presse trotz ihrer Volljährigkeit als Kind wahrgenommen und bezeichnet wurde.  Ich entschuldige mich für den Titel. Vom Inhalt des Artikels ist wenig veraltet.

Quellen:

Kampusch, Natascha: „3096 Tage“. Berlin, List Verlag. 284 Seiten. 19,95 Euro.

http://www.natascha-kampusch.at/

FAZ: „3096 Tage im Kerker: Natascha Kampusch veröffentlicht Biographie.“

Faz.net: „Heile Welt, ist doch nichts passiert.“

Zeit: „Natascha Kampusch: Übersehene Qualen.“

FR: „Ich bleib‘ zum Trotz ich.“

Taz: „Eine ungleiche Zweierbeziehung.“

 

Deutsche Klotüren

Nazis raus, Islamisten raus, Sexualstraftäter raus, Integrationsunwillige raus, Bundeswehr raus (aus Afghanistan): der normale Deutsche ist von einer Klotüre nicht zu unterscheiden, egal ob er Parteichef der SPD oder CDU, Linksparteilich  eingestellt oder Nationalist oder gerne auch beides ist. Deutschland will partout nicht in der Moderne ankommen, es ist schon dem Namen nach kein Staat wie die USA sondern Land, Territorium, Boden, mit seiner völkischen Eigenschaft „Deutsch“ so fest verschweisst, dass daraus auch nie ein bloß geographisches wie Großbritannien zu werden vermag. Integration und Territorialität werden eins. Was auch immer diskutiert wird, es endet damit, dass jemand das Land oder die Partei oder die Stadt verlassen soll. Diese Obsession der Abspaltung verweist auf Abgründiges, zumindest aber auf den zwanghaften Wunsch, Probleme nicht durchdenken zu wollen. Und es zeugt von einer aggressiven Empathielosigkeit gegenüber Vorgängen, die „draußen“ stattfinden. Das Ausschaffen, Rausschmeißen, Exilieren wird zum Fetisch.

Die Ausschlussrufe gegen Sarrazin sahen schon dem Wunsch nach Abschiebung von Ausländern gleich. Ihnen war anzumerken, was da an Verdrängung wirkte: Es sollte ein Kopf rollen, der das Betriebsgeheimnis des Ganzen ausplauderte. Nicht wegen seinem Fauxpas über Gene von Basken und Juden wurde er geschasst. Sondern weil er der alten Tendenz der SPD, eine Partei rechts von der CDU zu gründen, den Schneid abkaufte und massivste Zustimmung erntete, ohne in offizielle Parteistrukturen eingebunden zu sein und ohne dabei der SPD zu nutzen. Er wurde nachgerade zum lästigen Konkurrenten für einen Gabriel, der sich nach der Exilierung bequem in seiner Rolle als vernünftelnder, unrassistischer Abschieber gefallen darf.

Der SPD-Kazike Gabriel hat geschafft, was Sarrazin nach eigenem Bekunden nicht wollte und doch schon vorbereitete: Aus einer schon im Ansatz verkorksten Integrationsdiskussion wurde endgültig die einzige in Deutschland mögliche Version dessen – Eine Abschiebedebatte.

Die Tabus haben sich längst in Füllhörner verkehrt: Meldet sich ein Reaktionär zu Wort, wird er über kurz oder lang nach dem offiziösen Sturm der Entrüstung seine Saat überreichlich ernten können. Mit Sarrazin und Gabriel verhält es sich noch paradoxer.

Sarrazin ist ein Rassist, denn er vertritt rassistische Grundannahmen – dennoch bereitete er keine rassistische Praxis vor und wird sich über seine deutschen Fans kaum freuen. Gabriel ist kein Rassist – und vertritt doch das rassistische Prinzip, nach dem Deutschland organisiert ist, exekutiert den Willen der NPD weitaus trefflicher als Sarrazin.

Die eigene überwertige Bindung an den Kiez, das Territorium, macht die Abschiebung, die Ausschaffung zur höchsten denkbaren Strafe. Die höchste denkbare Strafe aber ist die Todesstrafe. Und exakt die ist mit der Abschiebung gemeint. Wer draußen ist, ist tot, stellt keine Gefahr mehr dar oder interessiert nicht. Im Wunsch der Deutschen nach der Abschiebung artikuliert sich der nach der Todesstrafe. Daher glaubt man auf Seiten der Linken auch, indem man die Nazis nur lange genug von einem Flecken zum Anderen jage, sei das Problem gelöst und Nazis nicht mehr existent.

Wo Integration in einer Demokratie allein als solche zu denken wäre, laut seine konträren Interessen und Meinungen zu vertreten, und entsprechen des rationellen Gehalts gehört, ignoriert oder angefeindet zu werden, ist in Deutschland mit Integration von rechts wie von links die Friedhofsruhe, der Sperrbezirk gemeint. Vom Islamismus wissen die Deutschen deshalb nichts, weil sie ihn noch immer als invasiv wahrnehmen und das 21. Jahrhundert mit der Wiener Türkenbelagerung verwechseln.

Aber es sind nicht nur die Islamisten und Neonazis. Facebook-Gruppen, die zur Vernichtung von Juden, Kurden und Armeniern aufrufen, haben kaum Kopftuchfrauen als Anhänger – es sind dem gesamten Habitus zufolge moderne, westliche, integrierte, jungtürkische FaschistInnen mit deutschem Pass und mittelständischen Unternehmen. Den gleichen Irrtum begehen Linke, wenn sie ihre „Nazis-Raus“-Buttons anheften und stolz auf ihr Wissen um Codes von Jungnazis sind. Dümmlich warb die PDS einst „Nazis raus aus den Köpfen“ – eine eigene Schlußstrich-debatte, man wollte nicht an Nazis denken müssen, sie nicht mit SS-Runen auf dem kahlrasierten Schädel sehen müssen. Das Abspalten, das das Ausschaffen stets ist, ist die Weigerung des Denkens, das Eingeständnis der insgeheimen Übereinkunft mit Ideen, gegen deren betörende Gewalt man sich als so wehrlos erweist, dass man es wegmachen, fortbringen, abschieben, ausmerzen oder auch in einer nur um Geringes anderen Variante, um jeden Preis integrieren, will. Man soll nicht Juden-Gen sagen – aber in Köln gibt es am Dom eine antisemitische Dauerausstellung gegen Israel. Man soll nicht Negerkuss sagen – aber jeder Polizist bekommt eine Gehaltserhöhung, wenn er nur weiter brav Schwarze nach Afrika abschiebt. Man soll kein Islamist sein – aber mit Iran wird gehandelt und gedealt. Man soll nicht als Sarkozy Zigeuner nach Rumänien fliegen – aber sie als Merkel in den Kosovo abschieben geht wunderbar. Die Klotüren-Mentalität der Deutschen kann man nicht umsonst auf Klotüren lesen:  der schmutzige Dreck soll mit der eigenen organischen Verfasstheit, dem System, nichts zu tun haben, wird  als Fremdes ekelerfüllt und lustvoll weggespült.

Hommage an Mrs. Nina Simone

Schwarze Männer lebten in den Südstaaten bis weit in die 60-er unter der beständigen Angst vor dem Lynchmord, sollten sie mit einer weißen Frau gesehen werden. Umgekehrt waren Verhältnisse von schwarzen Frauen und weißen Männern legitim. Die Erwähnung der Namenstitel für Schwarze durch Weiße war ein Tabu, die herablassende Anrede mit Vornamen Pflicht. Bei Landarbeitsverträgen wurden Bezahlungen von vielen Farmern zurückgehalten, dagegen aufbegehrende Schwarze mit Lynchmord bedroht und verfolgt. Mit diesem Gefühl der Auswegslosigkeit ist das des Davonrennens im Gospel Sinnerman zutiefst assoziiert:

Oh Sinnerman, where you gonna run to?
Sinnerman, where you gonna run to?
Where you gonna run to?
All on that day
Well I run to the rock, please hide me
I run to the rock,please hide me
I run to the rock, please hide me, Lord
All on that day
But the rock cried out, I can’t hide you
The rock cried out, I can’t hide you
The rock cried out, I ain’t gonna hide you guy
All on that day
I said, Rock, what’s a matter with you rock?
Don’t you see I need you, rock?
Lord, Lord, Lord
All on that day
So I run to the river, it was bleedin‘
I run to the sea, it was bleedin‘
I run to the sea, it was bleedin‘
All on that day
So I run to the river, it was boilin‘
I run to the sea, it was boilin‘
I run to the sea, it was boilin‘
All on that day
So I run to the Lord, please hide me Lord
Don’t you see me prayin‘?
Don’t you see me down here prayin‘?
But the Lord said, go to the devil
The Lord said, go to the devil
He said, go to the devil
All on that day
So I ran to the devil, he was waitin‘
I ran to the devil, he was waitin‘
Ran to the devil, he was waitin‘
All on that day
I cried –
POWER!!!!!!!
(Power to da Lord)
[8x]
Bring down,
(Power to da lord),
[4x]
POWER!!!
(power to da lord)
[12x]

Fortsetzung: Sinnerman Lyrics

Lektüreempfehlung:

Hortense Powdermaker 1966: Mississippi. S. 127-205 in: Stranger and Friend. The way of an Anthropologist. New York und London, W. W. Norton & Company.

Reiner Sarrazynismus

Es gibt eigentlich nur eines, was am Sarrazin-Hype erstaunt: Der hilflose Umgang mit den von ihm angesprochenen Themen. Als Tabu-Brecher kann Sarrazin nur deshalb von der Mehrheitsgesellschaft gefeiert werden, weil das Arsenal der Gegenseite aus Tabus besteht, die Reflexion und kritischen Geist schon lange unter sich begraben haben. Hätte man sich in den vergangenen Jahren Begriffe zu Islamismus, Einwanderung und Rassismus erarbeitet, man stünde nicht so angewrackt vor dem Eisberg Sarrazin. So aber ringt man die Hände und kann nicht erklären, warum man nicht auch Schröder aus der SPD ausgeschlossen hat, als der in seiner Funktion als Gottkönig der Sozialdemokraten forderte: „Kriminelle Ausländer raus, und zwar schnell“. Auch Müntefering, sein Reichsverweser durfte von Heuschrecken schwadronieren und der Linksparteioberhäuptling Lafontaine gegen Fremdarbeiter „Profil schärfen“. Nun will man Sarrazin, der eigenen Aussagen zufolge keinen Menschen abschieben will, entlassen und ausschließen und kann die Argumente nur stottern.

Es gibt kein Argument gegen Sarrazin, das nicht auch eines gegen die SPD wäre. Rot-Grün hat nicht die zynischen „Ausreisezentren“ geschlossen und auch nicht das Mittelmeer für afrikanische Flüchtlinge sicherer gemacht. Unter Rot-Grün wurden nicht Illegale massenhaft legalisiert. Unter Rot-Grün prosperierte der Antisemitismus nicht minder als heute. Gegen einen Sarrazin aber dürfen sich alle den antifaschistischen Orden an die Brust heften. Wäre man ihm wirklich guten Gewissens überlegen, man könnte ihn ignorieren. Oder, käme man zum Schluss, dass sein Gedankengut eine besondere Gefahr darstellt, ihn derart entschlossen und gelassen seiner Widersprüche überführen, dass gar nicht erst der Eindruck einer Diskussion entsteht.

Solange sich aber der gesamte Bundestag einstimmig für die Abschaffung Israels via IRI-Freeport Gaza ausspricht, gibt es kein moralisches Recht, Sarrazin wegen seines Einteilungswahnes zu verurteilen. Seine Behauptung vom jüdischen Gen übertreibt darin, dass es „alle“ Juden tragen würden. Das ist wie vieles andere aus Sarrazins Mund Jargon, der bösartige Auswirkungen hat, die Sarrazin nicht einsehen will. Wieso seine imprägnierte Zahlenzauberei aber auf einmal mehr Thema sein soll als der genannte Bundestagsbeschluss, kann niemandem einleuchten, der ernsthaft sich mit dem Antisemitismus auseinandergesetzt hat.

Mehr zum Thema auf Nichtidentisches:

„Sarrazins Kinder„“

„Die Abwehr des Genießens in der H&M-Werbung und in der Hartz-IV Debatte

Die Bombe und das Erinnern

Als die deutschen Heimatvertriebenenorganisationen das 60-jährige Jubiläum ihrer Charta feierten, sagte Ralph Giordano, die Vertreibung würde in der Charta so dargestellt, als habe sie in einem „historischen Vakuum“ stattgefunden. Dieser Begriff „historisches Vakuum“ trifft jenen verbreiteten Gestus des Erinnerns recht gut, der Kriegsereignisse aus den historischen Ereignissen isoliert und dadurch Schuldfragen und Ursachensuche im besten Falle neutralisiert, im gewöhnlichen verschiebt und verbiegt.

Ein solches Verhältnis prägt auch das Erinnern an die Atombombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki. Im nachträglichen Entsetzen über das genozidale Potential dieser Waffe wurde schon jenes Entsetzen über die mit primitivsten Waffen (Hunger, Schläge, Krankheiten, Gas) durchgeführten Massenmorde des Holocaust eher getilgt als erinnert. Die in den folgenden 50 Jahren stattfindenden 2 000 Atomwaffentests (davon ca. 622 oberirdisch) und der Anstieg des weltweiten Arsenals auf möglicherweise 70 000 Atomsprengköpfe sorgten für zusätzliche und  trotz ihrer  Assoziation mit einer gewissen paranoischen Struktur sehr gerechtfertigte Bedrohungsängste, die mit dazu beitrugen, das Grauen des zweiten Weltkrieges in der amerikanischen und europäischen Wahrnehmung verblassen zu lassen. Die Opfer eines perhorreszierten „nuklearen Holocaust“ waren nunmehr „wir alle“ und dieser globale Genozid hatte bereits begonnen: in Hiroshima und Nagasaki.

So konnte man in der Retrospektive der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki als initiale Agression betrachten und darüber vergessen, dass dort ein Krieg beendet wurde. Ein Krieg, der in der öffentlichen Wahrnehmung abseits von exotistischer und ambivalenter Begeisterung für die Kamikaze-Flieger kaum je Beachtung fand. Nie erreichte man ein geschichtliches Bewusstsein davon, wie sehr die japanische Ideologie der deutschen ähnelte und wie gigantisch, mörderisch und genozidal diese Front war. Anstelle von unqualifizierten Co-Referaten verweise ich zu diesem Komplex auf das hervorragende Blog „USA-erklärt“ mit der Beitragsreihe „Der Krieg gegen Japan„.

Und auf den Wikipedia-Artikel über japanische Kriegsverbrechen, der die Zahl der Todesopfer des japanischen rassistischen Raubzuges mit dem Historiker Chalmers Johnson auf 30 Millionen Menschen schätzt. Eingesetzt wurden biologische Waffen, konventionelle Waffen und primitivere Waffen wie Bajonette, deren massenhafter Einsatz ein hohes Maß an individueller Täterschaft und aggressiver Ideologie voraussetzt. Hunger und Durst wurden systematisch gegen Kriegsgefangene eingesetzt, von denen 30 % unter grauenvollen Umständen starben.  Darüber hinaus arbeiteten Japan wie auch Deutschland an einer eigenen Atombombe.

Wenn man sich 2010 der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki erinnert, ist es unmöglich, nicht die Geschichte der nuklearen Aufrüstung, der Strahlenkrankheit und des Grauens, das diese in die Individuen pflanzte mitzudenken. Es sollte aber gleichfalls erwartet werden können, die genozidale Aggression des japanischen Faschismus  zu reflektieren. Dann muss man der amerikanischen Seite ein nahezu ausschließlich militärisches Kalkül zugestehen, das unter dem Vorzeichen stand, einen  für beide Seiten extrem verlustreichen Krieg in einer Machtdemonstration, die sich gegen zwei stark militärisch geprägte Ziele richtete, zu beenden. Bis heute wird die Erinnerung an Hiroshima und Nagasaki beherrscht von einer Imagination, nach der zwei menschlich erkaltete amerikanische Bomberpiloten  einfach so zwei Massenvernichtungswaffen über zwei friedlichen japanischen Städten abwarfen. Am treffsichersten ist diese Wahrnehmung in der Kapitulationserklärung des japanischen Kaisers vorgeprägt:

„Der Feind hat jüngst eine unmenschliche Waffe eingesetzt und unserem unschuldigen Volk schlimme Wunden zugefügt. Die Verwüstung hat unberechenbare Dimensionen erreicht. Den Krieg unter diesen Umständen fortzusetzen, würde nicht nur zur völligen Vernichtung unserer Nation führen, sondern zur Zerstörung der menschlichen Zivilisation … Deshalb haben wir angeordnet, die gemeinsame Erklärung der Mächte anzunehmen.“

Die, wenn nicht schon im ersten Weltkrieg, in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern und den japanischen Massakern untergegangene Zivilisation wurde auf einmal gerettet durch den japanischen Kaiser in seiner Fürsorge für sein „unschuldiges Volk“, das er wenige Tage zuvor im Konsens mit seiner Armeeführung noch in Millionen opfern lassen wollte, unter anderem mit dem Plan, mit Bambusspeeren bewaffnete Kinder und Frauen im Endkampf auf amerikanische (oder mit dem Kriegseintritt der Sowjetunion auch „kommunistische“) Soldaten zu hetzen. Alle Schuld, alle Täterschaft wurde an die USA übertragen – ein Erfolgsrezept, das sich später als bequeme Umgehung jeder tiefergehenden Beschäftigung mit dem historischen Rahmen globalisierte.

So zog ich im Alter von etwa dreizehn Jahren mit einem halben Dutzend anderer AktivistInnen am Jahrestag der Bombardierung von Hiroshima und Nagasaki mit Mehl geschminkt als Hibakusha-Mime durch eine süddeutsche Fußgängerzone. Ein wütender Amerikaner brüllte uns an: „Pearl Harbor! Pearl Harbor!“ Ich wusste damals nicht einmal, was er mit diesen fremdartigen Worten wohl meinen könnte. Im geschichtlichen Vakuum war Hiroshima nun mal das Opfer eines unwahrscheinlich zynischen Aktes der Amerikaner. Jede historische Rationalisierung dieses Aktes wurde abgewehrt und im Kalten Krieg hatte noch dies sein Recht: Es durfte keine einzige Legitimation mehr geben für den Einsatz einer Atomwaffe, weil dies den Untergang aller in einem dritten Weltkrieg zur Folge gehabt hätte. Das Tabu folgte einer gewissen Logik. Logik ist aber noch nicht Vernunft und daher muss man diese Verdrängungsleistung mit dem chronischen Antiamerikanismus und dem rassistischen und narzisstischen Desinteresse an Asien synchronlesen.

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Drei Literaturempfehlungen:

„Unsere Bombe“. Robert del Tredici. Zweitausendeins, 1988. (Bildband zur Atomwaffenproduktion in den USA)

„Die letzten Glühwürmchen“. Hayo Miyazaki. 1988. Anime. (Melodram im Kriegs-Japan)

„Der kubistische Krieg“. Stephen Kern. In: Kultur & Geschichte – neue Einblicke in eine alte Beziehung. Reclam, 1998. (Artikel über die bis dato beispiellose Fragmentierung von Individuen, Raum und Zeit im Zuge des ersten Weltkrieges)

Daniel Bax‘ „Wir Israelversteher“ – ein Paradebeispiel des linken Antisemitismus

Die Tageszeitung (taz) hat eine Kommentarspalte eingerichtet mit dem Titel „Debatte: Unser Israel“. Wie zu erwarten, brauchte man auch einige Vertreter des klassischen linken Antisemitismus um dem Anspruch der „Objektivität“ gerecht zu werden und die Leserschaft nicht gänzlich zu verstören. Daniel Bax ist bekanntermaßen erste Wahl und seinen Beitrag „Wir Israelversteher“ vom 27.7.2010 möchte ich hier stellvertretend zu diskutieren, um keine Gelegenheit unversäumt zu lassen, jenen, die lediglich uninformiert sind, alternative Lesarten zu ermöglichen.

Ich beginne beim Titel: „Wir Israelversteher“. Es ist kaum fünf Jahre her, das war „Versteher“ in verschiedensten Kombinationen ein Schimpfwort. Zu den beliebtesten zählte „Frauenversteher“. Das „Verstehen“ wurde als Ausdruck eines laxen, unmännlichen Empathievermögens geprägt und wird in genau diesem Sinne von Bax angewendet. Der Untertitel triggert an weiteren Fronten des Unbewussten.

Israels rechte Regierung instrumentalisiert den Holocaust für ihre Politik. Gerade viele Deutsche zeigen sich für diese Propaganda sehr empfänglich.

Die Regierung Israels als „rechts“ (und später als „rechtsextrem“) zu bezeichnen projiziert deutsche politische Kategorien auf Israel und leistet so eine Befreiung von Schuldlast. Rechts und Rechtsextrem, das sind hierzulande Nazis und Nationalkonservative. Wenn selbst Israelis mehrheitlich („Regierung“) Nazis oder zumindest irgendwie rechtsextrem sind, kann man den deutschen Opa kaum in die Schuld dafür nehmen, ein Nazi geworden zu sein. „Die sind ja genauso schlimm“ – das ist eine Strategie, die Adorno bereits in den 1950-ern in in den Gruppendiskussionen mit Deutschen als charakteristisch für die Schuldabwehr herausarbeitete. (Siehe „Schuld und Abwehr“ in „Soziologische Schriften II“) Dass diese „rechte Regierung“ den „Holocaust“ für „ihre Politik“ „instrumentalisiert“ gehört zum NPD-Jargon und ist hinreichend analysiertes Projektionsschema der AntisemitInnen. Über die Shoah zu sprechen und zu urteilen wird zu einem Privileg deutscher Urteilskraft gemacht. Weiter wird darin eine Trennung von israelischer Politik und der Shoah vollzogen, die es erleichtert, gegen Israel zu hetzen ohne in den Verdacht zu geraten, die Shoah gutheißen zu wollen.

Gerade viele Deutsche zeigen sich für diese Propaganda sehr empfänglich, meint Bax. Ausgerechnet Deutsche also fallen auf israelische/jüdische Propaganda herein. Hier wird suggeriert, dass Deutschland in der Mehrheit „Propaganda“ der israelischen Regierung aufnehmen würde – und das aus einem spezifischen („gerade“) deutschen Komplex heraus. Wohl als Beispiel für israelische/jüdische Propaganda wurde an dieser Stelle ein Foto der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem eingefügt – ein Schluss, der von den RedakteurInnen vermutlich heftig abgelehnt würde, zumindest aber keine Entschuldigung für eine solche Geschmackslosigkeit nach sich ziehen wird.

Glaubt man Benjamin Netanjahu, dann ist es fünf vor zwölf für Israel. In einer Rede zum Holocaust-Gedenktag, die er im April in der Gedenkstätte Jad Vaschem hielt, verglich Israels Regierungschef das Atomprogramm des Irans mit dem Aufstieg Nazi-Deutschlands und warf der Welt vor, im „Angesicht des Bösen“ wieder einmal tatenlos zu bleiben. Solche Töne sind nicht neu. Schon bevor Netanjahu zum zweiten Mal zum Premier gewählt wurde, unterstellte er Irans Präsident Ahmadinedschad, einen zweiten Holocaust zu planen, und warnte schrill, die Lage sei heute wie „1938“.

Das ist natürlich Propaganda, die einem klaren politischen Zweck dient. Denn mit diesem Alarmismus, der einen Ausnahmezustand suggeriert, lässt sich noch jede israelische Aggression – bis hin zu einem Angriff auf den Iran – als Akt der Notwehr verkaufen. Leider verfängt diese Demagogie erstaunlich gut. Nicht nur bei Juden in Israel und anderswo, bei denen Ahmadinedschads antiisraelische Tiraden an alte Wunden rühren und Vernichtungsängste wecken. Sondern auch in Deutschland, wo es vielen schwerfällt, Israelis anders als in jener Opferrolle der Juden wahrzunehmen, die man aus dem Geschichstunterricht kennt.

Dass die Leserschaft einem Benjamin Netanjahu nicht glauben will, wird von Bax vorausgesetzt. Die Phrase „fünf vor zwölf“ leitet den Vorwurf des Alarmismus ein. „Schrill“ sei die Warnung Netanjahus, der wegen oder trotz „solcher Töne“ bereits „zum zweiten Mal zum Premier gewählt wurde“. Der Wahrheitsgehalt dieser Verlautbarung Netanjahus in Yad Vashem, die einer sehr parteiübergreifende Meinung in Israel entspricht, wird von Bax nicht diskutiert. Weder Ahmadinedschads „Holocaust-Konferenz„, deren einziger Zweck die Leugnung und damit die Vorbereitung einer Wiederholung der Shoah war, noch der Holocaust-Karikaturen-Wettbewerb, noch die bestens dokumentierte antisemitische Tradition der iranischen Diktatur und die Bedeutung des Antisemitismus für die iranische Propaganda noch die bisherigen Aggressionen des iranischen Terrorismus (etwa die Anschläge in Buenos Aires, die Aufrüstung der Hisbollah und der Hamas) noch die bestens belegten jahrzehntelang verfolgten Absichten der iranischen Diktatur zum Bau von Nuklearwaffen können Bax von irgendeiner Gefahr für Israel überzeugen. Eine solche anzunehmen sei „natürlich Propaganda“.
Maßlosigkeit, traditionelles Kennzeichen des Antisemitismus, wird auf Israel projiziert: „noch jede israelische Aggression“ suggeriert das, was man insgeheim noch immer am meisten befürchtet: Rache der Juden/Israelis an den Deutschen, Rache für die Shoah.
Das ist der Inhalt des Satzes „Israelis anders als in jener Opferrolle der Juden wahrzunehmen, die man aus dem Geschichtsunterricht kennt“ – die tiefe Furcht vor den Opfern. (An dieser Stelle meinen Dank an NF für diesen Hinweis!)
So wird aus den sehr begrenzten Möglichkeiten einer israelischen Militäraktion gegen iranische Atomanlagen (nach dem Vorbild der „Osirak„-Aktion) – eine unheimliche entgrenzte Bedrohung: „noch jede israelische Aggression“.
Dass für Juden in Israel die Vernichtungsdrohung kein Ausnahmezustand, sondern Alltag ist, kann Bax ohnehin nicht nachvollziehen, zu pathisch hat er sich gegen jede Empathie mit den Opfern der Shoah und ihren Nachkommen abgedichtet. Diesen spricht er jede Rationalität in ihrer Angst ab.

Dabei haben historische Kurzschlüsse im Nahen Osten eine lange Tradition. Der Historiker Tom Segev hat in seinem Buch „1967“ über den Sechstagekrieg herausgearbeitet, wie der Angriff auf Ägypten von einer weit verbreiteten Furcht vor einer möglichen Wiederholung des Holocausts getragen wurde. Später verglich Israels Premier Menachem Begin den in Beirut eingekesselten PLO-Chef Jassir Arafat mit Adolf Hitler im Führerbunker.

Doch keine israelische Regierung missbraucht den Holocaust so sehr wie die gegenwärtige, um damit ihre Politik zu rechtfertigen. Netanjahu hat ein Faible für Nazi-Vergleiche: Vor der UN-Vollversammlung verstieg er sich dazu, den Gazakrieg mit dem Kampf der Alliierten gegen die Nazis zu vergleichen. Und den früheren deutschen Außenminister Steinmeier belehrte er, das Westjordanland dürfe durch den Abzug der israelischen Siedler nicht „judenrein“ werden.

Bax zeichnet eine Traditionslinie des „Mißbrauchs des Holocausts“ durch israelische Regierungen. Der Präventivschlag Israels im Sechstagekrieg, vor dem Ägypten durch die UDSSR mit 1000 Panzern aufgerüstet wurde und täglich weitere Militärtransporter der UDSSR in Kairo landeten, vor dem 100 000 ägyptische Soldaten an der Grenze Israels aufmarschierten und Nasser den Abzug der UNEF-Truppen aus dem Sinai erzwungen hatte, sei also gänzlich grundlos von Ängsten vor dem offenen Antisemitismus der arabischen Nachbarstaaten „getragen“ worden. Ob und wie und mit welchem Recht Begin den Schüler des islamischen Nationalsozialisten Al-Husseinis Arafat nun mit Hitler verglich belegt Bax wie alle seiner Behauptungen und Lügen nicht weiter. In jedem dieser Fälle sei „der Holocaust“ durch die israelische Regierung „missbraucht“ worden – was eine krude Vorstellung von einem legitimen „Gebrauch“ des Holocaust voraussetzt. Dass die Hamas in Gaza in ihrer Charta im wesentlichen die Protokolle der Weisen von Zion wiederholt und sich selbst in die Tradition des Nationalsozialismus stellt, muss Bax ebenso wenig kümmern wie die Tatsache, dass das Westjordanland ohne jüdische Siedlungen nun mal „judenrein“ wäre – was übrigens gar nicht im Interesse der PalästinenserInnen wäre, für die die jüdischen Siedlungen im Westjordanland Arbeit und Einkommen bedeuten.

Bei all jenen Israelis und Juden, die sich bis heute als unverstandene Opfer der Geschichte fühlen, fällt solche Brachialrhetorik auf fruchtbaren Boden. Die Selbstviktimisierung hilft ihnen, Israels Besatzungspolitik und seine Kriege zu relativieren. In seiner selbstgerechten Mischung aus Nationalismus („Israel ist so toll“), Zynismus („Den Palästinensern bei uns geht es gut!“) und Larmoyanz („Die bösen Medien sind so unfair“) hat Chaim Noll in seinem Debattenbeitrag (taz, 19. 7.) ein eindrucksvolles Beispiel für diese Geisteshaltung gegeben. Wenn man die Welt so einäugig betrachtet, wiegt ein falsch beschnittenes Agenturfoto weit schwerer als neun Tote es tun, die von israelischen Soldaten auf einem Hilfsschiff für Gaza erschossen wurden.

Bax schämt sich nicht vor einem äußerst unfeinen persönlichen Angriff auf Chaim Noll, der vor ihm eine Verteidigung Israels leistete. Dieser sei „selbstgerecht“ – dass Juden Rechte haben, Recht sprechen und beanspruchen dürfen, war bereits den Feinden der Judenemanzipation im 19. Jahrhundert ein Dorn im Auge. Er sei „Nationalist“, was wieder den Transfer deutscher Kategorien und deutscher Schuld auf Israel beinhaltet. Er sei „zynisch“, weil er betont, dass sich gar keine Mehrheit für einen palästinensischen Staat im Westjordanland findet und ein kooperativer, friedlicher Alltag stattfindet, der im Medienbild keine Berücksichtigung findet. Und er sei „larmoyant“ – ein jammernder Jude, der sich in seiner „Selbstviktimisierung“ als unverstandenes Opfer der Geschichte fühlt, sich also nicht so haben soll. Die „Einäugigkeit“ ist eine bekannte Etüde auf der antisemitischen Klaviatur, die israelische Politik mit einem so häufig fehlzitierten Satz aus dem jüdischen Testament verhetzt: Diese sei auf Rache aus, würde „Auge um Auge“ fordern – ein Ressentiment, das wieder der Angst vor der jüdischen Rache entspringt.

Für Bax ist es kein Problem, wenn eine international anerkannte Nachrichtenagentur wie Reuters wiederholt Bilder fälscht, um antiisraelische Ressentiments zu schüren oder nicht zu gefährden. Ebenso kann er wie die meisten deutschen Zeitungen über die zahllosen Video-Beweise hinwegsehen, die den israelischen Einsatz auf der Marmara als Notwehr rechtfertigen und die Schuld an den Toten primär der Rackets in der Marmara-Besatzung anlasten, die ein terroristisches Attentat auf Israel planten und durchführten.

In einem Punkt aber irrt Noll ganz besonders. Denn in wenigen Ländern kann Israels Politik mit so viel Verständnis rechnen wie hierzulande. Das gilt nicht nur mit Blick auf Bundeskanzlerin Angela Merkel oder die Zeitungen aus dem Axel-Springer-Verlag, deren Vorstandschef Mathias Döpfner einmal voller Ernst von sich sagte, er sei „ein nichtjüdischer Zionist“. Das trifft auch auf vermeintlich „linke“ Blätter wie Konkret oder Jungle World zu, die Israel bevorzugt als Opfer ausländischer Mächte zeichnen und sogar seine rechte bis rechtsextreme Regierung mit Inbrunst verteidigen.

Verblüffen kann das nur, wer von Linken per se eine Verpflichtung auf die Menschenrechte erwartet. Doch das wäre falsch. Manche Linke sahen einst die Sowjetunion als „gelobtes Land“ an und denunzierten jede Kritik am Kommunismus als „unsolidarisch“ – jetzt halten es manche mit Israel so. Der Schulterschluss mit Israel hat zudem eine psychologische Entlastungsfunktion: Manche glauben, damit jenen antifaschistischen Widerstand nachzuholen, den die eigenen Eltern und Großeltern leider versäumten. Sehr empfänglich sind sie daher für Netanjahus Propaganda, die suggeriert, die Palästinenser oder der Iran seien „die Nazis von heute“.

Bax ignoriert die einstimmige Aufforderung des Bundestages, die Gaza-Blockade, die Israel vor ungehinderten Waffenlieferungen aus dem Iran an die Hamas schützt, „sofort aufzuheben“, er ignoriert alle Studien, die in Deutschland eine überwältigende Mehrheit mit antiisraelischer Gesinnung ausmachen, etwa das Ergebnis einer BBC-Studie:

„Am schlechtesten schnitten bei der Umfrage wie im Vorjahr Iran (17 Prozent positiv), Pakistan (17 Prozent), Nord-Korea (20 Prozent) und Israel (21 Prozent) ab. In Deutschland haben 65 Prozent den Eindruck, dass von Israel ein eher schlechter Einfluss ausgeht.“

Die Eigentümlichkeit, dass es in Deutschland wie in Europa überhaupt stets eher konservative und in ihrer sonstigen Politik häufig widerwärtige Parteien oder zumindest deren Eliten sind, die sich israelsolidarisch äußern, während linke und sozialdemokratische Parteien eher zu den Proliferaten noch der plattesten antisemitischen Ressentiments gehören, könnte Bax noch einen bloßen Fehlschluß aufgebunden haben – seine Verlogenheit in Bezug auf daherhalluzinierte Stimmungsbilder macht allerdings sein antisemitisches Ressentiment sichtbar.

Gleichmacherei ist sein vorgeschütztes Argument, die StalinistInnen von einst seien die Israelfreunde von heute. Hier lügt sich Bax am Staatsantisemitismus der UDSSR und dem reichlich belegten ihrer AnhängerInnen (wie jenen der RAF oder der Linkspartei/PDS) vorbei.

Solche Gleichsetzungen relativieren den Holocaust, der ein einzigartiges Verbrechen war, das bekanntlich von Deutschen begangen wurde. Muss man betonen, dass sich die politische Lage im heutigen Nahen Osten nicht annähernd mit der Verfolgung der europäischen Juden während des Zweiten Weltkriegs vergleichen lässt? Israel ist immerhin die stärkste Militärmacht der Region und für den Iran und andere Nachbarn eine weit größere Bedrohung als umgekehrt.

Solches Räsonieren will den Anschein von logischen Gedankenketten wahren. Die „Einzigartigkeit der Shoah“, ein ohnehin von Beginn an etwas vermurkstes Abwehrinstrument gegen die Retourkutschen-Mentalität im Zuge der postnazistischen Schuldabwehr, wird für Bax zur Waffe gegen jene, die auf „Nie wieder Auschwitz“ pochen. Mit dem Beleg der „Einzigartigkeit“ soll die Gefahr antisemitischen Mordens gebannt sein. Und nicht mit der Verfolgung der europäischen Juden während des zweiten Weltkrieges, der Shoah, sonder mit der Situation um „1938“ verglich Netanjahu die heutige Bedrohung, deren Existenz Bax negiert.

Israel soll zudem stärkste Militärmacht der Region sein. Das ist nur dann wahr, wenn man es als Militärmacht wertet, sich im Angesicht des eigenen Untergangs mit ein paar Dutzend Atomwaffen zu rächen. Israel hat weder das Öl noch einen Bruchteil der Armeestärke seiner Gegner. Und es hat noch nie einen echten Angriffskrieg geführt, befindet sich aber trotzdem seit über 60 Jahren in einem Kriegszustand, ohne dass eine nennenswerte Barbarisierung der Gesellschaft eingetreten wäre. Im Gegenteil erhält nunmehr jedes Battalion einen Offizier für humanitäre Angelegenheiten. Welche konkrete Bedrohung Bax in Israel für Iran oder andere Nachbarn sieht, bleibt solange unklar, wie man nicht das oben bereits bedeutsame Verhältnis der Angst vor der Rache der Opfer berücksichtigt. Es handelt sich um exakt jenes Heraufbeschwören eines Ausnahmeszustandes nach Bax, der jede Aggression rechtfertigt. Gegen ein so bedrohliches Israel darf die Hamas Raketen feuern, die Hisbollah Soldaten entführen, Iran Atomwaffen bauen und dürfen „Friedensaktivisten“ Messer, Knüppel und Pistolen zücken.

Harmlos ist die deutsche Begeisterung für Israel, solange sie sich in naiver Schwärmerei für Land und Leute erschöpft. Schwieriger wird es, wenn sie mit antidemokratischen Haltungen einhergeht, die in Israel weit verbreitet sind – zum Beispiel rassistische Vorurteile gegenüber Arabern und anderen Muslimen. Es ist ja kein Zufall, dass unter den größten Israelfans auch die schärfsten Islamgegner zu finden sind – und umgekehrt. Ob Henryk M. Broder, Ralph Giordano, der holländische Rechtspopulist Geert Wilders oder Internet-Hetzblogs wie Politically Incorrect – sie alle preisen Israel als Vorbild und plädieren dafür, Muslime in Europa zu diskriminieren.

Der Ruf nach unbedingter „Solidarität mit Israel“, der aus solchen Ecken ertönt, lenkt von anderen, wichtigeren Fragen ab: Kann ein Demokrat gezielte Tötungen von „Terroristen“ (wer immer diese als solche definiert) als Mittel der Politik gutheißen? Kann er die Besatzung und den Siedlungsbau im Westjordanland, Blockade und Bombardierung des Gazastreifens unterstützen? Oder zumindest begrüßen, dass die deutsche Kanzlerin dazu kaum Kritik äußert aufgrund unserer „Verantwortung für den Holocaust“?

Gehört es also zu den Lehren aus der deutschen Geschichte, eine rechte Regierung zu unterstützen, die Friedensgespräche ablehnt und von einem Israel bis zum Jordan träumt? Es ist ja kein Geheimnis, dass deren Positionen kaum mit den Werten westlicher Demokratien zu vereinbaren sind.

Mit Israel mag uns viel verbinden. Ein Grund, begeistert seine Flagge zu schwenken, wie manche Israelfreunde das tun, ist es nicht.

Bax unterstellt ausgerechnet Israel, der einzigen Demokratie im nahen Osten, eine weite Verbreitung antidemokratischer Haltungen, darunter rassistischer Ressentiments. Es mag in Israel eine manifeste und verbreitete Abneigung arabischer Juden gegen arabische Muslime geben und ja, auch ein Problem mit einigen fundamentalistischen, antidemokratischen Strömungen des religiösen Judentums. „Araber und andere Muslime“ ist dagegen schon eine in sich rassistische Wendung, die zum einen jene arabische Juden negiert, die zum Beispiel 1948 aus den arabischen Staaten vertrieben wurden und zum anderen Muslime (zu denen auch konvertierte israelische Juden zählen) und Araber gleichsetzt, als gäbe es keine säkularen, atheistischen Araber. Ein „Islamgegner“ zu sein ist für Bax schon gleichbedeutend mit Rassismus – die übliche Verkehrung, der sich derzeit nicht einmal gestandene Atheisten entblöden. Wo Broder oder Giordano die „Diskriminierung“ von Muslimen in Europa fordern muss nicht einmal in der taz weiter belegt werden, solange die Gleichsetzung mit jenen nationalistischen „Europäern“ funktioniert, die Israel mitunter als Mittel zum Zweck ihrer Ideologiebildung verwenden.

Als „Demokrat“ hat sich Bax anscheinend nicht über die weiterreichenden internationalen demokratischen Konventionen zur Kriegsführung informiert, nach denen führende militärische Gegner in einem Krieg getötet werden dürfen. Überzeugte Demokraten aus allen Epochen haben diese Praxis selbstverständlich ausgeführt und gut geheißen.

Von jeder Unterstützung des Siedlungsbaus ist man in ganz Europa und besonders in Deutschland weit entfernt. Es bleibt vereinzelten Randgruppen und journalistischen PredigerInnen in der Wüste vorbehalten, die Siedlungen zu besuchen und ein differenziertes Bild der Alltags von Juden im Westjordanland zwischen terroristischen Attentaten und Israel-Boykotten zu zeichnen. Oder auf die Palästinenser hinzuweisen, die Israel allemal jenen korrupten terroristischen Banden vorziehen, die ihnen in Gaza und im Westjordanland das Leben schwer machen. Oder jene arabischen Regierungen zu kritisieren, die für die palästinensischen Siedlungen auf ihrem Staatsgebiet Hilfsgelder abschöpfen und die BewohnerInnen fern jeder panarabischen Solidarität aufs bitterste diskriminieren.

Bax hat durch sein penetrantes Lügen bereits bewiesen, dass er weder eine Intervention der Redaktion noch eine Rüge des Presserats befürchten muss. Indem er Netanjahu vorwirft, „Friedensgespräche abzulehnen“, fügt er dem nur noch eine Lüge hinzu. Für all jene, die wirklich an Israel und seiner Politik interessiert sind, sei abschließend Netanjahus Rede in Bar Ilan empfohlen, in der es zum Beispiel heißt:

‚But, friends, we must state the whole truth here. The truth is that in the area of our homeland, in the heart of our Jewish Homeland, now lives a large population of Palestinians. We do not want to rule over them. We do not want to run their lives. We do not want to force our flag and our culture on them. In my vision of peace, there are two free peoples living side by side in this small land, with good neighborly relations and mutual respect, each with its flag, anthem and government, with neither one threatening its neighbor’s security and existence.‘

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Siehe auch:

Nexusrerum: „Unser Holocaust – der Juden Knacks und der Judenknacks

Judith Butler hat Recht – der CSD e.V. ist ignorant gegenüber Diskriminierung

Stundenlang könnte man recherchieren und rätseln, was denn nun dran ist an Judith Butlers „Rassismusvorwürfen“ gegen den Cristopher Street Day e.V.. Ich fand lange anstelle der überall angekündigten „heftigen Diskussion“ keine halbwegs verwertbaren Zitate, die irgendwie meinem Anspruch an eine Diskussion genügen würden. Schließlich stieß ich bei „Theorie als Praxis“ auf eine ausführliche Analyse der von Drittpersonen aufgeführten Vorwürfe, die zudem mit vielen weiterführenden Links aufwartet:

Noch einmal zu den Rassismusvorwürfen gegen den Berliner CSD

Hören wir ergänzend dazu Butler noch einmal in einigen Zitaten:

http://radicalarchives.org/2010/03/28/jbutler-on-hamas-hezbollah-israel-lobby/

Similarly, I think: Yes, understanding Hamas, Hezbollah as social movements that are progressive, that are on the Left, that are part of a global Left, is extremely important. That does not stop us from being critical of certain dimensions of both movements. It doesn’t stop those of us who are interested in non-violent politics from raising the question of whether there are other options besides violence. So again, a critical, important engagement. I mean, I certainly think it should be entered into the conversation on the Left. I similarly think boycotts and divestment procedures are, again, an essential component of any resistance movement.

Oder hier ein anderes Beispiel auf Deutsch ( siehe auch „Die Butler-Bibel“ auf Nichtidentisches):

Ein paar Tage später besuchte ich eine Konferenz, auf der ich einen Vortrag über die wichtigen kulturellen Bedeutungen der Burka hörte, darüber, wie sie für die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft und Religion, zu einer Familie, einer umfangreichen Geschichte von Verwandtschaftsbeziehungen steht, daß sie eine Übung in Bescheidenheit und Stolz, einen Schutz vor Scham symbolisiert und daß sie auch als Schleier wirkt, hinter dem und durch den weibliche Handlungsfähigkeit wirken kann. Die Sprecherin fürchtete, daß die Zerstörung der Burka, so als sei diese ein Zeichen der Unterdrückung, der Rückständigkeit oder sogar des Widerstandes gegenüber der kulturellen Moderne selbst, zu einer erheblichen Dezimierung islamischer Kultur führen würde und zu einer Ausbreitung von US-amerikanischen kulturellen Annahmen, wie Sexualität und Handlungsfähigkeit zu organisieren und darzustellen seien.“

Ich schließe mich daher ganz Judith Butlers Kritik am CSD e.V. an: Ihr den Preis verleihen zu wollen zeugt tatsächlich von Ignoranz gegenüber den von ihr wiederholt, lautstark, informationsfrei und völlig kritikresistent unterstützten menschenfeindlichen Ideologien Rassismus, Misogynie und Antisemitismus. Demnächst freuen wir uns als Kommerzialisierungskritiker auch über die kostenlosen Judith-Butler-Editionen aus dem Hause Suhrkamp.

Siehe auch:

Felix Riedel 2005:  „Israel ist, was Judith Butler über Israel denkt, Das Gerücht fungiert als Diskurs.“ In: Bahamas 48 (auf Anfrage bei der Bahamas-Redaktion als PDF erhältlich)

Postscriptum: Jan Feddersen kritisiert in vergleichbarer Meinung Butler in der Taz. „Karneval des linken Milieus“. 29.6.2010, S. 10.

Fussballstreik – Die französische Alternative zu „inneren Reichsparteitagen“

Von der sehr wahrscheinlich homophoben Farbe der Beschimpfung, die ein französischer Spieler verlautbart haben soll, als sein Trainer ihn zu mehr Leistung ermahnte, einmal abegesehen sympathisiere ich aufs äußerste mit der Idee des Streikes gerade in diesem Sport. Dieses patriotische Idyll an seinen Widersprüchen zu zerbrechen und in Klassenkampf aufgehen sehen kann jeden Freund Marx’scher Theoreme nur in gehässige Fröhlichkeit stimmen.

Die feudalen Reste deren sich die kapitalistischen Organisationsweisen bedienen sind im Fußball mehr als präsent. Der Trainer als deligierter Intellekt, der seine entgeisteten Maschinen auf dem Platz organisiert. Die Spieler, die unter ständigem von den Maoisten abgeschauten Rapporzwang stehen, über die immer gleichen Befindlichkeiten nach Sieg und Niederlage zu räsonieren und Besserung zu geloben. Das Environment des Stadions, in dem infernalischer Lärm, Verletzungsgefahr und klimatische Bedingungen die Fabriken des 19. Jahrhunderts aufleben lassen. Die Torprämie, die den Akkord der Spieler durchsetzt. Und eine gehässige Öffentlichkeit, die jede Druckstelle der Ware, die sie gekauft hat, aufs eifersüchtigste bekrittelt.

Dass nun ein Vorarbeiter dieses Systems, ein ideeller Gesamtpatriot, in seinem Narzissmus gestört wurde, hat weitreichende Konsequenzen für das Gesamtsystem.

„Was hier passiert“, sagte Valentin, „ist ein Skandal, für den Verband, für die Jugend, für die französische Mannschaft und das gesamte Land.“ Valentin hatte im Gegensatz zu den Spielern offenbar erkannt, dass das Drama von Knysna ein katastrophales Licht auf ganz Frankreich werfen würde.

Ein gewisser französischer Sozialist verwandelt sich in diesem Licht in eine stalinistische Kanaille, die den Einzelnen den höheren Idealen unterordnet:

Der sozialistische Politiker Jérôme Cahuzac bot derweil eine gewagte politische Interpretation des Werteverfalls im Fußballermilieu: der Präsident sei schuld, denn das Klima, das in der Nationalmannschaft herrsche, sei jenes, das Nicolas Sarkozy im ganzen Land hervorgerufen habe: „Es ist der Individualismus, der Egoismus, das Jeder-für-sich, und der einzige Maßstab des menschlichen Erfolges ist der Scheck, den jeder am Ende des Monats kassiert.“

Dabei ist die Fahndung nach dem „Verräter“ in der Mannschaft, der die Schimpfworte weitergeleitet hatte, noch das stalinistischste und abstoßendste an der ganzen Geschichte und Abbild der Fahndung nach Streikbrechern in herkömmlichen Streiks. Bemerkenswert ist dennoch, dass das Team den Entlassenen nicht zugunsten von zu erwartenden Torprämien im Stich lässt, sondern zu einer darüber hinausgehenden Solidarität GEGEN die Nation und zu erwartende Schecks in der Lage ist.

Wie sehr dieser Bruch mit dem Gesetz die nationalistischen Massen irritiert ist in den Kommentarzeilen nachzulesen, die die Meldungen begleiten. Da findet die neue deutsche Innerlichkeit ihr grenzübergreifendes Äußeres. Eine kleine Partitur wird im Folgenden gereiht:

Der liberale Bildungsbürger mit Ressentiment schiebt alles auf die Bildung:

„Meine Güte! Es geht um fußball! Um ein Spiel!

Da sind keine Politiker oder Könige oder Präsidenten der Nationen auf dem Spielfeld, die ihr Land repräsentieren sollen. Die sollen Fußball spielen und fertig. Und wenn einem mal der Gaul durchgeht und er in der KABINE einen unflätigen Satz raushaut – was soll’s. Sind eben Fußballer. Wahrscheinlich ebenso aus den bildungsfernen Schichten wie die, die bei uns in den Vereinen spielen. Was will man da erwarten?“

Dabei wäre gerade von gebildeten Leuten zu erwarten, dass sie eine gut pointierte Beleidigung an Ort und Stelle plazieren können und nicht „innere Reichsparteitage“ abhalten, wie sich eine Reporterin den Gemütszustand in einem unter Druck gesetzten deutschen Fußballer in einem genialen Kurzschluss vorstellte. Dass sie also zu Streik und Solidarität mindestens so gut in der Lage sind wie das von ihnen bespottete Proletariat.

Ein Holzfuxx vertritt die deutsch-nationalistischen, wenngleich frankophilen Schlußstrichzieher:

„Frankreich so der Lächerlichkeit preiszugeben, hat die „Grand Nation“ wirklich nicht verdient. Die FIFA sollte einen Schlußstrich setzen und die französische Mannschaft aus dem Wettbewerb ausschliessen. Den Namen „Nationalmannschaft“ hat sie nicht mehr verdient. Eine Schande für alle anderen Fussballspieler der Nation.“

Die französische Bildungsministerin spielt ganz volkspädagogisch die autoritäre Geige:

Die Bildungsministerin Valérie Pecresse warf im Laufe des Tages die Frage auf, wie man eigentlich von jungen Leuten noch erwarten wolle, ihre Lehrer zu respektieren, wenn sie Anelka sähen, der seinen Trainer beleidigt.

Hierzulande sind die Lehrer eher umgeben von ethnopluralistischen, streikfeindlichen Dorfnazis, die sich auf Blogs wie diesem hier tummeln:

„Die französische “Nationalmannschaft” ist ein Witz, ein Schlag ins Gesicht für jeden authochtonen Franzmann. Unsere “deutsche” Mannschaft ist aber auch nicht viel besser – ich fühle mich nicht von Moslems wie Özil repräsentiert ! Ich hab den Serben ihren wohlverdienten Sieg gegen unser islamisiertes Multikultiteam deshalb auch von ganzem Herzen gegönnt ! Serbien ist so ein kleines Land, und doch brauchen sie anscheinend keine importierten “Talente”, um erfolgreich zu sein ! Und schon gar keine Moslems !!!“

Oder einen „kamille“:

„der zum Is lahm konvertierte Anelka zeigt sein wahres Gesicht. Keine Spur von göttlicher Inspiration oder frommen Lebenswandel. Die Religion des Friedens scheint eher ein Sammelbecken für gestörte Afrikaner zu sein (Tyson, Jackson, Clay)“

Die Kakophonie breche ich mit Kommentar aus Frankreich ab:

„Sie haben die Träume ihrer Landsleute, ihrer Freunde und ihrer Fans zerstört“, teilte die Sportministerin mit. Auch Wirtschaftsministerin Christine Lagarde, eine ehemalige Synchronschwimmerin, verurteilte den Trainingsboykott der Spieler am Sonntag: „Auch ich habe die Nationalfarben getragen, ich bin erschüttert.“

Zumindest auf diese Erschütterung des deutschen, französischen und sozialistischen Patriotismus in seinen Grundfesten trinke ich heute abend ein Glas Merlot!

Das Gaza-Gambit

Die Zeitungen können nicht behaupten, es hätte kein Material gegeben – als die mediale Wut sich auf Israel eingeschossen hatte, war durch die festgefahrene journalistische Logik im Vorfeld sicher gestellt, dass die IDF nicht zu Wort kommt. Unmittelbar nach den ersten Hetz-Artikeln rollte die Lawine von antisemitischen Kommentaren los. Wer tatsächlich interessiert gewesen war, hätte lediglich einen Blick in die Jerusalem Post werfen müssen. Dort war von Beginn an die weitaus schlüssigere Version zum Ablauf des Ereignisses veröffentlicht worden: Beim friedlichen Durchsuchen von mehreren unter üblicher ideologischer Flagge fahrenden Schiffen nebst dem Kompromissangebot des freien Geleites zum Hafen wurden die israelischen Soldaten auf einem Schiff in einen Hinterhalt gelockt, sie wurden dort von Beginn an aufs Heftigste attackiert und nachdem zweien von ihnen Waffen entwendet wurden musste das Schiff letztlich mit Gewalt erobert werden. Dabei starben 9 Menschen.

Die antisemitische Version klingt weitaus spannender: Heimtückisch und planvoll hätten israelische Soldaten ein harmloses Schiff mit Hilfsgütern überfallen und willkürlich an die zwei Dutzend Menschen erschossen. Ein solches Vorgehen von einem demokratischen Land mit einer der diszipliniertesten und professionellsten Armeen der Welt  zu erwarten baut auf der Glaubhaftigkeit auf, die nur komplette Absurdität erzeugt. Da kommt kein Zweifel auf bei den  unzähligen kleinen Lichtern, welcher Räson ein solches Vorgehen entsprechen würde. Das Vorurteil fälscht die Erfahrung – Folge 1290003231. In den Hetzspalten der „Zeit“ ist das paradigmatisch enthalten:

„Nicht nur Türken waren im Visier der Israelis. Auch Angehörige von über dreißig Nationen, Muslime, Christen, Atheisten. Darunter auch zwei Bundestagsabgeordnete von den Linken. Sie alle wollten die dreijährige israelische Blockade von Gaza durchbrechen und Hilfsgüter bringen.“

Die ganze Welt im Visier Israels – das ist antisemitischer Jargon par excellence, Projektion der Tatsache, dass sich auf diesen Schiffen die ganze Welt eingefunden hatte, um gegen Israel zu sein – von Linkspartei-Abgeordneten bis zum schwedischen Kriminalroman-Autor und den Vertretern der IPPNW.

Aus den Videobotschaften wird aber klar, mit welchem Kalkül die Schiffsbesatzung ein Lynchkommando organisiert und durchgeführt hat, indem sie Soldaten mit Blend-Granaten, Eisenstangen, Ketten, Messern und professionellen Schleudern attackierte. Ein Idiot, wer die Tödlichkeit solcher primitiven Waffen bezweifelt oder relativiert – hier wurden von vornherein Todesopfer eingeplant. Ebenso geplant verläuft die diplomatische Kür, die die Türkei trotz der Videos vom Angriff der Schiffsbesatzung auf friedliche Soldaten aufrecht erhält. Immer offensichtlicher wird, dass die Türkei nach dem Iran zum neuen Hot Spot staatlich orchestrierten und plebiszitär getragenen Antisemitismus wird. Damit verdient sie sich die Mitgliedschaft in der nicht minder antisemitisch durchwirkten EU sehr redlich. Dass immer noch eine Untersuchung des israelischen Vorgehens gefordert wird und nicht vielmehr die türkischen Botschafter einbestellt werden, folgt der Logik des internationalen antisemitischen Reflexes. Müßig bleibt es, auf die Verkehrung hinzuweisen, dass allein die Hamas die Löschung der wie auch immer notwendigen Hilfsgüter verhindert – und trotzdem auf ganzer Linie gewonnen hat.

Die unvermeidliche Schuld Israels: Die Heimtücke des Feindes immer noch unterschätzt zu haben.

Jerusalem Post I

Jerusalem Post II

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Etwas fleißiger die Zeitungen durchwühlt hat Lizas Welt:

Aufgebrachte Narrenschiffe